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Vinzenz Wyss

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Vinzenz Wyss (* 1965) ist Professor für Journalistik an der ZHAW in Winterthur. Der Schweizer Medien- und Kommunikationswissenschaftler arbeitet im Schwerpunkt Journalismustheorie, journalistische Qualität und Qualitätssicherung. Medienethik und Medienkritik.

Biographie

Vinzenz Wyss studierte von 1987 bis 1994 Germanistik, Publizistikwissenschaft und Soziologie an der Universität Zürich. Er arbeitete von 1991 bis 1998 als Redaktor/Moderator für das Privatradio Radio 32 in Solothurn. An der Universität Zürich war er von 1994 bis 2003 als Assistent (bei Ulrich Saxer), Oberassistent, wissenschaftlicher Mitarbeiter (bei Otfried Jarren) und zuletzt als Geschäftsführer von IPMZ Transfer tätig. 2002 hat er zum Thema „Redaktionelles Qualitätsmanagement“ promoviert.

Seit 2003 ist er Professor für Journalistik am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur, wo er den CAS Community Communications mitentwickelt hat. Von 2009 bis 2014 war er Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Vinzenz Wyss betreibt mit MQA – Media Quality Assessment eine vom BAKOM – Bundesamt für Kommunikation anerkannte Evaluationsstelle, mit welcher Konzepte des Qualitätsmanagements in Medienorganisationen evaluiert und verbessert werden. Des Weiteren engagiert er sich als Präsident der Bildungskommission der SRG Zürich/Schaffhausen sowie als Vorstand des Vereins für Qualität im Journalismus.

Forschung und Lehre

Seine Schwerpunkte sind:

  • Journalistik, Journalismustheorie und Journalismusforschung
  • Journalistische Qualität und Qualitätssicherung, Redaktionsforschung
  • Medienethik, Medienkritik
  • Transferforschung (Wissenschaftstransfer)
  • Narrationsforschung und Religionskommunikation

Mehrsystemrelevanz als journalistische Leitdifferenz

Vinzenz Wyss hat im Rahmen seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit ein Journalismuskonzept entwickelt, das sich stark an der systemtheoretischen Perspektive Niklas Luhmann orientiert (Soziologische Systemtheorie). Die zentrale Frage, von der die Bestimmung des journalistischen Qualitätsbegriffs ausgehen muss sei: Welches Problem löst der Journalismus für die Gesellschaft – exklusiv im Unterschied zu anderen Funktionssystemen wie etwa Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Religion oder Erziehung?. Das Konzept der journalistischen Qualität kann unter Rückgriff auf eine systemtheoretische Perspektive aus der gesellschaftlichen Funktion des Journalismus abgeleitet werden. Diese Funktion wird abstrakt mit der „permanenten Selbstbeobachtung und Synchronisation der Gesellschaft“ bezeichnet[1]. Journalismus knüpft die Kommunikationen der anderen dynamisch auseinander driftenden Funktionssysteme sachlich, zeitlich und sozial aneinander. Er fokussiert dabei auf Themen, die konfliktive bzw. irritierende Bezüge zwischen verschiedenen – nicht-kompatiblen – Systemrationalitäten aufweisen. Er stellt – meist unter Rückgriff auf narrative Muster – Bezüge von einer Systemlogik (z.B. politisch) zu einer anderen (z.B. rechtlich, ökonomisch, wissenschaftlich etc.) her und kommuniziert dann, wenn ein Thema aus der Perspektive von mehr als einem gesellschaftlichen Funktionssystem als relevant erscheint (soziale Dimension) und in mehreren Systemen zugleich (zeitliche Dimension) Resonanz bzw. Anschlusskommunikation erzeugt.

