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Slánský-Prozess
Der Slánský-Prozess (offizielle tschechische Bezeichnung Proces s protistátním spikleneckým centrem Rudolfa Slánského, deutsch „Prozess gegen die Leitung des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums mit Rudolf Slánský an der Spitze“) war ein Schauprozess im Jahre 1952 in Prag gegen 14 Mitglieder der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ), darunter 11 Juden. Vom 20. bis zum 27. November 1952 wurden Rudolf Slánský, Generalsekretär der KSČ, sowie 13 andere führende Parteimitglieder der Teilnahme an einer trotzkistisch-titoistisch-zionistischen Verschwörung angeklagt und verurteilt. Elf der Angeklagten, darunter Rudolf Slánský, wurden am 3. Dezember im Gefängnis Pankrác in Prag gehängt, drei erhielten eine lebenslange Freiheitsstrafe. Generalstaatsanwalt in diesem Prozess war Josef Urválek.
Vorgeschichte
Ausgangspunkt des Prozesses war die Affäre um den US-amerikanischen Diplomaten Noel Field und der damit verbundene Schauprozess gegen László Rajk in Ungarn. Diese Schauprozesse wurden auf Stalins Geheiß inszeniert. Anscheinend hatte Klement Gottwald – der Präsident der Tschechoslowakei – zunächst sowjetischen Druckversuchen zur Verhaftung Slánskýs widerstanden, wohl auch deshalb, weil sich die beiden seit ihrer Exilzeit in Moskau persönlich nahestanden. Erst als Gottwald selbst mit Verhaftung und Absetzung bedroht wurde, gab er sein Einverständnis, gegen Slánský einen Haftbefehl zu erlassen, nicht ohne dessen Durchführung noch hinauszuschieben. Den Ausschlag gab schließlich ein spontanes Schreiben der tschechischen antikommunistischen Emigrantenorganisation Okapi, in dem Slánský eine Flucht in den Westen angeboten wurde. Dies war ein Denunziationsversuch gegen führende kommunistische Parteimitglieder, denen eine Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten unterstellt wurde. Dieser Brief, offenbar ohne Wissen westlicher Geheimdienste abgesandt, diente in der Folge als Beweismittel für die sowjetischen Unterstellungen des Landesverrats gegen Slánský, worauf Gottwald zum Handeln gezwungen wurde.[1]
Der Prozess
Nach dem Prozess mit Milada Horáková von 1950 mit insgesamt 35 Folgeprozessen, in deren Verlauf insgesamt 639 Personen angeklagt und 10 Todesurteile ausgesprochen wurden[2], war der Prozess mit Slánský der zweite große Prozess in der Tschechoslowakei nach 1948. Führende Mitglieder der KSČ saßen jahrelang in Untersuchungshaft, als erster unter ihnen wurde Evžen Löbl, stellvertretender Außenhandelsminister, am 24. November 1949 verhaftet.[3] Am 21. November 1952, einen Tag nach Prozessbeginn, gab Klement Gottwald bekannt: „Während der Untersuchung entdeckten wir, wie Verrat und Spionage die Reihen der kommunistischen Partei unterwandern. Ihr Ziel ist der Zionismus“. Slánský habe „aktive Schritte unternommen“, Gottwalds Leben mit der Hilfe „handverlesener Ärzte aus dem feindlichen Lager zu verkürzen“.[4] Zur selben Zeit führte Stalin in der Sowjetunion eine Kampagne gegen ein angebliches Komplott von Medizinern vor allem jüdischer Herkunft, die sogenannte Ärzteverschwörung. Mit dem Prozess gegen Slánský entledigte sich Gottwald eines gefährlichen Rivalen und konnte sich gegenüber Stalin als ernstzunehmender und loyaler Politiker behaupten.
Der Prozess war in weiten Teilen von Antizionismus und Antisemitismus geprägt. Im Rubrum der Anklageschrift wurde anstelle der tschechischen oder slowakischen Staatsbürgerschaft ausdrücklich auf die „jüdische Abstammung“ von 11 Angeklagten hingewiesen. Ein Ausschnitt aus der Anklageschrift:
„dass sie als trotzkistisch-titoistische, zionistische, bürgerlich-nationalistische Verräter und Feinde des tschechoslowakischen Volkes, der volksdemokratischen Ordnung und des Sozialismus im Dienste der amerikanischen Imperialisten und unter Anleitung feindlicher westlicher Spionagedienste ein staatsfeindliches Verschwörerzentrum gebildet, die volksdemokratische Ordnung untergraben, den sozialistischen Aufbau gestört, die Volkswirtschaft geschädigt, Spionagetätigkeit betrieben, die Einheit des tschechoslowakischen Volkes und die Verteidigungsfähigkeit der Republik geschwächt haben, um sie vom festen Bündnis und Freundschaftsverhältnis zur Sowjetunion loszureißen, die volksdemokratische Ordnung zu liquidieren, den Kapitalismus wiederherzustellen, die Republik neuerdings in das Lager des Imperialismus hineinzuschleppen und ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu vernichten.“[5]
Der Staat Israel wurde als Anstifter eines neuen Weltkrieges und als internationales Spionagezentrum dargestellt, er verschaffe sich Profite durch räuberische Handelsabkommen, zionistische Agenturen seien „verlässliche Agenturen“ und „vorgeschobene Basis des amerikanischen Imperialismus“, die Tschechoslowakei werde durch illegale Massenauswanderung von Juden nach Israel wirtschaftlich geschwächt usw. Die Angeklagten wurden als „Kosmopoliten“ und „Zionisten“ verurteilt, ähnlich wie „Wurzellose Kosmopoliten“ zu jener Zeit in der UdSSR. Als Zeugen der Anklage erschienen zwei israelische Bürger: der Mapam-Führer Mordechai Oren und sein Cousin Shimon Ornstein. In einem anschließenden Prozess wurden beide zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, 1954 jedoch freigelassen. In ihren Memoiren erzählen sie ausführlich, wie sie zu falschen Geständnissen gezwungen wurden.
Die Aussagen des Schauprozesses wurden von sowjetischen Beratern dem tschechoslowakischen Geheimdienst im Voraus zugestellt. Zumindest einigen der Angeklagten waren mildernde Umstände zugesagt worden, wenn sie sich an die schriftlichen Vorgaben halten würden; diese Versprechen wurden jedoch gebrochen. Um spontane Abweichungen von den Vorgaben zu verhindern, wie dies zum Beispiel bei ähnlichen Fällen in Ungarn geschehen war, wurden sogar Proben für die Verfahren angesetzt.
Zwischen 1960 und 1963 wurden alle Angeklagten nach und nach in nicht öffentlichen Verfahren rehabilitiert. Erst 1968 wurde die Öffentlichkeit in der Tschechoslowakei detailliert über den Verlauf des Prozesses informiert.[6]
Liste der Angeklagten
- Vladimír Clementis (* 1902) Außenminister, verhaftet am 28. Januar 1951 – Todesstrafe
- Otto Fischl (* 1902) Stellvertretender Finanzminister, verhaftet am 30. Juni 1952 – Todesstrafe
- Josef Frank (* 1909) Stellvertretender Generalsekretär des ZK der KSČ, verhaftet am 23. Januar 1952 – Todesstrafe
- Ludvík Frejka, alias Ludwig Freund (* 1904) Vorstand volkswirtschaftliche Abteilung des Sekretariats des ZK der KSČ, verhaftet am 30. Januar 1952 – Todesstrafe
- Bedřich Geminder (* 1901) Leiter der internationalen Abteilung des Sekretariats des ZK der KSČ, verhaftet am 24. November 1951 – Todesstrafe
- Vavro Hajdů (* 1913) Stellvertretender Außenhandelsminister, verhaftet am 2. April 1951 – lebenslang
- Evžen Löbl (* 1907) Stellvertretender Außenhandelsminister, verhaftet am 24. November 1949 – lebenslang
- Artur London (* 1915) Stellvertretender Außenminister, verhaftet am 29. Januar 1951 – lebenslang
- Rudolf Margolius (* 1913) Stellvertretender Außenhandelsminister, verhaftet am 10. Januar 1952 – Todesstrafe
- Bedřich Reicin (* 1911) Stellvertretender Minister für Nationalverteidigung, verhaftet am 8. Februar 1951 – Todesstrafe
- Otto Katz alias André Simone (* 1895) Redakteur der Rudé právo, verhaftet am 9. Juni 1952 – Todesstrafe
- Rudolf Slánský (* 1901) Generalsekretär des ZK der KSČ, verhaftet am 24. November 1951 – Todesstrafe
- Otto Šling (* 1912) Sekretär der KSČ in Brünn, verhaftet am 6. Oktober 1950 - Todesstrafe
- Karel Šváb (* 1904) Stellvertretender Minister für nationale Sicherheit, verhaftet am 16. Februar 1951 – Todesstrafe
Rezeption
Der französische Spielfilm Das Geständnis von 1970 basiert auf dem Tatsachenbericht des Mitangeklagten Artur London.
Der Sohn von Rudolf Margolius, Ivan Margolius, behandelt in seinem Buch: Reflections of Prague: Journeys through the 20th Century den Slánský-Prozess (ISBN 0470022191).
Literatur
- Jan Gerber: Ein Prozess in Prag. Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen, Göttingen / Bristol 2016, ISBN 978-3-525-37047-6.
- Jan Gerber: Prager Perspektiven. Der Slánský-Prozess 1952, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts/Simon Dubnow Institute Yearbook 9 (2010). S. 575–620
- Jan Gerber: Slánský-Prozess, in: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 5, Metzler, Stuttgart/Weimar 2014, S. 508–513
- Artur London: Ich gestehe. Der Prozess um Rudolf Slansky [= AtV Texte zur Zeit]. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag, 1991. ISBN 3-7466-0043-X
- Josefa Slanska: Bericht über meinen Mann. Die Affäre Slansky. Europa-Verlag Wien Frankfurt Zürich, 1969
Einzelnachweise
- ↑ Igor Lukes: The Rudolf Slansky affair: new evidence. In: Slavic Review, 58 (1), 1999. S. 160–187.
- ↑ Dr. Horáková Milada a spol., Bericht des ÚSTR (Institut für das Studium totalitärer Regime), online auf: ustrcr.cz/...
- ↑ Der Slansky-Prozess in: Schauprozesse – Inszenierung und Medialisierung politischer Justiz in Osteuropa
- ↑ Prawda, 21. November 1952.
- ↑ Ministerstvo spravedlnosti (Justizministerium der Tschechoslowakei): Proces s vedením protistátního spikleneckého centra v čele s Rudolfem Slánským, Prag 1953, S. 8.
- ↑ Josefa Slanska: Report on my husband Kirkus Review
Weblinks
- Wilfriede Otto: Antizionismus – übergestülptes Feindbild und antisemitische Haltung.
- Slánský, Stalin und der linke Antisemitismus Mission Impossible
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Slánský-Prozess (1. September 2018) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-NC-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in Jewiki am Text mitgearbeitet haben. |