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Boykott Israels durch die Arabische Liga

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Der Boykott Israels durch die Arabische Liga war eine Maßnahme, welche die Arabische Liga mit ihren Mitgliedsstaaten verfolgte, um den Staat Israel strategisch, wirtschaftlich und militärisch zu schwächen.

Dieser Boykott wurde 1945 bei der Gründung der Arabischen Liga zunächst gegen den Jischuw vereinbart und wurde 1948 auf den neugegründeten israelischen Staat übertragen. Der Boykott eskalierte zur Sueskrise 1956 und erreichte seinen Höhepunkt mit der Ölpreiskrise ab 1971. Der durch die Arabische Liga organisierte Boykott dauerte dann noch bis in die 1990er Jahre an und war somit der weltweit längste und am meisten institutionalisierte Boykott gegen einen Staat. Es gelang der Arabischen Liga letztlich nicht, die israelische Ökonomie entscheidend zu schwächen. Der Boykott wird heute nur noch von wenigen Staaten aktiv aufrechterhalten, da die Arabische Liga seit dem Jahr 2002 umfassende Friedensverhandlungen mit Israel anstrebt.

Vorgeschichte

Ab 1890 sorgten sich die arabischen Einwohner Palästinas über die um 1880 begonnene jüdische Einwanderung und erste Rufe nach Boykotten wurden laut. Unter anderem forderten Araber vom Osmanischen Reich, Juden Landkäufe zu verbieten und es kam zu Aufrufen in Zeitungen, keine Geschäfte mit Juden abzuwickeln. Zur Begründung wurde auch ein angeblich bestehender jüdischer Boykott gegenüber arabischen Händlern und Produkten vorgeschoben, auf welchen man wiederum reagieren müsse. Diese Deklarationen weckten Aufmerksamkeit, zeigten aber kaum wirtschaftliche Wirkung.[1]

Nach dem Ende der osmanischen Herrschaft über Palästina wurde im Faisal-Weizmann-Abkommen eine ökonomische Zusammenarbeit zwischen jüdischen und arabischen Bewohnern des Mandatsgebiets Palästina beschlossen. Die weitere Entwicklung im Land verhinderte jedoch, dass das Abkommen in Kraft trat. Christliche und muslimische Verbände in verschiedenen Städten beschlossen ab 1920 neue Boykotte, Embargos und andere Maßnahmen gegen Juden, sogar stadtweite Wohn- und Betretverbote in Jaffa, Jerusalem und Nablus. Nach den Unruhen von Jaffa (1921) und den Massakern von Hebron (1929) und Palästina wurde die Umsetzung der durch arabische Vereinigungen regelmäßig erneuerten und präzisierten Boykotte stärker kontrolliert: 1929 wurden hebräische Schilder aus arabischen Läden entfernt. 1931 appellierte der Islamische Weltkongress an alle muslimischen Staaten, Handelsbeziehungen mit Juden in Palästina zu vermeiden. Eine 1932 gegründete Jugendorganisation sollte den Boykott überwachen.[1]

Der 1921 eingesetzte Großmufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini, der ein „judenfreies“ Palästina als Teil eines Großarabiens anstrebte, war in seiner Führungsstellung eine treibende Kraft hinter den Boykotten, zu denen er auch selbst aufrief. Er gründete 1936 ein Arabisches Hohes Komitee, forderte 1937 einen Boykott der Levant-Messe und setzte sich an die Spitze des arabischen Aufstands, welcher durch die britische Mandatsmacht niedergeschlagen wurde. Al-Husseini floh danach außer Landes und weilte ab 1941 im Deutschen Reich, von wo er 1945 nach Ägypten zurückkehrte und nationalsozialistische Propaganda in den arabischen Raum weiterverbreitete.[2] Die arabischen Boykottaufrufe der 30er Jahre zeigten zwischenzeitlich Wirkung: Im Juli 1937 stellte die britische Palestine Royal Commission fest, dass Araber kaum oder gar nicht in jüdischen Läden einkauften. Im September 1937 forderte der Panarabische Kongress in Bludan (Syrien), die Balfour-Deklaration von 1917 zu widerrufen, das britische Palästinamandat abzuschaffen und einen Wirtschaftsboykott gegen die Juden als patriotische Pflicht durchzusetzen. Auch die Drohung eines Boykotts britischer Waren wurde in den Raum gestellt, um die britische Tolerierung des Judentums in Palästina zu sanktionieren.[1] Dies zwang den Jischuw zu Entwicklung eigener Wirtschaftsmodelle jenseits des Handels in der Region.

Während des folgenden Zweiten Weltkriegs wurde der Boykott jedoch nicht länger befolgt, obwohl es im Oktober 1939 noch neue Aufrufe gab. Arabische Nachbarstaaten bezogen in großem Umfang Waren aus jüdischer Produktion und die Wirtschaftskraft des Jischuw entwickelte sich bis zur Staatsgründung Israels 1948 sprunghaft. Die ökonomische Stärke der jüdischen Wettbewerber sorgte auch für neue Unruhe auf arabischer Seite.[3]

Beginn des Boykotts gegen den Jischuw

Noch im Jahr ihrer Gründung 1945 beschloss die Arabische Liga ein Boykott gegen „jüdische“ bzw. „zionistische Produkte“ mit Wirkung ab dem 1. Januar 1946; diese Produkte waren ab dem Zeitpunkt „in arabischen Staaten unerwünscht“.[3]

Maßnahmen des Boykotts durch die Arabische Liga umfassten:

  • Verbot der Nutzung jüdischer Dienstleistungen (insbesondere finanzieller und medizinischer Art)
  • Einfuhrverbote und Beschlagnahmung jüdischer Waren (von denen Zollbeamte 50 % als Lohn erhielten)
  • Zertifizierungsgebote für nicht-jüdische palästinensische Waren
  • das Führen Schwarzer Listen beispielsweise zu Personen, Unternehmen und Frachtschiffen, die gegen den Boykott verstießen
  • das Verbot, jüdische Waren durch Staatsgebiet oder Hoheitsgewässer zu transportieren (d.h. insbesondere nicht durch den Sueskanal - zuwiderhandelnde Schiffe wurden von einem ägyptischen Prisengericht konfisziert)

Diese Maßnahmen wurden von Ägypten, Bahrain, Irak, Kuwait, dem Libanon, Palästina selbst, Saudi-Arabien, Syrien und Transjordanien getragen.

Wie eine im Oktober 1947 durchgeführte interne Untersuchung ergab, war die Umsetzung der Beschlüsse jedoch noch wenig effektiv: Überwachungsinstanzen waren nicht eingerichtet worden, jüdische Güter erreichten über Drittstaaten die arabische Welt und Finanzdienstleistungen wurden über Mittelsmänner abgewickelt. Insbesondere Libanon, Syrien und Transjordanien waren weiterhin Großabnehmer von palästinensischen Produkten, einschließlich derer aus dem Jischuw.[3] Da sich ab Ende November mit Ausbruch des Bürgerkriegs die Gründung eines jüdischen Staates abzeichnete, intensivierte die Liga nun ihre Bemühungen, ohne jedoch die Gründung Israels im Mai 1948 verhindern zu können. Alle bisherigen Maßnahmen wurden auf den neuen Staat Israel übertragen.

Boykott gegen Israel

1948 wurden alle bisherigen Handelsverbote sofort auf das neugegründete Israel übertragen. Diese Maßnahmen galten ab 1950 als primärer Boykott, während der neu eingeführte sekundäre Boykott alle Handelspartner Israels einschloss, namentlich derjenigen, die sich auf den Schwarzen Listen befanden. Der Boykott wurde schließlich auch auf deren Handelspartner ausgedehnt (tertiärer Boykott). Betroffen von sekundärem und tertiärem Boykott waren meist Unternehmen mit Kontakten oder Niederlassungen in Israel, keine Drittstaaten. Zu den bis in die 1970er Jahre neu eingeführten Maßnahmen gehörten:

  • Internationale Konferenzen und Messen, bei denen Delegationen aus Israel teilnahmen, sollten nicht von arabischen Delegationen besucht werden
  • israel-freundliche westliche Künstler, Schauspieler und deren Werke wurden ebenfalls auf Schwarze Listen gesetzt (sog. Kulturboykott)
  • Negative Herkunftszertifikate zeichneten Produkte aus, die sich vollständig an die Boykott-Richtlinien hielten und bei denen kein Teil aus Israel stammte
  • Schiffe, die nacheinander israelische und arabische Häfen anliefen, wurden beschlagnahmt
  • israelischen Flugzeugen (und teils von Unternehmen auf Schwarzen Listen) wurde der Überflug über arabische Gebiete verweigert
  • Unternehmen mussten in umfangreichen compliance forms Angaben über ihre Geschäftspartner und ihre Angestellten machen
  • Kommunikation per Funk, Telefon oder Post wurde untersagt (sog. Informationsboykott)
  • israelische Pässe wurden nicht anerkannt etc. (sog. diplomatischer Boykott)

Die Umsetzung der beschlossenen Boykott- und Embargobestimmungen wurden ab 1948 strenger gehandhabt und allmählich in nationalstaatliche Boykottgesetze gefasst. 1951 wurde ein Central Boycott Office (CBO) mit Sitz in Damaskus gegründet, welches als Kontrollinstanz alle Mitgliedsstaaten bezüglich der Umsetzung des Boykotts überwachte. Die weitere Organisation des CBO, das seine Aktivitäten auch auf Drittstaaten ausdehnte, bildete sich erst im Lauf der Zeit heraus: es warb als Lobbyorganisation in Parlamenten, diente als Informationsbüro für Unternehmen und Bürger[3] und es sammelte Daten zu Unternehmen, welche den Boykott unterstützten oder ablehnten. Bei der politischen Einflussnahme kam es auch vor, dass mit dem Abbruch aller Handelsbeziehungen mit der arabischen Liga oder einzelnen Ländern gedroht wurde.[4] Dies wurde meist auf diplomatischem Weg verhindert. Ägypten, stellvertretend für die Arabische Liga, drohte beispielsweise Westdeutschland 1952/53 aufgrund des Luxemburger Abkommens mit demselben Sanktionsumfang wie Israel, was letztlich auch unter Verweis auf die wirtschaftliche Verflechtung abgewendet wurde. Zuvor hatte bereits der Direktor des CBO interveniert.[5] Ebenfalls 1953 wurde der beschlossene Boykott von Zypern aufgrund internationaler Kritik nicht durchgeführt.

Begründung und Ziele des Boykotts

Grundlage der arabischen Einigkeit war zu Beginn maßgeblich eine antisemitische, teils aus dem Nationalsozialismus übernommene Ideologie: das in Ägypten neu begründete Arabische Hohe Komitee war von NS-Kollaborateuren wie al-Husseini durchsetzt.[6] Indem nur die passenden Bestandteile der NS-Ideologie übernommen und der Lage im Nahen Osten angepasst wurden, wurde das Feindbild Israel zum einigenden Moment der sonst inhomogenen Arabischen Liga: Ein britisches Memorandum im Außenministerium legte 1953 dar, dass der Boykott für die Arabische Liga ein „bequemes und unstrittiges Ventil ihrer Energien“ sei, zumal es in der Bevölkerung populär sei.[7]

Offiziell, insbesondere auf internationaler Ebene gab die Arabische Liga folgende Begründung für den Boykott: Er solle Völkerrechtsverletzungen Israels sanktionieren, darunter: Vertreibung und Enteignung von arabischen Palästinensern; ein Auslöschungskrieg gegen das palästinensische Volk und die Okkupation arabischen Landes.[8]

Bei der Begründung des Boykotts verwiesen arabische Offizielle stets darauf, dass der Boykott so lange aufrechterhalten werden müsse, bis der „Fremdkörper“ Israel aus der arabischen Welt entfernt sei. Der Boykott wurde als eines der Mittel gesehen, um den Feind Israel wirtschaftlich, industriell und militärisch zu schwächen.[4] Auch die jüdische Einwanderung nach Israel sollte auf diese Weise vermindert werden.

Bei dem Boykott einzelner Firmen machte die arabische Liga bis in die 1970er Jahre kaum Unterscheidungen zwischen Israelis und Juden - ein jüdisches Glaubensbekenntnis war aus arabischer Sicht identisch mit einem Bekenntnis zum Zionismus. Somit waren auch Juden als Unternehmensbesitzer oder -vorstände aus arabischer Sicht legitime Ziele des Israel-Boykotts. In den 1970er Jahren gab es offizielle Verlautbarungen zum Boykott, dass Unternehmen mit jüdischen Besitzern in der arabischen Welt frei operieren dürften, wenn sie nicht mit Israel zusammenarbeiteten, während solche mit christlichen oder muslimischen Besitzern Ziel des Boykotts wären, sobald sie mit Israel handelten. Die Boykott-Maßnahmen aus der Zeit von 1945 bis 1975 sprachen ein gegensätzliches Bild; beispielsweise wurde in den compliance-Fragebögen, welche Unternehmen für arabische Partner ausfüllen mussten, nach Juden im Unternehmen oder jüdischen Geschäftspartnern gefragt. Dies änderte sich auch nach 1975 nicht wesentlich.[4]

Strategien von Gesetzgebern aus Drittländern (u.a. die USA in mehreren Anläufen 1965, Großbritannien 1978, die Niederlande 1981) oder auch von einzelnen Unternehmen, um in eigenem Interesse gegen den Boykott vorzugehen, wurden als von Zionisten gesteuerte Angriffe auf die arabische Welt verstanden. Die entsprechenden Anti-Diskriminierungsgesetze seien „offene Unterstützung der zionistischen Aggression“.[4]

Teilnehmende Staaten

Die Durchführung aller Boykott-Maßnahmen oblag den einzelnen Staaten, sodass in verschiedenen Ländern der Arabischen Liga der Boykott unterschiedliche ausgestaltet wurde. Zumindest offiziell beteiligten sich Irak, Jordanien, Katar, Kuwait, Libyen, Nordjemen, Oman, Saudi-Arabien, Südjemen, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate vollständig am Boykott aller Handelspartner Israels. Algerien, Mauretanien, Marokko, Somalia und Tunesien hingegen waren nur an primären Boykotten beteiligt und ignorierten de fakto den weitergehenden sekundären und tertiären Boykott.

Die Rolle des Sowjetunion war - stets vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs - zunächst ablehnend gegenüber dem Boykott, weil dort die arabischen Staaten als unter britisch-amerikanischer Hegemonie stehend wahrgenommen wurden.[9] Ab etwa Mitte der 1950er Jahre, aufgrund der Annäherung über den arabischen Sozialismus und aufgrund der guten amerikanisch-israelischen Beziehungen, trat die Sowjetunion dann als diplomatischer Unterstützer des arabischen Boykotts auf, etwa vor der UN. Dies verlieh der moralischen und politischen Legitimation des arabischen Anliegens international Gewicht, auch ohne dass die Sowjetunion sich direkt am Boykott beteiligt hätte.[7]

Boykott-Unterstützung von Nichtmitgliedern der Arabischen Liga gab es ab 1979 ferner aus Bangladesch, Indien, Malaysia, Mali, Pakistan und Uganda.

Nach dem Libanonkrieg 1982 vergrößerte sich die Zahl der Boykott-Unterstützer auch um zahlreiche weitere Staaten, welche die Politik des „Aggressors“ Israels verurteilten, vor allem aus dem Ostblock: Afghanistan, Albanien, Brasilien, Bulgarien, Burundi, China, die DDR, Guinea, Indonesien, Jugoslawien, Kambodscha, Kongo, Kuba, Nordkorea, Polen, die Sowjetunion, Sri Lanka, Taiwan, Tschad, Tschechoslowakei, Vietnam und Ungarn.[10]

Wirksamkeit des Boykotts

Die Effektivität eines Boykott ist stets schwer ermittelbar, da nicht stattgefundener Handel kaum gemessen werden kann. Dennoch fand von arabischer wie israelischer Seite Forschung zum Thema statt. Der Boykott stellte eine permanente, wenn auch nicht existenzielle Bedrohung der israelischen Ökonomie dar. Negative Auswirkungen gab es zudem bei den ölarmen unmittelbaren Nachbarn Israels. 1967 sahen libanesische Parlamentarier durch den Boykott die Interessen ihres Landes stärker gefährdet als die israelischen; während es für den Libanon keinerlei Gewinn durch den Boykott gäbe. Nach der Ölkrise mehrten sich auch Forderungen, den Boykott mit neuen und effizienteren Institutionen fortzusetzen, welche diese Arbeit auf Recherche, Informationen und Propaganda stützen könnten.[11]

Zahlreiche US-amerikanische Unternehmen investierten trotz der Boykottpolitik in Israel, auch wenn dies den Wegfall arabischer Kunden bedeutete. Fast alle japanischen,[12] ein großes Netzwark von kanadischen,[13] und auch ein großer Teil europäischer Unternehmen wählte den umgekehrten Weg und nutzte die Marktlücke in der arabischen Welt, auch wenn dies umgekehrt bedeutete, dass sie auch mit nicht mit indizierten Unternehmen des eigenen Landes kooperieren durften. Als Beispiel kann etwa Coca Cola dienen, das ab den 1960er Jahren in Israel vertrieben und in der Liga boykottiert wurde. Das deutsche Konkurrenzprodukt Pepsi war seit 1965 in arabischen Ländern, nicht aber in Israel erhältlich. Auch die größten Autofabrikanten Japans befolgten aus wirtschaftlichem Interesse in der Arabischen Liga den Boykott - die Marktlücke in Israel erlaubte dem kleinen japanischen Hersteller Subaru 1969, Israel als sein erstes Exportland zu wählen, wo es bis 1983 einziger japanischer Autohersteller war.[12]

Prominentester Fall der Einflussnahme des CBO auf Unternehmen bis auf Mitarbeiterebene, zur Befolgung des sekundären und tertiären Boykotts, war der Brite Lord Mancroft, der 1963 aufgrund von arabischem Druck als Vorstandsvorsitzender der britischen Versicherung Norwich Union (heute Aviva) zurücktreten musste. Dies wurde in Großbritannien als Skandal angesehen.[4]

Anti-Boykott-Maßnahmen

Israelische Interessensvertreter fochten den Boykott bei verschiedenen internationalen Institutionen an. Die wechselnden juristischen Entscheidungen hatten keine Auswirkungen auf die Praxis des Boykotts.[8]

Zahlreiche Unternehmen umgingen die Bestimmungen des Boykotts, indem sie Griechenland, die Türkei und vor allen anderen Zypern als Umschlagplätze für israelische Waren nutzten, und dann von dort mithilfe von Tarnfirmen die arabischen Boykotteure belieferten. Auch das zyprische Bankgeheimnis spielte bei klandestinen Transaktionen zwischen Israelis und Arabern eine wichtige Rolle; verschiedene Praktiken (Schmuggel, falsche Papiere, Briefkastenfirmen) wurden über die gesamte Dauer des Boykotts variiert. Trotz der weitrechenden Beschränkungen auf dem Papier war der Boykott damit nicht vollständig effektiv; die Handelsbeziehungen in die USA und nach Europa waren für Israel ohnehin bedeutsamer als in die Arabische Liga.[9]

In wichtigen Geschäftsfeldern wie den Branchen Finanzen, Hotels, Luftfahrt und Öl nutzten arabische wie israelische Geschäftsleute zahlreiche Schlupflöcher aus. Auch gab es für große Firmen, die unter das sekundäre oder tertiäre Boykott fielen, Möglichkeiten, mithilfe von Beziehungen und Lobbyarbeit von der Schwarzen Liste gestrichen zu werden. So ist etwa von Hilton und American Express bekannt, dass sie in Israel wie im arabischen Raum operierten.[9]

Israel stellte zudem ebenfalls Schwarze Listen von Unternehmen auf, die den Boykott befolgten, und brachte diese in Umlauf. Dies sollte Anreiz für Israel-Unterstützer sein, diese Firmen zu boykottieren. Mehr als symbolische Wirkung hatte dies nur in den USA, wo Rechtsanwälte auf Basis dieser Listen die Umsetzung der Anti-Boykott-Gesetze einklagten.[9] Solche Gesetze existierten seit den 1980er Jahren in immer mehr Staaten, auch Deutschland, wurden aber nicht konsequent angewendet.

1967 wurde nach dem Sechstagekrieg die von Israel kontrollierte Grenze zwischen Westjordanland und Jordanien für Palästinenser geöffnet. Faktisch bedeutete dies auch, dass israelische Produkte, insbesondere landwirtschaftliche Erzeugnisse, als palästinensiche Ware getarnt, nach Jordanien abgesetzt werden konnte. Bereits 1968 bemerkten libanesische Gemüsebauern einen größeren Konkurrenzdruck aufgrund der „offenen Brücken“ nach Jordanien. Auch in den Libanon und bis nach Syrien exportierte Israel ab 1975/76 auf diese Weise, nachdem es Kontrollpunkte an der libanesischen Grenze als „gute Grenze“ geöffnet hatte. 1979 fand der Friedensschluss mit Ägypten statt, was zum direkten Ausschluss Ägyptens aus der Arabischen Liga führte. Auf Israels Wunsch wurde 1980 auch die offizielle ägyptische Gesetzgebung geändert, sodass der seit 1955 per Gesetz vorgeschriebene Boykott staatlicherseits außer Kraft gesetzt worden war. Trotz der Aufhebung des Verbots gab es in der Bevölkerung sowie bei zahlreichen Unternehmen in Ägypten kaum Bereitschaft, nunmehr mit Israel Handel zu treiben.[11] Eine Schätzung ist, dass Israel aufgrund seiner Gegenstrategien zum Boykott etwa 10% seiner Exporte in den späten 1980er Jahren im arabischen Raum absetzen konnte.[9]

