Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Ruth Zucker

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ruth Zucker (geboren 19. Juni 1914 in Bonn als Ruth Amelie Koopmann; gestorben 16. Januar 2014 in Haifa) war eine deutsche, jüdische Widerstandskämpferin, Graphologin und Astrologin.

Familiäre Herkunft, Kindheit und Jugend

Die Vorfahren ihres Vaters flohen wegen der Inquisition aus Spanien in die Niederlande. Ihren ursprünglichen Namen Mendez wandelten sie in Koopmann, da das ihrer Tätigkeit entsprach (Kaufmann). Als jüdische Flüchtlinge in den Niederlanden konnten sie die akademische Tradition der Familie nicht fortsetzen. Außerdem meinten sie, dass der Namenswechsel ihrer Assimilation diene.

Jakob Koopmann, der Großvater Ruths, ließ sich in Bonn nieder und heiratete Amélie Freudental. Auf ihre Initiative hin gründeten sie 1910 das erste große Warenhaus in Bonn. Sie wohnten in der Bonner Marienstraße, angrenzend an das Sankt Josef-Krankenhaus.[1]

Die Eltern Ruths waren Paul und Elisabeth Koopmann. Der Bruder ihres Vaters Walther Koopmann fiel im Ersten Weltkrieg und wurde auf dem Bonner jüdischen Friedhof bestattet.[2] Dem Großvater ihrer Mutter Elisabeth, von dem nur der Vorname Karl überliefert ist, gehörte eine Diamantenschleiferei in Amsterdam.[3]

Ruth hatte einen Bruder, Karl, der drei Jahre älter war, und eine jüngere Schwester namens Myriam. In Bonn wohnte die Familie in der Argelander Straße, Ecke Poppelsdorfer Allee.[4] Während des Ersten Weltkrieges zog sie in den sogenannten Jägerhof, den der Vater noch vor dem Krieg gekauft hatte. Er befand sich in der Mitte zwischen Bonn und Bad Godesberg. Als Kind erhielt sie Privatunterricht für Violine, Gitarre und Akkordeon, da das Grammophon als zu proletarisch betrachtet wurde.[5]

Ihre Eltern – besonders ihr Vater – waren zwar bewusst jüdisch und stolz darauf, aber nicht religiös. So beschreibt sie, dass in dem Jägerhof zeitgleich Weihnachten und Chanukka gefeiert wurde. Kurz nach Kriegsende besuchten ihren Vater, der Träger des Eisernen Kreuzes war, zwei junge Herren von „einer wunderbaren, progressiven, neuen politischen Partei“ – wie er sagte: der NSDAP, der er „freigiebig“ Geld stiftete.[6]

Mit sechs Jahren wurde Ruth Zucker in die „Engelhardtsche Privatschule“ eingeschult. Ungefähr zeitgleich wurde ihre Schwester Miryam geboren.[7]

Ihr Vater erkrankte an der Spanischen Grippe und erholte sich nur sehr langsam. In dieser Zeit mietete die Familie in Lousanne eine kleine Villa im Viertel „La Rosiaz“. Das Grundstück grenzte an das Mädchenpensionat „Chateau Mont-Choisi“. Von dort nahm Ruth fröhliche Geräusche war, was in ihr den Wunsch weckte, „dazu zu gehören“.[8] Nach der Genesung des Vaters wollte die Familie auf Initiative ihrer Mutter für zwei Jahre eine Europareise antreten. Die kleine Ruth beharrte darauf, diese Zeit in dem Pensionat zu verbringen. Als einzige Deutsche lernte sie dort die Vorurteile gegen die „boches“ kennen und entwickelte ihre Liebe zu Pferden.

Nach Rückkehr ihrer Eltern verbrachte die Familie die Jahre 1924 bis 1928 in den USA. Sie wohnten in Pasadena nahe Los Angeles, und Ruth besuchte die Public School. In dieser Zeit war sie „restlos glücklich“. Ihr Vater betätigte sich für Hollywood als Importeur spezieller Glühlampen für Filmaufnahmen bei Nacht. Als das Geschäft nicht mehr lief und aus der Schauspielkarriere ihrer Mutter nichts wurde, reiste die Familie auf deren Drängen zurück in die Schweiz, obwohl der Vater schon die Papiere für den Erwerb der us-amerikanischen Staatsbürgerschaft erhalten hatte.[9] Sie mieteten ein Schlösschen - die „Campagne Valcrose“ - nahe Genf. Dort ging Ruth auf die „École International“, die Schule des Völkerbundes, wo sie sich sehr wohl fühlte und zusammen mit Schulfreunden die Schulzeitung „Philia“ gründete. Mehrmals besuchte Mahatma Ghandi diese Schule, der ihre Weltanschauung wesentlich beeinflusste. Wegen ihrer „Aura“ wählte er sie für eine spätere Ausbildung in seinem Ashram aus.[10]

