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Wohnturm

Aus Jewiki
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Dieser Artikel behandelt mittelalterliche Wohntürme; zu modernen Wohntürmen siehe Hochhaus.
Freistehendes Tower House, wie es im Mittelalter auf den Britischen Inseln üblich war

Ein Wohnturm ist ein mittelalterlicher Turm, der zu einer dauerhaften Nutzung als Wohnung geeignet war und zugleich auch Wehrfunktionen hatte. Er verfügte meist nur über einen Hocheingang.

Wohntürme wurden vom frühen bis ins späte Mittelalter in ganz Europa errichtet und stellten einen – im Gegensatz zu einer großen Burganlage – relativ schnell und mit wenig Aufwand zu errichtenden Prototyp einer ebenso wehrhaften wie auch standesgemäßen Behausung für Ritter dar. Sie wurden oft zusätzlich mit Palisadenzäunen, Wassergräben oder kleinen Ringmauern geschützt. Sie konnten aber auch in große Burganlagen einbezogen werden. In Städten gelegene Wohntürme, vor allem in Italien aber auch etwa in Regensburg oder Trier, werden als Geschlechterturm bezeichnet.

Bauweise und Abgrenzung

Granusturm der Aachener Kaiserpfalz (788 n. Chr.)
Frankenturm in Trier, 11. Jh.
Normannenkastell in Paternò, Sizilien (1072)
Kemenate Orlamünde, 11./12. Jh.
Goldener Turm in Regensburg, 13. Jh.
Wohnturm der Burg Eltville, 14. Jh.
Die Kemenate Reinstädt, 15. Jh.
restaurierter Wohnturm (um 1250) eines ehemaligen (teilweise abgerissenen) Burgmannensitzes in Wandersleben, Thüringen

Der Begriff des Wohnturms wird in der mittelalterlichen Architektur in Abgrenzung zu dem des Wehrturms verwendet, wobei Türme auch beide Funktionen miteinander vereinigen konnten. Der Übergang zwischen Wohnturm und festem Haus ist fließend. Das Unterscheidungskriterium ist hierbei lediglich das Verhältnis zwischen Höhe und Breite des Baukörpers, dabei übertrifft die Höhe eines Turms seine Breite bzw. seinen Durchmesser. Sie hatten aufgrund ihrer massiven Bauweise und ihrer Höhe einen fortifikatorischen Wert und waren deshalb oft Teil einer Burg. Da sie gleichzeitig jedoch auch herrschaftlichen Wohn- und Repräsentationsbedürfnissen genügen mussten, verfügten sie oft über relativ aufwändige Innenausbauten, waren beheizbar und konnten auch einen saalartigen Raum enthalten. Anders als unbewohnte oder nur provisorisch zum Wohnen ausgestattete Wehrtürme waren sie als Wohnstatt angelegt. Eine Burganlage mit einem Wohnturm und untergeordneten Nebengebäuden wird als Turmburg bezeichnet. Eine Sonderform bilden Türme mit einem unbewohnten steinernen Unterbau, die einen bewohnbaren Aufsatz – häufig aus Holz – trugen, wie das Topplerschlösschen.

Der Bergfried unterscheidet sich vom Wohnturm in erster Linie dadurch, dass er nicht für eine Wohnnutzung vorgesehen ist. Der Turmschaft eines Bergfrieds hat meist keine oder nur wenige kleine Fenster; die unteren Fenster sind, falls vorhanden, so klein, dass ein Angreifer nicht problemlos hindurchsteigen kann. Oft war die Wächterstube der einzige beheizbare Raum. Die große Formenvielfalt der mitteleuropäischen Burgen führte jedoch auch zu vielen Übergangsstufen zwischen beiden Bautypen, so dass eine klare Einordnung nicht immer möglich ist. Otto Piper sprach vom bewohnbaren Berchfrit als einer Zwischenstufe zwischen Bergfried und Wohnturm, wenn ein durch seine Bauweise als Bergfried charakterisierter Turm mit für eine Wohnnutzung vorgesehenen Obergeschossen ausgestattet war. Aufgrund dieser unterschiedlichen Begrifflichkeit kann es vorkommen, dass ein und derselbe Turm in der einen Fachpublikation als Wohnturm, in der anderen als bewohnbarer Bergfried geführt wird. Beispiele hierfür sind die beiden runden Wohntürme/Bergfriede der Vorburg II der Neuenburg und der Burg Stolpe. Letzterer erfüllt auch den Typus einer Turmburg. Auch auf der Runneburg, wurde der erhaltene, mit dem Palas direkt verbundene, fünfgeschossige quadratige bergfriedartige Wohnturm mit Hocheingang bereits ursprünglich für Wohnzwecke konzipiert: mit Kaminen, Aborterker und in die Mauer verlegten mehreren Treppenanlagen.[1]

Für repräsentative Wehr- und Wohntürme, insbesondere in Frankreich, ist in der Burgenforschung die Bezeichnung Donjon üblich. In Irland und Großbritannien gibt es sogenannte Tower Houses, bei denen es sich um freistehende, wehrhafte Wohntürme handelt. Türme von Burgen, die als Speisehaus genutzt wurden, nannte man Muthaus.

Funktion und Nutzung

Im Mittelalter wurden regional Türme als herrschaftlicher Wohnsitz und zum Schutz vor feindlichen Angriffen erbaut. Als einzeln stehende Gebäude konnten sie auch als befestigter Adelssitz innerhalb von Städten dienen.