Ende und Nachwirkungen des Boykotts

Ende der 1980er Jahre zeichneten sich ideologische und wirtschaftliche Schwachstellen im Boykott ab, vor allem im Bereich der praktischen Umsetzung. Seit 1989 wurde Coca Cola entgegen des Boykotts in Ländern der Arabischen Liga vertrieben, und einige Firmen ließen sich von den Schwarzen Listen streichen, ohne dass sie ihre Niederlassungen in Israel aufgegeben hätten. Andere Firmen wurden wiederum neu indiziert, etwa das Firmenimperium von Robert Maxwell. Zu Beginn der 1990er Jahre geriet der Boykott der arabischen Liga mit dem Wegfall der Sowjetunion als diplomatischer Rückendeckung und Handelspartner weiter in die Krise. Unter wirtschaftlichem und diplomatischem Druck der USA, die den Zweiten Golfkrieg zugunsten Kuwaits entschieden hatten, wurden ab 1991 zuerst in Boykott-Hochburgen wie Kuwait und Saudi-Arabien die Handelsbestimmungen zum sekundären und tertiären Boykott gelockert. Andere Länder schlossen Frieden mit Israel, etwa die Palästinensische Autonomiebehörde (1993) und Jordanien 1994.[10]

Die Aufhebung der Sanktionen gegen Israel geschah auch unter der Forderung von politischen Zugeständnissen Israels gegenüber den Palästinensern. So machten Saudi-Arabien, die Emirate und Oman 1991 (auf europäischen Vorschlag) zur Bedingung für die Aufhebung des Boykotts, dass der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten gestoppt würde. Dies wurde zwar sowohl von Israel wie der Arabischen Liga aus Prinzip abgelehnt, dennoch beendete Saudi-Arabien weitere Sanktionen. Die allmähliche Auflösung des sekundären und tertiären Boykotts dauerte, auch mit Rückschritten, bis Ende der 90er Jahre an.[10]

Nachwirkungen der staatlichen Boykottpolitik gibt es bis heute: Iran, Libanon und Syrien setzten den primären Boykott unilateral fort; im Fall Syriens auch die weitergehenden Boykotte. Zahlreiche weitere ehemalige Boykottstaaten erkennen auch weiterhin keine israelischen Pässe an und wenden die zum Teil noch bestehenden Boykottgesetze bloß in opportunen Fällen an. Die direkten wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel normalisierten sich auch nur in geringem Maße: Aufgrund der früheren Handelsbeschränkungen und ohne neue Anreize gibt es in der arabischen Bevölkerung kaum den Wunsch, nunmehr israelische Produkte zu kaufen. Vielmehr bildete sich mit der Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions sogar eine global agierende Kampagne, die eine Fortsetzung des Boykotts zum Ziel hat.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 21–24
  2. Niklas Günther, Sönke Zankel: Abrahams Enkel. Juden, Christen, Muslime und die Schoa. Franz Steiner, 2006, ISBN 3-515-08979-9, S. 41–47
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 24–37
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 91-99
  5. Yeshayahu Jelinek: Deutschland und Israel 1945–1965: Ein neurotisches Verhältnis. Oldenbourg Verlag, 2004. ISBN 9783486594584. S. 235 ff. Digitalisat
  6. Kenneth L. Marcus: The Definition of Anti-Semitism. Oxford University Press, 2015, ISBN 0-19-937564-X, S. 205
  7. 7,0 7,1 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 32
  8. 8,0 8,1 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 64-89
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 R. T. Naylor: Economic Warfare: Sanctions, Embargo Busting, and Their Human Cost. Boston 1999. ISBN 9781555534998. S. 107-109 Digitalisat
  10. 10,0 10,1 10,2 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 37–63
  11. 11,0 11,1 Gil Feiler: From boycott to economic cooperation: the political economy of the Arab boycott of Israel. Frank Cass, London / Portland 1998, ISBN 978-0-7146-4866-8, S. 105-109, 119-121
  12. 12,0 12,1 Chaim Fershtman, Neil Gandal: The effect of the Arab boycott on Israel: the automobile market, Tel Aviv 1998. Digitalisat
  13. Johan David Van der Vyver (Hrsg): Religious Human Rights in Global Perspective: Religious Perspectives Den Haag 1996. ISBN 9789041101761. S. 267-268 Digitalisat

Literatur

  • Dan S. Chill: The Arab boycott of Israel: economic aggression and world reaction. Praeger, 1976. ISBN 9780275568108.
  • A. J. Sarna: Boycott and Blacklist: A History of Arab Economic Warfare Against Israel. Rowman & Littlefield Pub Incorporated, 1986. ISBN 9780847674893.
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