Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Öffentlicher Geschlechtsverkehr

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Martin van Maele: Ein Paar beim Vorspiel
Édouard-Henri Avril: Die Badeparty

Als öffentlicher Geschlechtsverkehr oder Sex in der Öffentlichkeit lässt sich Geschlechtsverkehr bezeichnen, der im öffentlichen Raum stattfindet oder von dort frei einsehbar ist.

Diese Definition umfasst neben gut einsehbaren Schlafzimmern auch öffentliche Plätze wie etwa Einkaufszentren, U-Bahnhöfe, öffentliche Verkehrsmittel und Toiletten. Auch Büroräume und ein im öffentlichen Raum abgestelltes Auto zählen dazu; ebenso wie abgelegene Orte, etwa Hinterhöfe, Gärten, Friedhöfe, Wälder oder Strände.

Je nach Situation kann es sich beispielsweise um bewussten Exhibitionismus handeln, um enthemmte Handlungen in einem (etwa durch Alkohol verursachten) Rauschzustand, oder um eine vermeintlich private Situation, die jedoch öffentlich beobachtet werden kann. Abzugrenzen ist das Phänomen klar von der Freikörperkultur, die öffentliche Nacktheit in Alltagssituationen und abseits des Geschlechtsverkehrs propagiert.

Soziobiologische Grundlagen

Sowohl in historischen wie gegenwärtigen menschlichen Gesellschaften wird öffentlich stattfindender Sex meist als Skandal- und/oder Tabuthema wahrgenommen, und auch vielfach gesetzlich untersagt. Selbst in permissiven Gesellschaften gilt der Akt als private Angelegenheit, von der sich unwillkürliche Zeugen provoziert oder gestört fühlen; besonders die Abgrenzung zwischen privat und öffentlich wurde immer wieder neu austariert.[1] In der Paläoanthropologie, Humanbiologie und Soziologie wurden unterschiedliche Erklärungsmodelle vorgeschlagen, die privaten Sexualverkehr als soziale Norm postulieren - doch weshalb einzelne Menschen, Gruppen oder ganze Gesellschaften hiervon abweichen, erklären die Modelle nicht.[2]

Geschichtliche Beispiele

Bereits um 374 vor Christus ist von der griechischen Hetäre Neaira überliefert, dass sie mit Phrynion vor Publikum Sex hatte, was als zumindest unziemlich wahrgenommen wurde.[3] Auch der Thrakerin Hipparchia wurden aufgrund ihres kynistischen Hintergrunds öffentliche Geschlechtsakte nachgesagt.

Im 17. Jahrhundert sahen Gesetze der europäischen Kultur für Unzucht in der Regel harte Strafen vor. Eine Unterscheidung, welche Praktiken sozial akzeptabel waren, variierten dabei von Ort zu Ort stark; Strafen reichten von sozialer Ausgrenzung über Auspeitschungen bis hin zur Todesstrafe. Für öffentliche Masturbation oder Sodomie (worunter auch Analverkehr fiel) im Allgemeinen konnten aufgrund des religiösen Verbots Todesstrafen verhängt werden.[4]

Ein Beispiel einer Ausnahme war offenbar die präkoloniale Gesellschaft auf Tahiti, wo europäische Entdecker auf Einheimische trafen, bei denen öffentlicher Geschlechtsverkehr keinem sozialen Tabu unterlag. Die Erzählungen der erstaunten und begeisterten Seeleute von den exotischen Tänzen und freigiebigen Mädchen, denen sie begegnet waren, formten in Europa die romantische Idee von egalistischen, pazifistischen Südsee-Eingeborenen (eine Form des Edlen Wilden). Tatsächlich herrschte auf Tahiti durchaus ein soziales Klassensystem; es fanden Kriege und zeremonielle Menschenopferungen statt. Entsetzte Missionare sprachen später von einem „dreckigen Sodom der Südsee“, dessen Bewohner unentweckt „von der elendigen Vereinigung der Geschlechter“ sprächen.[5]

In der homosexuellen Subkultur ab dem 19. Jahrhundert war Sex an öffentlich zugänglichen, jedoch abgeschirmten Orten wie etwa Toiletten (Klappen) eine Praxis, um unerkannt den gesellschaftlich nicht akzeptierten Neigungen nachzugehen.

Der BBC berichtete im September 2003 über die verbreiteten Praktiken des Dogging, womit im britischen Englisch Sex in öffentlichen Grünanlagen oder Parkplätzen gemeint ist – in zahlreichen Fällen auch in Anwesenheit von Zuschauern. Über Soziale Netzwerke hätten sich mittlerweile bereits Gruppen mit mehreren zehntausend Mitgliedern gebildet und es käme häufig zu Sex mit gänzlich Unbekannten. Diese Praktiken der Swingerszene bärgen erhöhtes Risiko für Geschlechtskrankheiten, und eine Dogging-Szene an bestimmten Plätzen lasse erhöhte Aktivität des Drogen- und des Prostituiertenmilieus befürchten. Zu warnen sei auch vor Rohypnol-Missbrauch.[6][7] Diese Praktiken haben sich dennoch in zahlreichen weiteren Ländern etabliert[8][9].

