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Stechäpfel

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Stechäpfel
Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium)

Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium)

Systematik
Kerneudikotyledonen
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Nachtschattenartige (Solanales)
Familie: Nachtschattengewächse (Solanaceae)
Gattung: Stechäpfel
Wissenschaftlicher Name
Datura
L.

Die Stechäpfel (Datura) sind eine Gattung der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) und bestehen weltweit aus rund 20 Arten, die alle stark giftig sind.

Beschreibung

Stechäpfel sind einjährige oder kurzlebige ausdauernde, krautige Pflanzen, die eine Höhe von (0,2) 0,5 bis 1,2 (2) m erreichen können. Die Pflanzen können unbehaart, behaart oder flaumig sein, wobei die Trichome in vielen verschiedenen Typen, z. B. aufrecht, niederliegend, nach oben oder unten gewandt, konisch, einfach, drüsig oder nicht-drüsig, vorkommen können. Oftmals ist die Behaarung an jungen Pflanzenteilen dicht bis sehr dicht, während sie an älteren Pflanzenteilen nachlässt oder sogar ganz verschwindet.

Der dichotom verzweigende Spross ist meist massiv, nur in der Art Datura ceratocaula ist er hohl. Die ausgewachsenen Blätter sind eiförmig bis eiförmig-lanzettlich, der Rand ist ganzrandig, zurückgebogen, stark oder auch leicht wellenförmig gezähnt bis gelappt. Sie stehen an (2) 5 bis 10 (16) cm langen Blattstielen, werden bis zu (5) 8–18 (30) cm lang, die Basis ist meist ungleichmäßig bis fast gleichmäßig gestaltet, die Blattspitze ist zugespitzt.

Frucht des Stechapfels (Datura stramonium)
Samen des Stechapfels unter dem Rasterelektronenmikroskop

Die Blüten stehen in den Verzweigungen des Sprosses aufrecht oder schräg an mit (5) 7 bis 15 (25) mm Länge relativ kurzen Blütenstielen. Der zylindrische Kelch ist 2,5 bis 14 (16) mm lang und besitzt meist fünf, selten auch drei bis sechs Kelchlappen oder Kelchzähne, die dreieckig, gleich oder ungleich geformt und zugespitzt bis spitz sind. Die Länge der Lappen oder Zähne liegt meist bei 6 bis 12 mm, kann aber auch 13 bis 35 mm betragen, gelegentlich ist die Trennung der Kelchzähne nicht klar auszumachen. Eine Art (Datura ceratocaula) besitzt einen auf einer Seite gespaltenen Kelch, so dass dieser einem einzelnen Hochblatt ähnelt. Nach der Blühphase fällt der Kelch ab, so dass nur an der Basis ein kreisförmiger Rest bestehen bleibt. Die sich in den Abendstunden öffnende Blütenkrone ist grob trichter- oder trompetenförmig, in Ausnahmefällen auch doppelt oder dreifach gefüllt. Sie ist einheitlich weiß, lavendelfarbig oder violett gefärbt. Je nach Art sind die Kronblätter 4 bis 6 (9,5) cm oder (8) 15 bis 21 cm lang. Der Rand der Kronblätter ist fünf-lappig. Bei einigen Arten treten sekundäre Kronlappen auf, sodass die Blüten einen zehn-lappigen Eindruck machen.

Die Staubblätter befinden sich für gewöhnlich in der Krone, die Staubfäden sind in der unteren Hälfte der Krone fixiert. Nur dort sind die Staubfäden mit Trichomen besetzt. Die linear-elliptischen Antheren kommen artabhängig in zwei verschiedenen Größen vor, zum einen 2 bis 5 mm, zum anderen 5 bis 12 (15) mm. Entlang der Aufplatzlinie der Antheren sind sehr lange fadenförmige Trichome zu finden. Der Fruchtknoten ist konisch geformt, zum Teil unterständig, durch die Ausbildung eines falschen Septum in der unteren Hälfte oft vierkammrig. Oft ist der Fruchtknoten mit unterschiedlich vielen kleinen, fleischigen Stacheln versehen, die sich gelegentlich in der Frucht vergrößern und versteifen. Die Narbe ist zwei-lappig, feucht und warzig.

