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Obadja, Manasse und Benjamin von Rom

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Obadja, Manasse und Benjamin von Rom nannten sich in einem Kolophon die Drucker der wahrscheinlich ältesten hebräischen Inkunabeln. Ihre Werke erschienen vermutlich um 1470 in Rom.

Forschungsgeschichte

Eine Gruppe von etwa acht undatierten und überwiegend unfirmierten Inkunabeln, die der erste Erforscher hebräischer Frühdrucke, Giovanni Bernardo De Rossi[1], in die Zeit vor 1480 gesetzt hatte,[2] weckte wegen ihres augenscheinlich relativ hohen Alters die Aufmerksamkeit jüdischer Bibliographen. Den Ort Rom als Druckort vermutete, für den einzigen firmierten Druck darunter, im Jahre 1883 als Erster Moïse Schwab, wohl aufgrund des Herkunftsnamens von Rom.[3] Doch damit ist nur gesagt, dass die drei Drucker, oder nur der letztgenannte, Benjamin, aus Rom stammten oder dort wohnten.[4] Einen belastbareren Hinweis für den Druckort fand David Simonsen einige Jahre später in einem 1566 in Venedig gedruckten Responsum des Mose Provençal, der dort ein Werk des Salomo Adret als in Rom gedrucktes zitiert. Dieses Zitat passt nur auf eine der Inkunabeln aus Gruppe von Büchern, auch für die anderen mit gleichen Typen, einer askenasischen Quadratschrift, gedruckten Werke vermutete Simonsen daher Rom als Druckort.[5] Dass diese vermutlich römischen Inkunabeln die ältesten mit hebräischen Typen gedruckten seien, versuchte der Sammler Lazarus Goldschmidt mit inhaltlichen und technischen Argumenten zu zeigen.[6] Sowohl der Lokalisierung nach Rom als auch der Frühdatierung wurde widersprochen, doch erwiesen sich die Gegenargumente als nicht stichhaltig.[7]

Anknüpfend an Goldschmidts Vermutungen und die von Alexander Marx in einer Rezension dazu geäußerten Beobachtung, dass einspaltig gedruckte große Foliobände sonst nur bei sehr frühen Druckern lateinischer Inkunabeln häufiger vorkamen,[8] verglich dessen Bruder Moses Marx systematisch diese hebräischen Drucke mit den Angaben zu frühen lateinischen Drucken aus Italien im Inkunabelkatalog der British Library. Einspaltig gedruckte Foliobände fand er in großer Zahl bei den römischen Druckern Arnold Pannartz und Konrad Sweynheym, aber auch bei Ulrich Han, Georg Lauer[9] sowie bei den von Johannes Philippus de Lignamine[10] verlegten Werken. Ansonsten fand er Drucke dieses Formats noch aus Venedig, doch war es Juden in jener Zeit verboten dort zu wohnen, diese Stadt kam also Kontaktpunkt und Druckort nicht in Frage. Bis auf Lignamine wählten die römischen Drucker dieses Format vorwiegend in den Jahren zwischen 1469 und 1472 und druckten später meist zweispaltig gesetzt beziehungsweise auf kleinere Formate. Auch die Praxis leere Seiten vor dem Titelblatt beim Druck freizulassen fand Moses Marx sowohl in einigen frühen (nicht aber späteren) lateinischen Drucken aus Rom, als auch bei einem der fraglichen hebräischen Drucke. Dies führte ihn zu dem Schluß, dass diese Inkunabeln vermutlich zwischen 1469 und 1472 in Rom gedruckt wurden und die ihre Drucker direkten oder indirekten Kontakt mit frühen deutschen Druckern in Rom hatten.[11] Edwin Hall deutete, bezugnehmend auf Moses Marx' Vermutungen, eine Bemerkung Giovanni Andrea Bussis in der Vorrede zur 1471 von Sweynheym und Pannartz herausgebrachten Bibelausgabe, sie hätten keine hebräischen Typen, als an jüdische Drucker, zu denen Sweynheym und Pannartz vielleicht Kontakt hatten, gerichtete Entschuldigung.[12] Georg Lauer und Eucharius Silber verwendeten später ebenfalls keine hebräischen Typen, sie ließen bei Bedarf Freiräume zum händischen Nachtragen hebräischer Worte.[13]