Das Publikum des Journalismus spielt bei dieser Leistung eine zentrale Rolle[2]. Über die kommunikative Rezeption des Publikums können Kommunikationsleistungen aus der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Religion etc. in andere Systeme getragen, dort irritieren und Anschlusskommunikation auslösen. Die Publikumsrollen des Journalismus sind immer zugleich auch die Leistungs- oder Publikumsrollen anderer Systeme: Regierungen und Bürgerinnen, Unternehmensführerinnen und Konsumenten, Religionsführer und Gläubige etc. – sie alle sind potenzielle Publikumsrollen des Journalismus, welcher seine Funktion wiederum nur erfüllen kann, wenn seine Angebote auch von einem Publikum in Anspruch genommen werden. Der Journalismus kann den Publikumsrollen helfen, sich über Themen zu orientieren, die gesellschaftliche Entscheidungsrelevanz erlangt haben oder erlangen können bzw. was kollektive wie private Entscheidungen nach sich zieht oder ziehen kann.

Ausgehend von der Beziehung zum Publikum und von der journalistische Leitdifferenz „Mehrsystemrelevanz“ muss vom Journalismus zunächst als erste Qualitätsanforderung Unabhängigkeit erwartet werden – und damit die Thematisierungsleistung und Bewertung nach systemeigenen Ein- und Ausschlussregeln. Daran schliesst der Vielfaltsbegriff an, mit dem die Erwartung ausgedrückt wird, dass die Leistung nicht exklusiv aus der Perspektive eines bestimmten Systems, sondern eben gerade unter Einbeziehung verschiedener – sich widersprechender – Systemlogiken und Perspektiven erbracht wird. Die zur Synchronisation benötigte Anschlussfähigkeit der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung kann nur erreicht werden, wenn sie mit der Jetzt-Zeit verbundene Gesellschaftsbeobachtung herstellt (Aktualität) und Glaubwürdigkeit setzt voraus, dass sich Journalismus an sozial verbindlichen Wirklichkeitsmodellen orientiert (Faktizität, Richtigkeit, Transparenz). Schliesslich wird Narrativität als weitere zentrale Qualitätsnorm konzipiert, weil Verstehen voraussetzt, dass gesellschaftliche Komplexität nicht nur argumentativ, sondern auch narrativ an die Lebenswelt des Publikums anschliessen kann.

Schriften

  • Wyss, Vinzenz; Studer, Peter & Zwyssig, Toni (2012): MEDIENQUELITÄT DURCHSETZEN. Qualitätssicherung in Redaktionen. Ein Leitfaden. Zürich: Orell Füssli.
  • Narration freilegen: Zur Konsequenz der Mediensystemrelevanz als Leitdifferenz des Qualitätsjournalismus. In: Roger Blum, Kurt Imhof, Heinz Bonfadelli, Otfried Jarren (Hrsg.): Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation: Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien. VS Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17972-8, S. 31–47.
  • (mit Guido Keel): Journalismusforschung. In: Heinz Bonfadelli, Otfried Jarren, Gabriele Siegert (Hrsg.): Einführung in die Publizistikwissenschaft. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Haupt, Bern 2010, ISBN 978-3-8252-2170-6, S. 337–378.
  • Journalismus als duale Struktur: Grundlagen einer strukturationstheoretischen Journalismustheorie. In: Martin Löffelholz (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2., überarbeitete Auflage. Westdeutscher Verlag, Opladen 2004, ISBN 3-531-13341-1.
  • Redaktionelles Qualitätsmanagement: Ziele, Normen, Ressourcen. UVK, Konstanz 2002, ISBN 3-89669-368-9 (Forschungsfeld Kommunikationswissenschaft. Bd. 15).
  • Mirko Marr, Vinzenz Wyss, Roger Blum, Heinz Bonfadelli: Journalisten in der Schweiz: Eigenschaften, Einstellungen, Einflüsse. UVK, Konstanz 2001, ISBN 3-89669-315-8 (Forschungsfeld Kommunikation. Bd. 13).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. (vgl. auch Arnold 2009)
  2. (vgl. Wyss 2009)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vinzenz Wyss aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.