Außer bei der Art Datura ceratocaula, die nicht aufspringende, weiche Beeren ausbildet, sind die Früchte aller Stechäpfel eiförmige, elliptische oder kugelförmige vierkammrige Kapseln, die aufrecht oder zurückgebogen an der Pflanze stehen. Die Kapseln springen an zwei, selten an vier Klappen auf, die manchmal unregelmäßig angeordnet sind. Das Perikarp der Früchte ist meist schwach flaumartig behaart und mit bis zu 200 gleichförmigen, schlanken, mit bis zu 50 verschiedenartig geformten scharfen Stacheln, mit schwach behaarten Borsten oder zahlreichen stumpfen Höckerchen besetzt. Die Länge der Stacheln variiert zwischen 0,5 und 3,2 cm. In allen Arten steht der Frucht entgegengesetzt der kreisförmige, zurückgebogene Überrest des Kelches. In den Früchten befinden sich (25) 150 bis 300 (500) scheiben- bis nierenförmige Samen, mit einer Länge von (2,5) 4 bis 5 (6) mm. Sie sind schwarz, gelb oder braun, teilweise mit weißen oder gelblichen Elaiosomen versehen.[1]

Verbreitung, Herkunft

Arten der Gattung Datura wachsen überall außer in polaren und subpolaren Klimazonen. Einige Arten stammen aus Asien, andere aus Amerika. Bei jetzt kosmopolitischen Arten, wie Datura stramonium, ist die ursprüngliche Herkunft unsicher. Der Gattungsname Datura kommt über das Portugiesische aus einer indischen Sprache, vgl. Hindi dhatūra. Der Name ist bereits im Sanskrit als dhattūra belegt.

Systematik

Die Gattung enthielt früher auch die mittlerweile als eigene Gattung abgesetzten Engelstrompeten (Brugmansia). Aufgrund phylogenetischer Untersuchungen können die verbleibenden Arten in vier Sektionen geteilt werden[2]:

Datura stramonium
Frucht von Datura ferox
  1. Sektion Stramonium Bernh.
  2. Sektion Dutra Bernh.
  3. Sektion Ceratocaulis Bernh.
  4. Sektion Discolor

Nicht mit in dieser Untersuchung einbezogen und möglicherweise Synonyme der oben genannten Arten sind[3]:

  • Datura bernhardii C. E. Lundstr.
  • Datura kymatocarpa A. S. Barclay
  • Datura reburra A. S. Barclay

Die International Brugmansia & Datura Society, Inc. (IBADS/iBrugs)[4] ist die offizielle International Cultivar Registration Authority (ICRA) für die Gattung Datura. Diese Rolle wurde im Jahr 2002 von der International Society for Horticultural Sciences (ISHS) zuerst an die American Brugmansia And Datura Society (ABADS) übertragen. Im August 2010 wechselte ABADS offiziell ihren Namen in IBADS/iBrugs.

Kultur, Verwendung

In nativ-amerikanischen Kulturen haben die Pflanzen sowohl zeremonielle als auch medizinische Bedeutung.

Stechäpfel werden seit Jahrtausenden als Heilkraut verwendet. So wurde beispielsweise der Rauch getrockneter Blätter zur Linderung von Asthma eingesetzt.[5]

Neben der medizinischen Bedeutung wurde und wird Datura als Rauschmittel zur Bewusstseinsveränderung verwendet. Zuni-Priester benutzten die Pflanze, um die Geister der Ahnen zu kontaktieren oder die Identität von Dieben zu ermitteln.

