Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Generationengerechtigkeit

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff Generationengerechtigkeit (auch als intergenerative Gerechtigkeit bezeichnet) steht für eine Vielzahl Diskussionen im wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bereich, in denen die Wechselwirkungen des Handelns zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Generationen auf ihre Gerechtigkeit hinterfragt werden. Darunter fallen unter anderem die Problembereiche Umweltschutz und Staatsverschuldung, die Forderung nach einer Rentenreform oder gar nach einer möglichen Bevölkerungspolitik, sowie die Tatsache einer Altersdiskriminierung in den westlichen Gesellschaften, z. B. bei der Jobsuche, wie auch die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Begriffsdefinition

Der Begriff Generationengerechtigkeit setzt sich aus den Einzelwörtern Gerechtigkeit und Generation zusammen. Von diesen beiden Bestandteilen ist ‚Gerechtigkeit’ mit Sicherheit schwieriger zu definieren, aber auch der Begriff ‚Generation’ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht und ist mehrdeutig.

Begriff Gerechtigkeit

Hauptartikel: Gerechtigkeit

Der Begriff der Gerechtigkeit bezeichnet allgemein einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.

Begriff Generation

Hauptartikel: Generation (Gesellschaft)

Es lassen sich vier unterschiedliche Gebrauchsweisen des Begriffes unterscheiden:

  1. Chronologische (temporale) Generation, enger Begriff
    Nach dieser Definition leben stets mehrere Generationen gleichzeitig. Grundlage der Zuordnung ist das aktuelle Alter und damit ein bestimmter Geburtsjahrgang. In Deutschland gebären heute Frauen durchschnittlich das erste Kind mit knapp 30 Jahren. Daraus abgeleitet werden die Jahrgänge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Unterdreißigjährigen stellen, als die junge, die 30- bis 60-Jährigen als die mittlere und die Über-Sechzig-Jährigen als die alte bzw. ältere Generation bezeichnet. In der Bevölkerungswissenschaft (Demografie) werden auch kleinere Abschnitte (Jahre, Jahrfünfte, Jahrzehnte) unterschieden.
  2. Chronologische (intertemporale) Generation, weiter Begriff
    Zweitens wird das Wort ‚Generation’ verwandt, um die Gesamtheit der heute lebenden Menschen zu bezeichnen. In diesem Sinn lebt jeweils nur eine Generation zur gleichen Zeit.
  3. Soziale Generation
    Neben seinen beiden chronologischen Bedeutungen bezeichnet der Ausdruck ‚Generation’ drittens eine Gruppe von Menschen, deren Einstellungen, Orientierungen und Verhaltensweisen weitgehend homogen sind. Sie sind häufig durch ähnliche Schlüsselerlebnisse sozialisiert worden und/oder drücken einer zeitlichen Epoche den Stempel auf. So gibt es z. B. die Bezeichnungen 68er-Generation, 89er-Generation und Generation Golf.
  4. Familiäre Generation
    Schließlich gibt es auf der Mikroebene die familiäre oder ‚familiale’ Bedeutung des Generationenbegriffs (z. B. generationale Ordnung). Familiäre Generationen bezeichnen die Glieder der Abstammungslinie. Im Rahmen der Verwandtschaftsbeziehungen gehören Väter einer anderen Generation an als ihre Söhne. Man spricht vom familiären Generationenkonflikt, wenn es z. B. um die Probleme der Ablösung der Kinder von ihren Eltern geht.

Obwohl der soziale Generationenbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch sehr weit verbreitet ist, kann er im Rahmen von Untersuchungen über ‚Generationengerechtigkeit’ nicht benutzt werden, da seine Zuordnungen zu unbestimmt und zu umstritten sind. Für Vergleiche zwischen Generationen im Rahmen von Gerechtigkeitsuntersuchungen braucht man einen Generationenbegriff, der nicht überlappend ist und auf einem unveränderlichen, unkontroversen Merkmal basiert. Geburtsjahrgänge sind als solche Merkmale geeignet, Prägungen nicht. Deutlich ist auch, dass „Gerechtigkeit für kommende Generationen“ mit Gewissheit kein sinnvolles Konzept ist, wenn man soziale Generationen im Sinn hat. Schließlich weiß man überhaupt nicht, ob eine zukünftige soziale Generation als 2010er oder 2020er tituliert werden wird. Auch der familiäre Generationenbegriff ist für Untersuchungen über Generationengerechtigkeit auf der gesellschaftlichen Ebene kaum relevant. Wenn beispielsweise ein 28-Jähriger beklagt, dass es ungerecht gegenüber seiner Generation sei, dass die amtierenden Politiker es unterlassen, Umwelt und Natur zu schützen, so ist es irrelevant, ob dieser selbst schon Vater ist oder nicht.

Generationengerechtigkeit im Nachhaltigkeitsdiskurs

1987 veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung („Brundtland-Kommission“) den sogenannten Brundtland-Bericht. Der Bericht ist für seine Definition des Begriffs Nachhaltige Entwicklung bekannt:

„… ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“[1]
„… ist im wesentlichen ein Wandlungsprozeß, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potential vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.“[2]

Der zweite Aspekt fordert eine ganzheitliche Verhaltensänderung, die auch als starke Nachhaltigkeit bezeichnet wird. In jüngster Zeit hat sich dafür das Adjektiv enkelgerecht herausgebildet.

Zwei Arten von Generationenvergleichen

Im Konzept der Generationengerechtigkeit werden Vergleiche zwischen Generationen gezogen. Grundsätzlich ist zwischen direkten und indirekten Vergleichen zu unterscheiden. Im direkten Vergleich werden heutige ‚Junge’ und ‚Alte’ verglichen, z. B. indem man den Prozentsatz von Angehörigen der zweiten Generation (31- bis 60-Jährige) und der dritten Generation (0- bis 30-Jährige), die Sozialhilfe beziehen, zeitpunktbezogen (z. B. im Jahr 2005) vergleicht. Bei einem indirekten Vergleich wird dagegen Alter mit Alter (bzw. Jugend mit Jugend) verglichen. Dabei untersucht man z. B. den Anteil der Jugend an allen Sozialhilfeempfängern im Jahr 2005 und im Jahr 1975.

In der Debatte um Generationengerechtigkeit sind also vor allem die chronologischen Bedeutungen 1.) und 2.) relevant. Um zwischen diesen beiden Bedeutungen in der Diskussion um Generationengerechtigkeit unterscheiden zu können, ist es notwendig, für die beiden Bedeutungen von Generation zwei unterschiedliche Bezeichnungen und damit auch zwei unterschiedliche Bezeichnungen von Generationengerechtigkeit zu formulieren. Bislang existiert in der wissenschaftlichen Diskussion allerdings keine eindeutige Begriffsgebung für diese Unterscheidung.

Eine Möglichkeit der Unterscheidung, die von Peter Laslett gebraucht wird, ist die Verwendung der Bezeichnung „intergenerationell“ für das Verhältnis heutiger und zukünftiger Generationen und der Bezeichnung „intragenerationell“ für das Verhältnis von unterschiedlichen zur gleichen Zeit lebenden Generationen. Laslett bezieht sich auf den weiteren Generationsbegriff. Allerdings ist der Begriff ‚intragenerationell’ aufgrund der weit verbreiteten Verwendung des engeren Generationsbegriffes irreführend, da die Vorsilbe ‚intra’ ‚innerhalb’ bedeutet und man so unter Bezugnahme auf den engeren Generationsbegriff annehmen könnte, dieser Begriff bezeichne die Beziehung innerhalb einer Altersgruppe, beispielsweise die Gerechtigkeit innerhalb der Gruppe der Unter-30-Jährigen.

Sinnvoller erscheint die Verwendung der Bezeichnungen ‚intertemporale’ und ‚temporale’ Generation und Generationengerechtigkeit. Temporale Generationengerechtigkeit ist also die Gerechtigkeit zwischen jungen, mittelalten und älteren heute lebenden Menschen. Intertemporale Generationengerechtigkeit wird definiert als die Gerechtigkeit zwischen Menschen, die früher lebten, die heute leben und die zukünftig leben werden.

