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Robert Kempner

Aus Jewiki
(Weitergeleitet von Robert M. W. Kempner)
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Robert Max Wasilii Kempner (geb. 17. Oktober 1899 in Freiburg im Breisgau; gest. 15. August 1993 in Königstein im Taunus) (Pseudonym Eike von Repkow) war ein deutscher Jurist. Der preußische Beamte wurde 1933 von den Nationalsozialisten entlassen und emigrierte in die USA. Bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen arbeitete er als Stellvertreter des amerikanischen Chefanklägers Robert H. Jackson. Ein Mitarbeiter Kempners hatte im März 1947 das sogenannte Wannsee-Protokoll gefunden, in dem die geplante Organisation zur „Endlösung der Judenfrage“ schriftlich festgehalten wurde.[1] In der Folgezeit engagierte Kempner sich für die Bestrafung nationalsozialistischer Täter und die Entschädigung der Opfer.

Die erste Seite des Wannseeprotokolls. Gefunden in den Akten von Unterstaatssekretär Luther.

Leben

Jugendjahre

Robert Kempner war das älteste von drei Kindern des jüdischen Wissenschaftlerehepaares Walter Kempner (1869–1920) und Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871–1935), der zweiten deutschen Professorin. Kempners Taufpate war Robert Koch, an dessen Institut für Infektionskrankheiten sich die Eltern kennenlernten. Sein Bruder Walter war Arzt und Mitglied des George-Kreises. Als Jurastudent wohnte er als Beobachter dem Prozess gegen Soghomon Tehlirian bei. Der Armenier hatte den früheren osmanischen Innenminister Talât Pascha als einen der Hauptverantwortlichen des Völkermord an den Armeniern niedergeschossen. Über das Verfahren sagte er später, dass „Völkermord durchaus von fremden Staaten bekämpft werden könne und keine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ sei.[2]

Nach dem Studium in Freiburg im Breisgau war er zunächst als Staatsanwalt in Berlin tätig. 1928 wechselte er ins preußische Innenministerium. Bereits in dieser Zeit engagierte Kempner sich unter anderem im Republikanischen Richterbund und warnte vor dem aufkommenden Nationalsozialismus. Die Versuche, Adolf Hitler wegen Hochverrats vor Gericht zu stellen und die NSDAP verbieten zu lassen, scheiterten an der Obstruktion von Hitlers Gesinnungsfreunden in den Behörden. Kempner verfasste in dieser Zeit mehrere Schriften gegen Hitler und den Nationalsozialismus (u. a. Denkschrift gegen die NSDAP und Auftakt zum Dritten Reich (1932)). Das Buch Justizdämmerung erschien 1932 unter Pseudonym, weil Kempner als Mitarbeiter des Preußischen Innenministeriums Neutralität wahren musste.

1933 bis 1945

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde Kempner wegen „politischer Unzuverlässigkeit in Tateinheit mit fortgesetztem Judentum“ aus dem Staatsdienst entlassen. Im Jahr 1935 heiratete er seine zweite Ehefrau Ruth Lydia Hahn. Kurz darauf wurde Kempner verhaftet. Aufgrund internationaler Proteste wurde er kurz darauf wieder freigelassen und floh nach Italien. Zusammen mit Werner Peiser leitete er dort ab April 1936 als Nachfolger von Moritz Goldstein das Landschulheim Florenz. Sein Wirken dort, vor allem sein Verhalten gegenüber Wolfgang Wasow und dem Ehepaar Manasse, war nicht unumstritten.[3] Als die Schule 1938 geschlossen werden musste, konnten Peiser und Kempner noch mit einem Teil der Schüler nach Nizza ausreisen und dort für kurze Zeit den Schulbetrieb fortsetzen.[4]

Über eine in den USA lebende Freundin seiner Mutter bereitete Kempner seine Übersiedlung in die USA vor, in die er am 1. September 1939 einreisen konnte.[5] Er war danach in den Vereinigten Staaten Regierungsberater der Regierung Roosevelt (Franklin D. Roosevelt war 1933 US-Präsident geworden) und ab 1943 Mitglied der United Nations War Crimes Commission.

Nürnberger Prozesse

Als der Zweite Weltkrieg in Europa beendet war, wurde Kempner 1945/1946 stellvertretender Hauptankläger der Vereinigten Staaten beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. In den Jahren 1947/1948 übte er dieselbe Funktion im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozess (offizielle Bezeichnung: „The United States of America vs. Ernst von Weizsäcker et al.“) gegen 21 Beamte des Auswärtigen Amtes aus.

Engagement für die Menschenrechte

Kempner blieb nach Ende seiner Arbeit im Rahmen der Nürnberger Prozesse in Deutschland. Er ließ sich 1951 als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main nieder. Als Rechtsanwalt beschäftigte er sich in einer Vielzahl von Prozessen mit der NS-Zeit, in denen er als Nebenklägervertreter für die Bestrafung der Täter eintrat. Mit Hilfe von Zivilprozessen erstritt er Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus. Unter anderem vertrat er den Bruder des wegen des Reichstagsbrandes zum Tode verurteilten Marinus van der Lubbe im Wiederaufnahmeverfahren. Im Eichmann-Prozess unterstützte er Anfang der 1960er Jahre die israelischen Ankläger beim Sammeln von Beweismaterial gegen Adolf Eichmann.

Kempner blieb bis ins hohe Alter mit Publikationen und Büchern politisch aktiv und setzte sich für Demokratie und Menschenrechte ein. Ein Brief an den Vorstandssprecher der Deutschen Bank initiierte letztlich die Entschädigungszahlungen der deutschen Wirtschaft wegen der NS-Zwangsarbeit (siehe auch: Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“). Er starb im Alter von 93 Jahren in Königstein im Taunus.

Kempner wurde auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in Berlin-Lichterfelde beigesetzt. Die Grabstätte in der Abt. 4a-2 gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Kritik an Kempner

Kritiker werfen Kempner vor, er kehre seine eigene historische Bedeutung zu sehr heraus, und sie kritisieren sein „anekdotenhafte[s] Aus-dem-Gedächtnis-Berichten“, das zu vagen und missverständlichen Formulierungen und zahlreichen Fehlern führte.[6] In seinem Buch Eichmann und Komplizen[7] veröffentlichte Kempner das Wannsee-Protokoll erstmals als Faksimile, verwendete aber dabei Montagen von Abschriften und Faksimiles, ohne dies an irgendeiner Stelle offenzulegen.[8] Das bot Holocaustleugnern Anlass, diese Quelle anzuzweifeln.

Der Leiter der Abteilung für Dokumentenkontrolle in Nürnberg, Fred Niebergall, gab Kempner eine Blankovollmacht und erlaubte ihm, „Material der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse zu entnehmen und zu behalten für Zwecke der Forschung und des Studiums, für Schreiben und für Vorträge.“ Obwohl eine solche Ermächtigung keine rechtlich haltbare Grundlage „für eine widerrechtliche Aneignung von Staatseigentum“ sein kann, blieben zahlreiche Dokumente bis zu Kempners Tod in seinem Privatbesitz.[9] Auch nach 1993 herrschte jahrelang Unklarheit über Umfang und Verbleib von Unterlagen. Dazu gehörten ein Großteil von Alfred Rosenbergs Tagebuchnotizen, die Kempner wohl für eigene Publikationen hatte nutzen wollen. Für diese „dubiose Aneignung“ bzw. „widerrechtliche Aneignung seines Dokumentenschatzes“ erfährt Kempner Kritik.[10]

Auszeichnungen

Schriften

  • Justiz-Dämmerung: Auftakt zum Dritten Reich. Unter dem Pseudonym Eike von Repkow. Volksfunk-Verlag, J.H.W. Dietz Verlag, Berlin 1932, DNB 572974132. Kempner konnte den Beitrag 1932 nur anonym veröffentlichen, da er im preußischen Innenministerium angestellt war. In der Bundesrepublik gab es 1963 einen fotomechanischen Nachdruck im Selbstverlag.
  • mit Carl Haensel: Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozess. Schwäbisch Gmünd 1950, DNB 455191344.
  • Eichmann und Komplizen. Zürich/Stuttgart/Wien 1961, DNB 452379245.
  • SS im Kreuzverhör. München 1964. Neuauflage: Nördlingen 1987, DNB 452379261.
  • Edith Stein und Anne Frank. Zwei von Hunderttausend. Die Enthüllungen über die NS-Verbrechen in Holland vor dem Schwurgericht in München. Die Ermordung der nichtarischen Mönche und Nonnen, Freiburg 1968, DNB 457181761.
  • Das Dritte Reich im Kreuzverhör. Aus den unveröffentlichten Vernehmungsprotokollen des Anklägers Robert M. W. Kempner. München-Esslingen 1969, DNB 456489118. Neuauflage: Athenäum/Droste Taschenbücher Geschichte, Düsseldorf 1980; mit einer Einführung von Horst Möller. Herbig, München 2005.
  • Amerikanische Militärgerichte in Deutschland. In: Hans-Jochen Vogel, Helmut Simon, Adalbert Podlech (Hrsg.): Die Freiheit des Anderen. Festschrift für Martin Hirsch. Baden-Baden 1981, ISBN 3-7890-0699-8, S. 145–163.
  • mit Jörg Friedrich: Ankläger einer Epoche. Lebenserinnerungen. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1983, ISBN 3-550-07961-3; Taschenbuchausgabe: (= Ullstein-Buch. Nr. 44076) Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1986, ISBN 3-548-33076-2 (Das Buch enthält eine ausführliche Quellenauflistung im Anhang).

Literatur

Weblinks

 Commons: Robert Kempner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert M. W. Kempner: Ankläger einer Epoche – Lebenserinnerungen (= Ullstein-Buch. Nr. 44076) Ullstein, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-548-33076-2, S. 310 f. Dieser Mitarbeiter war Kenneth Duke. „Ich war gleich alarmiert“. In: Der Spiegel. Nr. 7, 2002, S. 50 (9. Februar 2002, online). / Brief von Kempner: (19. Januar 1992) (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) Entdeckung des Wannseeprotokolls
  2. Wiegrefe, Klaus: Völkermord an den Armeniern: „Sie mussten sich auskleiden und wurden sämtlich niedergemacht“, in: SPIEGEL ONLINE, abgerufen am 2. Juni 2016.
  3. Irmtraud Ubbens: Das Landschulheim in Florenz. In: Kindheit und Jugend im Exil – Ein Generationenthema. (= Exilforschung. Ein Internationales Jahrbuch. Band 24). edition text + kritik, München 2006, ISBN 3-88377-844-3, S. 130–131.
  4. Irmtraud Ubbens: Das Landschulheim in Florenz. In: Kindheit und Jugend im Exil – Ein Generationenthema. (= Exilforschung. Ein Internationales Jahrbuch. Band 24). edition text + kritik, München 2006, ISBN 3-88377-844-3, S. 125.
  5. Robert M. W. Kempner: Ankläger einer Epoche. S. 147.
  6. Christian Mentel: Das Protokoll der Wannsee-Konferenz. In: Norbert Kampe, Peter Klein (Hrsg.): Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 – Dokumente, Forschungsstand, Kontroversen. Köln 2013, ISBN 978-3-412-21070-0, S. 123.
  7. Robert Kempner: Eichmann und Komplizen. Zürich 1961.
  8. Christian Mentel: Das Protokoll der Wannsee-Konferenz. In: Norbert Kampe, Peter Klein (Hrsg.): Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 – Dokumente, Forschungsstand, Kontroversen. Köln 2013, ISBN 978-3-412-21070-0, S. 126.
  9. Jürgen Matthäus, Frank Bajohr (Hrsg.): Alfred Rosenberg – Die Tagebücher 1934–1944. Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03281-5, S. 32.
  10. Jürgen Matthäus, Frank Bajohr (Hrsg.): Alfred Rosenberg – Die Tagebücher 1934–1944. Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03281-5, S. 33 bzw. 36.
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