Da der Vater keine Einnahmen mehr hatte und von den Zinsen alle Kosten bestreiten musste, zogen sie in den Stadtteil „Les Grangettes“ in eine kleine Villa in der Route de Chêne nahe ihrer Schule. Nach ihrem Abitur 1931 musste sie am Institut Rousseau eine Zugangsprüfung ablegen, um für das Psychologiestudium zugelassen zu werden. Sie bestand die Prüfung mit „Mention Excellente“. In diese euphorische Situation platze die Nachricht, dass die Pächter des Warenhauses in Bonn pleite waren. Das gab den Ausschlag, der „Deutschlandsehnsucht“ ihrer Mutter nachzugeben. Die abgelaufenen deutschen Pässe wurden durch neue ersetzt, sie bekamen aber die alten mit zurück. Ihre Mutter bestand darauf, dass das Vermögen des Vaters auch wieder nach Deutschland zurückkehre. Sie wohnten zur Miete in einer Villa in Bad Godesberg.

Ehe und Leben in Palästina

Ihren späteren Mann Walter Zucker lernte sie bei einem Jahrestag der „Jüdischen Studentenschaft“ kennen, als die Organisation in ein eigenes Haus einzog. Während eines Paddelausflugs mit ihrem Verlobten gerieten sie in ein Unwetter auf dem Rhein. Ein Kohletransporter rettete sie, und zum Dank schenkte sie der Frau des Kapitäns ihren seidenen Regenmantel, den diese zuvor bewundert hatte.[11]

Nach den Bücherverbrennungen an deutschen Universitäten im Mai 1933 erneuerte sie ihren Plan, in Genf zu studieren. Sie wohnte dort wieder in der „Campagne Valcrose“ und bestritt ihren Lebensunterhalt mit Au-pair-Tätigkeiten. Als Gasthörerin besuchte sie Vorlesungen und arbeitete intensiv mit Professor Edouard Magnat zusammen.

Walter Zucker war von der Idee des Zionismus angetan. Da es für ihn als Jude in Deutschland keine Chancen gab, als Kieferchirurg zu arbeiten, reiste er mit einem gefälschten Einreisezertifikat als Landarbeiter nach Palästina. Ruth Zucker verließ Genf und reiste nach Worms, um ihren Verlobten zu verabschieden. Dann zog sie wieder zu ihren Eltern nach Bonn und arbeitete als Verkäuferin im Warenhaus ihres Vaters, um das Geld für die Reise nach Palästina zu verdienen. Auf dem britischen Konsulat in Deutschland gelang es ihr, mit einer Mischung aus Mut, Charme und Schauspielerei den Einreisestempel für ihren Pass zu erlangen. Sie hatte kein Ticket zur Rückreise aus Palästina, und der britische Konsul riet ihr, bei Problemen in Palästina zu behaupten, dass das Reisebüro „irrtümlich“ das Rückticket nicht ausgestellt habe.[12] In Marseille traf sie ihren ehemaligen Mitschüler Leo Teicher, der sich auf ihren Vorschlag hin als ihr Verlobter ausgab. Mit diesem Trick gelang die Einreise.[13] Ihre Eltern folgten ihr etwa ein Jahr später.

Sie arbeitete als Praxishilfe, Einräumerin, Verkaufsleiterin, Übersetzerin, Sprachlehrerin, Angestellte der „Union de Genève“ und bei der britischen Zensurbehörde „Royal British Censorship“. Außerdem bemalte sie Sparbüchsen aus Ton mit kindlichen Motiven, um sie als Spielzeug zu verkaufen.

Am 23. Juni 1935 wurde ihr Sohn Eli geboren.[14]

Graphologie und Astrologie

Schon mit sechs Jahren sah sie verschiedene „flimmernde Farbenschleier um die Köpfe der Gäste“ einer Kaffeerunde, zu der ihre Mutter regelmäßig lud. Sie verstand später, dass sie die Auren gesehen hatte.[15]

Während ihrer Zeit in der „École International“ fiel einem Lehrer ihre Begabung auf, aus Handschriften den Charakter eines Menschen zu erspüren. Der Schuldirektor brachte sie mit einem bekannten Graphologen in Verbindung, Edouard Magnat. Magnat war auch Astrologe, und sie nannte ihn „spiritual daddy“, da er ihren Geist geöffnet habe.

