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Sami Bollag

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Sami Bollag

Sami Bollag (19432017), Modeunternehmer und langjähriger Präsident des Keren Hajessod Schweiz

Nachruf im Magazin tachles, März 2017

Im Sommer 2016 legte Sami Bollag das Amt als Präsident des Keren Hajessod (KH) nach 15 Jahren nieder. Kurz zuvor hat er der Stadt Rehovot ein neues Gemeindezentrum übergeben, das der KH Schweiz initiierte und finanzierte: «Dieses Projekt wollte ich abschliessen.» Für ihn war das Zentrum eine Herzensangelegenheit, die vieles vereinte, was ihm wichtig war: Integration, Förderung junger Menschen, Engagement von Israel ausserhalb der Hotspots. Im Juli übergab er das Präsidium an seine Nachfolgerin Carole-Maud Hofmann und blieb als erster Schweizer im israelischen Vorstand der Organisation.

Am Sonntag ist Sami Bollag nach mehr als einem Jahr schwerer Krankheit für viele überraschend verstorben. Mit Bollag verliert die Modewelt einen Pionier, die jüdische Welt einen unideologischen Verfechter einer gleichberechtigten Gesellschaft. So hatte er in den letzten Jahrzehnten als eine der prägnantesten Persönlichkeiten gerade in der jüdischen Gemeinschaft über alle politischen Grenzen hinaus Menschen zusammengeführt und sie für Solidarität mit Israel gewinnen können.

Mann der Taten

Bollag war vor allem ein Mann der Taten. Im Zwiegespräch hörte er zu, fragte kurz und scharf nach. Hinterfragte – und machte sich dann an die Umsetzung. Charme und Humor verband er mit Sachkenntnis, die sich jeweils bei Entscheidungen zeigte. Zu viele der Worte verlor er darüber nicht.

Bollag war in Luzern geboren und tief geprägt vom traditionellen Judentum, das in einer jahrhundertelangen Familiengeschichte in der Schweiz verankert war. Nach Aufenthalten in Talmudschulen und seiner Ausbildung stieg er im Jahre 1968 in die Modebranche ein und übernahm 1974 den Familienbetrieb. Die Bollag-Guggenheim hatte sein Vater, der einer Modefamilie entstammte, 1947 gegründet – die Firma etablierte sich bald erfolgreich als Schweizer Textil- und Modeunternehmen. Sami Bollag führte das Unternehmen strategisch und gab ihm den internationalen Schwung. Rasch machte er sich in der Branche einen Namen mit einem feinen Gespür für den Markt – insbesondere auch für die jungen Konsumenten. Bekannt wurde er als Inhaber der Modemarke Esprit in der Schweiz, Deutschland und Italien. Nach dem Verkauf legte er den Grundstein für die familien-eigene Bollag Fashion Group in der Schweiz mit rund 25 Geschäften und Concept Stores. Über 20 Marken und internationale Brands holte Bollag aus aller Welt nach Glattbrugg in den Hauptsitz der Modegruppe mit über 150 Angestellten. Wer ihn im Umfeld seiner Firma oder bei Auftritten in der Branche sah, fand einen Unternehmer mit Weitsicht, Visionen und einen Pionier mit einem feinen Gespür für Kunden, Marketing und aber auch für die Entwicklung der Gesellschaft. Bollag war ein Kosmopolit mit starker Verwurzelung in der Schweiz. In der Firma war er vor allem der Motivator, der den vielen jungen Mitarbeitenden, die er förderte, Freiräume liess. Von Guess bis Marc O’Polo eröffnete er erfolgreich Schweizer Filialen.

Familienmensch

Rückgrat für den Erfolg war seine Familie. Mit seiner Frau Anette an der Seite auch in der Firma vermochte Sami Bollag den Wandel in der Retail-Branche vorzunehmen und wirkte erfolgreich gegen internationale Trends der Billiganbieter. Die Presse lobte Bollag als einen der wichtigsten Modeunternehmer des Landes. Rechtzeitig erkannte er die digitalen Entwicklungen in der Branche und versuchte seine Gruppe zu positionieren. Mode blieb sein Elixier. Im Jahre 2015 brachte er dies in einem Interview so auf den Punkt: «Für mich bedeutet Mode Spannung, Herausforderung, Ästhetik, stetigen Wandel, Liebe zum Detail, Verschönerung des Individuums, visuelle Darstellung, Architektur, Kontakt zum Menschen. Es ist ein unglaubliches Privileg, immer noch an vorderster Front mitzuwirken. Für mich ist das Business eine Folge dieses wunderbaren Metiers, das ich seit dem ersten Tag geniesse.»

Im Zentrum aller Aktivitäten allerdings blieb seine Familie. Seine Töchter und seine Ehefrau waren Ausgangspunkt des Familienmenschen, den auf dem nationalen und internationalen Parkett jeder kannte. Mit seinem prägnanten Aussehen, der in die weissen Haare hochgeschobenen Brille, immer mit einem Lächeln im Gesicht, galt Bollag vielen als Mentor und nicht als Konkurrent. Menschen und langjährige Freundschaften waren ihm wichtiger als der reine Erfolg.

Verwurzelt in der jüdischen Tradition

So sehr Bollag in der Modewelt mit Passion unterwegs war, so stark blieb er seiner jüdischen Tradition verwurzelt. Oft war er am Schabbat als Vorbeter zu hören und engagierte sich für die Entfaltung jüdischen Lebens. Abende mit der Familie und Freunden aus aller Welt im Hause Bollag in Küsnacht waren immer mehr als gesellschaftliche Abende. Bollag wollte Themen setzen und vermochte es, zusammen mit seiner Gattin, Menschen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur mit seinem offenen selbstbewussten jüdischen Zugang zu vereinen. Der damalige israelische Staatspräsident Shimon Peres ehrte Bollag im Jahre 2012 in Jerusalem mit dem Yakir-Preis. Im Jahre 2015 folgte Peres dann der Einladung von Sami Bollag zu einem seiner letzten öffentlichen Auslandbesuche für einen denkwürdigen Auftritt beim Keren Hajessod. Wie zentral Sami Bollag in der jüdischen Gemeinschaft war, zeigte sich bei der Abdankung am Montag auf dem Israelitischen Friedhof in Zürich. Hunderte von Menschen aus der Schweiz und der ganzen Welt vereinten sich wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht seines Todes und vermittelten nachdrücklich, welche grosse Lücke dieser Freund und Pionier hinterlässt.

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