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Schweizer Bauernverband

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Der Hauptsitz des Schweizer Bauernverbandes an der Laurstrasse 10 in Brugg

Der Schweizer Bauernverband (SBV, bis 2013 Schweizerischer Bauernverband; französisch Union suisse des paysans, italienisch Unione Svizzera dei Contadini) vertritt die Interessen der Landwirtschaft in der Schweiz und gilt als eine der einflussreichsten Organisationen des Landes.[1][2]

Geschichte

Die Gründung erfolgte 1897 im Berner Rathaus.[3] Drei Jahre später wurde der Verbandssitz von Bern nach Brugg verlegt, da die Ehefrau des damaligen Verbandsdirektors Ernst Laur von dort stammte und auf keinen Fall nach Bern ziehen wollte. Eine weitere prägende Person in den Anfangsjahren war Fritz Zaugg. Aus dem kleinen Bauernsekretariat (Schweizerisches Bauernsekretariat; kurz SBS) entwickelte sich durch die Schaffung neuer Abteilungen mit der Zeit ein Verband mit über 80 Festangestellten. 1941 hat sich der Schweizerische Landfrauenverband dem SBV angeschlossen[4]. 1937 war der SBV bei der Gründung des Landwirtschaftlichen Informationsdiensts (LID) beteiligt.[5] 1947 wurde eine Vermittlungsstelle für landwirtschaftliche Arbeitskräfte und Praktikanten ins Leben gerufen. Die Arbeitskräfte wurden vorerst hauptsächlich in Italien, später in Spanien, Portugal und Jugoslawien rekrutiert.[6] Der Bund übertrug Mitte der 1970er-Jahre die zentrale Auswertung der Buchhaltungsergebnisse auf die Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik in Tänikon. Infolge wurde der SBV 1979 reorganisiert und das SBS aufgelöst. Die Beeinflussung des Gesetzgebungsverfahrens zu Gunsten der Landwirtschaft und die Erbringung von Dienstleistungen für die Mitglieder rückten in den Vordergrund.[7] 1981 wurde die Kleinbauern-Vereinigung als Sektion aufgenommen, bevor 1982 der Austritt wegen Differenzen zur Kleinbauern-Initiative erfolgte.[8]

Direktor der Geschäftsstelle des SBV ist seit 2020 der FDP-Politiker Martin Rufer, Präsident des Verbandes ist seit 21. November 2012 der Mitte-Politiker Markus Ritter. Ritter ist der erste Biolandwirt, der dieses Amt innehat.[9]

Ab 1995 wurden unter dem Namen agri.ch Internetdienstleistungen vom Verband angeboten. Nach einem Management-Buy-out entstand daraus im Jahr 2001 das Unternehmen green.ch.

Organisation und Ziele

Zusammengesetzt ist der Verband aus Vertretern von 25 kantonalen Bauernverbänden und von 57 landwirtschaftlichen Fachorganisationen (20 aus dem Bereich Tierproduktion, 13 aus dem Bereich Pflanzenbau, 6 Genossenschaftsverbände und 18 aus sonstigen Bereichen; Stand Mai 2021).[10] Der Hauptsitz des SBV befindet sich in Brugg.

Die angeschlossenen Teilverbände vertreten rund 52'000 Bauernbetriebe.[11] Sie wählen 500 Mitglieder für die Delegiertenversammlung, welche die Verbandsziele festlegt und Grundsatzentscheide fällt. Die Delegierten wählen aus ihren Reihen eine hundertköpfige Landwirtschaftskammer (LAKA); deren Aufgaben sind Einkommenssicherung, Eingaben an Behörden und Aufsicht über die Geschäftsführung. Der Verbandsvorstand besteht aus 18 bis 21 Mitgliedern. Er behandelt die laufenden Verbandsgeschäfte, bildet Fachkommissionen und ernennt die Mitglieder der Geschäftsstelle.