Das Prinzip Intertemporale Generationengerechtigkeit kann folgendermaßen formuliert werden:

„Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen zukünftiger Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der heutigen Generation.“

In der Definition für „temporale Generationengerechtigkeit“ muss man „zukünftige Generationen“ durch „nachrückende Generationen“ und „heutige Generation“ durch ihnen vorangegangene Generationen (womit die heute mittlere und ältere Generation gemeint sind) ersetzen:

„Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen nachrückender Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der ihnen vorangegangen Generationen“

Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Vergleichen ist nur beim temporalen Generationenbegriff möglich. Intertemporal wird ja innerhalb der Gruppen der heute Lebenden, nicht zwischen Altersgruppen unterschieden, also können in dieser Hinsicht auch keine Vergleiche gezogen werden.

Theorien der Generationengerechtigkeit in der Literatur

Der Suffizienziarismus beurteilt Gerechtigkeit nach einem absoluten Standard: Eine spätere Generation wird gerecht behandelt, wenn ihr Wohl mindestens auf dem Suffizienzlevel ist. Ob sie besser oder schlechter dran ist als andere Generationen, ist dabei ohne Belang.

Die große Mehrheit aller Philosophen vertritt im Hinblick auf intergenerationelle Gerechtigkeit keinen absoluten Standard menschlichen Wohls, sondern einen komparativen, also einen, der das erstrebenswerte Niveau an Wohl im Vergleich mit anderen Generationen festlegt. Im Rahmen solch komparativer Standards werden strikt egalitaristische Prinzipien (‚genauso gut wie’) fast nie postuliert. Sie finden sich beispielsweise bei Scherbel: „Generationengerechtigkeit bedeutet konkret, dass die heute Jungen und nachfolgende Generationen gleichwertige Lebensgestaltungschancen besitzen sollen, wie die gegenwärtig gesellschaftlich und politisch verantwortliche Generation.“[3] Andrea Heubach schreibt: „Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn niemand aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation benachteiligt wird.“[4] Dies heißt im Umkehrschluss, dass eine Bevorzugung, sowohl früherer als auch späterer Generationen, unvereinbar mit Generationengerechtigkeit ist.

Als dritte Möglichkeit werden in der Literatur zu Generationengerechtigkeit komparative Standards zusammen mit der Formulierung ‚mindestens genauso gut’ verwendet, aber auch – viertens – das Wort ‚besser als’ wird gebraucht. Einige Beispiele: Ähnlich wie John Locke rund 300 Jahre früher („mindestens so viel und so gut“) schreibt der Philosoph Otfried Höffe: „Verantwortungsvolle Eltern hinterlassen ihren Kindern ein Erbe, das möglichst größer ausfällt, als sie es von ihren Eltern übernommen haben.“[5] Rakowski drückt es so aus: „Jeder, der in eine Gesellschaft hineingeboren wird, hat als ein Minimum Anrecht auf die selbe Menge an Ressourcen wie alle erhalten haben, die an der ursprünglichen Aufteilung der Güter und des Landes der Gemeinschaft partizipiert haben.“[6] Dieter Birnbacher argumentiert ähnlich: „Was er ererbt hat, soll er ungemindert (‘Bewahren’) und womöglich gesteigert (‘Bebauen’) an die Zukünftigen weitergeben, sowohl als Privatmann als auch als Vertreter eines Kollektivs.“[7] Kavka schlägt in die gleiche Kerbe: „[…] Ich interpretiere das so, dass in diesem Kontext die fragliche Generation ihre Nachfolger-Generation ‚mindestens‘ so gut stellt, bezogen auf nutzbare Ressourcen, wie sie von ihren Vorgängern gestellt wurde.“[8] Auch die Intuition von James Woodward ist nicht weit davon entfernt: „Jede Generation sollte für nachrückende Generationen eine Bandbreite an Ressourcen und Chancen hinterlassen, die ‚mindestens gleich groß‘ ist wie die Bandbreite der eigenen Ressourcen und Chancen.“[9]

In der Zunft der Ökonomen ist das Prinzip des nicht abnehmenden Wohls populär. Demnach ist Generationengerechtigkeit erreicht, wenn ein einmal erreichtes Level an Wohlstand in der Zukunft nicht mehr unterschritten wird. Der Ökonom Robert Solow führt aus: „Die Pflicht, die uns die Nachhaltigkeit auferlegt, lautet, […die Nachwelt] mit alledem auszustatten, was notwendig ist, damit sie einen Lebensstandard hat, der mindestens so hoch wie unser eigener ist.“[10] Aber auch die Auffassung, dass Generationengerechtigkeit eine (nicht durch ‘vielleicht’ oder ‘möglichst’ eingeschränkte) Verpflichtung beinhalte, das Wohl nachrückender Generationen zu steigern, hat ihre Anhänger, und dies quer durch alle Parteien bzw. politische Richtungen. Der Ökonom Richard Hauser formuliert: „Jede Generation sollte an die nachfolgende einen positiven Nettotransfer leisten, der höher ist als jener, den sie von ihrer Vorgängergeneration empfangen hat.“[11] Karl Marx legte im dritten Band des Kapitals einen ganz ähnlichen Gedanken nieder: „Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“[12] Die umfassendste Theorie einer Besserstellung künftiger Generationen stammt von Jörg Tremmel, der schreibt: „Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen der Angehörigen der nächsten Generation, sich ihre Bedürfnisse erfüllen zu können, im Durchschnitt besser sind als die der Angehörigen ihrer Vorgänger-Generation.“[13] Laut Tremmel stellen sich für Theorien der Generationengerechtigkeit drei wichtige Fragen: 1.) Sind wir kommenden Generationen überhaupt etwas schuldig?, 2.) Wenn ja, wie groß ist der Umfang unserer Pflichten? Reicht es, wenn wir kommenden Generationen so viel hinterlassen, wie wir selbst haben? Oder sollten wir unseren Kindern ein besseres Leben ermöglichen?, 3.) Auf welche Ressourcen oder Güter beziehen sich unsere intergenerationellen Pflichten? Was ist ein „besseres Leben“?[14]

Politische Diskussion

Etwa seit den 1970er Jahren wird der Begriff „Generationengerechtigkeit“ in der Literatur über die Zukunft des Sozialstaates, insbesondere der Alterssicherung verwendet.[15]

Ab Mitte der 1990er Jahre wurden häufig das Verhältnis zwischen Alt und Jung bzw. Generationenkonflikte beschrieben. Mit dem Beginn des Nachhaltigkeits-Diskurses erlangte der Begriff „Generationengerechtigkeit“ auch in diesem eine zentrale Rolle. Inzwischen hat Generationengerechtigkeit die politische Agenda erobert. Zum Beispiel war sie ein Ziel bei mehreren Schuldenbremsen (Schweiz, EU, Deutschland).

Gegenwartspräferenz

Eine institutionelle Verankerung von Generationengerechtigkeit bleibt – auch angesichts der Eurokrise – in der politischen Diskussion. Einige überwiegend jüngere Abgeordnete planten 2008/2009, einen Antrag auf grundgesetzliche Verankerung von Generationengerechtigkeit in den Deutschen Bundestag einzubringen (siehe Generationengerechtigkeitsgesetz).[16] Die Forderung nach einer solchen institutionellen Verankerung kann mit einer der Demokratie innewohnenden Schwachstelle begründet werden, nämlich der strukturbedingten Gegenwartspräferenz:

Politiker werden am ehesten wiedergewählt, wenn sie die Interessen heutiger Generationen berücksichtigen. Dies setzt einen problematischen Anreiz für eine Politik der „Verherrlichung der Gegenwart und Vernachlässigung der Zukunft“ (Richard von Weizsäcker). Bei der Beschaffung heutiger Mehrheiten können die Individuen, die noch kein Wahlrecht haben (Kinder bzw. noch Ungeborene), nicht mitwirken. Wahlperioden können nicht allzu lang sein, ohne den Einfluss des Wählers zu weit zurückzudrängen und damit das Wesen der Demokratie an sich zu gefährden. Die Auswirkungen gegenwärtigen Handelns reichen jedoch teilweise weit in die Zukunft hinein und können die Lebensqualität zahlreicher zukünftiger Generationen, die nicht am Entscheidungsprozess beteiligt waren, tiefgreifend negativ beeinflussen.