Aufgrund von Filmaufnahmen öffentlichen Geschlechtsverkehrs in U-Bahnen und -haltestellen in Wien (2010 und 2014)[10] und Berlin (2014, sogenannter Berliner U-Bahn-Ficker)[11] finden Vorfälle zum Teil internationales Medienecho. Auch ohne belastende Videoaufnahmen sorgen Vorfälle regelmäßig für Aufsehen und werden gegebenenfalls polizeilich unterbunden.[12][13]

Laut einer in Amerika durchgeführten – nicht repräsentativen – Umfrage wollen 22 Prozent der Teilnehmer im Jahr 2005 Sex in der Öffentlichkeit gehabt haben[14]. Als wichtiger Motivator für das Ausleben der verbreiteten Fantasiesituation wird die Suche nach dem Thrill genannt: ein Großteil der Situationen würden sich nicht wiederholen und die Beteiligten würden sich nicht erneut der als unbequem empfundenen Situation aussetzen.[15]

Rechtliche Situation

Grundsätzlich verboten ist Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit in Deutschland nicht. Erst wenn jemand Drittes sich durch den Akt unmittelbar belästigt sieht, steht heute öffentlicher Geschlechtsverkehr als Ordnungswidrigkeit oder Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183a StGB unter Strafe. In Österreich sieht § 218 StGB ebenfalls Geld- oder Freiheitsstrafen vor. In der Schweiz sind Taten nach Artikel 198 StGB[16] mit Geldbuße zu ahnden.

In der Praxis können damit im deutschsprachigen Raum auch einvernehmliche sexuelle Handlungen polizeilich verfolgt werden, sobald jemand Anzeige erstattet. Üblicherweise stellt die Polizei keine eigenen Ermittlungen ohne entsprechende Anzeige an.

Auch in Großbritannien fallen die Taten unter verschiedene rechtliche Aspekte; maßgeblich ist zumeist, ob abhängig von Ort, Zeit und Publikumsverkehr eine „Erregung öffentlicher Empörung“ (outraging public decency) vorliegt. Strafrechtlich untersagt sind namentlich sexuelle Handlungen in öffentlichen Baderäumen. Vor dem geschichtlichen Hintergrund der früheren Verfolgung von Homosexuellen sehen die Richtlinien der Polizei nur situationsbedingt ein Eingreifen vor, etwa bei Anzeigeerstattung einer belästigten Person. Orte, die informell als Public Sex Environment klassifiziert sind, werden nur selten geräumt. [7][17]

In den USA gelten meist strengere Gesetze (untersagt ist etwa Public indecency, Indecent exposure und Disorderly conduct), diese Verbote sind jedoch stark von der Rechtslage in einzelnen Bundesstaaten und von der Rechtsauslegung der ermittelnden Behörden und Gerichte abhängig. Ein prominenter Fall war 1995 die Verurteilung von Hugh Grant zu einer Geld- und Bewährungsstrafe, weil er in seinem Fahrzeug Geschlechtsverkehr mit der Prostituierten Divine Brown hatte.

Motiv in der Kunst

Als künstlerisches und literarisches Motiv wurde die Fantasie des öffentlichen Liebesakts vielfach ausgearbeitet, insbesondere im Bereich der Pornographie und erotischen Literatur. Der englische Singer-Songwriter Darren Hayman nahm 2010 in einem Song seines vierten Albums Essex Arms zum Dogging Stellung. Mit Bezug auf ein zeitgenössisches Vorkommnis schrieb der Musiker Eko Fresh 2014 den Song U-Bahn-Ficker.

Einzelnachweise

  1. Joseph Couture: Peek. Inside the Private World of Public Sex. Haworth Press, 2008, New York. Digitalisat, Vorwort von Gary Kinsman
  2. Jared Diamond: The Third Chimpanzee: The Evolution and Future of the Human Animal, Hutchinson Radius, London, 1991. ISBN 978-0-09-174268-3. S. 56 ff
  3. Pseudo-Demosthenes or. 59 in der Edition von Rennie (1931) im Perseus-Projekt
    Deutsche Übersetzung in: Kai Brodersen: Antiphon, Gegen die Stiefmutter, und Apollodoros, Gegen Neaira (Demosthenes 59). Frauen vor Gericht. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004 (Texte zur Forschung, 84), ISBN 3-534-17997-8.
  4. Henry F. Fradella, Jennifer M. Sumner: Sex, Sexuality, Law, and (In)justice. Routledge, 2016. Digitalisat
  5. Biran M. Fagan: Clash of Cultures Rowman Altamira, 1998. S. 144. Digitalisat
  6. BBC:'Dogging' craze sex disease risk
  7. 7,0 7,1 Spiegel: Freiluft-Sex in England: Gassigehen mit Glücksgefühl
  8. Aftenposten: Tenner på risikosex
  9. Aftonbladet: http://www.aftonbladet.se/relationer/article11461180.ab
  10. Heute: Wieder ein Sex-Video aus Wiener U-Bahn aufgetaucht
  11. Irish Mirror: Sex on train station platform couple shock passengers by romping in full view of carriage
  12. Bild: Suff-Akt in der Straßenbahn: Wie viel öffentliche Erregung ist erlaubt?
  13. Focus: Polizei beendet Pärchen-Sex auf Stuttgarter Schlossplatz
  14. Elle/MSNBC: Ergebnisse einer Leserumfrage
  15. New York Magazine: Public Displays of Affection
  16. Art. 198 StGB.
  17. Criminal Law and Justice Weekly: Outdoor Sex, Please - We’re British

Weblinks

 Commons: Sex in public – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Öffentlicher Geschlechtsverkehr aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.