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Mircea Cărtărescu
Mircea Cărtărescu, Aussprache ˈmirt͡ʃe̯a kərtəˈresku, (* 1. Juni 1956 in Bukarest) ist ein rumänischer Schriftsteller.
Leben
Mircea Cărtărescu stammt aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs in Bukarest auf. Nach einem Philologie-Studium und einer mehrjährigen Tätigkeit als Hauptschullehrer arbeitete Cărtărescu als Lektor für rumänische Sprache und Literatur an der Bukarester Universität. Seine schriftstellerische Vorliebe galt bis 1989 ausschließlich der Poesie. Der Gedichtband Faruri, vitrine, fotografii („Scheinwerfer, Schaufenster, Lichtbilder“) brachte ihm 1980 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbandes. In den nächsten zwanzig Jahren veröffentlichte Cărtărescu Poeme de amor („Liebesgedichte“), Totul („Das Ganze“), Levantul („Levante“), Dragostea („Die Liebe“), Dublu CD („Doppelte CD“) und 50 Sonete („50 Sonette“). Er selbst hält das nicht übersetzte – und, wie er sagt, unübersetzbare – Versepos Levantul für sein „bestes Buch“.[1] Cărtărescu ist heute auch im Westen anerkannt als einer der bedeutendsten Vertreter des rumänischen Postmodernismus.
Nach langjähriger publizistischer Mitarbeit bei den wichtigsten Literaturzeitschriften Rumäniens leistete Cărtărescu 1999 auch als Literaturkritiker einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Erneuerungswege der (rumänischen) Literatur: Seine Dissertation Postmodernismul românesc („Der rumänische Postmodernismus“) ist eine aus der Sicht des Postmodernismus verfasste Analyse der rumänischen Literatur der Gegenwart.[2]
Seit 1978 sind von ihm Gedicht- und Erzählbände erschienen. Der 2007 auf Deutsch erschienene Roman Die Wissenden ist der erste Teil einer Trilogie, die im Original den Titel Orbitor trägt. Deren dritter Teil ist im Herbst 2007 in Rumänien herausgekommen.[3]
2008 erschienen bei Suhrkamp auch seine Kurzerzählungen „Warum wir die Frauen lieben“, die Übersetzung des rumänischen Bestsellers von 2005 (De ce iubim femeile, Humanitas).
In einem langen Gespräch, das 2012 in der Literaturzeitschrift Sinn und Form erschien,[4] gab Cărtărescu ausführlich Auskunft über wichtige Themen seiner Biographie und seines literarischen Selbstverständnisses: Über das, was Poesie für ihn bedeutet, über seine Hinwendung von der Lyrik zur Prosa, über seine zentralen Werke Orbitor und das Poem Levantul („Levante“), über das „Balkanische“ in seinen Werken und über den „Kulturschock“, den er erlebte, als er 1989 nach Westeuropa und Amerika reiste. Über das Spezifische der rumänischen Postmoderne, über die er promoviert hatte, sagte er: „Wir entdeckten die Postmoderne im Vergleich zum Westen ziemlich spät, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Meine Generation benutzte den Terminus, um einen Bruch mit der europäischen Dichtungstradition zu markieren und eine neue Tradition zu schaffen, die ihren Ausgangspunkt in der amerikanischen Literatur hatte. Aber wir verwendeten ihn in erster Linie ideologisch im Sinne einer literaturpolitischen Konfrontation und erst in zweiter Linie ästhetisch oder theoretisch“. In den 1980er Jahren bewegte Cărtărescu sich in Rumänien in Literaturkreisen und einer Gruppe Bukarester Schriftsteller, deren Bedeutung für ihn fundamental war: „Eigentlich war die Wirklichkeit eine Parallelwelt der Literaturkreise, denn die waren für uns die Normalität.“
Das Haus der Kulturen der Welt zeichnete Cărtărescu im Jahr 2012 für seinen Roman Der Körper mit dem Internationalen Literaturpreis aus. Mit Der Körper sei dem Autor ein fulminanter Roman und sprachlich elektrisierendes Kunstwerk von seltener Intensität und Leuchtkraft gelungen. Die Selbsterkundung des Icherzählers Mircea werde zur Welterkundung und breite ein literarisch vernetztes Denken aus, das kleinste und größte Elemente der Existenz zusammenführe, das Denken und Sprechen in neuronaler Metaphorik mit dem Kosmos verwebe, urteilte die Jury.[5]
1994/95 lebte er ein Jahr in Amsterdam. Die Eindrücke dieser Zeit verarbeitete er in seinem Roman Der Körper. Cărtărescus Frau kommt aus einer Pfingstler-Familie.[6]
Zu Ernest Wichners Cărtărescu-Übersetzungen meinte Ronald Pohl (Der Standard) anlässlich des Erscheinens von Melancolia, sie seien „stets federnd und wunderbar ausgehört“.[7] Laut Pohl handle sich bei Melancolia jedoch nicht um einen Erzählband (wie angegeben), sondern um einen verwegenen Kindheitsroman,[7] um Traumimagination.
Werke (Auswahl)
- Nostalgia. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka. Verlag Volk und Welt, Berlin 1997, ISBN 3-353-01094-7.
- Selbstporträt in einer Streichholzflamme. Gedichte. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka. DAAD Berliner Künstlerprogramm, Berlin 2001, ISBN 3-89357-099-3.
- Warum wir die Frauen lieben. Geschichten. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-41961-8.
- Travestie. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-518-42179-6.
- Die schönen Fremden. Erzählungen. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Zsolnay Verlag, Wien 2016, ISBN 978-3-552-05780-7.
