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Ramsan Achmatowitsch Kadyrow

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Kadyrow im Dezember 2014

Ramsan Achmatowitsch Kadyrow (russisch Рамзан Ахматович Кадыров; tschetschenisch Къадар Ахьмат-кӀант Рамзан; * 5. Oktober 1976 in Zentoroi, Tschetscheno-Inguschische ASSR, Russische SFSR, Sowjetunion, heute Tschetschenien, Russland) ist ein russischer Politiker der Partei Einiges Russland und seit Mai 2007 Präsident (seit 2. September 2010 „Oberhaupt“)[1] der Teilrepublik Tschetschenien.

Leben und Politik

Kadyrow (rechts) und der russische Präsident Dmitri Medwedew (2008)

Kadyrow ist der Sohn des früheren tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow, der im Mai 2004 ermordet wurde. Er ist der Chef der nach seinem Vater benannten Sicherheitstruppe Kadyrowzy, der seitens Menschenrechtsorganisationen verschiedene Verbrechen gegen Zivilisten zur Last gelegt werden, wie beispielsweise Entführungen, Totschlag und Folter.[2] Im Dezember 2004 wurde Ramsan Kadyrow durch einen Erlass des damaligen russischen Präsidenten, Wladimir Putin, die Auszeichnung Held der Russischen Föderation verliehen.[3] Kadyrow war ab März 2006 Premierminister der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien. Am 2. März 2007 wählte ihn das tschetschenische Parlament auf Putins Vorschlag[4] zum Präsidenten des Landes, nachdem er das 30. Lebensjahr vollendet hatte, das Mindestalter für die Wahl des tschetschenischen Oberhaupts. Am 5. April 2007 wurde Kadyrow in Gudermes in sein Amt eingeführt. In einer seiner ersten Amtshandlungen versprach er den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes, weitreichende wirtschaftliche Hilfen sowie eine umfassende Terrorismusbekämpfung. Mit massiver finanzieller Hilfe aus Moskau sowie steigenden Erlösen aus Ölexporten sollen seine Reformpläne umgesetzt werden.[2]

Im März 2015 wurde Kadyrow der russische Orden der Ehre verliehen. Dies wurde im Westen teilweise als Geste der Versöhnung mit Moskau gedeutet, nachdem eine Kreml-Untersuchung die Ermordung des russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow mit Tschetschenien in Verbindung gebracht hatte.[5][6]

Kadyrow ist Moslem und Anhänger des sunnitischen Sufismus.[7] Im Jahre 2010 verkündete er, die Scharia liege über Russlands Gesetzen und dass die Feinde des Islams beseitigt werden sollen.[8]

Personenkult

Durch den Tod des Vaters gelangte Ramsan Kadyrow an die vorderste Front der tschetschenischen Politik. Kadyrow wurde zunächst Vize-Ministerpräsident und war für Sicherheitsfragen zuständig. Der Aufstieg zum Regierungschef folgte im März 2006. Seitdem erlebte Tschetschenien einen wachsenden Personenkult um Kadyrow; so steht z. B.: „Ramsan, wir sind stolz auf dich“ unter großflächigen Porträts, die über den Straßen Tschetscheniens angebracht sind. Am 2. September 2010 ließ er vom tschetschenischen Parlament seine Bezeichnung von „Präsident“ in „Oberhaupt“ ändern. Nach Aussage Kadyrows stehe nur einer Person in der Russischen Föderation die Bezeichnung „Präsident“ zu, nämlich dem Staatschef. Im Parlament diskutiert wurden jedoch auch Vorschläge, Kadyrow den Titel „Imam“ oder „Vater des Volkes“ zu verleihen.[9]

Im Jahr 2015 schien nicht mehr klar, ob Kadyrow mehr eine Gefahr oder eine Garantie für die Sicherheit der Region darstellte. Kadyrow regiert immer selbstherrlicher und für den Kreml schwerer kontrollierbar. Seine Loyalitätsbekundungen können auch als Machtdemonstration gesehen werden; im Dezember 2014 erklärte er vor 20.000 bewaffneten Männern im Stadion von Grosny: „Wir sind die Infanterietruppen Putins.“ Es gebe Aufgaben, die keine Luftwaffe, keine Marine, keine Armee und keine Nuklearwaffen bewältigen könnten, sondern nur Freiwillige.[10]

