Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Vitali Stesin

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Vitali Stesin

Vitali Stesin (russisch Виталий Львович Стесин; geb. 22. November 1940 in Moskau; gest. 15. Dezember 2012 in Wien) war ein russischer Maler.

Leben

Vitali Stesin wurde 1940 in Moskau geboren. Seine beiden Eltern stammten aus jüdischen Familien. Sein Vater Lew war General der sowjetischen Streitkräfte, später gehörte er zur Leitung einer Zeitschrift für Wehrtechnik.[1]

Vitali Stesin begann in Moskau ein Studium der Chemie, brach dies aber ab. Zunächst versuchte er sich bei einem Kabarett, bevor er mit einem Puppentheater die sowjetische Provinz bereiste. Anfang der 1960er Jahre begann er, intensiv zu malen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er dabei offiziell u.a. als Leiter des Kulturhauses eines Dorfes bei Moskau sowie inoffiziell als Restaurator von Ikonen.[2] In dieser Zeit stieß er zur „Jungen Moskauer Avantgarde“, der Szene aus Künstlern und Literaten außerhalb des staatlichen Kunstbetriebs, die keine Chance hatten, ihre Werke in einer Galerie zu zeigen oder in einem Verlag zu publizieren.[3] Zu seinen Ateliernachbarn gehörten Erik Bulatow, Ilya Kabakow und Ernst Neiswestny.[4]

Zu seinem Freundeskreis im „Moskauer Untergrund“ zählten die Schriftsteller Wenedikt Jerofejew und Eduard Limonow. Jerofejew wies während der Perestroika, als er endlich publizieren durfte, in einem Interview auf Stesin hin.[5] Limonow bezeichnete ihn als Freund, der ein „halb verrückter Typ“ (полубезумный тип) gewesen sei.[6] Auch erwähnte Limonov ihn in seiner autobiographischen Prosa.[7]

Über den Dichter und ehemaligen Lagerhäftling Wladimir Gerschuni knüpfte Stesin Kontakte in die Dissidentenszene.[8] Wegen des zunehmenden Drucks des KGB auf die alternative Kunstszene stellte er einen Antrag auf Ausreise nach Israel. 1973 konnte er die Sowjetunion verlassen. Seine Bilder wurden dabei vom sowjetischen Zoll beschlagnahmt.[9] Er ließ sich zunächst in Tel Aviv nieder.

1975 nahm er das Angebot an, nach Köln überzusiedeln, im Stadtteil Ehrenfeld konnte er günstig eine Wohnung mit Atelier mieten. Doch überwarf er sich bald mit seiner Galeristin Kenda Bargera. Zunehmend setzte er sich mit den großen Religionen auseinander, besonders intensiv studierte er die Bibel.[10]

Bei einer Reise nach Wien lernte er seine künftige Frau Iris kennen, die ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte. Bis zu seinem Lebensende pendelte Stesin zwischen Köln und Wien.

Künstlerisches Schaffen

Stesin wird der russischen Neo-Avantgarde zugerechnet, auch „zweite russische Avantgarde“ oder seinerzeit „Moskauer Junge Avantgarde“ genannt.[11] Er galt als einer der Köpfe des „Moskauer Underground“.[12]

Seine abstrakten und utopischen Szenerien sind stark von Kubismus und Futurismus beeinflusst, insbesondere von Wassily Kandinsky und Pawel Filonow, deren Werke damals in der Sowjetunion nicht ausgestellt wurden und verpönt waren.[13] Es selbst nannte seine Bilder „kosmische Landschaften“.[14] Die meisten Bezeichnungen, die Stesin ihnen selbst gegeben hat, kommen aus der Welt der Mathematik oder der Bibel. Wegen der religiösen Bezüge wurde er auch als „nonkonformistischer Mystiker” gesehen.[15]

Mehrheitlich handelt es sich um von Farbknäueln und geometrischen Formen geprägte Buntstiftzeichnungen und Ölbilder, unter „Verzicht auf hierarchische Bildstrukturen“ (Reifenscheid).[16] Wegen des „Verzichts auf eine zentrale Perspektive“ wirken sie wie „Luftaufnahmen und Landkarten“, die aber nicht nur die Oberfläche zeigen, sondern auch die darunter liegenden Strukturen (Spielmann) .[17]

Auch bemalte er immer wieder Astgabeln, Wurzelholz und Gebrauchsgegenstände aus Holz in einer Weise, die an Indianermasken und die Kunst der Azteken erinnert. (Schlott)[18] Einige dieser bemalten Wurzelskulpturen wurden 1970 in einer Ausstellung für junge Talente gezeigt, die Zeitschrift Sputnik druckte sechs Fotos von diesen Arbeiten ab (Ausgabe 2/1970).[19]

Ausstellungen

Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre nahm Stesin mit seinen Bildern an Gruppenausstellungen in Moskauer Privatwohnungen teil.[20]

Seit seiner Ausreise aus der Sowjetunion waren ihm Einzelausstellungen gewidmet, u.a.

Literatur

  • Vitali Stesin. Oil, Drawings. Exhibition in memory of Margalit Sela. Weizman Institure of Science, Jerusalem 1975.
  • Vitali Stesin. Edition Jensen. Heidelberg 1977 (Ausstellungskatalog, Texte: Peter Hölzle und Peter Spielmann).
  • Non-Konformisten. Die zweite russische Avantgarde 1955–1988. Sammlung Bar-Gera. Hrsg. Hans-Peter Riese. Bonn 1996, S. 234–236.
  • Vitali Stesin. Vermessen von Raum und Zeit / Measuring space and time. Hrsg. Beate Reifenscheid. Silvani Editoriale Milano 2010 (zweisprachiger Ausstellungkatalog, Texte: Beate Reifenscheid, Peter Spielmann, Wolfgang Schlott und Lydia Vegler) ISBN 8836617921

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Hölzle, Vitali Stesin, in: Vitali Stesin. Ed. Jensen. Heidelberg 1975, S. 9.
  2. Hölzle, a.a.O., S. 9.
  3. Hölzle, a.a.O., S. 9.
  4. Lydia Vegler, Leben und Werk von Vitali Stesin/Vitali Stesin’s Life and Work, in: Vitali Stesin. Vermessen von Raum und Zeit/Measuring space and time. Mailand 2010, S. 46.
  5. Interv’ju: Sumašedšim možna byt‘ v ljuboe vremja, in: Kontinent, No. 65(1990).
  6. Limonov protiv Žirinovskogo Moskau 1994.
  7. Čužoj v neznakomom gorode, Moskau 1995.
  8. Vegler, a.a.O., S. 48.
  9. Hölzle, a.a.O., S. 10.
  10. Vegler, a.a.O., S. 54–56.
  11. Non-Konformisten. Die zweite russische Avantgarde 1955–1988. Sammlung Bar-Gera. Hrsg. Hans-Peter Riese. Bonn 1996, S. 236.
  12. Mark Ural’skij: Nebesnyj zalog. Portret chudožnika v stile kollaža. Moskau 2013, S. 343.
  13. Peter Spielmann, Meine Begegnung mit Vitali Stesin und seinem Werk/My Encounter with Vitali Stesin and his Work, in: Vermessen von Raum, a.a.O., S. 14.
  14. Peter Spielmann, Vitali Stesin, in: Vitali Stesin. Heidelberg 1975, S. 5.
  15. Ludwig Museum, Ausstellungen, 12. September 2010
  16. Beate Reifenscheid, Außerhalb der Ordnungszonen/Where Few Have Ventured, in: Vermessen von Raum, a.a.O., 8-10.
  17. Spielmann, Meine Begegnung, a.a.O., S. 16.
  18. Wolfgang Schlott, Im Mahlstrom bizarrer Welten/In the Maelstrom of Bizarre Worlds, in: Vermessen von Raum, a.a.O., S. 24.
  19. Vergler, a.a.O., S. 50.
  20. Non-Konformisten, a.a.O., S. 25.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vitali Stesin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.