- Solenoid. Roman. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Zsolnay Verlag, Wien 2019, ISBN 978-3-552-05948-1.[8]
- Melancolia. Erzählungen. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Zsolnay Verlag, Wien 2022, ISBN 978-3-552-07305-0.
Orbitor-Trilogie:
- Die Wissenden. 1. Teil. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka. Zsolnay Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-552-05406-6.
- Der Körper. 2. Teil. Aus dem Rumänischen von Gerhardt Csejka und Ferdinand Leopold. Zsolnay Verlag, Wien 2011, ISBN 978-3-552-05504-9.
- Die Flügel. 3. Teil. Aus dem Rumänischen von Ferdinand Leopold. Zsolnay Verlag, Wien 2014, ISBN 978-3-552-05689-3.
Auszeichnungen, Ehrungen
- 1980: Preis der Rumänischen Schriftsteller-Vereinigung
- 1989: Preis der Rumänischen Akademie
- 1990: Preis der Rumänischen Schriftsteller-Vereinigung, Preise der Literaturzeitschriften Flacăra, Ateneu, Tomis und Cuvântul
- 1992: Le Rêve nominiert für: Prix Médicis, Prix Union Latine, Le meilleur livre étranger
- 1994: Preis der Rumänischen Schriftsteller-Vereinigung, ASPRO-Preis, Preis der Moldawischen Schriftsteller-Vereinigung
- 1996: ASPRO-Preis, Preise der Literaturzeitschriften Flacăra, Ateneu, Tomis und Cuvântul
- 1997: Preise der Literaturzeitschriften Flacăra, Ateneu, Tomis und Cuvântul
- 1999: Französische Übersetzung von Orbitor nominiert für französischen Prix Union Latine
- 2000: Preis der Rumänischen Schriftsteller-Vereinigung
- 2002: ASPRO-Preis, AER-Preis
- 2006: Orden für kulturelle Verdienste im Range Groß-Offizier (Ordinul „Meritul cultural“ în grad de mare ofițer), verliehen durch den Staatspräsidenten Rumäniens
- 2012: Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt
- 2013: Spycher: Literaturpreis Leuk mit Michael Roes[9]
- 2015: Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für seine Orbitor-Romantrilogie
- 2015: Österreichischer Staatspreis für europäische Literatur
- 2016: Premio Gregor von Rezzori für Der Körper[10]
- 2018: Thomas-Mann-Preis[11]
- 2018: Premio Formentor de las Letras[12]
- 2022: FIL-Preis
- 2022: Los Angeles Times Book Prize, Kategorie „Fiction“, für Solenoid[13]
- 2024: International DUBLIN Literary Award für Solenoid[14]
Literatur
- Anke Pfeifer: Gespräch mit Mircea Cărtărescu. Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer.
- Sinn und Form 3/2012, S. 383–394
Weblinks
- Literatur von und über Mircea Cărtărescu im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rezensionen zu Werken von Mircea Cărtărescu bei perlentaucher.de
- Im Uterus des Schädels. Mircea Cărtărescus Orbitor-Trilogie. Beitrag von Aléa Torik auf literaturkritik.de
- 12. Februar 2017 (FAZ.net): Gastbeitrag (Wir sind schuld, dass Europa wankt) zu Protesten in Rumänien
Einzelnachweise
- ↑ „Die Welt ist die wirkliche Poesie“, Interview mit Mircea Cartarescu, Cargo #4 Inhaltsübersicht (Memento vom 18. September 2010 im Internet Archive), 2009, S. 42
- ↑ Dictionarul Scriitorilor Români, Ed. Fundatiei Culturale Române, Bucuresti, 1995, vol.1, S. 527–530
- ↑ Literaturbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 20. November 2007
- ↑ Anke Pfeifer: Gespräch mit Mircea Cărtărescu. Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer. Sinn und Form 3/2012, S. 383–394.
- ↑ Haus der Welt der Kulturen, abgerufen am 23. Mai 2012.
- ↑ FAZ Nr. 144, 23. Juni 2012, S. Z6.
- ↑ 7,0 7,1 Mircea Cărtărescus „Melancolia“: Nicht alle Häute im Schrank. Abgerufen am 4. Dezember 2022 (österreichisches Deutsch).
- ↑ zeit.de vom 17. Dezember 2019 / Burkhard Müller: Rezension
- ↑ Auszeichnungen: Spycher: Literaturpreis Leuk an Mircea Cărtărescu und Michael Roes. In: boersenblatt.net. web.archive.org, 24. Juni 2013, archiviert vom Original am 2. Mai 2014; abgerufen am 25. November 2019.
- ↑ Mircea Cărtărescu wurde in Florenz geehrt, boersenblatt.net, 15. Juni 2016, abgerufen am 15. Juni 2016
- ↑ Mircea Cartarescu erhält Thomas-Mann-Preis 2018 (Memento vom 13. Februar 2018 im Internet Archive)
- ↑ Premio Formentor für Mircea Cartarescu, boersenblatt.net, erschienen und abgerufen am 10. April 2018
- ↑ https://events.latimes.com/festivalofbooks/bookprizes/history/?sc_eh=cc293d683076ed541
- ↑ Evelyn O’Rourke: Romanian author Mircea Cărtărescu wins Dublin Literary Award, rte.ie, veröffentlicht und abgerufen am 23. Mai 2024.
Personendaten | |
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NAME | Cărtărescu, Mircea |
KURZBESCHREIBUNG | rumänischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 1. Juni 1956 |
GEBURTSORT | Bukarest |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Mircea Cărtărescu aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |