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Qanat
Ein Qanat, (arabisch قناة, DMG Qanāh, auch Kanat) ist eine traditionelle Form der Frischwasserförderung meist in Wüstengebieten, um Trink- und Nutzwasser aus höher gelegenen Regionen zu beziehen. Ein Qanat besteht aus einem Mutterbrunnen, mehreren vertikalen Zugangsschächten und dem Qanat-Kanal. Der Qanat-Kanal ist ein Stollen, der mit geringem Gefälle vom Mutterbrunnen über die Zugangsschächte bis zum Qanat-Austritt führt.
Bezeichnungen
Qanate kann man in fast allen Ländern am Persischen Golf sowie in Afghanistan, Pakistan, Syrien, Libyen, am Rande der Taklamakan und im gesamten Maghreb sowie auf den Kanarischen Inseln oder im Harz finden. Daher gibt es viele verschiedene Bezeichnungen für sie. Auf Persisch heißen sie Kariz bzw. Karez (كاريز, DMG Kārīz). Im Oman werden sie Faladsch genannt, in Nord-Afrika, im Maghreb, lautet die Bezeichnung Foggara, was so viel wie „unterirdischer Stollen“ bedeutet. In Marokko sind auch die Bezeichnungen Rhetara, Khettara[1], Hattaras oder Käris gebräuchlich.
Geschichte
Der Ursprung der Qanat-Wassergewinnung liegt vermutlich vor über 2000 v. Chr. im Raum des heutigen Iran, wobei erste schriftliche Hinweise in einem Bericht über einen Feldzug Sargons II. (722 bis 705 v. Chr.) stammen. Vor allem am Rande der Wüsten Lut und Kavir wird heute noch auf diese Art Wasser gewonnen. Als eines der frühesten Qanate kann jenes von Zavareh gelten, das über 5000 Jahre alt ist. Ein anderes Beispiel ist das Qanat von Gonabad, mit einem Mutterbrunnen von 350 m Tiefe und einem Alter von über 2500 Jahren.
Von Iran aus verbreitete sich die Technik der unterirdischen Bewässerungskanäle vor allem über die Seidenstraße in der Antiken Welt und erreichte nach der ersten persischen Eroberung im Jahr 525 v. Chr. Ägypten. Qanatsysteme sind beispielsweise in der Oase Charga nachgewiesen. Später breitete sich diese Technik auch in das Römische Reich aus, wo jedoch die Technik der Aquädukte maßgebender war. Ein Beispiel für eine römische Qanat-Leitung wurde in Brey am Rhein entdeckt, noch weiter nördlich, im Kreis Düren liegt mit 1660 m das längste Wassertunnelbauwerk nördlich der Alpen, das auf diese Weise gebaut wurde: der Drover-Berg-Tunnel.
In Gegenrichtung breitete sich die Technik bis in das nördliche Indien aus, wie Megasthenes etwa 300 v. Chr. berichtet. Doch auch in China sind sie zu finden, z. B. im Bewässerungssystem von Turfan. Mit den Arabern erfuhren die Qanate eine Ausbreitung nach Algerien, Marokko, Sizilien (z. B. die Qanate von Palermo), schließlich Spanien und von hier nach Südamerika.
Planung und Bau
Ursache für den Qanatbau und Ursprung des Wassers
Die Gründe, warum sich die Qanattechnik gerade in den Hochlandkulturen entwickelte und ausbreitete, sind an erster Stelle das Fehlen größerer Flüsse und an zweiter Stelle die Nähe der Siedlungen zu einem vergleichsweise niederschlagsreichen Berg oder Gebirge. Doch auch das aride Klima mit seinen extrem hohen Verdunstungsraten ist hierfür mitverantwortlich, da Quellen schnell austrocknen und eine oberflächliche Leitung des Wassers über lange Distanzen zu hohe Verluste bedingen würde. Für den Grundwasserreichtum sind vor allem die Steigungsregen der Berghänge verantwortlich, deren Wasser versickert und sich in der Tiefe über einem Grundwassernichtleiter ansammelt. Diese Aquifere liegen für einfache Brunnen in weiter Entfernung zu den Versickerungszonen oft zu tief. Wenn in den Bergen jedoch Sickerwasser auf wasserundurchlässige Schichten trifft entsteht Schichtenwasser über dem eigentlichen Grundwasser; hier besteht die Möglichkeit das Wasser abzufangen, bevor es in größere Tiefen verschwindet. Dabei besitzen diese Schichtenwasserspeicher jedoch ihre eigene Strömungsdynamik, so dass dieses Wasser nicht überall vorliegt oder zu erreichen ist.
Vorbereitungen
Aus diesem Grund legt man zunächst Versuchsbrunnen (gamaneh) an und ermittelt das Wasseraufkommen durch Schöpfversuche. Dabei sollte möglichst ein gleichmäßiger und ausreichender Wasserzustrom festzustellen sein. Ist dies der Fall, wird oberirdisch die zukünftige Route des Qanats festgelegt, erst danach fangen mit dem Anlegen eines bis zum Grundwasser reichenden Mutterbrunnens (bir al-umm) die eigentlichen Arbeiten an.
Durchgeführt werden diese in der Regel von Arbeitstrupps aus 3 bis 4 Personen - im Maghreb nutzte man hierfür schwarze Sklaven. Diese sind wegen der engen Schächte und Stollen mit nur einfachstem Gerät ausgestattet. Dazu zählen etwa Seile, kurze Spaten oder auch Hacken, meist einfache Lichtquellen und die zur Bestimmung der Vortriebsrichtung nötigen Utensilien (Wasserwaage, Lot). Regional wurden auch eigene, speziell angepasste Werkzeuge entwickelt. Als weiteres Werkzeug nutzten die Erbauer Schlauch-Wasserwaagen.
Konzeption und Bau eines Qanats erfordern detaillierte Kenntnisse des Untergrunds und des hierdurch bedingten Verhaltens des Wassers, vor allem um die Sicherheit der Arbeiter zu gewährleisten. Dennoch ist die Arbeit an einem Qanat sehr gefährlich. Nur ihre geringe Größe schützt Schächte und Stollen gegen die wirkenden Kräfte im Untergrund, die Gefahr eines Einsturzes oder Wassereinbruchs ist omnipräsent. Neben diesen Sicherheitsaspekten sind vor allem auch vermessungstechnische Kenntnisse unabdingbar, da man ein beständiges Gefälle garantieren muss, der Qanatverlauf möglichst geradlinig sein sollte und die Arbeit nur erfolgreich sein kann, wenn die Basis der Schächte richtig anvisiert wird. Mit vergleichsweise primitiven Hilfsmitteln, einer schwachen Beleuchtung und allgemein widrigen Bedingungen ist dies jedoch höchst schwierig und erfordert viel Erfahrung.
Bau
Ausgehend vom Mutterbrunnen und der durch ihn festgelegten Route, beginnt man vom Zielort des Wassers aus, also dem Siedlungsbereich, etwa alle 20 bis 35 Meter brunnenartige Schächte zu graben. Es gibt jedoch auch einige Fälle, wo von beiden Seiten gleichzeitig gegraben wurde. Die Schächte liegen in einer Reihe und weisen auf den anvisierten Mutterbrunnen. Manchmal werden sie im Bereich des Grundwasserleiters zur Steigerung der Wassermenge durch Verzweigungen ergänzt, dem Qanat zugeschaltete Unterqanate (sozusagen unterirdische Nebenflüsse). Der Abstand der Schächte bedingt den Arbeitsaufwand, weshalb er im Rahmen des für die spätere Wartung Verantwortbaren gerne ausgedehnt wird, besonders wenn sehr tief gegraben werden muss. Damit erschwert sich jedoch die immer wieder notwendige Neubestimmung der Grabungsrichtung. Noch wichtiger dürfte die Tatsache sein, dass der Aushub bei den späteren Horizontalgrabungen nur sehr mühsam an weit entfernte Schächte geliefert werden kann, was schon daher einschränkend auf deren maximalen Abstand wirkt. Je geringer die Grabungstiefe dabei ist, desto günstiger ist es, auch den Abstand der Schächte gering zu halten (manchmal kaum 20 Meter). Die Gesamtlänge solcher Schacht-Ketten kann im Normalfall bis zu 16 km betragen, es gibt jedoch auch Rekorde mit bis zu 80 km. In diesen Fällen kann man davon ausgehen, dass man mit dem Bau im Bereich der Siedlung auf das Gebirge hin begann ohne zu wissen, wann man (und in welcher Höhe) auf den Grundwasserleiter traf. Auf Grund der Desertifikation (und damit des fallenden Aquifers) ist ebenso davon auszugehen, dass diese langen Qanate im Laufe von Jahrhunderten genutzt und verlängert wurden. Die Schächte sind in der Regel 20 bis 200 Meter tief, wobei im Iran im Einzelfall eines Qanats in der Provinz Chorasan 450 m erreicht worden sein sollen. Sie dienen zur Herstellung und später zur Instandhaltung des Stollens sowie zum Luftaustausch.
Die Sohlen der Schächte werden miteinander verbunden, so dass zum Tal hin Wasser zur Bewässerung der Felder aus dem Berg tritt. Auch das Kondenswasser der Luft sammelt sich, von den Felswänden heruntertropfend, in der Tunnelrinne. Der wasserführende Stollen selbst ist 50 bis 80 cm breit und 90 bis 150 cm hoch. Der Stollen muss ein hangabwärts gerichtetes kleines Gefälle aufweisen, um ein Abfließen des Wassers zu gewährleisten. Dieses Gefälle darf nicht zu groß sein, da das Wasser sonst eine zu hohe Geschwindigkeit erreicht und die unbefestigten Stollen-Wände erodiert. Dies würde die Stollen destabilisieren und schließlich zum Einsturz führen, gleichzeitig durch die Wasserfracht auch die Wasserqualität stark herabsetzen. Bei einem Gefälle >1° wird zudem der Grundwasserleiter evtl. nicht erreicht. In kürzeren Qanaten schwankt das Gefälle zwischen 1:1000 und 1:1500; in längeren ist es nahezu horizontal. Ist der Höhenunterschied zu groß, können Stufen eingebaut und somit unterirdische Wasserfälle geschaffen werden. Hieran wurden in manchen Fällen Mühlen angeschlossen, um die Wasserkraft auszunutzen.