Vorwürfe

Folter und Mord

Umar Israilov, ein 2004 nach Österreich geflohener Tschetschene, der gegen die Russen gekämpft hatte und anschließend in Kadyrows Leibgarde diente, wollte sein Wissen über Kadyrows Regime der Öffentlichkeit mitteilen und hatte dazu eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Der Klage legte er Zeugenprotokolle, Expertengutachten, Skizzen von Folterkellern und Fotos misshandelter Tschetschenen bei. Nach Angaben eines angeblichen Agenten Kadyrows stand Israilov deshalb auf einer Liste mit 500 Personen, die im Auftrag von Kadyrow ermordet werden sollten.[11] Tatsächlich wurde Israilov im Januar 2009 in Wien auf offener Straße getötet.

Kadyrow hat stets bestritten, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Die Existenz einer Todesliste hat er mehrfach öffentlich verneint – oder sie gar für „Schwachsinn“ erklärt.[12]

Kadyrow wird von russischen Menschenrechtsorganisationen auch mit dem Mord an der Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa in Verbindung gebracht. Kadyrow hatte Estemirowa mehrfach kritisiert, außerdem soll sie von staatlichen Stellen – auch von Kadyrow persönlich – bedroht worden sein.[13] Sie wurde im Juli 2009 mit mehreren Kopf- und Brustschüssen tot aufgefunden.

Im März 2009 wurde Sulim Jamadajew, ein ehemaliger tschetschenischer General und einer der größten Kontrahenten Kadyrows, auf einem Parkplatz eines wohlhabenden Stadtbezirks von Dubai erschossen. Seit 2002 war er Befehlshaber eines der berüchtigsten Kampfverbände in Tschetschenien „Wostok“ ("Ost"). Auf einer Versammlung im März 2008 warf Kadyrow der Einheit und ihrem Anführer Jamadajew die massenhafte Ermordung von Zivilisten vor. Kurze Zeit später setzte sich Jamadajew in die Vereinigten Arabischen Emirate ab und lebte dort einige Zeit unter einem falschen Namen. Sein Tod wurde erst im Juli 2010 von russischen Offiziellen bestätigt.[14]

Verschwindenlassen von Menschen

In der Dokumentation „Tschetschenien. Vergessen auf Befehl“ von Manon Loizeau werden dem Präsidenten Kadyrow schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen: Dissidenten seien die Zehen ausgerissen worden, ganze Familien würden verschwinden, Oppositionelle würde von einer kriminellen, von Kadyrow gesteuerten Justiz gegen jede Faktizität verurteilt, mehrere Schwestern seien verschwunden, deren Kinder müssen von den Großeltern aufgezogen werden.[15]

Verhaftung von Oppositionellen

Im gleichen Film werden Oppositionelle, die auf einer Konferenz an die von Stalin veranlasste genozidähnliche Deportation des gesamten tschetschenischen Volkes erinnert haben, bei welcher Hunderttausende umkamen, verhaftet und mit konstruierten Drogendeliktvorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, nachdem durch Folter mit Todesdrohung und Elektroschocks fabrizierte Geständnisse erzwungen wurden.[15]

Korruption

In einer Dokumentation von Ilja Jaschin wird Kadyrow Korruption vorgeworfen. Obwohl er laut eigener Steuererklärung 60.000 Euro pro Jahr verdiene, führe Kadyrow einen luxuriösen Lebensstil mit Sammlung von teuren Uhren und Autos, einer Residenz sowie 102 Pferden.[16]

Gefährdung der nationalen Sicherheit Russlands

In derselben Dokumentation erhebt Jaschin den Vorwurf der Gefährdung der nationalen Sicherheit Russlands durch Kadyrow, der eine islamistische Despotie aufbaue.[16]

Sonstiges

Kadyrow erhält umfangreiche Unterstützung durch die russische Staatsregierung und Regierungspartei. Von den Unterstützern sind vor allem Viktor Zolotov, einer der größten Vertrauten von Putin und Wladislaw Surkow, der zwischen 1999 und 2011 für die russische Innenpolitik verantwortlich war, zu nennen.[17] Im Jahr 2008 wurden in Tschetschenien mehrere tote Frauen aufgefunden, die vermutlich Opfer von Ehrenmorden waren. Daraufhin bezeichnete Kadyrow Ehrenmorde als Schwerstverbrechen. „Derartige Traditionen gibt es weder in den Bräuchen des Volkes noch im Islam“, so Kadyrow. Er forderte eine verstärkte Aufklärungsarbeit und eine bessere geistig-moralische Erziehung zur Verhinderung von Ehrenmorden.[18] Der Schweizer Tages-Anzeiger zitierte dagegen eine unbestimmte Quelle, laut der Kadyrow die Tötung der jungen Frauen befürwortet habe.[19]