In der westeuropäischen Volksmedizin ist der Stechapfel ohne Bedeutung. In Osteuropa und Westasien dagegen wird er trotz seiner Giftigkeit genutzt. In Russland legte man frische Blätter auf Brandwunden. An der Wolga versuchte man mit dem Rauch, der beim Verbrennen der Samen entsteht, Zahnschmerzen zu vertreiben.[6] Im europäischen Raum wurde die Pflanze auch mit der Flugsalbe in Verbindung gebracht. Nach Hexenprozessakten aus der Steiermark soll aus ihren Samen, vermischt mit Fett, eine Salbe bereitet worden sein, die das Gefühl erzeugt habe, man könne in Gestalt eines Vogels fliegen.[7] Plausibel werden diese Annahmen durch die halluzinogene Wirkung und die Erzeugung sexueller Träume durch die giftigen Inhaltsstoffe des Stechapfels.[6] Mit dem Ruf als Hexenpflanze verbunden ist möglicherweise auch die Vermutung,[7] dass die „Zigeuner“ den Stechapfel im 15. Jahrhundert aus Westasien nach Europa eingeführt oder verbreitet hätten.[6]

Da der Stechapfel als Aphrodisiakum gilt, wurde Datura in Europa, China und Peru Getränken wie Bier zugesetzt.

Im Aberglauben begegnet man dem Stechapfel gelegentlich unter dem Namen „Donnerkugel“ als gewitterabweisende Pflanze. Einem Brauch aus dem Vinschgau zufolge sollten besonders die an Mariä Himmelfahrt (15. August) im Kräuterwisch geweihten Stechapfelfrüchte diese Wirkung erzielen. Die „Zigeuner“ verwendeten den Stechapfel als Orakelpflanze.[6]

Heute werden Datura spp. wegen ihrer schönen Blüte hauptsächlich als Zierpflanzen verwendet. Von dieser Nutzung gehen öffentliche Stellen allerdings wegen der Giftigkeit der Pflanze zunehmend ab. Die Pflanze wird häufig mit den Engelstrompeten verwechselt.

Datura metel war der Hauptbestandteil bei der weltweit ersten Operation mit einem Narkotikum (Tsūsensan) durch Hanaoka Seishū.

Moderner therapeutischer Einsatz

Alle Datura-Arten enthalten giftige Alkaloide, im Wesentlichen Hyoscyamin (Atropin) und Scopolamin. Der (weiße) Stechapfel wird zur Gewinnung der Alkaloide benutzt. Er wird selten als Krampflöser bei Asthma bronchiale und Keuchhusten oder als auswurfförderndes Mittel bei Bronchitis eingesetzt, wobei bei der Anwendung stets zu beachten ist, dass die wissenschaftliche Medizin bei diesen Erkrankungen wirksamere und sicherere Medikamente zur Verfügung stellt.

Wirkungen

Der Konsum des Stechapfels kann zu sehr ausgeprägten und kaum zu bewältigenden, echten Halluzinationen typischerweise bedrohlicher Natur führen (Horrortrip). Viele Konsumenten berichten, dass die Wirkung verglichen mit anderen Drogen äußerst unangenehm sei. Sie kann bei hohen Dosierungen mehrere Tage anhalten. Durch Bewusstseinstrübung und Kontrollverlust besteht dabei ein hohes Unfallrisiko.

Die therapeutische Breite der Datura ist äußerst schmal und Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung schwanken sehr stark. Die Konzentration kann je nach Standort zwischen 0,2 % und 0,4 % und darüber liegen, und auch innerhalb einer einzelnen Pflanze noch stark schwanken. Dies macht eine genaue Dosierung auf Anhieb unmöglich. Ein Herantasten an die vorab gewünschte Dosierung wird dadurch erschwert, dass man sich durch die (echt) halluzinogene Wirkung seines Zustandes selbst nicht bewusst ist. Aufgrund der hohen Toxizität der Stoffe treten bereits bei niedriger Dosierung starke Vergiftungserscheinungen auf, deren man sich selbst ebenfalls nicht bewusst wird. Höhere Dosierungen enden nicht selten tödlich.

Die Pflanze ist in allen Teilen stark giftig, vor allem durch die Alkaloide Scopolamin und Hyoscyamin (vgl. Tollkirsche). Bei der Isolierung von (S)-Hyoscyamin aus der Pflanze bildet sich durch Racemisierung Atropin. Die letale Dosis liegt bei Scopolamin bei 50 mg, bereits niedrigere Dosen können den Tod durch Atemlähmung herbeiführen. Bei Kindern können schon 4 bis 5 g der Blütenblätter zum Tode führen.

