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Stasi-Unterlagen

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Die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, kurz Stasi-Unterlagen, lassen sich in Karteien, Akten, audiovisuelle Medien und maschinenlesbare Daten (Disketten, Magnetbänder, Magnetplatten, Datenbanken) aufteilen. Es sind bisher ca. 41 Millionen Karteikarten und 111 Kilometer Akten aufgefunden worden. In der Stasi-Unterlagen-Behörde werden außerdem 1,85 Millionen Fotografien, 2.865 Filme und Videos sowie ca. 23.250 Tonbänder verwahrt.[1] Darüber hinaus existieren noch rund 15.500 Behältnisse mit bisher ungesichtetem, zerrissenem Schriftgut.[1] Das so genannte Stasi-Unterlagen-Gesetz regelt die Verwendung der Unterlagen, die vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) verwaltet werden. Es legt unter anderem auch fest, dass die Unterlagen nach archivfachlichen Grundsätzen bewertet, geordnet, erschlossen und verwahrt werden.

Die Überlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit sowie die Unterlagen der Bezirksverwaltungen Potsdam und Berlin lagern im Archiv der Zentralstelle in Berlin-Lichtenberg. In zwölf der ehemals 15 Bezirksstädte der Deutschen Demokratischen Republik gibt es heute Außenstellen der BStU. In ihnen werden die Unterlagen der jeweiligen Bezirksverwaltungen des Staatssicherheitsdienstes archivisch bearbeitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Einige der Unterlagen wie die sogenannten Rosenholz-Akten oder die über den Spion James W. Hall erlangten Dokumente gerieten nach der Wiedervereinigung in die USA und stehen in Deutschland nur noch teilweise zur Verfügung. Die Zugänglichkeit der Akten für Dritte ist auch ein Streitthema, wie die Verfahren von Helmut Kohl zeigen.

Geschichte

Rettung und Öffnung während der Wende

Bezirks-Archiv in Erfurt, 4. Dezember 1989

Ab Mitte November 1989 begannen Mitarbeiter der Staatssicherheit Teile ihrer Unterlagen auf Anweisung von Erich Mielke[2] abzutransportieren und zu zerstören. Nachdem das Ministerium für Staatssicherheit in das Amt für Nationale Sicherheit umgewandelt wurde und die Volkskammer als neuen Leiter Wolfgang Schwanitz bestimmt hatte, erneuerte dieser am 22. November 1989 unter „strengster Geheimhaltung“ die Anweisung seines Vorgängers Mielke.[3] Bald fiel Bürgerrechtlern auf, dass in Gebäuden der Staatssicherheit Dinge verbrannt wurden und Gegenstände per Laster fortgeschafft wurden. Es wurden deshalb vor mehreren Gebäuden Mahnwachen aufgestellt und Einlass erzwungen. So wurde am Morgen des 4. Dezember 1989 die Bezirksstelle des MfS in Erfurt besetzt[4] und am Abend desselben Tages folgten weitere Besetzungen, beispielsweise in Greifswald, Rostock, Bad Doberan, Stralsund und Wismar.[5] Als Folge davon gab Schwanitz die Anweisung, die Vernichtung der Akten zu beenden.[6] Im Februar 1990 gab es mit Zustimmung des Runden Tisches eine Anweisung des Ministerrates, die elektronischen Datenträger zu vernichten. Mit der Selbstauflösung der Hauptverwaltung Aufklärung wurden auch deren Akten weitgehend vernichtet (siehe auch: Rosenholz-Akten). Als Zusatzklausel im Einigungsvertrag[7] wurde vereinbart, unter anderem unter dem Druck eines Hungerstreiks von Bürgerrechtlern im September 1990 in der Zentrale der Staatssicherheit in Berlin, mehreren Mahnwachen und gegen die ursprüngliche Absicht von Vertretern der Bundesregierung und des Ministers des Inneren Peter-Michael Diestel,[8] dass die sonst in Westdeutschland übliche Sperrfrist für Archivgut (Bundesarchivgesetz) nicht angewendet wird und dass Stasi-Opfer ihre Akten einsehen können (Stasi-Unterlagen-Gesetz).

Nach der Wende

Rechtsstreit um Akteneinsicht

Nach der Wende gab es wiederholt Streit, da die Akten nicht nur für die private Akteneinsicht, Behörden und Forscher, sondern auch für Medienvertreter und Parlamente genutzt werden.

Sehr prominent war beispielsweise der Gerichtsstreit von Helmut Kohl, der sogenannte Fall Kohl. Weitere prominente Fälle betrafen Gregor Gysi und Manfred Stolpe.

Übergabe von Unterlagen an die USA

13.088 Seiten Dokumente, die der Spion James W. Hall über die Tätigkeit der National Security Agency gegen die Bundesrepublik dem MfS zukommen ließ, gingen in den Besitz der Gauck-Behörde über und wurden 1992 unter Bruch des Stasi-Unterlagen-Gesetzes mit Genehmigung des Bundesinnenministeriums zurück in die USA gebracht.[9]

Die Rosenholz-Dateien, die 1990 in die USA gelangten, wurden hingegen 2003 an Deutschland zurückgegeben und sind einsehbar.

Rekonstruktion

Von den in den letzten Monaten der DDR zerstörten Teilen der Unterlagen fanden sich viele tausend Säcke mit unterschiedlich stark zerschnitzelten Materialien, die wieder rekonstruiert werden sollten. Bis zum Dezember 2018 konnte der Inhalt von etwa 500 der insgesamt etwa 16.000 Säcke manuell bearbeitet und rund 1.630.000 Blatt an Schriftgut rekonstruiert werden.[1] Im Jahr 2007 begann zusätzlich ein Projekt zur maschinellen Rekonstruktion. Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin entwickelte die Stasi-Schnipselmaschine, Behördenbezeichnung „Virtuelle Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Akten“. Dabei werden die zum Teil geschredderten Papierschnipsel in Folie eingeschweißt, gescannt, nach mehreren Merkmalen unterschieden und dann virtuell zusammengesetzt.[10]

Arten von Unterlagen

Schriftgut

Die Schriftgutbestände gliedern sich in archivierte Ablagen, das heißt Unterlagen, die vom Staatssicherheitsdienst selbst archiviert wurden, und in Unterlagen der Diensteinheiten. Letzteres sind Akten, die sich 1989/90 noch in Bearbeitung befanden. Es handelt sich um so genannte „aktive“ Vorgänge (operative Vorgänge, also Beobachtung von und Maßnahmen gegen bestimmte Personen) und Verwaltungsschriftgut. Die archivierten Ablagen sind komplett über personenbezogene Karteien zugänglich, jedoch nur in seltenen Fällen themenbezogen recherchierbar. Die Unterlagen der Diensteinheiten werden bei der BStU archivisch erschlossen, so dass sie sachthematisch und personenbezogen zugänglich sind. Bisher wurden 81 Prozent der Unterlagen der Diensteinheiten archivfachlich bearbeitet.[11]

Wichtige Aktenkategorien

IM-Akte: Die Akte zu einem inoffiziellen Mitarbeiter (IM) besteht gemäß den Aktenführungsprinzipien des MfS in der Regel aus drei Teilen. Teil I, die so genannte Personalakte, enthält Dokumente zur Person des IM. Dabei handelt es sich um Unterlagen, die bei der Überprüfung des IM-Kandidaten angefallen sind, den Werbungsbeschluss, die Verpflichtung (soweit schriftlich erfolgt), regelmäßige Einschätzungen zur Grundlage der Zusammenarbeit, zur Gesinnung, sowie zu Fähigkeiten und Möglichkeiten des IM, außerdem Dokumente zu etwaigen Überprüfungsmaßnahmen nach der Werbung. Teil II, die so genannte Arbeits-/Berichtsakte, besteht aus den Berichten des IM und den Treffberichten des Führungsoffiziers. Teil III, die so genannte Beiakte zur Personalakte, enthält Quittungsbelege über Gehaltszahlungen, Prämien, Urlaubsgeld und andere gezahlte Geldbeträge oder übergebene Sachwerte an den IM.

Operative Personenkontrolle: Bei der Operativen Personenkontrolle (OPK) handelt es sich um einen konspirativen Vorgang zur Aufklärung und Überwachung von Personen. Er wurde meist angelegt bei Verdacht auf politisch nicht konformes Verhalten oder zur Überprüfung von Funktionären. Eine OPK erfolgte auch als Vorlauf für eine inoffizielle Tätigkeit in der Auslandsspionage.[12]

Operativer Vorgang: Ein Operativer Vorgang (OV) ist ein konspiratives Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt oder gegen Personen, die nach der DDR-Gesetzgebung eine Straftat begangen hatten oder dies beabsichtigten. Anlass war oft schon nichtkonformes politisches Verhalten. Jeder OV hatte einen Decknamen.

Karteien

Bei den Karteien handelt es sich einerseits um Informationsspeicher, andererseits um Findmittel zur Aktenrecherche. Die personenbezogenen Karteien waren – und sind auch heute noch – erforderlich, um die vom Staatssicherheitsdienst selbst archivierten Akten heraussuchen zu können.

