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Zum ewigen Frieden

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Die Altersschrift Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (erste Auflage 1795 (zit. als A) 104 S., zweite, erweiterte Auflage 1796 (zit. als B), 112 S.) gehört zu den bekanntesten Werken des deutschen Philosophen Immanuel Kant. So geht die neuzeitliche Bedeutung des Begriffs Frieden entscheidend auf Kants hierin vorgestellte Theorien zurück.

In Form eines Friedensvertrages wendet Kant seine Moralphilosophie (vgl. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Kategorischer Imperativ) auf die Frage der Politik nach dem Frieden zwischen den Staaten an. Auch hier gilt es, von der Vernunft geleitete Entscheidungen zu treffen und nach Gerechtigkeit zu trachten. Dabei stellt er klar, dass der Frieden kein natürlicher Zustand für den Menschen sei und deshalb gestiftet werden müsse. Die Gewährung des Friedens sei Sache der Politik, welche sich der Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe; denn so heißt es im Anhang: Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Dem Despotismus erteilt Kant eine Absage.

Bekannt geworden sind die Ideen des Völkerrechts, das die Verbindlichkeit der zwischenstaatlichen Abkommen fordert, und die Ausrichtung des Friedens als völkerrechtlichen Vertrag. In den Internationalen Beziehungen wird „Zum ewigen Frieden“ den liberalen Theorien zugeordnet. Die Charta der Vereinten Nationen wurde wesentlich von dieser Schrift beeinflusst.

Aufbau des Werkes

Der Aufbau des Werkes benutzt als besonderes Gestaltungsmittel die Form eines Vertrages. Damit wird suggeriert, ein Politiker könne den Text für eine entsprechende Vereinbarung zwischen Staaten nehmen und wirksam werden lassen. Hierzu ist der Text in zwei Hauptabschnitte, zwei Zusätze sowie einen Anhang gegliedert - so als sei der Text das Ergebnis einer Verhandlung. Die Präambel enthält sogar den Hinweis auf eine salvatorische Klausel, dass also im Streitfall über eine Detailregelung die übrigen Regelungen ihre Gültigkeit nicht verlieren und der strittige Punkt im Geiste des gesamten Vertrages neu zu regeln sei. Dies könnte auch ironisch verstanden werden, wie Karl Jaspers meint.[1] Hierfür spricht auch Kants humorvoller Hinweis, dass der Titel der Schrift aus der Anregung auf „dem Schilde jenes holländischen Gastwirths, worauf ein Kirchhof gemalt war“ (Präambel) entstanden sei.

Der erste Abschnitt beinhaltet sechs Präliminarartikel, welche als Verbotsgesetze formuliert sind und damit notwendige Bedingungen für einen ewigen Frieden darstellen. Im zweiten Abschnitt werden drei Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten formuliert, durch die ein geordnetes Rechtssystem für die vertragschließenden Staaten gefordert wird. Hier bereitet Kant sehr knapp die erst später (1797) veröffentlichte Rechtslehre in der Metaphysik der Sitten vor. Ewiger Frieden kann demnach nur in einer republikanischen Rechtsordnung herrschen. Angeschlossen sind zwei Zusätze, in denen Kant formuliert, welche Bedingungen für den ewigen Frieden zu beachten sind. Auch wenn es manchmal kriegerische Rückfälle gebe, sagt Kant, so sei dennoch der ewige Frieden das teleologische Ziel der Geschichte. Zur Durchsetzung des ewigen Friedens könne es strategisch manchmal sinnvoll sein, dass Regierungshandeln nicht öffentlich stattfinde. Den Abschluss der Schrift bilden die beiden Abschnitte des Anhangs, in dem Kant fordert, dass Politik die Moral beachte und ein republikanisch entstandenes Recht unter keinen Umständen gebrochen werden dürfe; Politik und Rechtspraxis benötigen, so Kant, die Überwachung durch die Öffentlichkeit.

Inhalt

Erster Abschnitt: die sechs Präliminarartikel

  1. „Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“
  2. „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.“
  3. Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.“
  4. „Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.“
  5. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.“
  6. „Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrats (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.“

Im ersten der sechs Präliminarartikel beschreibt Kant den Unterschied zwischen echtem und unechtem Frieden. Er ist der Ansicht, ein Waffenstillstand führe nur zu einer Kriegspause und somit zu einem unechten Frieden. Frieden sollte nicht unter Vorbehalten geschlossen werden. Kant sagt außerdem, es müsse ein echter Friedensbund ausgehandelt werden, an den sich beide Vertragspartner halten und der das Konfliktpotenzial tilgt.

Der zweite Präliminarartikel resultiert aus Kants Verständnis, wonach ein Staat kein substanzielles Eigentum (patrimonium) darstellt, sondern als Bezeichnung für eine autonome Gesellschaft fungiert, die sich durch einen verbindlichen gemeinschaftlichen Vertragsschluss zu ebendieser vereinigt hat. Der Verkauf eines solchen Staates habe nach Kant die "Aufhebung der Existenz des Staates als moralische Person", also eine Entwürdigung der im Staat lebenden Menschen zur Folge, und widerspreche der Idee des zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrages.

Im dritten Präliminarartikel sagt Kant, dass stehende Heere andere Staaten bedrohen und reizen können. Dies führe zu einem Wettrüsten, bei dem der Mensch als ein bloßes Werkzeug und nicht mehr als selbstständig angesehen werde. Der Geldmacht kommt laut Kant die gleiche Bedeutung zu. Eine bloß zur Verteidigung ausgelegte Staatsbürgerarmee sei aber mit friedlichen Zielen vereinbar.

In seinem vierten Präliminarartikel heißt es, dass ein Staat bei einem anderen Staat keine Schulden machen solle, um einen Krieg zu finanzieren. Denn der Staat, der das Geld geliehen bekomme, besitze dann die Mittel und die Macht, einen Krieg gegen den anderen Staat zu führen. Er werde diesen Krieg auch beginnen, da dies in der Natur des Menschen liege. Den Schaden tragen beide Staaten.

Der fünfte Präliminarartikel fußt auf dem Prinzip der Nichteinmischung, wonach nicht in die Verfassung eines souveränen Staates eingegriffen werden darf: Die Souveränität eines Staates müsse in jedem Fall respektiert werden, erklärt Kant. Wenn sich ein Staat in die Regierung oder Verfassung eines anderen Staates einmische, seien die Schäden, die durch diesen unrechtmäßigen Eingriff entstünden, erheblich größer als die, die durch das schlechte Beispiel entstehen könnten, das ein Staat darstelle. In einen "kranken" Staat - gemeint ist ein Staat, der sich durch eigene Fehler gespalten hat - dürfe man sich ebenfalls nicht einmischen, weil hier noch eine Selbstregulierung möglich sei.

Im sechsten Präliminarartikel heißt es, dass auch im Falle eines Krieges Grundregeln eingehalten werden müssen, damit ein Mindestmaß an Vertrauen erhalten bleibe und somit ein späterer ewiger Frieden überhaupt möglich werde. Wenn dieses Vertrauen nicht mehr vorhanden sei, werde der Frieden zwischen den Staaten nicht von Dauer sein, und es könne zu einem Ausrottungskrieg kommen.

Hiernach resümiert Kant, die Präliminarartikel 1, 5 und 6 seien eine absolute Voraussetzung und Artikel 2, 3 und 4 seien regulativ und bezögen sich auf Republiken; diese müssten nicht sofort, sollten aber bald umgesetzt werden.

Zweiter Abschnitt: die drei Definitivartikel

Den Definitivartikeln liegt laut Kant das Postulat zugrunde, dass jeder Mensch dreierlei Rechtssystemen angehören muss, wenn ewiger Friede möglich sein soll: dem Staatsbürgerrecht, dem Völkerrecht und dem Weltbürgerrecht (Menschenrecht).

1. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.

In seinem ersten Definitivartikel befasst sich Kant mit den Prinzipien der Verfassung eines dauerhaft friedlichen Staates. Insgesamt nennt er vier Prinzipien. Das erste Prinzip fordert die „Freiheit der Glieder einer Gesellschaft“, das zweite die „Abhängigkeit aller von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung“, das dritte „die nach dem Gesetz der Gleichheit [aller Glieder der Gesellschaft] (als Staatsbürger) gestiftete Verfassung.“ Offenbar möchte Kant die Bindung aller Staatsbürger an das Gesetz besonders betonen: „Niemand darf davon ausgenommen sein; alle, auch die Mitglieder einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft, sind davon betroffen“ (Gerhardt, 85). Das vierte Prinzip, das Prinzip der Gewaltenteilung, verdeutlicht Kant anhand eines Vergleichs zwischen den Staatsformen der Demokratie (Volksgewalt), der Aristokratie (Adelsgewalt) und der Autokratie (Herrschergewalt) sowie der möglichen Art der Machtausübung im Staat, nämlich dem Republikanismus und der Despotie. In der Despotie sind Gesetzgebung und Regierung in einer Hand, so dass Missbrauch von Macht möglich wird. Dies sieht Kant sowohl in der Autokratie als auch in der Demokratie; in letzterer, „weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.“ Das einzig legitime Prinzip ist daher die Republik, in der eine Kontrolle der Macht durch Trennung von Exekutive und Legislative erfolgt. „Der Republikanismus ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt von der gesetzgebenden“. Vermutlich um der Zensur und Benachteiligungen durch den König zu entgehen, beschreibt Kant Übergangsformen, die eine Annäherung an das Ziel der Republik darstellen. Hierzu zählt er ausdrücklich Friedrich II., dessen Maxime „er sei bloß der oberste Diener des Staats“ einer Repräsentation nahe komme. „Man kann daher sagen: je kleiner das Personale der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je größer dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republikanism, und sie kann hoffen, durch allmähliche Reformen sich dazu endlich zu erheben.“

Nach Kant ist ein Staat mit republikanischer Verfassung ein friedlicher Staat. Alle Staatsbürger müssen die Folgen ihrer Entscheidungen selbst tragen; sie übernehmen Verantwortung für den Staat. Da die Folgen eines Krieges von allen getragen werden müssten, so argumentiert Kant, entschieden sich die Staatsbürger eher für den Frieden als für Krieg. Aufgrund der Eigenverantwortung des Volks sieht Kant den Frieden im republikanisch verfassten Staat als gesichert an.

Kants Entwurf eines republikanisch verfassten Staates ähnelt dem heutigen repräsentativ-demokratischen Rechtsstaat („Gemeint ist die liberale Demokratie, so wie wir sie heute verstehen, also eine rechtlich verfasste, parlamentarische Staatsordnung“[2]). Kant betont allerdings, dass ein republikanischer Staat nicht zwangsläufig demokratisch sei, da ersteres eine Regierungsform beschreibt und letzteres eine Staatsform. Republikanismus bedeute lediglich Gewaltenteilung zwischen der ausführenden und der gesetzgebenden Gewalt. Eine Demokratie, die nicht repräsentativ sei, entspreche dieser Anforderung nicht.

2. Das Völkerrecht soll auf einem Föderalismus freier Staaten gegründet sein.

Kant weist darauf hin, dass Staaten sich schon durch ihr Nebeneinandersein schaden können und daher (wie einzelne Menschen) verpflichtet sind, aus dem zwischenstaatlichen Naturzustand in einen Rechtszustand überzugehen. Das Recht der Staaten untereinander könne durch einen Völkerbund oder einen Völkerstaat gesichert werden. Der Unterschied zwischen einem Völkerbund und einem Völkerstaat besteht darin, dass in einem Völkerbund die Einzelstaaten selbst bestehen bleiben, und auch ihre Souveränität nicht (oder kaum) eingeschränkt wird, wogegen in einem Völkerstaat, insbesondere in der Form einer „Weltrepublik“ (B38), die bisherigen Staaten zu einem einzelnen Staat zusammenschmelzen würden, demnach nur noch ein Volk bestehen bliebe. Auch ein Völkerstaat als „Universalmonarchie“ entzieht den einzelnen Mitgliedsstaaten durch zentrale Gesetze die Möglichkeit der bestehenden Handlungsfreiheit. (s.u. erster Zusatz)

Kant schließt aus praktischen Gründen die Möglichkeit eines Völkerstaates ebenso aus wie die einer Weltrepublik. Erstens, weil dies der Idee eines Völkerrechts widerspreche, indem sie das zwischenstaatliche Nebeneinander mehrerer Völker aufhebe. Zweitens, weil es keine übergeordnete Regierungsinstanz geben könne, wenn alle Staaten schon eine innerlich rechtliche Verfassung haben. Denn dann könne für sie nicht dasselbe gelten wie für einzelne Menschen („aus diesem Zustande herausgehen zu sollen“, B34). Drittens wollen die Staaten nicht aus dem zwischenstaatlichen Naturzustand heraustreten und „ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben“ (B37), da jeder Staat gerade darin seinen Glanz sehe.

Deshalb plädiert Kant statt für einen Völkerstaat für einen Völkerbund. Dieser soll mit einem Friedensbund, quasi einem multilateralen Friedensvertrages, „den Strom der rechtscheuenden, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs“ (B38), also für den Erhalt und die Sicherung der Freiheit der Staaten sorgen. Für diesen Völkerbund spricht nach Kant, dass gemeinsame und verbindliche Rechtssysteme geschaffen würden (internationale Regime), z. B. das Kriegsvölkerrecht oder Friedensverträge, denen vertraut werden kann. Der Völkerbund ist für Kant eine Minimallösung, weil er im Gegensatz zum Völkerstaat über keine Zwangsmöglichkeit zur Sicherung des Friedens verfügt. Grund ist, dass auf freiwilliger Ebene Staaten ihre Souveränität aufzugeben nicht bereit sind. Kein Staat ist verpflichtet, mit anderen Staaten vertragliche Bindungen einzugehen.[3] Hinzu kommt in einer republikanischen Verfassung, dass mit der Übertragung von Macht auf einen Völkerstaat die Rechte und damit die Freiheit der einzelnen Bürger eingeschränkt werden.[4] Kant ist aber optimistisch, dass ein Völkerbund unter der Leitung republikanischer Staaten wie Frankreich schrittweise zum ewigen Frieden hinführt. „Denn wenn das Glück es so fügt: daß ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu einer Republik (die ihrer Natur nach zum ewigen Frieden geneigt sein muß) bilden kann, so gibt diese einen Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, um sich an sie anzuschließen, und so den Freiheitszustand der Staaten, gemäß der Idee des Völkerrechts, zu sichern, und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten.“ (AA VIII 356)

3. Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.

Der dritte Definitivartikel handelt von dem Recht der Hospitalität (Gastfreundschaft). Hierbei, so sagt Kant, hat ein Fremder ein Besuchsrecht für ein anderes Land und kann sich dort aufhalten, ohne dass man ihm feindselig gesinnt sein dürfe, solange er sich selbst rechtmäßig verhalte. Ein Mensch, der fremdes Staatsgebiet betrete, dürfe auch nicht ausgewiesen werden, sofern dies zu seinem Leid geschehe, es sei denn er habe sich feindselig gegen den fremden Staat verhalten. Der Fremde habe allerdings kein Gastrecht, auf das er Anspruch erheben könne, sondern nur ein Besuchsrecht, welches jeder Mensch beanspruchen kann, da kein Mensch ein Vorrecht auf bestimmte Orte der Erde habe.

Durch die Nutzung von Transport- und Kommunikationsmitteln rücken auch weit entfernte Teile der Erde zusammen (Globalisierung) und können friedlich in Beziehung zueinander treten, z. B. Handel treiben. Diese Globalisierung berge durch den deutlich erhöhten Strom von Menschen durch verschiedene Staaten ein großes Risiko: Wenn nun an einem Ort ein Recht verletzt wird, sei dies auf der ganzen Welt zu spüren und könne den Frieden bedrohen. Kant kritisiert hier auch den Kolonialismus, mit dem die europäischen Staaten ihr Gastrecht missbrauchten.

Aus diesen Gründen sei eine Ergänzung der bereits in jedem Staat festgelegten Menschenrechte durch das Weltbürgerrecht notwendig. Erst so sei ein ewiger Frieden möglich.

Zusätze

Erster Zusatz: Von der Garantie des ewigen Friedens

Die Teleologie müsse man sich, so ergänzt Kant, bei der Natur hinzudenken, um die Geschichte zu verstehen. Kant umreißt kurz die Menschheitsgeschichte: Zuerst lebten die Menschen in einem Naturzustand als kriegerische Jäger und Ackerbauern. Der Ausbau des Handels befriedete sie bereits teilweise. Doch es entbrannten immer wieder Kriege. Diese würden irgendwann zwangsläufig zum Frieden führen, da sie den Zusammenschluss der Menschen zu Staaten förderten und in der Zukunft die Bildung eines Völkerbunds bewirken würden. Handel und Diplomatie würden sich immer mehr zu friedlichen Mitteln der Konfliktbewältigung entwickeln. Die Friedfertigkeit sei dabei keine moralische Pflicht; sie entstünde vielmehr dadurch, dass sich Menschen gegenseitig zu Zwangsgesetzen verpflichteten, um sicherer leben zu können. Die Natur führe automatisch zum Recht:

„Das, was diese Gewähr (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die große Künstlerin Natur (natura daedala rerum), aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen, […]“

Immanuel Kant: AA VIII, 360[5]

Dem Menschen sei also von Natur aus vorbestimmt, in Konflikte zu geraten und Kriege zu führen. Jedoch entwachse aus jedem noch so schwerwiegenden Konflikt eine größere Eintracht, welche dem Menschen selbst entspringe und welche nach unbestimmter Zeit zwangsläufig im "ewigen Frieden" ihren Endzustand erreiche.

Zweiter Zusatz: Geheimer Artikel zum ewigen Frieden [nur B]

Kant befürwortet hier den Einsatz von Geheimartikeln für den Fall, dass Vereinbarungen der Würde einer der abschließenden Parteien abträglich seien. So sollten beispielsweise Herrscher die Philosophen in ihre Herrschaftstätigkeit einbeziehen. Dies könne auch geheim erfolgen.

Anhänge

Über die Misshelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Absicht auf den ewigen Frieden

Kant untersucht im ersten Anhang den scheinbaren Widerspruch zwischen Moral und Politik. Er kommt zu dem Schluss, dass es diesen Widerspruch nicht gebe und dass die Politik mit der Moral Hand in Hand gehen müsse, wenn es einen Fortschritt zum Besseren gebe, wovon er in seiner Schrift ausgeht.

Die Moral habe in jedem Fall eine praktische Bedeutung. Es reiche in einem Staat jedoch nicht aus, wenn Einzelne pflichtgemäß leben wollten; die Mehrheit der Menschen müsse dies wollen. Ein Herrscher allerdings habe die höchste Pflicht und spüre diese auch. Für ihn komme es darauf an, klug zu handeln und dem Volk ein Mitspracherecht einzuräumen, damit er von ihm Moral lerne. Die Moral sei kein politisches Mittel, sondern ein politischer Zweck. Ein moralisch handelnder Politiker gebe sich die Maxime, Schlechtes zu reformieren. Der reformistische Weg benötige naturgemäß eine Reifungszeit. Revolutionen vollzögen sich demgegenüber häufig zu schnell, und die Urheber einer fehlgeschlagenen Revolution müssten dann die Bestrafung, die in den Gesetzen des alten Staates dafür vorgesehen war, hinnehmen.

Praktizierende Juristen hielten immer die gegenwärtige Verfassung für die beste, schreibt Kant. Wenn sie aber über Gesetzgebung entschieden, dann bliebe zu vieles aus der alten Verfassung bestehen. Praktizierende Juristen des Despotismus würden eine neue Verfassung nach folgenden Grundsätzen erarbeiten: 1. Eigenmächtige Besitznehmungen des Herrschenden, 2. Leugnung von Verantwortung für Schlechtes, 3. Teile und herrsche (vgl. Divide et impera).

Die Bosheit der Menschen komme nicht aus ihnen selbst, sondern resultiere aus einer noch nicht vollständig entwickelten Kultur. In einem Staat schwäche sich Bosheit jedoch ab, da sich die Menschen gegenseitig auf rechtmäßiges Handeln verpflichteten. Der Begriff des Rechts sei für den Menschen sowohl privat als auch öffentlich bedeutsam. Kant wirft die rhetorische Frage auf, was höher stehen solle: der Zweck (als moralische Gesinnung) oder die Freiheit (Handle so, dass du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden – der Zweck mag sein welcher er wolle)? Letzteres müsse vorangehen, schließt Kant, da es eine unbedingte Notwendigkeit für das Rechtsprinzip sei. Wie genau man aber zum ewigen Frieden gelange, sei ungewiss. Je weniger Menschen den ewigen Frieden als Zweck verfolgten, desto näher seien sie ihm. Das liege am gemeinsamen Willen, eine rechtlich verfasste Gesellschaft zu schaffen. Gesetze würden nicht dazu erlassen, Wohlstand oder Glückseligkeit zu schaffen, sondern um das Recht auf Freiheit und Gleichheit eines jeden zu wahren. Politik könne sich ohne Moral also gar nicht entwickeln.

Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts

Aus dem Grundsatz, dass jeder Rechtsanspruch öffentlich bekannt sein müsse, um nicht Unrecht zu sein, zieht Kant folgenden Schluss, der einen Blick nicht auf seine Moral, sondern auf seinen Rechtsbegriff zulässt:

  1. Im Staatsrecht sei der Widerstand gegen die Staatsgewalt (selbst bei einer Tyrannis) Unrecht, weil ein Aufstandsrecht nicht Bestandteil einer Verfassung sein kann.
  2. Im Begriff des Völkerrechts sei der Begriff der Publizität (Öffentlichkeit) bereits enthalten. Völkerrecht dürfe nicht auf Zwangsgesetzen beruhen (wie das Staatsrecht), sondern auf einer freien Verbindung von Staaten in der Absicht, untereinander den Frieden zu erhalten. Es gebe allerdings Fälle, in denen die öffentliche Äußerung von Absichten dem damit angestrebten Ziel zuwiderlaufe: a) wenn ein Herrscher eine Abmachung mit einem anderen Staat zum Schutze seines Volkes nicht einzuhalten gedenke; b) bei einem geplanten Präventivschlag gegen ein zu mächtig werdendes Nachbarland; c) bei der geplanten Unterwerfung eines separatistischen Landes(teils). Völkerrecht und Moral stimmten aber überein, wenn der Rechtsbund der Staaten beabsichtige, Kriege zu verhindern. Trotzdem würden oftmals Verträge mit mächtigeren und größeren Staaten günstiger ausgelegt. Mit der Moral als Ethik, ist die Politik leicht einverstanden, aber ihre Bedeutung als Rechtslehre streite sie allzu oft ab. Vielmehr sollten Recht und Moral in allen Gesetzen gleichermaßen gültig sein, wo die Publizität dem Zweck des Gesetzes nicht zuwiderlaufe.

Rezeption

Bereits Johann Gottlieb Fichte maß der Schrift Kants in einer Rezension eine große Bedeutung in „wissenschaftlicher Rücksicht“ bei.[6] Ein öffentlich-rechtlich gesicherter Friede war für ihn nicht nur ein „frommer Wunsch“, sondern eine „notwendige Aufgabe der Vernunft“.[7]

Julius Ebbinghaus schrieb 1929: „Wer sich durch Kants Metaphysik der Sitten in den Bedingungszusammenhang einführen läßt, auf dem die Möglichkeit einer sittlichen Beurteilung des Krieges beruht, der bemerkt bald, daß er zu all den Gleisen quer zu liegen kommt, in denen sich die öffentliche Meinung der Gegenwart bewegt [...] und man muß die moderne Höllenpredigt gegen den Krieg weit hinter sich lassen, wenn man zu den Sternen emporgelangen will, an denen sich das Licht der pax kantiana entzündete“.[8]

Karl-Otto Apel bescheinigt der Friedensschrift auch am Ende des 20. Jahrhunderts eine „weltgeschichtliche Aktualität“.[9] Den Grund dafür sieht Ernst-Otto Czempiel in der aktuellen politischen Geschichte: „Die Demokratisierungsprozesse in Osteuropa und der GUS folgten genau dem Kantischen Script: Die Demokratie breitet sich von selbst aus, weil sie das Herrschaftssystem ist, das die gesellschaftlichen Anforderungen nach wirtschaftlicher Wohlfahrt und herrschaftlicher Partizipation, natürlich auch nach Frieden, optimal, wenn auch nicht maximal, erfüllt.“[10]

Trotz der anerkannten Vision Kants wertet Ludger Kühnhardt seinen Entwurf als unrealistisch und pädagogisches Ideal. Insbesondere fehle die Beschreibung des Weges zu dem schönen Ziel.[11] Allerdings stellt er auch fest: „Kant dürfte erfreut darüber gewesen sein, wenn er gewußt hätte, daß die Themen, die er in seinen drei Definitivartikeln in den Mittelpunkt der Suche nach einer dauerhaften Friedensordnung gestellt hat, auch zwei Jahrhunderte nach seiner Publikation Schlüsselfragen der Politik in den Staaten und zwischen den Staaten geblieben sind.“ [12]

Über die Vision und den normativen Anspruch hinaus gibt es Kant-Interpreten, die in der Friedensschrift die Grundlegung zu einer Theorie der Politik sehen. So stellt Volker Gerhardt fest: „Merkwürdig ist nur, daß diese Ausweitung des Problembestandes über Ethik und Recht hinaus auf das weite Feld der realen Politik von den Kant-Interpreten bislang kaum beachtet worden ist. Deshalb ist ihnen auch entgangen, daß hier - unter den Voraussetzungen der Vernunftkritik - eine Theorie der Politik entworfen wird.“[13] Ähnlich ist das Werk nach Otfried Höffe „nicht nur Friedenstraktat, sondern eine systematische Philosophie der Politik, verstanden als Theorie von Recht und Staat“[14] Dagegen negiert Georg Geismann den moralischen Anspruch und hält die Schrift stattdessen (mit Fichte und Ebbinghaus) für im „wesentlichen Rechtslehre, genauer: apriorische Rechtslehre“, d.h. Kant verzichtet für ihn gänzlich auf den moralischen Zeigefinger und gründet seine Schrift allein auf die Vernunft.[15]

Ausgaben

  • Über den Gemeinspruch: 'Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis'; Zum ewigen Frieden, ein philosophischer Entwurf. Mit Einleitung, Anmerkungen, Bibliographie, Verzeichnis der Vorarbeiten, Personen- und Sachregister, hrsg. von Heiner Klemme, Meiner Hamburg 1992, ISBN 978-3-7873-1030-2
  • Zum ewigen Frieden und andere Schriften. Fischer, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-596-90021-3
  • Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. hrsg. von Rudolf Malter, Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-001501-8
  • Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-518-27014-1 (Leseprobe; PDF; 168 kB)
  • Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors. hrsg. von Karl-Maria Guth, Hofenberg, Berlin 2016, ISBN 978-3-8430-2116-6

Literatur

  • Otfried Höffe (Hrsg.): Immanuel Kant, zum ewigen Frieden. 3. bearbeitete Aufl. Akademie Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005103-1
  • Volker Marcus Hackel: Kants Friedensschrift und das Völkerrecht. Duncker und Humblot, Berlin 2000, ISBN 3-428-10206-1
  • Klaus Dicke, Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.): Republik und Weltbürgerrecht: Kantische Anregungen zur Theorie politischer Ordnung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Böhlau, Weimar/Köln/Wien 1998, ISBN 3-412-13996-3
  • Bernd Rolf: Völkerbund oder Weltrepublik? Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“. In: Philosophieunterricht in NRW 30 (1997), 15–29.
  • Wolfgang Beutin et al.: Hommage à Kant. Kants Schrift "Zum ewigen Frieden". von Bockel Verlag, Hamburg 1996, ISBN 3-928770-61-6.
  • Matthias Lutz-Bachmann, James Bohman (Hrsg.): Frieden durch Recht. Suhrkamp, Frankfurt 1996, ISBN 978-3-518-28869-6
  • Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden": eine Theorie der Politik. Darmstadt: WBG 1995 ISBN 3-534-03214-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karl Jaspers: Kants ”Zum Ewigen Frieden“. In: Karl Jaspers:, Philosophie und Welt, Piper, München 1958, 97-135, 131.
  2. Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden": eine Theorie der Politik. Darmstadt 1995, S. 89.
  3. Kersting, Wolfgang: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, Suhrkamp, Frankfurt 1997, S. 266.
  4. Zum ewigen Frieden. Mit den Passagen zum Völkerrecht und Weltbürgerrecht aus Kants Rechtslehre. Kommentar von Oliver Eberl und Peter Niesen. Suhrkamp, Frankfurt 2011, 237.
  5. Kant, Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff, AA VIII, 360 / Zum Ewigen Frieden, Erster Zusatz.
  6. Johann Gottlieb Fichte: „Rezension“ zu Kants Schrift Zum ewigen Frieden (Philosophisches Journal 4/1796), in: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, herg. von R. Lauth und H. Jacob, Abt. I, Werke Band 3, Stuttgart 1966, 219.
  7. Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts (1796/1797), in: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, herg. von R. Lauth und H. Jacob, Abt. I, Werke Band 3, Stuttgart 1966, 323.
  8. Julius Ebbinghaus: Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage (1929), abgedruckt in: Gesammelte Aufsätze, Vorträge und Reden. WBG, Darmstadt, 24-25.
  9. Karl-Otto Apel: Kants „Philosophischer Entwurf: Zum ewigen Frieden“ als geschichtsphilosophische Quasi-Prognose aus moralischer Pflicht. Versuch einer kritisch-methodologischen Rekonstruktion der Kantschen Konstruktion aus der Sicht einer transzendental-pragmatischen Verantwortungsethik, in: Reinhard Merkel, Roland Wittmann (Hrsg.): »Zum ewigen Frieden«. Grundlagen, Aktualität und Aussichten einer Idee von Immanuel Kant, Frankfurt 1996, 91-124, 92.
  10. Ernst-Otto Czempiel: Europas Wegweiser zum Frieden. Über Immanuel Kant und die Aktualität seiner strategischen Konzepte, in: Frankfurter Rundschau, Ostern 1995, ZB3.
  11. Ludger Kühnhardt: Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bouvier, Bonn 1996, 175.
  12. Ludger Kühnhardt: Von der ewigen Suche nach Frieden. Immanuel Kants Vision und Europas Wirklichkeit, Bouvier, Bonn 1996, 181.
  13. Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf 'Zum ewigen Frieden'. Eine Theorie der Politik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, 6-7.
  14. Otfried Höffe: Einleitung. Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, in: Otfried Höffe (Hrsg.): Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, Akademie, Berlin 1995, 5-29, 22
  15. Georg Geismann: Warum Kants Friedensichre für die Praxis taugt . . . und warum die Friedensschriften von Fichte, Hegel und Marx schon in der Theorie nicht richtig sind, in: Klaus-Michael Kodalle (Hrsg.): Der Vernunft-Frieden. Kants Entwurf im Widerstreit, Königshausen & Neumann, Würzburg 1996, 37–51, 37.
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