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Annemarie Schimmel

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Annemarie Schimmel – Glasplatte in der Bonngasse (Bonn)

Annemarie Schimmel (geb. 7. April 1922 in Erfurt; gest. 26. Januar 2003 in Bonn) war eine deutsche Islamwissenschaftlerin.

Leben

Annemarie Schimmels Vater war Postbeamter und befasste sich mit Philosophie und Mystik, die Mutter stammte aus einer Seefahrerfamilie. Als 15-jährige Schülerin begann Annemarie Schimmel Arabisch bei Hans Ellenberg zu lernen, der gleichzeitig Lektor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena war. Annemarie Schimmel durfte zwei Schuljahre überspringen und konnte schon mit 16 Jahren das Abitur ablegen. Nach sechsmonatigem freiwilligem Arbeitsdienst studierte sie ab 1939 an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität) in Berlin zunächst Chemie und Physik, hörte aber auch islamische Kunstgeschichte und Arabistik. Am 20. November 1941 wurde sie mit der Doktorarbeit Die Stellung des Kalifen und der Qadis im spätmittelalterlichen Ägypten, die 1943 auch in der „Welt des Islam“ erschien, mit magna cum laude an der Universität Berlin promoviert. Bis Kriegsende war sie im Auswärtigen Amt unter Joachim von Ribbentrop als Übersetzerin tätig. Von Mai bis September 1945 wurde sie als Angehörige des Amtes durch die US-amerikanischen Behörden in Marburg interniert. 1951 wurde sie in Religionsgeschichte mit der Arbeit Studien zum Begriff der mystischen Liebe in der frühislamischen Mystik an der Universität Marburg promoviert. 1953 Ernennung zum apl. Professor der Universität Marburg, bis 1954 dort tätig. Ab 1961 außerplanmäßige Lektorin am Seminar für Orientalische Sprachen der Universität Bonn, 1967 bis 1992 Fakultätsmitglied an der Harvard-Universität in Cambridge, Massachusetts, USA, wo sie den Auftrag hatte, ein Institut für indo-islamische Kultur aufzubauen; ab 1970 Professorin für Indo-muslimische Kultur in Harvard.

Als Lehrbeauftragte oder Professorin lehrte sie unter anderem an der neu gegründeten Theologischen Fakultät in Ankara, am Ismailitischen Institut London (1982–1983) und der Universität Edinburgh (1992–1993). Als ihre „zweite Heimat“ bezeichnete sie jedoch Pakistan; in Lahore wurde das ehemalige Goethe-Institut nach ihr benannt.

Annemarie Schimmel hat weit über 100 Bücher, Artikel und wissenschaftliche Veröffentlichungen publiziert. 1995 wurde ihr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Die Verleihung war in Deutschland umstritten: Autoren wie unter anderem Johannes Mario Simmel, Taslima Nasrin, Ralph Giordano, Alice Schwarzer, Elfriede Jelinek, Günter Wallraff sowie Bassam Tibi hatten sich dagegen ausgesprochen. Im Rahmen der Unterschriften-Aktion „In unserem Namen nicht!“ protestierten 270 Verlage und knapp 300 Buchhandlungen gegen die Verleihung des Friedenspreises an Schimmel, da sie unter anderem in einem Fernsehinterview Verständnis für die Empörung in der islamischen Welt über die Satanischen Verse des britisch-indischen Schriftstellers Salman Rushdie geäußert hatte.[1][2][3][4][5] In der Literaturszene löste sie damit eine breite Unruhe aus, da sie in aus dem Zusammenhang gerissenen kritischen Worten zu Salman Rushdie vermeintlich die Fatwa nachvollziehen konnte und auch die Schriftstellerin Taslima Nasrin angriff.[6][7] Mit seinem Roman Die satanischen Verse habe er auf eine „sehr üble Art die Gefühle“ gläubiger Muslime verletzt.[8] In den folgenden Monaten wurde sie unter anderem von ihrem ehemaligen Schüler Gernot Rotter[9] heftig angegriffen.[10] Etliche Autoren, Prominente, Verlage und Buchhändler wandten sich in einem Offenen Brief an Bundespräsident Roman Herzog,[11][12][13][14] um die Preisübergabe zu verhindern.[15] Daraufhin fand sich die Jury erneut zusammen, vollzog jedoch die Preisvergabe, während sich Annemarie Schimmel damit entschuldigte, „absolut unpolitisch“[16][17] zu sein.[18][19][20][21][22]

Annemarie Schimmels Grabstätte

Zeit ihres Lebens setzte sich Annemarie Schimmel für ein besseres Verständnis des Islams im Westen und für ein friedliches Miteinander von Muslimen und Nicht-Muslimen ein. In diesem Zusammenhang stellte sie unter anderem die Bedeutung des Orientalisten und Dichters Friedrich Rückert wiederholt heraus. Sie selber stand der Sufi-Mystik nahe; ihr persönlicher Lieblingsdichter war Muhammad Iqbal. Ihren von einigen Muslimen behaupteten heimlichen Übertritt zum Islam unter dem Namen „Jamila“ (die Schöne) hat sie jedoch stets dementiert.

In der pakistanischen Stadt Lahore ist eine Straße nach ihr benannt.[23]

Der Trauergottesdienst für die Verstorbene fand am 4. Februar 2003 in der evangelischen Kreuzkirche in Bonn statt.

Preise und Auszeichnungen

Werke

  • Kalif und Kadi im spätmittelalterlichen Ägypten. Dissertation, Leipzig 1943.
  • Wiegenlieder. Hüpke & Sohn, Holzminden 1948.
  • Studien zum Begriff der mystischen Liebe im Islam. Dissertation, Marburg 1954.
  • Pakistan – ein Schloß mit 1000 Toren. o.O. 1965.
  • Mystische Dimensionen des Islam. Die Geschichte des Sufismus. 1975, ISBN 3-458-33415-7.
  • Al-Halladsch. „O Leute, rettet mich vor Gott“. ISBN 3-451-04454-4.
  • Rumi: Ich bin der Wind und du bist Feuer. Leben und Werk des Mystikers. Köln 1978. Neuauflage Diederichs, 2003, ISBN 3-89631-424-6.
  • Islam in the Indian Subcontinent, Leiden 1980.
  • Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit. Düsseldorf 1981.
  • Die orientalische Katze. Köln 1983.
  • Einleitung und Anmerkungen zu: Der Koran, aus dem Arabischen übertragen von Max Henning. Stuttgart 1990.
  • Der Islam. Eine Einführung. Stuttgart 1990, ISBN 3-15-008639-6.
  • Berge, Wüsten, Heiligtümer. Meine Reisen in Pakistan und Indien. München 1994.
  • Mystische Dimensionen des Islam. Die Geschichte des Sufismus. Frankfurt am Main I1995, ISBN 978-3-458-33415-6.
  • Die Träume des Kalifen. Träume und ihre Deutung in der islamischen Kultur. München 1998.
  • Gesang und Ekstase. Sufi-Texte des indischen Islam. München 1999, ISBN 3-466-20448-8.
  • Im Reich der Großmoguln. Geschichte, Kunst, Kultur. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46486-6.
  • Kleine Paradiese. Blumen und Gärten im Islam. Freiburg 2001, ISBN 3-451-05192-3.
  • Das islamische Jahr. Zeiten und Feste. 3. Auflage, Beck, München [Mai] 2011 (Erstausgabe 2001, ISBN 3-406-47567-1), ISBN 978-3-406-61130-8 (Beck'sche Reihe).
  • Morgenland und Abendland. Mein west-östliches Leben. Autobiografie. München 2002, ISBN 3-406-49564-8.

Literatur

  • Stefan Wild: Schimmel, Annemarie. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 777 f. (Onlinefassung).
  • Wolfdietrich Fischer: Nachruf auf Annemarie Schimmel. In: Jahrbuch der Rückert-Gesellschaft. Band 15 (2003, 2004 erschienen), S. 215 ff.
  • Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 4: S. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst, Bearbeiter: Bernd Isphording, Gerhard Keiper, Martin Kröger. Schöningh, Paderborn u. a. 2012, ISBN 978-3-506-71843-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Skandal um Friedenspreisträgerin. In: Emma (Zeitschrift). September/Oktober 1995. Abgerufen am 8. März 2012
  2. Arno Widmann: Ein Friedenspreis für die Zensur? In: Die Zeit. 15. September 1995.
  3. Ludger Lütkerhaus: Zum Weinen. Eine Antwort auf Annemarie Schimmels Rushdie-Schelte. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Mai 1995.
  4. Wolfgang Frühwald: Es riecht nach Hexenjagd. In: Rheinischer Merkur. 9. Juni 1995.
  5. Peter Scholl-Latour: Die dritte Heimsuchung des Islam. In: Rheinischer Merkur. 23. September 1995.
  6. Friedenspreis. Schwarze Komödie? In: Der Spiegel. 2. Oktober 1995. Abgerufen am 8. März 1995.
  7. Burghard Müller-Ullrich: Eine falsche Märtyrerin. In: Süddeutsche Zeitung. 23. September 1995.
  8. Ariane Müller: Unglücklich über dieses Buch – Friedenspreisträgerin Schimmel präzisiert im Fall Rushdie. In: Frankfurter Rundschau. 11. Mai 1995.
  9. Gernot Rotter: Das Weinen der Muslime. In: Die Zeit. 11. Mai 1995.
  10. Der Friedenspreis. Ein verdeckter Angriff. Annemarie Schimmel und Gernot Rotter über den Friedenspreis, Salman Rushdie und Taslima Nasrin In: Der Spiegel. 22. Mai 1995. Abgerufen am 8. März 2012.
  11. Im Wortlaut: „Friedenspreis nicht übergeben“ – Appell an Roman Herzog. In: Frankfurter Rundschau. 6. September 1995.
  12. Erwin Wickert: Ein törichter Brief. In: Die Welt. 7. September 1995.
  13. Frank Schirnacher: Europa kann sich keinen Krieg der Kulturen leisten. Ein Gespräch mit Roman Herzog. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 15. Juli 1995.
  14. Hubert Spiegel: Die Widersacher – Wer hinter dem Protest gegen Annmarie Schimmel steht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. September 1995.
  15. Arno Widmann: Hochgelobet. Amen. Schimmels Friedenspreisrede und Herzogs Laudatio. In: Die Zeit. 20. Oktober 1995.
  16. Annemarie Schimmel: Der unverstandende Islam – Antwort an meine Kritiker. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 24. Mai 1995.
  17. Tilman Spengler: „Sagen Sie Rushdie, ich entschuldige mich“ Annemarie Schimmel revidiert ihre Äußerungen. In: Die Woche. 19. Mai 1995.
  18. Ehrungen. Trance in Bonn. Der Streit um den Friedenspreis für Annemarie Schimmel eskaliert. Autoren und Verlage protestieren, die Preis-Jury muß nachsitzen. In: Der Spiegel. 11. September 1995. Abgerufen am 8. März 2012.
  19. Henryk M. Broder: Absolut unpolitisch? Henryk M. Broder über die Ausfälle der Friedenspreisträgerin Annemarie Schimmel gegen Salman Rushdie. In: Der Spiegel. 18. September 2012.
  20. Nachruf. Annemarie Schimmel. In: Der Spiegel. 3. Februar 2003. Abgerufen am 8. März 2012.
  21. Stefan Wild: Der Friedenspreis und Annemarie Schimmel: Eine Nachlese. In: Die Welt des Islams. New Series, Vol. 36, Issue 1. März 1996. S. 107–122.
  22. Anne Hofmann: Islam in den Medien. Der publizistische Konflikt um Annemarie Schimmel. LIT, Münster 2004, insb. S. 82ff.
  23. Ronny Baier: Schimmel, Annemarie. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 1272–1283.
  24. http://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/1995_schimmel.pdf
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