Die Kartei F 16 ist die zentrale Klarnamenkartei. Sie ist phonetisch geordnet und enthält den vollständigen Namen, die Adresse sowie weitere personenbezogene Angaben der erfassten Person.[13] Der Grund der Erfassung wird jedoch nicht angegeben.

Das definiert erst die Kartei F 22 (Vorgangskartei). Durch diese Kartei wird deutlich, ob es sich beispielsweise um einen Vorgang zu einem inoffiziellen Mitarbeiter, einen Operativvorgang (z. B. die Beobachtung eines Bürgerrechtlers) oder eine weitere Vorgangsart handelt. In der F 22 wird jedoch nicht der Klarname genannt, sondern der Deckname. Der Zusammenhang zwischen den Karteien kann nur über die einmalig vergebene Registriernummer hergestellt werden.[14]

Die Kartei F 77 enthält die Decknamen und ist ebenfalls phonetisch geordnet. Das MfS legte sie zu Zwecken der statistischen Auswertung an.

Die Kerblochkartei (KK) notierte Beruf, Parteizugehörigkeit, Hobbys, Neigungen, Gewohnheiten und Interessen.

Audiovisuelle Medien und maschinenlesbare Daten

Unter audiovisuellen Medien werden Fotografien, Videos, Filme und Tonträger verstanden. Es gibt etwa 1,4 Millionen Fotodokumente (Fotopositive und -negative, Dias, Mikrofilme), 31.300 Tondokumente und 2.734 Filme und Videos mit Aufzeichnungen. Bei den maschinenlesbaren Daten handelt es sich um Disketten, Magnetbänder und Magnetplatten des Ministeriums für Staatssicherheit und der Bezirksverwaltungen des MfS. Es sind etwa 7.832 Datenträger vorhanden. Zu den maschinenlesbaren Daten zählen auch die Datenbanken des Staatssicherheitsdienstes.[15]

Sonstiges

Um Spekulationen entgegenzutreten, veröffentlichte Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD bei der Bundestagswahl 2013, seine Stasi-Akte.[16] Sie enthält unter anderem Notizen über seine angebliche politische Einstellung; von Seiten der Presse wurde diese Einschätzung Steinbrücks durch die Stasi teils als „amüsant“ bezeichnet.[17]

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 Stand: Dezember 2018. Quelle: BStU: Überlieferungslage und Erschließung der Unterlagen
  2. Stasi-Mediathek des BStU: 6. November 1989: Weisung des Ministers zur Aktenreduzierung in den Kreis- und Objektdienststellen.
  3. Stasi-Mediathek des BStU: 22. November 1989: Schreiben des Leiters des AfNS, Schwanitz, an die Leiter der Bezirksämter über die „Reduzierung des Bestandes registrierter Vorgänge und Akten sowie weiterer operativer Materialien und Informationen“.
  4. Stasi-Mediathek des BStU: Telegramm vom 4. Dezember 1989 des Chefs der Erfurter Staatssicherheit, Generalmajor Schwarz, an den Leiter des AfNS, Generalleutnant Schwanitz „über die gewaltsame Erzwingung des Zutritts oppositioneller Kräfte zum Bezirksamt für nationale Sicherheit Erfurt“; Gedenktafel für die Stasibesetzung, in: Thüringer Allgemeine vom 27. Oktober 2012.
  5. Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen: Herbststurm 1989 im ehemaligen Bezirk Rostock (Memento vom 27. September 2008 im Internet Archive).
  6. Stasi-Mediathek des BStU: 4. Dezember 1989: Fernschreiben des Leiters des AfNS an die Leiter der Bezirks- und Kreisämter zum sofortigen Stopp der Aktenvernichtung (15:30 Uhr).
  7. verfassungen.de: Vereinbarung zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, 18. September 1990.
  8. chronik-der-mauer.de: Chronik der Mauer September 1990.
  9. Spurenvernichtung im Amt Der Spiegel 30/1999.
  10. BStU: Rekonstruktion zerrissener Unterlagen.
  11. Überlieferungslage und Erschließung der Unterlagen. Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, abgerufen am 9. Juni 2013.
  12. MfS-Lexikon: Operative Personenkontrolle (OPK).
  13. MfS-Lexikon: F 16 (Personenkartei) .
  14. Die zentrale Vorgangskartei „F 22“ auf bstu.de.
  15. Maschinenlesbare Datenträger auf bstu.de.
  16. stasi-akte-stb-data. (PDF; 12,7 MB) In: http://peer-steinbrueck.de. Abgerufen am 4. März 2020.
  17. spiegel.de: Steinbrücks Stasi-Akte: „In den Unterhaltungen bezeichnet er sich als Marxist“.

Literatur

Weblinks

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