Der SBV-Direktor Martin Rufer[12] und sein Stellvertreter Urs Schneider können direkt im Bundeshaus lobbyieren. Die Zutrittsberechtigung für das Parlamentsgebäude wurde ihnen vom SBV-Präsident sowie Nationalrat Markus Ritter erteilt.[13][14]

Der SBV setzt sich folgende Ziele: Angebot verschiedener Dienstleistungen für Landwirte, Erhaltung des bäuerlichen Familienbetriebs, angemessenes Einkommen für die Bauern, Einflussnahme auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sinnvolle Nutzung des Bodens, Erzeugung von Qualitätsprodukten mittels transparenter Produktionsverfahren und Herkunftsbezeichnungen, Schutz des Kulturlandes und Schonung der Natur.

Zur Erfüllung dieser Ziele betreibt der SBV verschiedene Dienstleistungsbetriebe, diese umfassen Agrimpuls (Arbeitsvermittlung), Agriprof (Bildungswesen), Agriexpert (Treuhandleistungen, Rechts- und Bewertungsfragen), das Landwirtschaftliche Bau- und Architekturbüro LBA sowie die Agrisano-Unternehmungen. Bei letzteren handelt es sich um fünf rechtlich und wirtschaftliche unabhängige Unternehmungen (Agrisano Stiftung, Agrisano Krankenkasse AG, Agrisano Versicherungen AG, Agrisano Prevos und Agrisano Pencas), die gemeinsam auftreten und Bauernfamilien und deren Angestellten selbstentwickelte und bedürfnisgerechte Lösungen im Bereich der Personenversicherungen anbieten. Die Agrisano arbeitet eng mit den kantonalen landwirtschaftlichen Berufsorganisationen zusammen, die für die Agrisano regionale Geschäftsstellen (Regionalstellen) betreiben.

Finanzierung

Der Bauernverband finanziert sich zu zwei Drittel über die Erträge seiner Dienstleistungen und zu einem Drittel über die Beiträge seiner Mitgliedssektionen. Diese Beiträge werden von den Bauernfamilien direkt oder indirekt bezahlt und belaufen sich je nach Betriebsgrösse auf ca. Fr. 100.-- bis Fr. 150.-- pro Bauernfamilie und Jahr. Die Beiträge der Bauernfamilien ihrerseits unterteilen sich im Verhältnis 3:2 in Flächenbeiträge und Produktionsbeiträge. Grund für diese Aufteilung ist, dass damit sowohl die bewirtschaftete Fläche als auch die Wertschöpfung der verschiedenen Produktionszweige berücksichtigt wird. Die Delegiertenversammlung stimmt jährlich über die Flächenbeiträge ab und beschliesst zudem alle vier Jahre über die produktbezogenen Beiträge, welche dem aktuellen Anteil der Endproduktion angepasst werden.

Der jüngste Beschluss der Delegiertenversammlung passte die Höhe der produktbezogenen Beiträge per Anfang 2018 an. Die produktbezogenen Beiträge waren aufgrund der Endproduktion neu berechnet worden und brachten für einzelne Mitgliedssektionen zum Teil erhebliche Veränderungen mit sich. Darum passte der SBV gleichzeitig auch die Vertretungsrechte in den Gremien an.

Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) akzeptierte den Beschluss der Delegiertenversammlung nicht und beschloss Ende Februar 2018 rückwirkend auf den 1. Januar 2018 aus dem SBV auszutreten.[15]

Positionen

Agrarpolitik 22+

Der Bauernverband begrüsst die Sistierung der Agrarpolitik 22+, da diese laut SBV den Bauernfamilien keine Perspektive biete und unausgereift sei.[16][17]

Tierschutz

Dem Verband ist der Tierschutz nach eigenen Angaben sehr wichtig. Er setzt sich deshalb für einen klaren Vollzug des Tierschutzgesetzes ein[18] – auch ist der Verband gegen die Schlachtung trächtiger Kühe und Rinder. Laut Martin Rufer vom SBV sind Sanktionen durch Schlachthöfe aber effizienter als Bussen.[19] Der Verband findet Massentierhaltung aber in Ordnung und bekämpfte indes die Eidgenössische Volksinitiative «für ein naturnahes Bauern – gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)». Ebenso wird die am 25. September 2022 zur Abstimmung kommende eidgenössische Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)» bekämpft.[20] Ausserdem setzt sich der SBV dafür ein, dass die Direktzahlungen an die Bauern (rund 2,8 Milliarden Franken pro Jahr) nicht reduziert werden, da der grosse Teil an gemeinwirtschaftliche Leistungen gebunden ist.[21] Indes ist der SBV Mitglied bei der Branchenorganisation Proviande.