Könnten zukünftige Generationen ihre Interessen im politischen Entscheidungsprozess geltend machen, so wären die Mehrheitsverhältnisse bei wichtigen politischen Entscheidungen anders. Beispiele:

  • Energiepolitik: Die heutige Form der Energiegewinnung mit dem Schwerpunkt auf fossilen Energieträgern ermöglicht derzeit einen einmalig hohen Lebensstandard, nimmt aber dafür gravierende Nachteile in der mittelfristigen Zukunft in Kauf.
  • Finanzpolitik: Die Finanzierung des heutigen Konsums durch Schulden verschiebt Lasten in die Zukunft und verringert die Freiheit kommender Generationen, selbst gestaltend Politik zu machen.

Gesetzliche Durchsetzungsmöglichkeiten

Das bundesdeutsche Grundgesetz bietet bislang keine ausdrückliche Verantwortung für Generationengerechtigkeit. Die deutsche Rechtsordnung schützt vor allem die Rechte gegenwärtiger Individuen (Rechtssubjekte). Aus diesen Gründen streben die Verfechter einer ökologisch nachhaltigen bzw. generationengerechten Gesellschaft an, die Ansprüche der Zukünftigen institutionell zu verankern.

Um dies zu erreichen, halten sie eine Veränderung des Grundgesetzes oder der Arbeitsweise der Parlamente nötig, um Vertretungen der kommenden Generationen (zum Beispiel durch die Gründung von Generationengerechtigkeitsparlamenten oder kommunalen Zukunftsräten, wie in der Schweiz und in Österreich) zu installieren. Ähnliche Initiativen wurden beispielsweise in Israel, der Schweiz (Die Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz) oder in Ungarn bereits umgesetzt oder sind im parlamentarischen Entscheidungsprozess. In Deutschland wurde im Oktober 2007 ein solches Generationengerechtigkeitsgesetz im Bundestag in erster Lesung debattiert, fand aber wenig Aufmerksamkeit.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Brundtland-Bericht, S. 51; Absatz 49
  2. Brundtland-Bericht, S. 49
  3. Andreas Scherbel (2003): Die Begründung von Generationengerechtigkeit im Schöpfungsglauben der monotheistischen Offenbarungsreligionen. In: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. München: Oekom-Verlag, S. 175–197, 178.
  4. Andrea Heubach (2008): Generationengerechtigkeit – Herausforderung für die zeitgenössische Ethik. Göttingen: V&R unipress. S. 44.
  5. Otfried Höffe (2007): Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In: Journal für Generationengerechtigkeit, Jg. 7 (4). S. 4–6. Hier: S. 6
  6. Eric Rakowski (1991): Equal Justice. Oxford: Clarendon Press. S.150
  7. Dieter Birnbacher (1988): Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart: Reclam. S.220
  8. Gregory S. Kavka (1978): The Futurity Problem. In: Richard Sikora und Brian Barry (Hrsg.): Obligations to Future Generations. Philadelphia: Temple University Press, 186-203. Hier: S.200.
  9. James Woodward (1986): The Non-Identity Problem. In: Ethics, Jg. 96 (4). S. 804–831. Hier S. 819.
  10. Robert M. Solow (1992): Growth with Equity through Investment. In: Human Capital. Minnesota: George Seltzer Distinguished Lecture Series. S. 15.
  11. Richard Hauser (2004): Generationengerechtigkeit, Volksvermögen und Vererbung. In: , Björn Böhning und Kai Burmeister (Hrsg.): Generationen & Gerechtigkeit. Hamburg: VSA-Verlag, 29-44. Hier S.36.
  12. Karl Marx (1975): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 3. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Band 25. Berlin: Dietz. (Erstveröffentlichung 1894). S. 784.
  13. Jörg Tremmel (2012): Eine Theorie der Generationengerechtigkeit. Münster. S.290.
  14. Vgl. Jörg Tremmel (2012): Eine Theorie der Generationengerechtigkeit. Münster: mentis.
  15. Christian Christen, S. 154ff.
  16. www.generationengerechtigkeit.de