Nach Ansicht von Ramsan Kadyrow haben Ende 2010 die Republikführung und die Geistlichen einen Sieg gegen den Wahhabismus in Tschetschenien errungen. Kadyrow bezeichnete die Wahhabiten als Feinde des Islam, die den Weg in die Hölle gehen werden. „Die Jugendlichen haben das wahre Gesicht dieser radikal-islamischen Bewegung erkannt und wollen jetzt nicht mehr in die Reihen der Extremisten getrieben werden“, sagte Kadyrow.[20]

Im April 2013 musste Sportminister Salambek Ismailow mit Kadyrow mit der Begründung, dass die Restaurierung seines Ministeriums nicht vorangehe, in einem Boxring trainieren.[21]

Am 25. Juli 2014 wurde Kadyrow im Zusammenhang mit der russischen Politik zur Ukraine auf die Sanktionsliste der Europäischen Union gesetzt.[22]

Am 4. Dezember 2014 berichteten russische Medien von einer Anti-Terroroperation gegen kaukasische Rebellen in Grosny, die Kadyrow persönlich geleitet habe. Die Angreifer hatten mit drei Fahrzeugen einen Polizeiposten überfallen und dabei mehrere Polizisten getötet. Danach hatten sie sich in einem Verlagshaus im Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt verschanzt. Zusammen mit dem anschließenden Gefecht wurden insgesamt zehn Polizisten und neun Angreifer getötet. [23][24]

Im Mai 2015 wohnte Kadyrow einer Hochzeit bei, bei der der Polizeichef Naschud Gutschigow seine zweite Frau heiratete, die zu diesem Zeitpunkt nur 17 Jahre alt war. Die Hochzeit konnte erst nach seinem Fürsprechen stattfinden, da es sonst in Tschetschenien illegal ist, Minderjährige zu heiraten. Beobachter gehen von einer Zwangsheirat aus. In Russland zeigte sich aufgrund der Berichte öffentliche Empörung über Kadyrow.[25] Kadyrow setzt sich auch sonst für die Polygamie ein.[26]

Im Dezember 2017 setzte das US-Finanzministerium Kadyrow auf die sogenannte Magnitski-Liste, ein 2012 beschlossenes Gesetz, welches ein Einreiseverbot für die USA und Einfrieren von sämtlichen Vermögenswerten für Personen vorsieht, denen die US-Regierung vorwirft, für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein. Amerikanischen Unternehmen und Bürgern ist in diesem Zusammenhang untersagt, etwaige Geschäfte mit dem tschetschenischen Präsidenten abzuwickeln. Kadyrow weist seinerseits alle Anschuldigungen zurück.[27]

Trivia

Im März 2011 wurde in Grosny ein Fußballspiel veranstaltet, bei dem eine tschetschenische Auswahl gegen eine brasilianische Weltmeistermannschaft antrat. Im tschetschenischen Team spielten neben Ramsan Kadyrow (als Kapitän) auch Lothar Matthäus und Spieler des Vereins Terek Grosny; für die brasilianische Mannschaft ließen sich ehemalige Weltmeister wie Dunga, Bebeto, Romário, Cafu und Denílson sowie der langjährige Bundesligaspieler Giovane Élber engagieren. Die Brasilianer gewannen mit 6:4, Kadyrow schoss dabei zwei Tore.[28] Während des Spiels feuerte dieser die rund 10.000 Zuschauer mit „Allah ist groß“-Rufen an. Die Veranstaltung wurde ins Leben gerufen, um für Kadyrows Wunsch zu werben, ein Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Grosny auszutragen.[29]

Zu seinem 35. Geburtstag organisierte Kadyrow eine Feier, die vom russischen Konzern AFK Sistema organisiert wurde. Hierbei traten unter anderem der Sänger Seal, die Violinistin Vanessa-Mae, die Schauspieler Jean-Claude Van Damme und Hilary Swank,[30] die Tanztheatergruppe La Fura dels Baus[31] sowie Mitglieder des Deutschen Fernsehballetts auf.[32]