Die Vortriebsgeschwindigkeit ist sehr unterschiedlich und richtet sich vor allem nach der Tiefe, der Zahl der Arbeiter und der Bodenbeschaffenheit. Bei 20 Metern Tiefe erreicht ein Arbeitstrupp von 4 Personen etwa 4 m/Tag, bei 40 m Tiefe halbiert sich dieser Wert. Der Qanatbau dauert daher in der Regel mehrere Jahrzehnte.
Der Aushub wird meist mittels Ledersäcken aus den Schächten transportiert und um den Schachtausgang angehäuft. Aus der Luft sehen die Schächte aus wie eine lange Aneinanderreihung ungewöhnlich großer Maulwurfshügel.
Wartung
Für die Gewinnung sauberen Trinkwassers ist die ständige Reinigung der Abflussrinnen von Schlamm und Sand notwendig. Dies folgt genauen Regeln. Um die Schächte vor Materialeintrag von außen abzuschirmen, wurden sie vor allem im direkten Siedlungsbereich abgedeckt.
Anzahl und Rolle
Historisch waren allein im Iran zur Zeit des Perserreichs zwischen 40.000 und 50.000 Qanate gleichzeitig aktiv. Viele antike Qanatsysteme wurden aber aufgegeben und verfielen. Sie wurden in jüngster Vergangenheit im Rahmen von Befliegungen wiederentdeckt. Heute werden im Iran ca. 20.000 bis 25.000 Qanate unterhalten. Diese haben eine Transportleistung von durchschnittlich gut 2.000 bis maximal 35.000 Kubikmeter pro Tag. Zur Zeit des Perserreichs bestand ein Durchfluss von rund 1.000 m³/sec (32 Mrd. m³/Jahr), was etwa dem dreifachen der Elbe in Dresden entspricht. Hatte man keinen permanenten Aquifer erreicht, so konnte der Durchfluss je nach Jahreszeit stark schwanken. Genutzt wurde das Wasser als Trinkwasser, der überwiegende Anteil fand jedoch als Nutzwasser in der Oasen-Landwirtschaft Verwendung und machte diese damit in den ansonsten ariden Gebieten erst möglich; denn Alternativen zu den Qanaten gab es in den entsprechenden Gebieten kaum.
Literatur
- P. Beaumont, M. Bonine, K. McLachlan: Qanat, kariz and khattara: traditional water systems in the Middle East and North Africa. The Middle East Centre, School of Oriental and African Studies, University of London in association with Middle East & North African Studies Press, 1989, ISBN 0-906559-35-9
- Cornel Braun: Teheran, Marrakesch und Madrid: Ihre Wasserversorgung mit Hilfe von Qanaten. Eine stadtgeographische Konvergenz auf kulturhistorischer Grundlage. (Dissertation Universität Bonn) Dümmler, Bonn 1974. ISBN 3-427-75521-5
- Hamid Monadjem: Qanát, eine Ingenieurkunst aus dem antiken Iran. In: Gahname. Fachzeitschrift des Vereins Iranischer Naturwissenschaftler und Ingenieure (VINI) in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Nr. 7, 2004.
- Hamid Monadjem: Qanáte. In: Karl Gratzl, Robert Kostka (Hrsg.): Die Bergwelt des Iran. Weishauptverlag, Gnas 2009, S. 231–239, ISBN 978-3-7059-0297-8.
- Hamid Monadjem: Ghanat, eine uralte Bewässerungstechnik. Dissertation am Institut für Bodenmechanik und Grundbau, Technische Universität Graz, 1980.
Weblinks
- H. E. Wulff: The Qanats of Iran. Scientific American, April 1968, S. 94–105
- P. Beaumont: Qanat Systems in Iran. (PDF; 1,8 MB) Bulletin of International Association of Scientific Hydrology, XVI,1. 3/1971, S. 39–50
- Kariz (Qanat) in Iran. Destination Iran
- Farah Khademolmeleh: Disney Land on Kish. Iran Daily, 3. November 2004 (Memento vom 16. Dezember 2004 im Internet Archive) Qanats auf der Insel Kish
- Saharan fruit-growing, foggara style. Science in Africa, Dezember 2002 Foggara in Algerien
- Foggara-Bewässerung. Algerien
- Carlo Trabia: Kanats of Sicily. Best of Sicily Magazine, März 2005
- Roger D. Hansen: Karez (Qanats) of Turpan, China. Waterhistory.org (PDF-Datei; 235 kB)
- Karez – the Underground Canal. China Culture
Einzelnachweise
- ↑ Mohammed el Faïz: The garden strategy of the Almohad sultans and their successors (1157–1900). In: Michel Conan (Hrsg.): Middle East Garden Traditions: Unity and Diversity. Questions, Methods and Ressources in a multicultural perspective. (Dumbarton Oaks Research Library and Collection) Harvard Press, Washington DC 2007, S. 97
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