Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Nicholas Winton

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Nicholas Winton in Prag im Oktober 2007

Sir Nicholas George Winton MBE (geb. 19. Mai 1909 in London; gest. 1. Juli 2015 in Slough, Berkshire) war ein britischer Staatsbürger, der kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Rettung von 669 meist deutschstämmigen tschechoslowakischen Kindern jüdischen Glaubens oder Herkunft vor dem Holocaust organisierte. Diese Aktion wurde als tschechischer Kindertransport bekannt. Winton, der selbst jüdischer Abstammung war, wurde häufig als „britischer Schindler“ bezeichnet, was ihm selbst aber nicht zusagte.[1][2][3]

Leben

Nicholas Winton war das Kind von Rudolf und Barbara Wertheim, geborene Wertheimer,[4] vom Judentum zum Christentum konvertierten Deutschen, die 1907 nach England ausgewandert waren. Am 29. Juli 1915, also während des Ersten Weltkrieges, änderte die Familie ihren Namen zum englisch klingenden Namen Wortham.[5] Nach dem Tod des Vaters am 6. Juli 1937 ließen sie ihren Namen 1938 erneut ändern, von Wortham zu Winton.[6][7] Nach Schulbesuch und Banklehre arbeitete Nicholas Winton bei Banken in England, Hamburg (L. Behrens & Söhne), Berlin (Deutsche Bank unter Oscar Wassermann) und ab 1931 bei der Banque Nationale du Crédit in Paris, die später zur BNP Paribas wurde. Nach London zurückgekehrt, arbeitete er als Broker. Auf Einladung von Freunden besuchte er, statt einen Skiurlaub in der Schweiz anzutreten, Weihnachten 1938 Prag, das nach der Sudetenkrise und der anschließenden Besetzung des Sudetenlandes von Flüchtlingen überlaufen wurde. Durch seine eigene Herkunft sensibilisiert, versuchte er zu helfen und nach seiner Rückkehr in London die Einreise wenigstens von Kindern zu organisieren. Diese war nach den Novemberpogromen möglich durch ein britisches Gesetz für Kinder unter 17 Jahren (Refugee Children Movement). Das gelang ihm mit einem Prager Gewährsmann, durch Finden von Adoptiveltern, Spendensammeln für Visa, Kautionen und Reisekosten. Der letzte Kindertransport war für den 3. September 1939 geplant. Nach Ausbruch des Krieges kam dieser Zug nicht mehr zustande. Winton, der sich auch im Alter gemeinnützig betätigte und dafür mit dem Order of the British Empire geehrt wurde, sprach jahrzehntelang nicht über seine Taten. Auch die Kinder ahnten nichts von seinem Beitrag. Sie glaubten an eine Mitwirkung des Roten Kreuzes. Erst seine Ehefrau fand 1988 in einem Koffer auf dem Speicher des Wohnhauses entsprechendes Material und machte die Vorgänge öffentlich bekannt.[8]

Winton starb am 1. Juli 2015 im Alter von 106 Jahren im Wexham Park Hospital, Slough, in das er eine Woche vorher wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustands eingeliefert worden war, wie seine Familie auf der Homepage mitteilt. Er lebte zuletzt in Maidenhead in der englischen Grafschaft Berkshire.[9] Die Beerdigung fand – ganz im Sinne Wintons – im privaten Kreise statt.[10]

Privat

Einige „seiner“ Kinder im Jahre 2007

Nicholas Winton war vom 1948 bis 1999 mit der Dänin Grete Gjelstrup (1919–1999) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Kinder Nicholas (genannt Nick) und Barbara hervor. Außerdem hatte Winton zwei Enkelkinder. 2014 verfasste Barbara Winton die Biographie über ihren Vater If it's Not Impossible...: The Life of Sir Nicholas Winton.[11]

Verfilmungen

1997 produzierte Matej Mináč, ein slowakischer Filmemacher, den Spielfilm All My Loved Ones, an dessen Ende eine Szene mit Winton zu sehen ist. Diese Szene hatte eine solch starke Wirkung, dass Mináč sich entschloss, einen Dokumentarfilm über Wintons Leben zu drehen: Nicholas Winton – The Power of Good gewann 2002 den Internationalen Emmy Award in der Kategorie Dokumentarfilm.

2001 besuchten Charles und Rita Gelman aus Ann Arbor, (Michigan Vereinigte Staaten), die Tschechische Republik kurz nach dem 11. September. Dort trafen sie auch Matej Mináč und sahen den Film. Danach waren die Gelmans von dem Gedanken überzeugt, dass diesen Film jeder amerikanische Schüler sehen sollte. Heute verleiht die „Gelman Educational Foundation“ diesen Film kostenlos an Lehrer in ganz Nordamerika.

2011 erschien der Film Sir Nicky– Held wider Willen, im Original Nicky’s Family.[12] Für diesem Dokumentarfilm führte Matej Mináč ebenfalls Regie.