In einigen italienischen Städten wurden solche Wohntürme von Bürgern mit patrizischem oder ritterlichem Selbstverständnis als sogenannte Geschlechtertürme errichtet. Bekannte Beispiele hierfür sind die Türme von San Gimignano oder Bologna. In Deutschland gibt es vor allem in Regensburg noch einige.[2]

Mittelalterliche Städte errichten teilweise noch im Spätmittelalter sogenannte Wehrhöfe, burgartige Befestigungsanlagen die Teil einer vorgeschobenen Landwehr oder seltener Teil der Stadtmauer waren. Die städtischen Wehrhöfe von Demmin wurden in Urkunden der Stadt sogar als Burgen bezeichnet. Solche Wehrhöfe enthielten als zentralen Bestandteil oft Wohntürme. Von der Frankfurter Landwehr hat sich vom abgerissenen Wehrhof Kühhornshof der Wohnturm bis heute erhalten.

Die Mehrzahl der Wohntürme waren einzeln stehende Bauten des niederen Adels. Bisweilen wurden Höhenburgen zuerst mit einem freistehenden, bewohnbaren Turm begonnen und dann im Lauf der Zeit mit Mauern, Palas, Kapelle und anderen Gebäuden weiter ausgebaut, so etwa Schloss Sargans.

Teilweise wurden die Gebäude unter Beibehaltung der ursprünglichen Gebäudeausmaße inzwischen so weit renoviert, dass sie wieder genutzt werden können. So beherbergt der Turm Jerusalem in Trier heute das Standesamt, das Trierer Dreikönigenhaus ist wieder ein normales Wohnhaus.

Im südosteuropäischen Raum boten wohnturmartige Gebäude noch im 19. Jahrhundert Schutz gegen umherziehende Banden. So zum Beispiel in den Albanischen Alpen, wo die Wohntürme (Kulla) auch als Rückzugsorte für Männer dienten, die von der Blutrache zwischen verfeindeten Familien bedroht waren.

Im arabischen Raum, insbesondere im Jemen, sind wehrhafte Wohntürme auch heute noch in Gebrauch.

Bis in die heutige Zeit werden weiter Wohntürme als Kerngebäude einzelner Gehöfte in den ländlichen Regionen des Irans, Afghanistans, Turkmenistans, Tibets und Nordchinas errichtet.

Im 20. Jahrhundert wurden Wassertürme, die auch eine Wohnnutzung aufwiesen, als Wohnwasserturm bezeichnet. Heute werden gelegentlich bewohnte Hochhäuser als Wohntürme bezeichnet.

Weitere Formen sind

Beispiele

Deutschland

In Deutschland sind noch einige Wohntürme erhalten, die größtenteils unter Denkmalschutz stehen. Der älteste bekannte Wohnturm ist der Granusturm in Aachen, ehemals Teil der Aachener Kaiserpfalz Karls des Großen. Ferner gehören zu den ältesten Beispielen der Frankenturm, das Dreikönigenhaus und der Turm Jerusalem in Trier oder der fast 1000 Jahre alte „Wohnturm I“ der Neuenburg in Sachsen-Anhalt.

Die Thüringer Breitwohntürme könnten nach süditalienischem Vorbild (etwa der Normannenburg von Paternò) entstanden sein, bekannteste Beispiele sind die „Kemenaten“ Orlamünde, Reinstädt und Ziegenrück.

Beispiele für Breitwohntürme:

Ungewöhnliche Wohntürme sind der zentrale donjonartige Wohnturm „Dicker Merten“ der Burg Frauenstein (Erzgebirge), der aus einem Turm mit einem zweiten gleichen Anbau „zusammengesetzt“ wurde und „rechteckig“ ist mit runden Ecken und einem internen runden Wendelstein, sowie die Turmburgruine Hoher Schwarm in Saalfeld/Saale mit quadratischem Turm und ehemals mutmaßlich je einem runden Eckturm (nur zwei Ecktürme sind erhalten geblieben).

Weitere Beispiele für Burgen mit Wohntürmen sind:

Ein Beispiel für einen romanischen Wohnturm innerhalb einer städtischen Bebauung stellt der Gmünder Glockenturm dar. Dieses Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert ist aufgrund seiner Umnutzung zum Glockenturm bis heute erhalten. Im thüringischen Saalfeld blieb ein heute zum Haus umgestalteter romanischer Wohnturm – heute Marktapotheke – erhalten, der ehemals Sitz des Stadtvogtes war. Die Burg Hof am Regen war eine Kirche des 12. Jahrhunderts, die bald darauf zu einem Wohnturm aufgestockt wurde.

Schweiz

Österreich

Italien

Polen

Tschechien

Bilder

Literatur

  • Uwe Albrecht: Der Adelssitz im Mittelalter. Studien zum Verhältnis von Architektur und Lebensform in West- und Nordeuropa. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 1995, ISBN 3-422-06100-2, S. 37 ff. (zugleich: Kiel, Universität, Habilitations-Schrift, 1989).
  • Uwe Albrecht: Vom Wohnturm zum Herrenhaus. Zur Typen- und Funktionsgeschichte norddeutscher und dänischer Schloßbaukunst des 14. bis 16. Jahrhunderts. In: G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa (= Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake. 4). Band 1. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 1990, ISBN 3-422-06069-3, S. 30–59.
  • Christofer Herrmann: Wohntürme des späten Mittelalters auf Burgen im Rhein-Mosel-Gebiet (= Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung. Reihe A: Forschungen. Band 2). Leidorf, Espelkamp 1995, ISBN 3-924734-14-3 (zugleich: Mainz, Universität, Dissertation, 1993).

Weblinks

 Commons: Wohntürme – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schlösserwelt Thüringen. Magazin. Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Frühjahr/Sommer 2017.
  2. Elisabeth Lichtenberger: Die Stadt. Von der Polis zur Metropolis. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, S. 29.
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