Weblinks

 Commons: Ramzan Kadyrov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Meldung von RIA Nowosti vom 2. September 2010
  2. 2,0 2,1 Moskaus Mann für Grosny, in Süddeutsche Zeitung, Nr. 52: 3./4. März 2007, Seite 10.
  3. http://www.warheroes.ru/hero/hero.asp?Hero_id=2937 russisch
  4. Tschetschenien: Kadyrow Präsident anstelle von Alchanow, in Russland-Aktuell, 16. Februar 2007
  5. Ramzan Kadyrov: Putin’s key Chechen ally BBC, 9. März 2015
  6. Putins starker Mann im Kaukasus, WOZ, 12. März 2015
  7. Holier Than Thou: Ramzan Kadyrov And 'Traditional Chechen Islam'. , October 2009. 
  8. 13 фактов о Рамзане Кадырове. Самое важное из доклада Ильи Яшина. (https://openrussia.org/post/view/12982/).
  9. Meldung von RIA Nowosti vom 2. September 2010, russisch
  10. Kadyrows unheimlicher Schatten, NZZ, 4. April 2015
  11. Florian Klenk: „Bitte helfen Sie mir!“ In: Falter, 21. Januar 2009.
  12. Eduard Steiner: „Tschetschenen-Präsident: Warum hätte ich Israilow töten sollen?“ In: Die Presse, 2. Mai 2009.
  13. Reinhard Veser: Kadyrows Krokodilstränen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Juli 2009.
  14. Кавказский Узел: Ямадаев Сулим Бекмирзаевич. In: Кавказский Узел. (http://www.kavkaz-uzel.eu/articles/135170/).
  15. 15,0 15,1 Manon Loizeau: Vergessen auf Befehl (Film), Dokumentation, ausgestrahlt am 18.07.2016 auf Phoenix. Online-Version auf youtube
  16. 16,0 16,1 Tageszeitung Die Welt: Die Angst vor Ramsan Kadyrow geht um. Der Oppositionelle Ilja Jaschin bezeichnet den tschetschenischen Präsidenten Kadyrow in seinem Bericht als Gefahr für Russlands Sicherheit, denn er könnte einen neuen Islamischen Staat schaffen, heruntergeladen am 18.07.2016
  17. 13 фактов о Рамзане Кадырове. Самое важное из доклада Ильи Яшина. (https://openrussia.org/post/view/12982/).
  18. Kadyrow verurteilt Ehrenmorde in Tschetschenien, in Russland-Aktuell, 30. November 2008
  19. «Die Ehre ist das Einzige, was dem Mann bleibt» In: Tages-Anzeiger, 9. September 2010.
  20. Kadyrow spricht von ideologischem Sieg über Wahhabiten, in RIA Novosti, 27. Dezember 2010.
  21. Tschetschenische Minister müssen zu Kadyrow in den Boxring. In: Der Standard. 23. April 2013, abgerufen am 23. April 2013.
  22. Amtsblatt der Europäischen Union: Durchführungsverordnung (EU) Nr. 810/2014 des Rates der Europäischen Union vom 25. Juli 2014
  23. http://de.ria.ru/politics/20141204/270140239.html
  24. http://rt.com/news/211267-grozny-counter-terrorist-operation/
  25. https://www.welt.de/politik/ausland/article141036813/Wer-kann-und-will-soll-sich-eine-Zweitfrau-nehmen.html
  26. http://www.sueddeutsche.de/politik/aerger-um-kadyrow-tschetschenischer-praesident-tanzt-auf-zweifelhafter-hochzeit-1.2483585
  27. Deutsche Welle (www.dw.com): US-Sanktionen gegen Tschetschenen-Chef Ramsan Kadyrow | Aktuell Europa | DW | 20.12.2017. Abgerufen am 25. Dezember 2017.
  28. Kadyrow und der unbezwingbare Welterklärer Matthäus. In: Zeit Online, 10. März 2011.
  29. Matthäus: Tore für Kadyrow. In: Süddeutsche Zeitung, 8. März 2011.
  30. Benjamin Bidder: „Kadyrow ist ein Sadist“ In: Spiegel Online, 6. September 2013 (Interview mit Swetlana Gannuschkina).
  31. La Fura dels Baus participa en la fiesta del déspota líder checheno KadírovLa Voz de Barcelona, 19. Okt. 2011
  32. BamS, via MDR-Fernsehballett tanzte für Kadyrow. In: Süddeutsche Zeitung, 16. Okt. 2011.

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