Petitionen für den Nobelpreis

Durch die Initiative tschechischer Schüler entstand eine Petition, in der Gymnasiasten und Mittelschüler die entsprechenden Gremien des norwegischen Parlaments aufforderten, Nicholas Winton für seine Verdienste den Friedensnobelpreis zu verleihen. Zum 9. Oktober 2007 hatte die Petition 32.233 Unterschriften.[13] 2011 und 2013 fanden abermals Petitionen statt. 2013 unterschrieben 212.000 Menschen die Petition.[14] Eine Zählung vom 14. Juli 2014 kommt sogar auf 281.012 Unterschriften.[15] Winton war 2008, 2011 und 2013 für den Friedensnobelpreis nominiert, gewann ihn jedoch nicht.[16]

Ehrungen

Nicholas Winton wohnte in Maidenhead, England. Er wurde 1983 wegen seiner karitativen Arbeit für Ältere in den Order of the British Empire aufgenommen, vor allem aufgrund der Gründung der Abbeyfield-Häuser.[17] In Tschechien wurde er mit dem Freiheitspreis der Hauptstadt Prag ausgezeichnet. Am 28. Oktober 1998 erhielt Winton aus den Händen des Staatspräsidenten Václav Havel den Masaryk-Orden. Am 5. Juli 2001 wurde ein Asteroid nach Winton benannt: (19384) Winton. Im Dezember 2002 wurde Winton von Königin Elisabeth II. für seine Verdienste um die Menschlichkeit zum Ritter geschlagen. Am 28. Oktober 2014 wurde ihm von Präsident Miloš Zeman der Orden des Weißen Löwen, die höchste staatliche Auszeichnung Tschechiens, verliehen.[18]

Im Alter von 100 Jahren erlebte Nicholas Winton die Gedenkfeier in London, wo 70 Jahre zuvor die Kinder eingetroffen waren. Am 4. September 2009 fuhr der historische Zug „The Winton Train“, in dem einige der Holocaust-Überlebenden saßen, im Bahnhof Liverpool Street ein. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder dankten Nicholas Winton persönlich.[19][20]

Einzelnachweise

  1. Klaus Brill: Ein diskreter Held – Film über den „britischen Schindler“. In: Süddeutsche Zeitung, 24. Januar 2011.
  2. "Britischer Schindler" Nicholas Winton gestorben. In: derstandard.at. 1. Juli 2015, abgerufen am 3. Juli 2015: „Als Held und als "britischer Schindler" war er bezeichnet worden – letzteres ein Ausdruck, mit dem der bescheidene Mann wenig anfangen konnte. Der Brite Sir Nicholas Winton, der 669 Kinder aus der Tschechoslowakei vor dem Holocaust retten half, ist im Alter von 106 Jahren gestorben.“
  3. Nicholas Winton was a beacon of humanity. In: theguardian.com. 2. Juli 2015, abgerufen am 3. Juli 2015.
  4. Eintrag bei geni.com
  5. Zeitungsanzeige in der London Gazette
  6. Artikel in thejewishchonicle mit Hinweis auf einen Artikel von Monica Porte aus 2010
  7. Biographie bei Winton train (Memento vom 9. September 2009 im Internet Archive), abgerufen Januar 2011
  8. Bericht über den Film Power of Good (Memento vom 9. Juni 2011 im Internet Archive)
  9. Robert D. McFadden: Nicholas Winton, Rescuer of 669 Children From Holocaust, Dies at 106. In: The New York Times, 1. Juli 2015 (englisch, abgerufen am 2. Juli 2015).
  10. Private funeral held for Sir Nicholas Winton In: maidenhead-advertiser.co.uk.
  11. Sir Nicholas Winton, humanitarian - obituary In: telegraph.co.uk.
  12. Sir Nicky  – Held wider Willen In: moviepilot.de.
  13. Nobelova cena míru pro Sira Nicholase Wintona (Memento vom 11. Oktober 2007 im Internet Archive). In: wintonfilm.com (englisch).
  14. Thousands petition for Sir Nicholas Winton to be given the Nobel Prize.
  15. Worldwide Petition Update (as of July 14).
  16. Nicholas Winton erneut für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
  17. Abbeyfield (engl. WP)
  18. http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3783856/hoechster-orden-tschechiens-fuer-kinderretter-winton.story
  19. Britischer Schindler Nicholas Winton geehrt. In: dw.de.
  20. Nicholas Winton – Ein wahrer Held auf Youtube

Siehe auch

Quellen

  • Susan Poizner: Winton’s Wartime Gesture. In: The Jerusalem Report, 31. August 1998.
  • Honour for ‘British Schindler. BBC News, 26. September 2002.
  • British ‘Schindler’ gets knighthood. CNN, 31. Dezember 2002.
  • Gedenken an Holocaust-Überlebende. ARD Tagesschau, 4. September 2009.

Weblinks

 Commons: Nicholas Winton – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Nicholas Winton aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.