Weitere Forschungen von Perez Tishby und Adri K. Offenberg bestätigten und ergänzten die Beobachtungen von Moses Marx, mit Modifikationen im Detail, etwa zur vermuteten Erscheinungsreihenfolge der Drucke. Die von ihnen untersuchten Wasserzeichen lieferten einen weiteren Hinweis auf das Alter der Drucke. So findet sich ein Wasserzeichen Armbrust im Kreis in identischer Form sowohl in Ulrich Hans zweiter Liviusausgabe, erschienen vor August 1470, als auch in vier der hebräischen Drucke.[14] Sechs Drucke, für zwei davon wurde ein etwas kleineres Papierformat verwendet, lassen sich über die verwendeten Typen der vermutlich römischen Offizin, für die in einem dieser Drucke die Namen Obaja, Manasse und Benjamin von Rom überliefert ist, zuweisen. Zwei weitere Drucke, in denen eine identische Auszeichnungsschrift verwendet wurde, weisen einige Weiterentwicklungen auf, die keine sichere Zuweisung an diese Offizin möglich machen. Diese beiden Drucke, ein Sefer Mizwot gadol des Mose von Coucy und der Führer der Unschlüssigen des Maimonides, bilden typographisch gleichsam eine Brücke zwischen den um 1470 in Rom und den 1475 in Piove di Sacco gedruckten. Eine Ausgabe von Maimonides' Mischne Tora wurde wegen des Namens einer der beiden Drucker, Obadja ben Moses, bisweilen in einen Zusammenhang mit der Offizin von Obadja, Manasse und Benjamin von Rom gebracht. Sie ist aber in einer sephardischen Schrift gedruckt und daher von den beiden anderen hier behandelten Gruppen zu scheiden.[15] Drei in römischen Archiven gefundene Dokumente deuten auf einen vor 1485 in Rom erfolgten hebräischen Druck. Doch weder der genannte Titel, vermutlich eine Tora, noch die Namen der beteiligten Personen, Angelo di Mose und die beiden Brüder Angelo und Rabbi Dattolo di Consiglio, lassen sich eindeutig einem der bisher bekannten Inkunabeldrucke zuordnen.[16]

Werke

in der von Adri K. Offenberg vermuteten Publikationsreihenfolge:

Literatur

  • Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. On the occasion of his seventieth birthday. English section. Jewish Theological Seminary of America, New York 1950, S. 481–501.
  • Riccardo Di Segni: Nuovi dati sugli incunaboli ebraici di Roma. In: Massimo Miglio, Francesca Niutta, Diego Quaglioni und Concetta Ranieri (Hrsg.): Un Pontificato ed una città. Sisto IV (1471-1484). Atti del convegno, Roma, 3-7 dicembre 1984. Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, Rom 1986 (Studi storici 154-162), S. 291–304.[17]
  • Adri K. Offenberg: What do we know about the very first Jewish printers of Hebrew books? In: Studia Rosenthaliana 33 (1999) 2, S. 174–180 (JSTOR).

Weblinks

Drucke von Ōbadjāh, Mēnašeh und Benjāmin von Rom im Gesamtkatalog der Wiegendrucke

Anmerkungen

  1. Vgl. zu diesem Fausto Parente: De Rossi, Giovanni Bernardo. In: Massimiliano Pavan (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 39 (Deodato–DiFalco), Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1991, S. 205–214 (italienisch).
  2. Giovanni Bernardo De Rossi: Annales Hebraeo-Typographici Sec. XV. Parma 1795 Internet Archive, S. 121−126.
  3. Moïse Schwab: Les incunables orientaux et les impressions orientales au commencement du XVIe siècle. Rapport á M. le Ministre de l’instruction publique sur une mission en Bavière et en Wurtemberg. Techener, Paris 1883 Internet Archive, S. 31, Nr. 13.
  4. Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. New York 1950, S. 481–501, hier S. 486–487; Riccardo Di Segni: Nuovi dati sugli incunaboli ebraici di Roma. In: Massimo Miglio [et al.] (Hrsg.): Un Pontificato ed una città. Sisto IV (1471-1484). Rom 1986, S. 291–304, hier S. 292.
  5. David Simonsen: Zur Bücherkunde. Kleine Mittheilungen. In: Festschrift zum achtzigsten Geburtstage Moritz Steinschneider's. Harrassowitz, Leipzig 1896, S. 164–168 (online), hier S. 166. Vgl. Riccardo Di Segni: Nuovi dati sugli incunaboli ebraici di Roma. In: Massimo Miglio [et al.] (Hrsg.): Un Pontificato ed una città. Sisto IV (1471-1484). Rom 1986, S. 291–304, hier S. 292.
  6. Hebräische Inkunabeln 1475 - 1496. Mit 33 Faksimiles. Katalog 151. Ludwig Rosenthal's Antiquariat, München [1912/1913?]. online, S. 21. Vgl. dazu Alexander Marx: Hebrew Incunabula. In: The Jewish Quarterly Review 11 (1920) 1, S. 98–115 DOI:10.2307/1451269, hier S. 105 und Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. New York 1950, S. 481–501, hier S. 485–486.
  7. Sigmund Seeligmann: Miscellen. II. Die „undatierten Drucke von 1480“. In: Zeitschrift für Hebräische Bibliographie 7 (1903), S. 25–26 (online), ders., in: Zeitschrift für Hebräische Bibliographie 17 (1914), S. 13–16 (online), vgl. dagegen Isaiah Sonne: Druckwesen. In: Encyclopaedia Judaica 6 (1930), S. 39–81, hier S. 41, demnach ist die von Seeligmann angeführte Stelle ist nicht Teil eines Kolophons, sondern findet sich schon in den Handschriften. Zu J. L. Teicher: Notes on Hebrew Incunables. In: Journal of Jewish Bibliography 4 (1943), S. 54 vgl. die Anmerkungen Sonnes bei Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. New York 1950, S. 481–501, hier S. 501.
  8. Alexander Marx: Hebrew Incunabula. In: The Jewish Quarterly Review 11 (1920) 1, S. 98–115, hier S. 105.
  9. Vgl. zu diesem Paolo Veneziani: Lauer, Georg. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 64 (Latilla–Levi Montalcini), Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2005, S. 51–53 (italienisch).
  10. Vgl. zu diesem Carmelo Alaimo: De Lignamine (Del Legname, La Legname, o Legname), Giovanni Filippo. In: Massimiliano Pavan (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 36 (DeFornari–Della Fonte), Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1988, S. 643–647 (italienisch).
  11. Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. New York 1950, S. 481–501, hier S. 488–493.
  12. Edwin Hall: Sweynheym & Pannartz and the Origins of Printing in Italy. German Technology and Italian Humanism in Renaissance Rome. McMinnville, Oregon 1991, ISBN 0-9628568-0-0, S. 61–62.
  13. Moses Marx: On the Date of Appearance of the First Printed Hebrew Books. In: Saul Lieberman (Hrsg.): Alexander Marx. Jubilee Volume. New York 1950, S. 481–501, hier S. 497–498.
  14. Adri K. Offenberg: Hebraica. Hes & de Graaf, 't Goy 2004 (Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Library 13), ISBN 90-6194-259-4, hier S. XLIV–XLV. Zu Tishbys Forschungen, erschienen in hebräischer Sprache in der Zeitschrift Kiryat Sefer 58 (1983), S. 808–857 vgl. auch Riccardo Di Segni: Nuovi dati sugli incunaboli ebraici di Roma. In: Massimo Miglio [et al.] (Hrsg.): Un Pontificato ed una città. Sisto IV (1471-1484). Rom 1986, S. 291–304, hier S. 293–294.
  15. Adri K. Offenberg: Hebraica. 't Goy 2004 (Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Library 13), hier S. XLV–XLVI.
  16. Riccardo Di Segni: Nuovi dati sugli incunaboli ebraici di Roma. In: Massimo Miglio [et al.] (Hrsg.): Un Pontificato ed una città. Sisto IV (1471-1484). Rom 1986, S. 291–304, hier S. 295–298 und 303–305 (Edition durch Anna Esposito und Micaela Procaccia).
  17. Dieser Sammelband erschien auch als Band 5 in der Reihe Littera Antiqua, Città del Vaticano 1986, ISBN 88-85054-05-6, mit gleicher Seitenzählung.
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