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Schwingungstilger
Als Schwingungstilger (auch kurz Tilger oder Tilgerpendel) werden besondere Arten von Schwingungsdämpfern bezeichnet. Schwingungstilger sind nicht zwischen zwei Objekten befestigt, sondern nur an einem. Die Eigenfrequenz des Tilgers wird auf die zu eliminierende Resonanzfrequenz des Objekts abgestimmt. Bei dieser Frequenz führt das Objekt nur noch geringe Bewegungen aus. Unterhalb und oberhalb dieser Frequenz ist die Amplitude des Objekts dagegen größer als ohne Tilger.
Funktionsprinzip
Die Tilgermasse bildet zusammen mit einer eigenen Tilgerfeder ein Pendel, dessen Eigenfrequenz auf die zu eliminierende Schwingfrequenz (beispielsweise des Gebäudes) eingestellt wird.[1] Bei dieser Frequenz kann der Tilger große Auslenkungen ausführen - die Kräfte am Federansatzpunkt (= Befestigungspunkt mit der zu beruhigenden Struktur) werden daher ebenfalls groß. Der Schwingungstilger entzieht bei dieser Frequenz der Struktur Schwingungsenergie für seine eigenen Schwingbewegungen.
Ganz analog für den Spezialfall von Drehschwingungen arbeiten Zweimassenschwungräder.
Durch die Kopplung der beiden schwingungsfähigen Gebilde entstehen allerdings unter- und oberhalb der Tilger-Eigenfrequenz neue Eigenfrequenzen, die aus der Kombination der Struktur mit dem Tilger entstehen. Bei diesen beiden Frequenzen ergibt sich für die Struktur prinzipbedingt eine Verschlechterung der Situation (stärkere Schwingungen).
In wenigen einfachen Fällen lassen sich Tilger mittels einfacher Überschlagsformeln dimensionieren. Sobald jedoch die Anregung nicht monofrequent, sondern breitbandig und nicht harmonisch, sondern transient vorkommt, werden genauere Untersuchungen erforderlich, um das Optimum an Dämpfung zu ermitteln. Diese ist oft adaptiv, d. h., sie kann sich automatisch an die Bedingungen anpassen.
Daneben gibt es aktive Hydraulik-Systeme an Tilgerpendeln, die in der Lage sind, die Schwingungen des Gebäudes auf Null zu bringen.
Zu unterscheiden sind:
- gewöhnliche (passive) Tilger,
- aktiv gesteuerte Tilger und
- semiaktive Schwingungstilger, bei welchen die im Bedarfsfall benötigte Energie üblicherweise in Form einer vorgespannten Feder gespeichert ist (Blockierung und Auslösung erst oberhalb eines bestimmten Schwellwertes)
Anwendungen
Bauwerke
Tilgerpendel dienen dazu, die insbesondere von Wind, aber auch von Erdbeben und menschlichen Einflüssen erzeugten Gebäudeschwingungen aufzufangen. Klassische Anwendungsfälle sind z. B. Fußgängerbrücken, Brückenpylone, Stahlschornsteine oder weitgespannte (Stahl-)Treppen oder an Maschinen zur Lärmverringerung.
Gebäude, die im Einzugsbereich von Industrieerschütterungen oder in Erdbebengebieten liegen, werden auf diese Weise ausgerüstet. Am bekanntesten sind die in hohen Gebäuden verwendeten Tilgerpendel, die ein Aufschaukeln der durch Wind verursachten Gebäudeschwingungen verhindern. Grund für deren Einsatz ist nicht nur die Gebäudesicherheit, sondern auch der Komfort.
Beispiele für Bauwerke mit Schwingungstilgern:
- Akashi-Kaikyō-Brücke, Japan, Tilger in den Brückenpylonen
- Berliner Fernsehturm, Berlin, in der Turmspitze aufgehängtes 1,5 t Tilgerpendel
- Burj al Arab, Dubai, 11 Schwingungstilger im Gebäude
- Comcast Center, Philadelphia, weltgrößter wassergefüllter Tilger (1300 t Gewicht; über 1200 m³ Wasser)
- Millennium Bridge, London, 58 Schwingungstilger in der Brückenstruktur
- Taipei 101, Taipei, 660 t-Tilgerpendel gegen Wind; zwei 4,5 t-Tilgerpendel gegen Ermüdung der Konstruktion[2]
- Sendemasten von DHO38, Schwingungstilger gegen windinduzierte Schwingungen, mit Granulat gefüllte zylinderförmige Verdickungen
Freileitungen
An elektrischen Freileitungen werden Stockbridge-Schwingungstilger eingesetzt, um Schwingungen zu dämpfen, die durch den Wind angeregt werden.
Verbrennungsmotoren
Die durch die Gas- und Massenkräfte in der Kurbelwelle angeregten Schwingungen werden über den Einsatz von Drehschwingungsdämpfern, Zweimassenschwungrad oder Ausgleichswellen reduziert.
Fahrzeugbau
Im Bereich des Fahrwerks, der Lenkung (Schwingungstilger im Lenkrad), der Karosserie und der Bremsen.
Literatur
- Christian Petersen: Schwingungsdämpfer im Ingenieurbau. 1 Auflage. Maurer Söhne, München 2001, ISBN 3-00-008059-7 (Inhaltsverzeichnis).
Weblinks
- Sehr ausführliche und differenzierte Darstellung der Wirkweise (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 2,9 MB)
- Weitere Bilder und Anwendungsbeispiele von Schwingungstilgern
Einzelnachweise
- ↑ Werner Roddeck: Einführung in die Mechatronik. 4. Auflage. Springer Vieweg, 2012, ISBN 978-3-8348-1622-1 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Taipei 101. (PDF; 595 kB) www.motioneering.ca, abgerufen am 8. April 2011 (englisch).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Schwingungstilger aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |