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Topinambur

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Topinambur
Topinambur (Helianthus tuberosus)

Topinambur (Helianthus tuberosus)

Systematik
Ordnung: Asternartige (Asterales)
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie: Asteroideae
Tribus: Heliantheae
Gattung: Sonnenblumen (Helianthus)
Art: Topinambur
Wissenschaftlicher Name
Helianthus tuberosus
L.

Topinambur [topinamˈbuɐ][1] (Helianthus tuberosus) ist eine Pflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) und zählt zur selben Gattung wie die Sonnenblume (Helianthus annuus). Sie ist eine Nutzpflanze, deren Wurzelknolle primär für die Ernährung genutzt wird.

Herkunft und Varianten des Namens

Der Name leitet sich von den indianischen Tupinambá ab[2][1] und kann im Deutschen sowohl das männliche (der Topinambur) als auch das weibliche Geschlecht (die Topinambur) annehmen.[1]

Mancherorts in Baden wird Topinambur als Erdapfel bezeichnet. Weitere Namen sind Erdbirne (in Südbaden auch Ross-Erdäpfel, weil sie an Pferde verfüttert wurden) oder Jerusalem-Artischocke, Borbel, Erdartischocke, Erdschocke, Erdsonnenblume, Erdtrüffel, Ewigkeitskartoffel, Indianerknolle, Kleine Sonnenblume, Knollensonnenblume, Rosskartoffel, Schnapskartoffel, Süßkartoffel und Zuckerkartoffel.[3] Als Erdbirne oder Erdapfel wird im Rheinland, in Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz auch die Kartoffel bezeichnet.

Als Topinambur oder Rossler wird auch der aus den stärkereichen Wurzelknollen dieser Pflanze hergestellte Branntwein bezeichnet.

Beschreibung

Einzeltrieb mit Blüte
Topinambur-Pflanze

Die mehrjährige krautige Pflanze wird bis zu drei Meter hoch.[4] Der Trieb ist einjährig und stirbt im Herbst ab.[5] Aus einer Knolle bilden sich mehrere aufrechte und verzweigte[2] Stängel,[4] an denen gestielte, eiförmige Blätter sitzen. Diese werden sieben bis zehn Zentimeter breit und zwischen zehn und fünfundzwanzig Zentimeter lang. Stängel und Blätter sind rau und behaart.[3]

Was gemeinhin als „Blüte“ bezeichnet wird, ist botanisch gesehen ein Blütenstand. Er ist körbchenförmig und wird von den außen sitzenden Zungen- und den inneren Röhrenblüten gebildet. Es handelt sich um einen zwittrigen Blütenstand. Die Früchte werden botanisch als Achänen bezeichnet.[3] Die Blütenstände haben einen Durchmesser von vier bis acht Zentimetern und sitzen in den Achseln der oberen Laubblätter. Die äußeren Zungenblüten sind kräftig gelb. Die Blütezeit von Topinambur liegt zwischen August und November. Als Kurztagspflanze blüht sie aber erst, wenn eine bestimmte Tageslänge unterschritten wird.[4] Daher blüht sie in Nordfrankreich nicht vor Oktober,[5] in Mitteleuropa dagegen schon ab August.[2]

Die Pflanze überwintert mit Rhizomen, in die Zucker eingelagert wird.[6] Die birnen-, apfel- bis spindelförmigen Knollen entstehen an der Sprossbasis,[4][3] die Knollenhaut ist von beige über gelb bis rosa gefärbt[5] und das Fleisch der Knolle ist weiß. Die Knollen werden etwa so groß wie Kartoffeln.[7] Die Haut der Knolle ist im Gegensatz zu Kartoffeln fein und dünn.[8] Die Knollen ertragen Frost bis -30 °C, wobei der oberirdische Spross nur -5 °C aushält.[2]

Einordnung als Neophyt

Die Pflanze wuchert[6] und die enorme Wuchskraft bedingt, dass schon Bruchstücke der Knolle reichen, um neu auszukeimen[2] und auch in Folgekulturen durchzuwachsen.[9]

In Mitteleuropa verwildert Topinambur häufig und kann – wie andere Neobiota beziehungsweise Neophyten – Probleme verursachen, da sie heimische Pflanzen verdrängt, selber aber nur wenige Fressfeinde hat. Im Juli und August bildet die Pflanze an den unterirdischen Ausläufern länglich-spindelförmige Knollen aus, die als Kohlenhydratespeicher dienen. Aus ihnen treiben im nächsten Frühjahr neue Sprossen. Die Pflanze ist daher in der Lage, in eine bestehende Pflanzengesellschaft einzudringen und diese aufgrund ihres raschen Höhenwachstums im Frühjahr, bei dem die anderen Pflanzen sehr stark beschattet werden, zu verdrängen. Die Stärke als Neophyt ist jedoch sehr vom Standort abhängig.

Herkunft und Geschichte

Topinambur stammt aus Nord- und Mittelamerika,[5] ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet wird in Mexiko vermutet. Heute ist die Art im zentralen und östlichen Nordamerika sowie in Mittelamerika verbreitet und gilt als Kulturpflanze der Indianer aus vorkolumbianischer Zeit.

Überlebende einer Hungersnot unter französischen Auswanderern in Kanada/Nordamerika schickten 1610 einige der unbekannten Knollen, die ihnen das Leben gerettet hatten, nach Europa. So kam sie auch 1612 nach Paris,[4] sowie in den Vatikan als Sammelplatz für Wunder aller Art. In Frankreich wurde die "Indianerkartoffel" nach einem brasilianischen Indianerstamm, der zufällig gerade zu Besuch war, benannt: topinambour. Parallel einigten sich päpstliche Gärtner auf girasole articiocco (Sonnenblumen-Artischocke). Durch Volksetymologie wurde aus girasole im englischen Sprachraum die Bezeichnung Jerusalem-Artischocke.

Zuerst wurde die Topinambur als Nahrungsmittel angebaut und die Knollen waren im 19. Jahrhundert ein wichtiges Nahrungs- und Futtermittel. Die Knolle genoss vor allem in Frankreich nach ihrer Einführung Anfang des 17. Jahrhunderts große Popularität. In Europa wurde die süßlich schmeckende Knolle Mitte des 18. Jahrhunderts wieder weitgehend von der ergiebigeren Kartoffel verdrängt.

Heute wird Topinambur in fast allen Kontinenten angebaut, Hauptanbaugebiete befinden sich in Nordamerika, Russland, Australien und Asien. Sie wird zudem nur noch mit geringer wirtschaftlicher Bedeutung in Südfrankreich und den Niederlanden angebaut. In der Schweiz wird sie im Seeland wieder seit 1978 erwerbsmäßig angebaut.[4] In Deutschland findet man nur kleine Anbaugebiete in Niedersachsen, Brandenburg und Baden. In Baden im Kreis Rastatt fanden sich 1990 noch etwa 200 ha im Anbau. In Dänemark wurden 1990 noch 15 bis 20 ha angebaut.[2] Heute wird die Knolle fast nur in Bio-Läden oder auf Wochenmärkten verkauft.[3][10] In der Schweiz wird sie auch über die Einzelhandelsketten vermarktet.

Kultivierung

Anbau und Ernte

Knollen gewaschen
Knollen, sehr frühe Sorte wildwachsend, Ingelheim am Rhein
Knollen, sehr späte rote Sorte

Im erwerbsmäßigen Anbau wird Topinambur einjährig kultiviert. Er ist anspruchslos und stellt keine großen Anforderungen an seinen Standort, wobei auch nährstoffarme Böden genutzt werden können. Optimal sind Standorte mit pH-Werten zwischen 6,0 und 7,5.[2] Sehr gut folgt er in der Kulturfolge auf Kulturen, die lockeren Boden hinterlassen und er wächst vor allem auf lockerem, leicht sandigem Boden, Staunässe wird gemieden. Klimatisch kann die Pflanze von kühlen Gebieten wie Nordamerika und -europa bis weit in den Süden gedeihen,[8] auch für die Tropen ist er während der „kühleren“ Jahreszeit geeignet.[11] Besonders geschätzt werden vollsonnige Standorte, Topinambur fühlt sich aber auch im Halbschatten wohl.

Die Neubepflanzung erfolgt im frühen Frühjahr (Februar-April). Während der sehr frühen Pflanzung kann die Kultur mit Vlies bedeckt werden, um das Austreiben zu beschleunigen.[12] Der Pflanzabstand in der Reihe beträgt 30 bis 40 cm und der Reihenabstand 60 bis 80 cm. Die Knollen werden auf eine Tiefe von 10 bis 12 cm abgelegt.[5] Es kann die gleiche Anbautechnik wie für Kartoffeln verwendet werden. Dazu werden die Reihen angehäufelt um das Treiben der Knollen zu verfrühen und das Aufnehmen der Knollen zu vereinfachen, da sie erhöht liegen. Für einen Hektar werden je nach Knollengröße 1,2 bis 2 t Knollen benötigt,[5] Das entspricht 0,2 kg/m² (20 kg/Are).[4] Die optimale Bestandsdichte beträgt 3 bis 5 Knollen/m².[3]

Topinambur benötigt vor allem zu Kulturbeginn Pflege durch Unkrautbekämpfung mittels jäten.[7] Danach überwuchert und verdrängt die Pflanze Unkraut, sodass es keine ertragsmindernde Rolle mehr spielt.[8] Werden zusätzlich noch die Blüten entfernt, kann der Ertrag um 10 bis 12 % gesteigert werden, wobei die Knollen im Mittel von 3,8 g auf 4,4 g größer wurden.[13] Bei einer Kürzung der Gesamtpflanze kommt es dagegen zu einem Minderertrag.[14]

Obwohl die Pflanze auch auf nährstoffarmen Böden wachsen kann, ist der Ertrag mit zusätzlicher Düngung höher. Frühere Versuche aus Frankreich und Deutschland (vor 1949) zeigen einen hohen Kaliumbedarf.[8] Topinambur benötigt zum Aufwuchs (in kg/ha Reinnährstoff) 100 Stickstoff, 50 P2O5, 150 K2O. Wenn vorhanden, nimmt die Pflanze bis 150 kg/ha Stickstoff auf, aber ohne großartigen Mehrertrag.[2] Englische Untersuchungen geben gar nur 50 kg/ha Stickstoff an.[12] Vor allem das Wachstum der oberirdischen Pflanzenteile nimmt stark zu.[15] Der Nährstoffgehalt (= Nährstoffabfuhr durch Knollenernte) je dt Knolle beträgt 0,26 kg N, 0,14 kg P2O5, 0,62 kg K2O und 0,02 kg MgO.

Der Hauptzuwachs der Knollen erstreckt sich von Juli bis Oktober,[10] geerntet wird von November bis März/April vor dem Neuaustrieb der Knollen.[5] Nachdem die Blätter abfallen (Einfallen) werden die Stängel zur leichteren Ernte eingekürzt.[7] Die Erträge betragen ca. 600 dt/ha Knollen,[16] bei guter Kultur können auch bis zu 800 dt/ha erreicht werden und im Hausgarten sind Erträge von 2 bis 3 kg/m² üblich.[4] Für die Ernte sind stärker ausgelegte Maschinen nötig, weil die Knollen stärker mit der Pflanze verwachsen sind als Kartoffeln.[12] Im Gegensatz zu Kartoffeln verträgt die Topinamburknolle Frost, solange sie im Boden ist.[5] Um auch bei Frost ernten zu können, kann die Erde mit Stroh oder Laub bedeckt werden.[2] Nach der Ernte verbleibt meist ein Teil der kleineren Knollen im Boden, dieser dient für die nächstjährige Kultur. Topinambur bleibt für einige Jahre am gleichen Standort und wird jährlich abgeerntet. Erfolgt ein Kulturwechsel, wird am besten Wiese angesät, die mehrmals im Jahr gemäht wird. Das bringt den Wuchs der Topinambur zum Erliegen und sie verschwindet aus der Kulturfläche.

Vermehrung

Topinambur wird in der Regel vegetativ über Knollen vermehrt.

Die Vermehrung über Samen wurde 1904 durch Vilmorin auf Korsika versucht. Das Resultat war eine gelbe Sorte, die einen feineren Geschmack aber weniger Ertrag brachte.[5] Wegen des späten Blütezeitpunkts reifen die Samen in Mitteleuropa normalerweise nicht aus, so dass die Pflanzen ganz auf vegetative Vermehrung über die Wurzelknollen angewiesen sind. Auch die Vermehrung mittels Meristemkultur ist aus den aus Blättern gewonnenen Zellen zu Züchtungszwecken möglich.[2] In Gouadeloupe existiert eine Sorte (Navet de Jérusalem), die unter dortigem Klima besonders schnell innerhalb 90 Tagen Knollen bildet.[11]

Krankheiten und Schädlinge

Insgesamt wird Topinambur nur von wenigen Krankheiten und Schädlingen befallen, die selten ertragsmindernd sind. Fast jährlich ist Echter Mehltau und Alternaria anzutreffen, aber nicht bekämpfungswürdig. Neben Mehltau kommt gelegentlich auch Rost vor.[12] Wenn großflächiger Anbau durchgeführt wird, kann der Krankheits- und Schädlingsdruck steigen.[2] Unter tropischen Bedingungen ist die Pflanze sehr empfindlich gegenüber der Becherpilz-Art Sclerotium rolfsii.[11] Sklerotinia führt zu vorzeitigem Welken der Pflanze und zum Faulen der Knolle. Deshalb sind Sklerotinia-empfindliche Vorkulturen wie Buschbohnen oder Kohlarten zu vermeiden.[12] Unter europäischen Bedingungen sind auch Wildschweine und Wühlmäuse als Schädiger anzutreffen.[15] Bei zu hohen Düngergaben (insbesondere Stickstoff) faulen die Wurzeln leichter.[3]

Nutzung

Ernährung

Der Geschmack der Topinamburknollen ist süßlich, die Konsistenz der Knolle wässrig und sie erinnert an Artischockenböden.[12] Die Knolle kann sowohl roh in Salaten als auch in Salzwasser gekocht verzehrt werden.[5] Auch frittiert wie Kartoffeln sind sie zum Essen geeignet.[12] Ebenso kann ein Saft als Getränk zubereitet werden.[4] Unter saurem Milieu kann dieser eingedickt werden und ergibt einen 90%igen Fructosesirup. Der goldgelb bis braune Topinambursirup wird als alternatives Süßungsmittel verkauft.[17]

Besonders hervorzuheben ist als Inhaltsstoff Inulin, ein Polysaccharid, das für Diabetiker besonders verträglich ist. Inulin aufgespalten ergibt Fructose mit 1,5 bis 2facher Süßkraft gegenüber Zucker (Saccharose). Inulin ist neben dem hohen Ballaststoffgehalt wichtig bei der Zusammenstellung von Diät-Mahlzeiten. Auch der Eiweiß-Gehalt ist mit 2 bis 3 % recht hoch.[17] Der Gehalt an Inulin ist zum Erntebeginn am höchsten und fällt nach und nach ab. Der Gesamtgehalt an Zuckerstoffen bleibt aber gleich.[10]

100 g Topinambur enthalten allgemein:
kcal kJoule Wasser Eiweiß Fett Kohlenhydrate Ballaststoffe
31 130 78,465 g 2,44 g 0,41 g 4 g 12,5 g
100 g Topinambur enthalten allgemein:
Broteinheiten Linolensäure Linolsäure Mineralstoffe Natrium Kalium Calcium Magnesium Phosphor Eisen Zink Kupfer
0,33 BE 44 mg 0,165 g 1,74 g 3 mg 478 mg 10 mg 20 mg 78 mg 3,7 mg 60 µg 0,150 mg
100 g Topinambur enthalten die Vitamine:
A B1 B2 B3 B5 B6 B7 B9 B12 C D E K
2 µg 200 µg 60 µg 1,3 mg 60 µg 90 µg 1,7 µg 31 µg 0 mg 4 mg 0 mg 1,3-2 mg 0,023 mg

Da die Knollen nur eine dünne Haut haben, trocknen sie leicht aus und werden welk.[6] Anders als Kartoffeln sind sie deshalb nur wenige Wochen offen lagerbar.[8] Dies geschieht nach dem Kauf am besten foliert im Kühlschrank.[2] Nach der Ernte müssen die Knollen frostfrei gelagert werden, weil sie dann nicht mehr frosthart sind.[5] Die Luftfeuchte sollte zur Lagerung bei etwa 90 % liegen.[12] Die Temperatur am besten nahe 1 bis 2 °C oder eingeschlagen in Erde. So sind sie einige Monate haltbar.[8] Bis zu sechs Monate Lagerung sind in Mieten in der Erde möglich.[15] Durch ein neuartiges Infrarot-Trocknungsverfahren kann küchenfertiges Topinambur erstmalig ganzjährig verfügbar gemacht werden.