Literatur

  • Birnbacher, Dieter: Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart 1988.
  • Börsch-Supan, Axel: Zum Konzept der Generationengerechtigkeit. In: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik (2003), Band 2 2003, S. S. 221–226. Volltext: PDF
  • Gründinger, Wolfgang: Aufstand der Jungen. Wie wir den Krieg der Generationen vermeiden können. München, C.H. Beck Verlag, 2009
  • Hauser, Richard: Generationengerechtigkeit, Volksvermögen und Vererbung. In: Böhning, Björn / Burmeister, Kai (Hrsg.): Generationen & Gerechtigkeit. Hamburg 2004: VSA-Verlag, 29-44.
  • Heubach, Andrea: Generationengerechtigkeit – Herausforderung für die zeitgenössische Ethik. Göttingen 2008: V&R unipress
  • Höffe, Otfried: Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In: Journal für Generationengerechtigkeit, 2007, Jg. 7 (4). S. 4–6
  • Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. Frankfurt 1979.
  • Thomas Ebert: Soziale Gerechtigkeit. Ideen, Geschichte, Kontroversen (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 1571), Bundeszentrale für politische Bildung, 2. Aufl. Bonn 2015, ISBN 978-3-8389-0088-9. FAZ-Rezension der 1. Auflage.
  • Kavka, Gregory S.: The Futurity Problem. In: Sikora, Richard / Barry, Brian (Hrsg.): Obligations to Future Generations. Philadelphia 1978: Temple University Press, 186-203
  • Kirchgraber, Stefan: Was kann gemeinwesenorientierte Sozialarbeit zur Generationenfrage beitragen?. Rubigen 2007 (www.soziothek.ch).
  • Laslett, Peter/ Fishkin, James (Hrsg.): Justice between Age Groups and Generations. New Haven 1992.
  • Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. München 2003.
  • Unnerstall, Herwig: Rechte zukünftiger Generationen. Würzburg 1999.
  • Michael S. Aßländer, Andreas Suchanek, Gotlind Ulshöfer: Generationengerechtigkeit als Aufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, Hampp-Mering 2007, ISBN 3-86618-127-2
  • Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 3. In: Marx, Karl / Engels, Friedrich: Werke. Band 25. Berlin: Dietz. (Ausgabe von 1975; Erstveröffentlichung 1894).
  • Merk, Kurt-Peter, Die Dritte Generation, Aachen 2002, ISBN 978-3-8322-0575-1
  • Christen, Christian: Politische Ökonomie der Alterssicherung – Kritik der Reformdebatte um Generationengerechtigkeit, Demographie und kapitalgedeckte Finanzierung. Marburg 2011, ISBN 978-3-89518-872-5; Kapitel 4 „Generationengerechtigkeit und Alterssicherung“.
  • Rakowski, Eric: Equal Justice. Oxford 1991: Clarendon Press
  • Scherbel, Andreas: Die Begründung von Generationengerechtigkeit im Schöpfungsglauben der monotheistischen Offenbarungsreligionen. In: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. München 2003: Oekom-Verlag
  • Solow, Robert M. (1992): Growth with Equity through Investment in Human Capital. Minnesota: George Seltzer Distinguished Lecture Series
  • Tremmel, Jörg: Eine Theorie der Generationengerechtigkeit, Münster 2012, ISBN 978-3-89785-706-3
  • Woodward, James: The Non-Identity Problem. In: Ethics, 1986, Jg. 96 (4). S. 804–831

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Generationengerechtigkeit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.