Vergiftungssymptome und mögliche Folgen: rasender Puls, Hautrötung, Pupillenerweiterung, Muskelzuckungen, trockener Mund, Durst, Unruhe, Rededrang, Schluck- und Sprachstörungen, Schläfrigkeit und/oder Halluzinationen, Verwirrtheit, Seh- und Gleichgewichtsstörungen, Herzrhythmusstörungen und komatöse Zustände, Bewusstlosigkeit und Tod durch Atemlähmung.

Rechtslage

In Deutschland unterliegt der Stechapfel nicht dem BtMG. Er fällt jedoch unter die Definition von § 2 Abs. 1 des AMG, sobald er für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmt ist. Somit ist Herstellung und Verkauf einer Substanz nach dem AMG reguliert, unabhängig davon, in welcher Form die Substanz vorliegt, wenn sie in Bestimmung § 2 Abs. 1 erfüllt.[8][9] Der Verkauf und die Herstellung von Arzneimitteln ohne Genehmigung ist strafbar nach AMG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1, StPO § 354a. Dies wurde in einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu der frei verfügbaren Chemikalie γ-Butyrolacton (GBL) bestätigt, welche nach dem AMG als Arzneimittel eingestuft wird, sobald sie für den Konsum bzw. Gebrauch an Mensch oder Tier bestimmt ist.[10][11]

Literatur

  • Ulrike und Hans-Georg Preissel: Engelstrompeten, Brugmansia und Datura. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1997, ISBN 3-8001-6614-3
  • Bert Marco Schuldes: Psychoaktive Pflanzen. Nachtschatten Verlag, ISBN 3-925817-64-6
  • Horst Wirth: Die Tollkirsche und andere medizinisch angewandte Nachtschattengewächse, A. Ziemsen Verlag, Lutherstadt Wittenberg 1965.

Quellen

  1. Armando T. Hunziker: The Genera of Solanaceae. A.R.G. Gantner Verlag K.G., Ruggell, Liechtenstein 2001, ISBN 3-904144-77-4, S. 149–153.
  2. E. S. Mace, C. G. Gebhardt und R. N. Lester: AFLP analysis of genetic relationships in the tribe Datureae (Solanaceae). In: TAG Theoretical and Applied Genetics. Volume 99, Nummer 3-4, August 1999, S. 634-641. doi:10.1007/s001220051278
  3. Vgl. ARS-GRIN Eintrag der Gattung
  4. http://ibrugs.com/CultivarRegistration/CultivarRegistrationInformation.aspx iBrugs Cultivar Registration Information.
  5. Hans Braun, Dietrich Frohne: Heilpflanzenlexikon: Wirkung, Verordnung, Selbstmedikation. 6. Auflage. Gustav Fischer, Stuttgart, Jena, New York 1994, ISBN 3-437-11551-0.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Manfred Bocksch: Heilpflanzen: Kennzeichen, Heilwirkung, Anwendung. BLV, München 1989, ISBN 3-405-13491-9, S. 82.
  7. 7,0 7,1 Botanische Streifzüge auf dem Gebiet der Culturgeschichte. III. Die Pflanze als Zaubermittel. Wien 1859, S. 48 f. (Digitalisat bei Google Bücher, abgerufen am 15. April 2010).
  8. Erwin Deutsch, Rudolf Ratzel, Hans-Dieter Lippert: Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG). 3. Auflage, Gabler Wissenschaftsverlage, 2010, ISBN 978-3-6420-1454-3, S. 64–66 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  9. ArzneimittelG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1. Abgerufen am 16. Mai 2012.
  10. Martin Kämpf: Strafrecht: Handel mit Gamma-Butyrolacton (GBL, liquid ecstasy) zu Konsumzwecken. 25. Juli 2011.
  11. Das unerlaubte Inverkehrbringen von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar. BGH-Urteil vom 8. Dezember 2009, 1 StR 277/09, LG Nürnberg-Fürth bei Lexetius.com/2009,3836.

Weblinks

 Commons: Stechäpfel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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