Brennerei

Datei:Rossler1.jpg
Badischer Rossler

Topinambur wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts für das Brennen von Destillaten verwendet.[5] In Baden werden die Topinambur-Knollen zu einem Verdauungsschnaps verarbeitet, der unter den Bezeichnungen „Topinambur-Branntwein“, „Topinambur“, „Topi“, „Erdäpfler“, „Rossler“ (abgeleitet von Ross-Erdäpfel) oder „Borbel“ verkauft wird.

Topinambur-Branntwein duftet fruchtig und hat ein leicht nussig-süßliches Aroma. Charakteristisch ist der intensive aber angenehm erdige Geschmack, der entfernt an Enzian erinnert. Vor dem Brand müssen die Topinambur-Knollen gründlich gewaschen werden, um alle Anhaftungen von Erde zu beseitigen. Bei ungenügender Reinigung bekommt der Branntwein einen unangenehmen Geschmack, im ungünstigsten Fall kann es zu Fehlgärungen kommen.

Topinambur-Branntwein wird gelegentlich zum „Roten Rossler“ veredelt. Dabei wird er mit Wurzeln der Blutwurz angesetzt, wobei Pflanzenstoffe aus der Wurzel herausgelöst werden, die dem „Roten Rossler“ einen leicht bitteren und adstringierenden Geschmack und nicht zuletzt die rote Färbung verleihen. Der „Rote Rossler“ ist bei Magenverstimmung, Durchfall oder Leibschmerzen als Hausmittel angezeigt, wird aber auch ohne körperliche Beschwerden, beispielsweise zur Unterstützung der Verdauung nach einer ausgiebigen Mahlzeit, gerne verkostet. Neben Blutwurz werden auch andere Zutaten, beispielsweise Johannisbeeren, bei der Herstellung von „Rotem Rossler“ verwendet. „Roter Rossler“ kommt wie reiner Topinambur-Schnaps mit 40-45 Vol.-Prozent Alkohol in den Handel.

Über 90 Prozent der in Deutschland gerodeten Topinamburknollen werden derzeit in Obstbrennereien zu Spirituosen verarbeitet.[18] Bei der Vergärung und anschließenden Destillation zu Spirituosen hat die Länge der Inulinmoleküle geringe Bedeutung, da nicht vergärbar.[19] Topinambur zählt laut Branntweinmonopol-Gesetz zu den Obststoffen.[19]

Zuckerherstellung

In geringerem Maß hatte Topinambur auch Bedeutung als Rohstoff für die Fruchtzucker-Herstellung.[20] Interessant ist Fructose, weil sie süßer als Zucker (Saccharose) oder Dextrose (Glucose) ist. Die Zuckergewinnung war jedoch recht schwierig und kostenintensiv und wurde um den Zweiten Weltkrieg nicht mehr weiterverfolgt.[8] Heute gibt es Techniken, die es leichter möglich machen, HFCS-Zucker (high fructose corn syrup) aus Topinambur herzustellen, indem sie nutzen, dass Fructose nach der Hydrolyse des Mehrfachzuckers Inulin schon hochprozentig in der Knolle vorhandenen ist.[19]

Futterpflanze

Früher wurde auch den Haustieren (Vieh, Pferden, Schweinen) Topinambur verfüttert.[5] Die nahe verwandte Art H. maximilianii wird in den USA auch noch als Futterpflanze genutzt.[2] Heute befinden sich wieder Produkte als Zusatzfutter für Pferde und Kleintiere im Handel.[19] Für Schafe soll sie ein sehr gutes Futter sein.[21] Topinambur wurde in geringem Umfang auch als Futterpflanze für Wildfutter angebaut. Dort scharren vor allem Hasen, Rot- und Schwarzwild die Knollen aus dem Boden.[7] Vom Wild werden vor allem die Jungtriebe zur Äsung angenommen. An ausgewachsene Pflanzen geht Wild dagegen selten, da die Blätter offensichtlich zu rau sind. Wenn jedoch die Knollen freigelegt werden – zum Beispiel durch Hegearbeit von Menschen – sind sie eine beliebte Nahrung für Rehe. Neben Wildschweinen fressen auch Bisamratte, Wanderratte, Schermaus und Wildkaninchen diese Knollen. Da Topinambur vor allem die Uferbereiche von Fließgewässern besiedelt, kann es hier aufgrund der Wühltätigkeiten zu größeren Schäden an der Uferbefestigung kommen. Die Wühltätigkeit der Nager trägt außerdem zur Verbreitung der Pflanzen bei. Von Nagern freigelegte Knollen und Knollenbruchstücke werden durch Fließgewässer häufig verschwemmt und besiedeln dann andere Habitate neu. Auch wenn Topinambur heute als invasive Pflanze angesehen werden kann, ist die Kultur unter geregelten Bedingungen weiterhin möglich.

