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Pygmalion
Pygmalion (griechisch Πυγμαλίων) ist sowohl der Name eines kyprischen Königs der griechischen Mythologie als auch die griechische Bezeichnung des Königs Pumjaton von Tyros, auf den die mythische Geschichte möglicherweise zurückgeht.
Antike Darstellungen
Ovid
Die ausführlichste antike Schilderung findet sich bei Ovid (Metamorphosen Buch 10, Vers 243 ff.):
Der Künstler Pygmalion von Zypern ist aufgrund schlechter Erfahrungen mit Propoetiden (sexuell zügellosen Frauen) zum Frauenfeind geworden und lebt nur noch für seine Bildhauerei. Ohne bewusst an Frauen zu denken, erschafft er eine Elfenbeinstatue, die wie eine lebendige Frau aussieht. Er behandelt das Abbild immer mehr wie einen echten Menschen und verliebt sich schließlich in seine Kunstfigur. Am Festtag der Venus fleht Pygmalion die Göttin der Liebe an: Zwar traut er sich nicht zu sagen, seine Statue möge zum Menschen werden, doch bittet er darum, seine künftige Frau möge so sein wie die von ihm erschaffene Statue. Als er nach Hause zurückkehrt und die Statue wie üblich zu liebkosen beginnt, wird diese langsam lebendig. Aus dieser Verbindung geht ein Kind namens Paphos hervor, nach der später die Stadt benannt werden soll. Im 18. Jahrhundert erhält die zum Leben erweckte Statue den Namen Galatea.
Vergil
Bei Vergil war Pygmalion der Sohn des Königs Belus von Tyros und der Bruder von Dido, die später Karthago gründete. Er ermordete Didos Ehemann Sychaeus aus Habgier.
Mittelalter
Im zweiten Teil des Rosenromans von Jean de Meung aus dem 13. Jahrhundert wird Pygmalion thematisiert.
Neuzeit
Literarische Bearbeitung erfuhr der Stoff bei Johann Jakob Bodmers Pygmalion und Elise (1749), Johann Elias Schlegels Kantate Pygmalion (1766), Jean-Jacques Rousseaus Melodrama Pygmalion (1770), Joseph von Eichendorff: Das Marmorbild (1818) sowie Gottfried Kellers Novelle Regine (1881).
Johann Wolfgang von Goethes Jugendgedicht Pygmalion (1767) und Franz von Suppés Operette Die schöne Galathée (1865) sind Varianten des Stoffes, die eine Bekehrung des Frauenfeindes Pygmalion vorführen. Eine Abwandlung erfuhr der Stoff in E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann.
Bei W. S. Gilbert (Pygmalion and Galatea, 1871) und Georg Kaiser (Pygmalion, 1948) wird das Motiv einer erneuten Versteinerung durchgespielt.
Der irisch-britische Autor George Bernard Shaw benutzte den Stoff 1913 für sein Theaterstück Pygmalion, um die Londoner Gesellschaft zu karikieren. Er verlagert den Blickwinkel vom Künstler Pygmalion auf dessen Werk, das ihn im Unterschied zu früheren Versionen des Stoffs verlässt. Pygmalions Statue ist bei ihm ein Blumenmädchen, dem von einem Linguisten die Sprache der feinen Leute beigebracht wird. Das Bühnenstück wurde mehrmals verfilmt, darunter 1938 in England von Anthony Asquith und Leslie Howard (Der Roman eines Blumenmädchens). Shaw erhielt für diese Adaption von Pygmalion einen Oscar für das beste Drehbuch. Theaterstück und Film bildeten 1956 die Grundlage für Alan Jay Lerners Musical My Fair Lady, das ebenfalls erfolgreich verfilmt wurde.
Erwähnenswert ist auch der Roman Galatea 2.2 (1995) des US-Amerikaners Richard Powers, in dem ein Kybernetiker und ein Schriftsteller gemeinsam einen Supercomputer entwickeln, dem sie Methoden literarischer Interpretation beizubringen versuchen.
Neben dem Musical My Fair Lady war Pygmalion außerdem musikalisches Thema von Jean-Philippe Rameaus Oper Pigmalion (1748), Karl Wilhelm Ramlers Pygmalion. Eine Kantate (1768, Musik von Johann Christoph Friedrich Bach), der Oper Il Pigmalione von Gaetano Donizetti (1816), der Burleske Galatea, or Pygmalion Reversed von Wilhelm Meyer Lutz (1883) und des Musicals One Touch of Venus von Kurt Weill (1943).