Parolen

CO2-Gesetz

Die Landwirtschaftskammer fasste nach einer kontradiktorischen Auseinandersetzung mit 56 zu 19 Stimmen und bei 9 Enthaltungen die Ja-Parole zum CO2-Gesetz.[22]

Pestizid-Initiativen

Eine nachhaltige Landwirtschaft ist dem Bauernverband gemäss eigenen Angaben sehr wichtig.[23] Allerdings bekämpft der Bauernverband die Trinkwasser- und Pestizid-Initiative – welche beide am 13. Juni 2021 zur Abstimmung kommen – weil diese seiner Meinung nach weit über das Ziel hinausschiessen.[24][25] Laut SBV-Vizedirektor Urs Schneider sei dies die grösste Kampagne in der 125-jährigen Geschichte des Schweizer Bauernverbandes. Schneider koordiniert die 2x-NEIN-Kampagne.[26]

Referendum gegen Freihandelsabkommen mit Indonesien

Bei der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wird das Freihandelsabkommen mit Indonesien vom Bauernverband befürwortet.[27]

Konzernverantwortungsinitiative

Die Landwirtschaftskammer hat die Nein-Parole zur Konzernverantwortungsinitiative beschlossen.[28]

Direktoren des SBV (in Klammern die jeweilige Amtsdauer)

Präsidenten des SBV (in Klammern die jeweilige Amtsdauer)

