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Wachstumstheorie

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Die Wachstumstheorie ist ein Zweig der Volkswirtschaftslehre, der sich mit der Erklärung der Ursachen von Wirtschaftswachstum bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes befasst.

Der klassische Indikator für wirtschaftliches Wachstum ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP), dessen absolute Veränderung oder die Veränderung Pro-Kopf betrachtet werden kann, wobei letztere gemeinhin in Wachstumsmodellen verwendet wird. Dies liegt daran, dass die wirtschaftliche Lebenssituation eines repräsentativen (Durchschnitts-)Bürgers von Interesse ist.[1]

Klassisches Merkmal vieler Wachstumstheorien ist die langfristige Sichtweise (vgl. Fristigkeit). Kurzfristige Fragen der Auslastung des Produktionspotenzials eines Landes sind Gegenstand der Konjunkturtheorie.

Historische Entwicklung

Klassische Wachstumstheorie

Während lange Zeit die Wahrnehmung einer stationären Wirtschaft vorherrschend war und auch in den Theorien der klassischen politischen Ökonomie diskutiert wurde,[2] entstanden erste Theorien bezüglich des Wirtschaftswachstum bereits Ende des 17. Jahrhunderts und begründeten den Merkantilismus. Den Gedanken einer „gleichmäßig fortschreitenden Wirtschaft“ fasste zuerst Gustav Cassel in eine Formel.[3] Darin wurde zuerst die Gleichheit von Sparen und Investieren postuliert. Moderne Wachstumstheorien entwickelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg, zunächst keynesianischer Natur. Die bedeutendste dieser Theorien ist das Harrod-Domar-Modell (1942).

Neoklassische Wachstumstheorie

In den 1950er Jahren entwickelte Robert M. Solow sein neoklassisches Wachstumsmodell (vgl. Solow-Modell), für welches er 1987 den Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank erhielt. Das Modell wurde schnell zu einem häufig benutzten und getesteten Hilfsmittel für Ökonomen. Langfristiges Wachstum der Pro-Kopf-Größen ist im Gleichgewicht möglich aufgrund von exogenem technologischen Fortschritt.[4]

Von Ökologischen Ökonomen wurden ab 1970 thermodynamische Gesetze in die Wachstumstheorie einbezogen.[5][6] Das Konzept des technischen Fortschritts als „formlose Kraft, die die Produktivität beliebig vergrößern kann“[7] wurde kritisiert, weil es den langfristigen Hauptwachstumsfaktor unerklärt lasse.[8] Stattdessen wird dessen Beitrag durch Energie als Produktionsfaktor erklärt.[9][10][11]

Sehr bekannt ist auch das Ramsey-Modell bzw. das neoklassische Ramsey-Cass-Koopmans-Modell (nach Frank Plumpton Ramsey, David Cass und Tjalling Koopmans).

Endogene Wachstumstheorie

Mitte/Ende der 1980er Jahre erhielt die Wachstumstheorie einen neuen Schub. Insbesondere die Arbeiten von Paul Romer begründeten einen neuen Typ von Wachstumsmodellen, die sogenannten endogenen Wachstumsmodelle. Die kennzeichnende Eigenschaft endogener Wachstumsmodelle ist, dass die Produktionsfunktion zunehmende Skalenerträge ermöglicht. Die Begründungen für zunehmende Skalenerträge sind vielfältig, z. B. learning-by-doing oder Übertragungseffekte.

N. Gregory Mankiw, Romer und Weil erweiterten 1992 das Standard Solow-Swan Modell. Sie fügten in die Produktionsfunktion den Faktor Humankapital ein. Humankapital definierten sie über die Einschulungsraten. Ihr Modell ergibt eine langsamere Konvergenzgeschwindigkeit als im Solow-Modell. Gänzlich verabschiedet von der Gruppe der exogenen Wachstumsmodelle haben sich die Anhänger der endogenen Wachstumstheorie (Paul Romer, Philipp Aghion, Peter Howitt, et al.). Endogene Wachstumsmodelle basieren auf der Annahme, dass keine abnehmenden Grenzerträge vorliegen. Diese Annahme begründet Paul Romer in seinem Werk von 1986 mit der These, dass technisches Wissen nicht alleine dem Erfinder zur Verfügung steht, sondern durch Übertragungseffekte auch allen anderen Gesellschaftsmitgliedern verfügbar ist. Grossman, Aghion und weitere erweiterten diese Modellgattung dahingehend, dass angetrieben durch eine monopolistische Konkurrenz Firmen Vorteile aus der beständigen Erfindungstätigkeit haben. Technischer Fortschritt wird endogen.

Endogene Wachstumsmodelle wurden von einer Vielzahl von Wissenschaftlern erarbeitet, darunter Robert E. Lucas, Paul Romer, Philippe Aghion, Peter W. Howitt, Gene M. Grossman, Elhanan Helpman, Robert J. Barro und Xavier Sala-i-Martin.

Unified Growth Theory

Hauptartikel: Unified Growth Theory

Obwohl die endogenen Wachstumstheorien noch viele Einsichten bereithalten und Forschung in diesem Gebiet betrieben wird, gab es auch an dieser Modellklasse einige Kritik, die die Suche nach anderen Ansätzen motivierte.

Galor und Weil beschäftigten sich 2000 mit dem Zusammenhang von Bevölkerungswachstum, Bevölkerungsgrösse, technischem Fortschritt und Humankapital. Dabei befruchten sich diese Variablen gegenseitig und ein sehr langfristiges Wachstum mit der Überwindung der Malthusianischen Falle wird zum Teil erklärbar.

Manche Wachstumsmodelle der Populationsdynamik werden auf das wirtschaftliche Wachstum oder auf Konjunktur allgemein angewandt.

Einfaches Wachstumsmodell formal dargestellt

Ohne Abschreibungen

Inlandsprodukt (Bruttoinlandsprodukt) (BIP) Y

sei das BIP im Jahre t

Bruttoanlageinvestitionen I

seien die Bruttoinvestitionen im Jahre t

Kapitalstock K

sei der Kapitalstock zu Beginn des Jahres t

Die potentielle (vom Wachstum des Kapitalstocks her gegebene), gleichgewichtige oder wünschenswerte („warranted“) Wachstumsrate des BIP sei g.

Der „steady state“ sei definiert als ein Wachstumszustand, bei dem alle Variablen, Y,I und K, mit derselben Wachstumsrate, die gleich der potentiellen Wachstumsrate g sein soll, wachsen. Anders ausgedrückt befinden sich die Variabĺen im steady state in einem stationären Zustand.

Es gilt also in zeitdiskreter Darstellung:

(1)

(2)

(3)

Der Kapitalstock ergibt sich als die Summe aller Investitionen, er schreibt sich wie folgt fort:

Fortschreibungsformel für den Kapitalstock:

(4)

Aus (3) und (4) ergibt sich:

(5)

Aus (2) und (5):

Mit durchdividiert:

oder

,

wenn die Steady-state-Investitionsquote ist und der Steady-state-Kapitalkoeffizient.

Mit Abschreibungen

Unter Berücksichtigung der Abschreibungen kann das Modell wie folgt erweitert werden:

Der Kapitalstock wird jetzt fortgeschrieben indem er jeweils um die Abschreibungen vermindert und um die Bruttoinvestitionen vermehrt wird:

Fortschreibungsformel für den Kapitalstock:

(4’)

\delta: Abschreibungsrate

Aus (3) und (4’):

Mit durchdividiert:

oder

,

wenn wieder die Steady-state-Investitionsquote ist und der Steady-state-Kapitalkoeffizient.

Diese Formel wird vom Internationalen Währungsfonds in seiner Studie von 2005 zum Investitionsverhalten (siehe Weblink) benutzt. Er spricht dabei von „Standard-neoklassischem Wachstumsmodell“, (standard neoclassical growth model), wobei allerdings die meisten Gleichungen oben eher tautologisch sind, also für ganz unterschiedliche Wachstumsmodelle, also auch für das Harrod-Domar-Modell gelten. Die Anwendbarkeit dieses Modells wird in einem aktuellen Arbeitspapier des IWF selbst jedoch inzwischen in Zweifel gezogen.[12]

Literatur

  • Lutz Arnold: Wachstumstheorie. Vahlen Verlag, München 1997, ISBN 3-8006-2242-4.
  • Lucas Bretschger: Wachstumstheorie. 2004, ISBN 3-486-20003-8.
  • Elhanan Helpman: The Mystery of Economic Growth. 2004, ISBN 0-674-01572-X.
  • Hans-Rimbert Hemmer und Michael Frenkel: Grundlagen der Wachstumstheorie. Verlag Vahlen, München 1999, ISBN 3-8006-2396-X.
  • Hans W. Holub, Veronika Eberharter, Gottfried Tappeiner: Der Aufstieg und Niedergang der modernen Wachstumstheorie. 2004, ISBN 3-486-21255-9.
  • Charles I. Jones: Introduction to Economic Growth. 2002, ISBN 0-393-97745-5.
  • Heinz König (Hrsg.): Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft. ISBN 3-445-01671-2.
  • Alfred Maußner: Wachstumstheorie. 1996, ISBN 3-540-61501-6.
  • Paul M. Romer: Endogenous Technological Change. In: Journal of Political Economy. Jahrgang 98, Nr. 5, 1990, S. 71–102.
  • Joseph Schumpeter: Theorie der Wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit und den Konjunkturzyklus. 6. Auflage. Berlin 1964.
  • Stephan Seiter: Neuere Entwicklungen in der Wachstumstheorie und der Wachstumspolitik. 2005, ISBN 3-89518-499-3.
  • Robert M. Solow: A Contribution to the Theory of Economic Growth. In: Quarterly Journal of Economics. Jahrgang 70, Nr. 1, 1956, S. 65–94.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wachstumstheorie – Definition im Gabler Wirtschaftslexikon.
  2. Murray Milgate, Shannon C. Stimson: After Adam Smith. A Century of Transformation in Politics and Political Economy. Princeton University Press, ISBN 978-0-691-14037-7, S. 186–216.
  3. Gustav Cassel: Theoretische Sozialökonomie. 4. Auflage Leipzig 1927, S. 51.
  4. Manfred Gärtner: Macroeconomics. 2. Auflage. Pearson Education, Harlow 2006, S. 248f.
  5. Nicholas Georgescu-Roegen: The economics of production. In: American Economic Review. 40 (Mai 1970), S. 1–9.
  6. Nicholas Georgescu-Roegen: The Entropy Law and the Economic Process. Harvard University Press, Cambridge MA 1971, ISBN 0-674-25780-4.
  7. John Gowdy, Mario Giampietro, Jesus Ramos-Martin and Kozo Mayumi: Incorporating biophysical foundations in a hierarchical model of societal metabolism. In: Richard P. F. Holt, Steven Pressman, Clive Spash: Post-Keynesian and Ecological Economics. 2009 „amorphous force that can increase the productive power of the economy without limit“ (S. 206)
  8. Robert M. Solow: Perspectives on Growth Theory. In: Journal of Economic Perspectives. 8, 1994, S. 45–54.: „has led to a criticism of the neoclassical model: it is a theory of growth that leaves the main factor in economic growth unexplained“
  9. Reiner Kümmel: The Second Law of Economics: Energy, Entropy, and the Origins of Wealth. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-1-4419-9364-9.
  10. R. U. Ayres, L. W. Ayres, B. Warr: Exergy, power and work in the US economy, 1900–1998. In: Energy—Intntl. J. 28, 2003, S. 219–273.
  11. R. U. Ayres, B. Warr: Accounting for growth: the role of physical work. In: Struct. Change Econ. Dynam. 16, 2005, S. 181–209.
  12. Arcand, Berkes, Panizza: Too Much Finance? IMF working paper WP/12/161 (PDF; 943 kB)
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