Der englische präraffaelitische Maler Edward Burne-Jones fertigte 1875–78 eine Serie von vier Bildern, die das Pygmalion/Galatea-Motiv zum Thema haben: The Heart Desires, The Hand Refrains, The Godhead Fires, The Soul Attains.[1]
Die deutsche Bildhauerin Antje Tesche-Mentzen schuf im Jahre 2008 eine lebensgroße Bronzeskulptur Galatea. Sie zeigt den Augenblick der Verwandlung von einer leblosen Figur hin zu einer lebendigen, schönen Frau.[2] Im Jahr 2013 wurde diese Figur auf der Biennale in Venedig im Rahmen der Kollateralausstellung Overplay im Palazzo Albrizzi ausgestellt.
Siehe auch
- Pygmalion-Effekt
- Agalmatophilie (Pygmalionismus)
- ELIZA
Literatur
- Achim Aurnhammer, Dieter Martin (Hrsg.): Mythos Pygmalion. Texte von Ovid bis John Updike. (Reclam Bibliothek 20053). Leipzig 2003, ISBN 3-379-20053-0 (Anthologie)
- Gereon Becht-Jördens, Peter M. Wehmeier: Vom Kunstobjekt zum lebendigen Menschen. Ovid über Möglichkeiten und Grenzen der Kunst. In: Hans Förstl u. a. (Hrsg.): Metamorphosen (Schriftenreihe der deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e. V 25). Edition GIB, Berlin 2006, ISBN 3-00-019592-0, S. 37–45.
- Andreas Blühm: Pygmalion. Die Ikonographie eines Künstlermythos zwischen 1500 und 1900. (Europäische Hochschulschriften, Reihe 28, Kunstgeschichte, Band 90). Lang, Frankfurt 1988, ISBN 3-631-40797-1 (zugleich Diss. FU Berlin 1987)
- Annegret Dinter: Der Pygmalion-Stoff in der europäischen Literatur. Rezeptionsgeschichte einer Ovid-Fabel (= Studien zum Fortwirken der Antike, Bd. 11). Winter, Heidelberg 1979, ISBN 3-533-02775-9 (zugleich Diss. Bonn 1977)
- Heinrich Dörrie: Pygmalion. Ein Impuls Ovids und seine Wirkung bis in die Gegenwart. Westdeutscher Verlag, Opladen 1974, ISBN 3-531-07195-5.
- Joshua Essaka: Pygmalion and Galatea: The History of a Narrative in English Literature. Ashgate 2001.
- Sonja Fielitz: Der Pygmalion-Mythos als Spiegel literarisch-kultureller Diskurse von der Antike bis zur Gegenwart, in: C. Uhlig/W. R. Keller (Hrsg.): Europa zwischen Antike und Moderne. Beiträge zur Philosophie, Literaturwissenschaft und Philologie (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, Bd. 334). Heidelberg 2014.
- Dieter Martin: Pygmalion. In: Der Neue Pauly (DNP). Band Suppl. 5, Metzler, Stuttgart 1996–2003, ISBN 3-476-01470-3, Sp. 631–640.
- Mathias Mayer, Gerhard Neumann (Hrsg.): Pygmalion. Die Geschichte des Mythos in der abendländischen Kultur. Rombach, Freiburg 1997, ISBN 3-7930-9141-4.
- Inka Mülder-Bach: Im Zeichen Pygmalions. Das Modell der Statue und die Entdeckung der „Darstellung“ im 18. Jahrhundert. München 1998, ISBN 3-7705-3189-2.
- Bettina Hawlitschek (B. Scholz): Paul Delvaux' scheinbare Umkehrung des Pygmalion-Mythos'. In: Bettina Hawlitschek: Fluchtwege aus patriarchaler Versteinerung. Centaurus, Freiburg 1995, ISBN 3-8255-0140-X (zugleich Diss. Freiburg, 1995)
- Birgitt Werner: Das Pygmalion-Motiv in der Aufklärung. In: Wolf Dieter Scholz, Herbert Schwab (Hrsg.): Bildung und Gesellschaft im Wandel. Bilanz und Perspektiven der Erziehungswissenschaft. Friedrich W. Busch & Jost von Maydell zum 60. Geburtstag. BIS, Oldenburg 1999, ISBN 3-8142-0701-7.
- Claudia Weiser: Pygmalion. Vom Künstler und Erzieher zum pathologischen Fall. Eine stoffgeschichtliche Untersuchung. Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-33311-0
Weblinks
- Die Erzählung Pygmalion von Theodor Herzl auf Wikisource
Einzelnachweise
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Pygmalion aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |