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Pogrom

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Judenfeindlichkeit in der Weltchronik von Hartmann Schedel (1493)
Farbige Lithografie aus dem Jahr 1904 zur Situation der Juden im Russischen Reich
Opfer des Pogroms in Ekaterinoslaw 1905, heute Dnipropetrowsk/ Ukraine, – überwiegend jüdische Kinder
Pogrom 1941 in Bukarest[1]

Unter einem Pogrom (m., auch n.) versteht man eine gewaltsame, auch organisierte Massenausschreitung gegen Mitglieder religiöser, nationaler, ethnischer oder andersartig definierter Minderheiten oder Gruppen einer Bevölkerung, oft verbunden mit Plünderungen und Misshandlungen sowie Mord oder Völkermord.

Etymologie

Der Begriff stammt aus dem Russischen und bedeutet übersetzt Verwüstung, Zerstörung, Krawall (погрóм, abgeleitet von громить „demolieren, zerstören“). Er wird heute auch für die religiös motivierten mittelalterlichen Judenverfolgungen durch die Christen verwendet, obgleich er seinen Ursprung in den Pogromen Russlands im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hatte. Das Wort "pogrom" tritt auch in der polnischen Sprache auf. Es bedeutet einen entscheidenden und vernichtenden Sieg, sowohl in einer Schlacht als auch in einem Sportspiel.

Die Juden wurden u. a. durch Paulus beschuldigt, „den Herrn Jesus getötet“ zu haben, „wie sie es auch vorher schon mit den Propheten getan hätten“; sie verfolgten nun die Christen „und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind“ (1 Thess 2,15 LUT). Die kirchlichen Konzilien nahmen diese Aussagen teilweise dahingehend verschärfend auf, dass „die Juden“ am Tode Jesu schuld gewesen und insofern „Gottesmörder“ seien.

Zudem waren Juden oft Sündenböcke für Epidemien und Seuchen wie die Pest-Epidemie im 14. Jahrhundert. Lange zuvor entwickelte sich nämlich die Darstellung von Juden als „Brunnenvergifter“, weil die Juden in ihren Ghettos großteils von Seuchen verschont blieben. Denn mit den Geboten im dritten Buch Mose, im Christentum auch „Leviticus“ genannt, besaßen sie eine rudimentäre Form von Hygiene. Dazu zählten unter anderem auch Vorschriften wie die Anlage tiefer Brunnen, weshalb in diese kein verseuchtes Oberflächenwasser eindrang. Da dies nicht für die Brunnen der restlichen Bevölkerung galt, gab es bei dieser immer wieder Epidemien, vor allem Cholera.

Geschichte

Im Heiligen Römischen Reich kam es im Zusammenhang mit der Kreuzzugspropaganda 1096, 1146 und um 1189 zu Kreuzzugspogromen. Mit dem Auftreten der Pest eskalierten die bereits vorhandenen antijüdischen Einstellungen, so dass es in den Jahren 1348 bis 1351 zu den sogenannten Pestpogromen kam.

Im Jahr 1492 starben 27 Juden in Sternberg; als Folge wurden alle Juden aus Mecklenburg ausgewiesen. Bohdan Chmelnyzkyj, 1654 Gründer des Kosakenstaates, war auch für antijüdische Übergriffe berüchtigt. Während dieser Kämpfe sollen Pogrome über 100.000 Polen und russischen Juden das Leben gekostet haben.

Judenpogrome traten sodann im zaristischen Russland in Gebieten, die heute zu Russland, Polen, Ukraine, Weißrussland oder wie Bessarabien zu Moldawien gehören, in regelmäßigen Abständen auf. Nach den Hep-Hep-Unruhen von 1819 (primär in Deutschland) gilt als erster Pogrom der modernen Zeit der Juden-Pogrom von Odessa im Jahr 1821. Über die Gründe ist nichts näher bekannt; man nimmt jedoch antisemitische Ressentiments als Ursache an. Zwischen 1903 und 1906 kamen bei Pogromen in Russland schätzungsweise 2.000 russische Juden ums Leben. Besonders bekannt wurden die Pogrome von Kischinew in der heutigen moldawischen Hauptstadt Chișinău. Sie wurden wohl zumindest teilweise von der russischen Regierung bewusst geschürt. Aufgrund dieser Ereignisse kam es zu einer ersten größeren Auswanderungswelle russischer Juden nach Palästina.

Die Massaker unter dem osmanischen Sultan Abdülhamid II. durch kurdische und türkische Spezialeinheiten in den Jahren 1894 bis 1896 führten zu 100.000 bis 200.000 getöteten christlichen Armeniern. Daneben kam es zu Zwangskonversionen zum Islam und zu Vertreibungen ins Exil.[2]

Im Anschluss an eine konservative islamische Revolte gegen die jungtürkische Regierung kam es zum Christen-Pogrom von Adana, Kilikien, Türkei. Dabei wurden im April 1909 20.000 bis 30.000 Armenier umgebracht.[2]

Beim Völkermord an den Armeniern wurden in der Türkei zwischen 1915 und 1921 je nach Quelle zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Menschen getötet.

Die deutschen Novemberpogrome 1938, die als „Reichskristallnacht“ bekannt wurden, markierten den Auftakt der physischen Judenverfolgung im Nationalsozialismus. Weil die fabrikmäßigen Massenmorde an jüdischen Menschen in und aus ganz Europa durch die Nationalsozialisten selbst mit dem Wort Genozid nur unzureichend zu fassen waren und über jedes Pogrom der Geschichte weit hinaus gingen, wurde in der Nachkriegszeit für die durch die nationalsozialistischen Machthaber begangenen Morde das Wort „Shoa“ bzw. im englischsprachigen Raum auch Holocaust neu definiert.

Nach dem 2. Weltkrieg kam es im Gebiet des ehemaligen Sudetenlandes zu Übergriffen an der deutschen Bevölkerung, u. a. am 31. Juli 1945 in Ústí nad Labem zum Massaker von Aussig.

Beim Pogrom von Kielce wurden 1946 in der polnischen Stadt vierzig Juden durch Zivilisten getötet.

Der Pogrom von Istanbul im Jahre 1955 richtete sich gegen eine christliche, überwiegend griechischstämmige Minderheit in der türkischen Metropole; einige Historiker sehen einen Einfluss der damaligen Regierung und einen Zusammenhang mit dem Zypern-Konflikt.

Rückblickend werden heute auch vergleichbare Ereignisse des Altertums als Pogrom bezeichnet.

Literatur

  • Katharina Eisch-Angus: Gedächtnis und Erfahrung. Vom Umgang mit der Erinnerung im ostdeutsch-tschechischen Grenzgebiet. In: Kurt Dröge: Alltagskulturen in Grenzräumen. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2002, ISBN 3-631-38957-4, S. 293–329 (Mitteleuropa – Osteuropa. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas 4).

Weblinks

Lemma Pogrom im Glossar der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Einzelnachweise

  1. Oxfordjournals (engl.) vom 21. Juli 2008
  2. 2,0 2,1 Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1998
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Pogrom aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.