Nach ihrer Legalisierung in Palästina wurde sie auf Grund der Zeugnisse und graphologischen Tätigkeitsnachweise – die ihr Professor Magnat geschickt hatte – als „Expertin für Unterschriften und Dokumente vor Gericht“ zugelassen.[16] Sie veröffentlichte nach ihren Angaben 1949 die Abhandlung „Die erste Methode der Welt zur Analyse der hebräischen Schrift“ und gründete das „Institut für Industrielle Graphologie“. Sie nahm in Zürich an einer graphologischen Weiterbildung von Interpol teil und war seitdem in konsultivem Kontakt mit der graphologischen Abteilung.[17]

Tätigkeit für die Hagana

Kurz vor der Geburt ihres Sohnes Eli 1935 hatte sie den ersten – ahnungslosen – Kontakt mit der Hagana. Herrn „Dori“ gehörte das Haus in der Bezalelstraße, der das „Schlüsselgeld“ für ihre erste gemeinsame Wohnung entgegennahm, und insgeheim Militärkommandant der Hagana war.[18] Etwa 1937 trat Gaby Ullmann der 15-jährige Sohn ihrer damaligen Pensionswirtin an sie heran, sie solle für die Hagana arbeiten.[19] An der angegebenen Adresse traf sie auf Nechemia Argov, der sie wegen ihrer Sprachkenntnisse für den „Informationsdienst“ auswählte.[20] Ein paar Tage später traf sie mit Aharon „Aharonchik“ Cohen zusammen, der sie speziell auf ihre graphologische Qualifikation hin ansprach.[21]

Ihre graphologische Qualifikation wurde zwar zuerst belächelt, trug dann aber dazu bei, Freiwillige auf Grund ihrer Handschrift für bestimmte Tätigkeitsfelder auszusuchen.

Es gab die Organisation „Kofer ha Yishuwh“ = „The Jewish Settlement Ransom“, die Geld sammelte bzw. eintrieb, um heimlich in Palästina Land für jüdische Flüchtlinge zu kaufen.[22] Ein arabischer Geschäftsmann, den sie Jamil Abyad nennt, war beim Erwerb des Karmeliternonnenklosters in Bat Galim behilflich. Es stand auf einem Grundstück, das noch „einer einflussreichen arabischen Familie“ gehörte, „die führend war in der Oppositionsbewegung gegen die Juden“.[23]

Kontakte nach Deutschland

Am 25. August 1950 wurde ihr Sohn Eli bei einer illegalen Sprengung während einer Autofahrt schwer verletzt. Um die Behandlungs- und Prozesskosten bezahlen zu können, beschlossen Walter und Ruth nach Worms zu fahren, um an der Wiedergutmachung der BRD teilzuhaben, aufgrund der Zwangsverkäufe in der Nazizeit. Walter konnte die Erinnerungen nicht ertragen und schlug die Möglichkeit aus. Jahre nach Walters Tod kam heraus, dass ihr Anspruch darauf nun verjährt sei.

Ender der 70er Jahre lud sie der damalige Oberbürgermeister von Bonn, Hans Daniels, sie zu einem Wiedersehen ihrer Heimatstadt ein. Sein Vater hatte ihnen 1933 geholfen. Zusammen mit ihrer Ziehtochter Tami trat sie die Reise nach anfänglichem Zögern an. Dort lernte sie auf einer Dampferfahrt Rolf Vogel kennen, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, und über den sie Arnold Breker und Christo kennen lernte. Ihr nächster Bonn-Aufenthal ein Jahr später führte sie zu der Talkshow „Bonnfetti“ mit und von Geert Müller-Gerbes. Seine Versuche, ihre graphologische Qualifikation ins Lächerliche zu ziehen, führten zu sehr vielen Publikumsanfragen nach privaten Horoskopen. In der ZDF-Talkshow „Live aus der Frankfurter Oper“ wurde wieder nur ihre graphologische Affinität herausgestrichen, ihre Tätigkeit bei der Haganah blieb unerwähnt.[17]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 14
  2. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 13
  3. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 10
  4. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 7
  5. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 24
  6. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 16
  7. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 24
  8. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 28
  9. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 33
  10. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 38
  11. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 46ff.
  12. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 63
  13. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 65
  14. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 80 ff.
  15. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 25
  16. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 143
  17. 17,0 17,1 Ruth Zucker on ZDF. Abgerufen am 4. September 2022 (deutsch).
  18. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 79
  19. Ruth Zucker: Meine sieben Leben. Autobiographie. DTV, München 2000, S. 97 (Nachbarin nach „Im Auftrag für Israel“, S. 17)
  20. Ruth Zucker: Im Auftrag für Israel. Meine Jahre als Spionin. DTV, München 1998, S. 20
  21. Ruth Zucker: Im Auftrag für Israel. Meine Jahre als Spionin. DTV, München 1998, S. 48
  22. Ruth Zucker: Im Auftrag für Israel. Meine Jahre als Spionin. DTV, München 1998, S. 96
  23. Ruth Zucker: Im Auftrag für Israel. Meine Jahre als Spionin. DTV, München 1998, S. 109 f.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Ruth Zucker aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.