Bioenergie

Aufgrund der guten Anbaueigenschaften und der hohen Biomasseproduktion kann Topinambur auch als Energiepflanze genutzt werden und spielt entsprechend als nachwachsender Rohstoff eine potenzielle Rolle.[2] Dabei lassen sich sowohl die vegetativen Teile als auch die Knollen zu Biogas und Bioethanol vergären oder zu Brennstoff trocknen und verarbeiten. Zur Nutzung für die Bioethanolherstellung sollten die Knollen einen Frost abbekommen haben, damit das enthaltene Inulin durch die dadurch aktivierte Inulase in fermentierbare Zucker umgewandelt werden kann.[9]

Für die Biogasnutzung ist eine mehrjährige Kultur möglich. Der Trockenmasseertrag (Kraut und Knollen) kann bis zu 30 Tonnen pro Hektar betragen. Mit ca. 8140 Kubikmeter Biogas pro Hektar kann aus dem Krautertrag rund zehn Prozent weniger Biogas gewonnen werden als bei Silomaisanbau. Erntet man auch die Knollen, ist ein zusätzlicher Ertrag von etwa 2150 Kubikmeter Biogas pro Hektar möglich. Allerdings gibt es erst seit wenigen Jahren Anbauerfahrungen mit Topinambur zur Energienutzung.[18] Bei der Veredelung zu Ethanol hat der Inulin-Ertrag und damit auch die Form der Inulinmoleküle kaum Einfluss.[19] Topinambur wird nur noch durch die Zuckerrübe bei der Bio-Ethanol-Herstellung geschlagen.[19]

Topinambur kann ebenfalls getrocknet und in Form von Pellets als Brennstoff genutzt werden. Ohne weitere Konfigurationen können sie in Hackschnitzel- oder Pelletheizungen eingesetzt werden. Dabei entsprechen im Mittel 3,1 kg Topinamburkrautpellets einer Heizleistung von 1 kg Heizöl. Oder: 20 t/ha Topinamburkraut entsprechen ca. 6400 l Heizöl.[22]

Medizinische Bedeutung

Die Knollen sind bei Diabetikern beliebt, da sie zu 16 % aus Kohlenhydraten in Form des Mehrfachzuckers Inulin bestehen.[8] Topinambur ist seit 1922 auf dem Speiseplan flankierend zur Behandlung von Diabetes in Verwendung.[19] Inulin, der langkettige Zuckerstoff, kann nicht verdaut werden, weil die dazu nötigen Enzyme nicht vorhanden sind, und wirkt deshalb als Ballaststoff im Darm. Erst im Dickdarm kommt es zur Fermentierung, was aber auch zu Blähungen führen kann. Wird Inulin regelmäßig mit der Nahrung aufgenommen, senkt das die Blutfettwerte und fördert die Anwesenheit von Bifidobakterien.[10] Entsprechende Versuche wurden mit Absetzferkeln im Ersatz zu Leistungsförderern eingesetzt und förderten die Laktoflora-Bildung.[19]

In der Homöopathie wird Topinambur als Mittel zur Hemmung des Hungergefühls und der Gewichtsreduktion angewendet.[19] In Reformhäusern wird Topinambur als Kautablette oder Getränk verkauft, um, vor der eigentlichen Mahlzeit eingenommen, in Verbindung mit Wasser durch Aufquellen im Magen das Hungergefühl etwas zu dämpfen. Die Knolle enthält Betain, Cholin und Saponine, die als hemmend gegen Krebs angesehen werden.[15]

Weblinks

 Commons: Topinambur – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Wahrig (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 8. Auflage. Bertelsmann, Gütersloh/München 2010, ISBN 978-3-577-10241-4.
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 G. Vogel: Handbuch des speziellen Gemüsebaus – Topinambur. 1996, ISBN 3-8001-5285-1. S. 152–159
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 G. Vogel: Gemüse-Biografien (8) – Topinambur. In: Gartenbau Magazin, 1993, S. 53–54
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 F. Keller, J. Lüthi und K. Röthlisberger: Topinambur, In: 100 Gemüse., Verlag LMZ, Zollikofen, 1986, S. 440, ISBN 3-906679-01-2
  5. 5,00 5,01 5,02 5,03 5,04 5,05 5,06 5,07 5,08 5,09 5,10 5,11 5,12 H. L. Vilmorin: Topinambour. In: Les Plantes Potagères; Descroption et culture des Proncipaux Légumes des climats tempéré., Troisième Édition, 1904, S. 681–682.
  6. 6,0 6,1 6,2 A. Lugeon: Topinambour, In: La Culture des Légumes., Librairie Payot, Lausanne, 1945, S. 187–188
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 L. Müller: XII. Topinambur, Erdbirne, In: Gemüsebau – Ein Hand- und Lehrbuch für die gärtnerische Praxis., Druck: Verlagsgesellschaft mbH Heinrich Rillinger, Nordhausen am Harz, 1937?, S. 440
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 8,6 8,7 H. C. Thompsen: Jerusalem Artichoke. In: Vegetable Crops., Fourth edition, McBraw-Hill Book Company Inc., London 1949, S. 210–211
  9. 9,0 9,1 Topinambur. In: Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann, Hermann Hofbauer (Hrsg.): Energie aus Biomasse. Grundlagen, Techniken und Verfahren. Springer Verlag, Berlin und Heidelberg 2009; S. 664–665. ISBN 978-3-540-85094-6
  10. 10,0 10,1 10,2 10,3 K. Stolzenburg: Topinambur – gesunde Knolle, Wiederentdecktes Wintergemüse, In: Gemüse Nr. 11., 2003, S. 24–26
  11. 11,0 11,1 11,2 C.-M. Messiaen: Le Topinambour ou „Navet de Jérusalem“, In: Le potager tropical., 3ème edition refondu, Edition CILF, Paris, 1998, S. 479–480
  12. 12,0 12,1 12,2 12,3 12,4 12,5 12,6 12,7 C. van Wijk: Aardpeer: een zoete verrassing, In: Groenten & Fruit Week 34, 2006, S. 40–41
  13. L. C. Westley: The effect of Inflorescence Bud Removal on Tuber Production in Helianthus tuberosus L. (Asteraceae), In: Ecology. Nr. 7 (Oct.), Bd. 74, 1993, S. 2136–2144
  14. S. Klug-Andresen: Jerusalem Artischoke: A Vegetabel Crop Growth Regulation and Cultivars. In: Acta Horticulturae No. 318, 1992, S. 145–152
  15. 15,0 15,1 15,2 15,3 C. Wonneberger et al.: Topinambur, In: Gemüsebau., Verlag Ulmer, 2004, ISBN 3-8001-3985-5, S. 192–193
  16. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
  17. 17,0 17,1 L. E. Görner: Die Inhaltsstoffe des Topinambur, In: Gemüse Nr. 7, 1996, S. 455–456
  18. 18,0 18,1 C.A.R.M.E.N. e. V.: Topinambur – Energiepflanze für Biogasanlagen. In: Newsletter „nawaros“ 11/2007, Straubing.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 19,4 19,5 19,6 19,7 19,8 K. Stolzenburg: Qualität und markt bei Topinambur – 3. Topinambur-Fachtag an der LAP Forchheim, In: Gemüse Nr. 7., 2005, S. 31–32
  20. J. C. Gotthard: Handbuch der praktischen Technologie oder Manufaktur-, Fabrik- und handwerkskunde – Drittes Kapitel: Die Zuckersiederei. Druck: Hamburg und Mainz bei Gottfried Vollmer, Basel 1805, S. 89–208
  21. F. Wimmer und C. F. H. Wimmer: Flora von Schlesien: Handbuch zur Bestimmung und Kenntnis der phanerogamischen Gewächse dieser Provinz, nebst einer gedrängten Einleitung in die Pflanzenkunde. Druck: A. Rücker, 1832, S. 387.
  22. Michael Pankratius: Topinambur. In: Nachwachsende-rohstoffe – Die Zukunft vom Acker, abgerufen am 7. Februar 2011.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Topinambur aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.