Vorstand des SBV

Der Vorstand des SBV ist stark von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) dominiert[31][32] und setzt sich neben dem Präsidenten Markus Ritter wie folgt zusammen:[33]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Thomas Angeli, Otto Hostettler: Die Macht der Bauern. Die Landwirtschaftslobby hat ein Paralleluniversum errichtet. Mit durchschlagendem Erfolg: Sie erstickt jede Sparidee im Keim und kanalisiert die Finanzströme in ihre Richtung. In: Beobachter 20/2016 vom 30. September 2016, S. 16–25.
  2. Marco Schnurrenberger: Erfolgreiches Lobbying - Der Bauernverband hat viel Einfluss – zu viel? In: srf.ch. 28. August 2019, abgerufen am 29. August 2019.
  3. Renate Hodel, Jonas Ingold: «Am wichtigsten ist, dass die Schweizer Landwirtschaft weiterhin ein Wirtschaftsfaktor ist». In: lid.ch. Landwirtschaftlicher Informationsdienst, 10. Juni 2022, abgerufen am 26. September 2022.
  4. Peter Moser: Schweizerischer Landfrauenverband im Historischen Lexikon der Schweiz
  5. Landwirtschaftlicher Informationsdienst (LID). In: histoirerurale.ch. Archiv für Agrargeschichte, abgerufen am 28. Mai 2021.
  6. SBV – Geschichte (Abgerufen am 16. März 2021)
  7. Schweizer Bauernverband. In: histoirerurale.ch. Archiv für Agrargeschichte, abgerufen am 28. Mai 2021.
  8. Vereinsgeschichte Kleinbauern-Vereinigung. (PDF) In: kleinbauern.ch. 2018, abgerufen am 16. Mai 2021.
  9. Schweizer Bauernverband: Markus Ritter ist neuer Bauern-Präsident (Memento vom 8. Dezember 2013 im Internet Archive). Medienmitteilung vom 21. November 2012.
  10. Mitgliedorganisationen des Schweizer Bauernverbandes. In: sbv-usp.ch. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  11. SBV – Organisation (Abgerufen am 16. März 2021)
  12. Interessenbindungen: Martin Rufer. in admin.ch
  13. Register der Zutrittsberechtigten. In: parlament.ch. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  14. Geschäftsstelle des Schweizer Bauernverbandes. In: sbv-usp.ch. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  15. VSGP tritt aus dem Bauernverband aus In: gemuese.ch, 23. Februar 2018, abgerufen am 23. Februar 2018.
  16. SRF 4 News: Nationalrat legt Agrar-Reform auf Eis. In: srf.ch. 16. März 2021, abgerufen am 16. April 2021.
  17. Liz Horowitz: Agrarpolitik 22+ - Zu viel Ammoniak kostet Millionen – ein Ende ist nicht absehbar. In: srf.ch. 7. Dezember 2020, abgerufen am 7. Dezember 2020.
  18. Catherine Boss: «Beim Tierschutz gibt es keine Schmerzgrenze». Tagesanzeiger, 4. Juli 2019, abgerufen am 27. Januar 2020.
  19. Peter Fritsche: Trächtige Kühe im Schlachthof - Strafe für Bauern soll Leiden der ungeborenen Kälber stoppen. SRF, 29. November 2019, abgerufen am 15. Januar 2020.
  20. Pascal Tischhauser: SVP, FDP, Mitte und GLP: 1,2 Millionen für Abstimmungskampagnen. In: blick.ch. 4. Juli 2022, abgerufen am 12. Juli 2022.
  21. Curdin Vinzenz: Ein abgekartetes Spiel - Warum die Bauernlobby in der Schweiz immer noch so mächtig ist. In: srf.ch. 23. November 2019, abgerufen am 23. November 2019.
  22. «Die Landwirtschaft will ihren Beitrag leisten» – der SBV sagt Ja zum CO2-Gesetz In: bauernzeitung.ch, 30. April 2021, abgerufen am 30. April 2021.
  23. StandPunkt von Markus Ritter, Präsident SBV, zur Ausbildung In: diegruene.ch, 15. November 2019, abgerufen am 27. Januar 2020.
  24. Bauernverband: Trinkwasserinitiative schiesst am Ziel vorbei In: aargauerzeitung.ch, 7. Mai 2019, abgerufen am 18. Mai 2019.
  25. Angelika Hardegger: Agrarfilz, Fake-News und ein brisantes Gutachten: Der Kampf um die Trinkwasser-Initiative hat schon begonnen. In: nzz.ch, 7. Mai 2019, abgerufen am 18. Mai 2019.
  26. Georg Humbel: Agrarinitiativen – Die Millionenschlacht um die Zukunft der Landwirtschaft. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 5. Mai 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
  27. Palmöl: Bauernverband für Freihandelsabkommen. In: schweizerbauer.ch, 25. Januar 2021, abgerufen am 26. Januar 2021.
  28. Schweizer Bauernverband: Landwirtschaftskammer unterstützt Sistierung der Agrarpolitik 22+. 21. September 2020, abgerufen am 8. Oktober 2020.
  29. SBV-Direktor Jacques Bourgeois tritt zurück. (Nicht mehr online verfügbar.) In: ufarevue.ch. 21. November 2019, ehemals im Original; abgerufen am 24. November 2019. (Link nicht mehr abrufbar)
  30. Adrian Krebs: SBV-Vorstand schlägt Martin Rufer als neuen Direktor vor. In: bauernzeitung.ch. 12. Dezember 2019, abgerufen am 12. Dezember 2019.
  31. Die Agrarlobby gerät in Bern stärker unter Druck. In: cash.ch. 20. Februar 2023, abgerufen am 20. Februar 2023.
  32. Agrarlobby in Bern unter Druck. In: blick.ch. 20. Februar 2023, abgerufen am 20. Februar 2023.
  33. Vorstand des Schweizer Bauernverbandes. In: sbv-usp.ch. Abgerufen am 20. Februar 2023.

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