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Michael Lerner (Rabbi)
Michael Lerner (1943–2024), US-amerikanischer Rabbiner und Publizist
Leben
- tachles, 2.9.2024:
Rabbiner Michael Lerner verstorben.
Am Mittwoch ist im Alter von 81 Jahren Rabbiner Michael Lerner in Kalifornien verstorben. Der «Forward» bezeichnet den Sohn einer Familie aus Newark, New Jersey, in einer Würdigung als «Löwen des progressiven Judentums». Lerner hat an der Uni Berkeley in Kalifornien Philosophie studiert und wurde dort 1966 Mitglied und dann Campus-Vorsitzender der linken «Students for a Democratic Society». Nach der Auflösung der Gruppe war Lerner 1970 an der Organisation der radikalen Anti-Vietnam-Gruppe «Seattle Liberation Front» (SLF) beteiligt. Einige SLF-Mitglieder gehörten zudem dem terroristischen «Weather Underground» an.
Obwohl Lerner nicht an Gewalttaten beteiligt war, wurde er 1970 als Anstifter einer gewalttätigen Demonstration gegen den Vietnamkrieg verhaftet und angeklagt. Bei dem Prozess stellte sich indes heraus, dass die Ausschreitungen von FBI-Agenten provoziert worden waren. Lerner kam später frei, verlor aber dennoch seinen Job als Lehrbeauftragter an der University of Washington in Seattle. Er lernte damals auch Muhammad Ali kennen. Der Boxer war aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung für Wettkämpfe gesperrt worden. Lerner hat Jahrzehnte später mit dem schwarzen Akademiker Cornell West das Buch «Jews and Blacks: Let the Healing Begin» geschrieben.
Ende der 1970er Jahre wandte sich Lerner der Psychologie zu und entwickelte als Akademiker in Berkeley Ideen, die 1986 in seiner Zeitschrift «Tikkun» eine Plattform fanden. Die Publikation wurde rasch einflussreich und ein Schlagwort Lerners: «Politics of Meaning» – wurde 1993 von Bill und Hillary Clinton übernommen. Amerikaner sehnten sich demnach nicht allein nach wirtschaftlichem Wohlergehen und nationaler Sicherheit, sondern auch nach einem Gefühl der Zugehörigkeit, Verbundenheit und eben Bedeutung in ihrer Existenz. Dieser Begriff geriet allmählich in Misskredit als nebulöse New Age-Idee und Lerner distanzierte sich bald von der moderaten und Wall Street-freundlichen Linie der Clinton-Regierung. Doch die «Sehnsucht nach Bedeutung und Zusammengehörigkeit» bietet weiterhin einen brauchbaren Schlüssel etwa zum Verständnis des Trump-Phänomens.
Lerner blieb einflussreich mit Publikationen gegen die religiöse Rechte («The Left Hand of God: Taking Back our Country from the Religious Right», 2006) und plädierte durchweg für die Anerkennung palästinensischer Menschenrechte («Embracing Israel/Palestine», 2011). Er war gerade auch deshalb Zielscheibe heftiger Angriffe als angeblicher Feind Israels, bezeichnete sich jedoch stets als progressiven Zionisten. Für Debatten und Kritik sorgte er auch 1995 durch seine Ordination zum Rabbiner durch ein aus drei Geistlichen mit orthodoxem Hintergrund bestehendes «Bet Din». Lerner hat kein Rabbiner-Seminar besucht und wurde deshalb immer wieder als unseriös angegriffen. Dies hielt ihn nicht davon ab, eine «neo-chassidische Spiritualität» unter dem Schlagwort «Jewish Renewal» zu entwickeln, die er 1994 in «Jewish Renewal: A Path to Healing and Transformation» umriss. Das Buch wurde ein Besteller.