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Über den Personenkult und seine Folgen
Über den Personenkult und seine Folgen (russisch О культе личности и его последствиях), auch Geheimrede Chruschtschows genannt, ist eine Geheimrede, die Nikita Chruschtschow am 25. Februar 1956 zum Abschluss des 20. Parteitages der KPdSU hielt. Als Parteichef der KPdSU übte Chruschtschow scharfe Kritik an Stalin. Er warf ihm vor, einen Personenkult inszeniert zu haben, verurteilte die Terrorherrschaft seines 1953 verstorbenen Vorgängers und forderte eine Rückkehr zum Leninismus. Zudem strebte Chruschtschow danach, sich im Machtkampf innerhalb der KPdSU gegen die loyalen Stalin-Anhänger Molotow und Malenkow durchzusetzen.
Die fünfstündige Rede markierte den Beginn der Entstalinisierung und der damit verbundenen Tauwetter-Periode. In der Sowjetunion wurde das Dokument erst 1989 im Rahmen der Glasnost-Kampagne von Michail Gorbatschow der Öffentlichkeit zugänglich.
Vorgeschichte
Als Vorlage zur Rede dienten die Ergebnisse einer Sonder-Parteikommission unter dem Vorsitz von Pospelow, der zudem Aristow und Schwernik angehörten und die am 31. Januar 1955 während einer Sitzung des Politbüros tagte. Ziel der Kommission war die Untersuchung der Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Delegierten des 17. Parteitages der KPdSU. Dieser Parteitag hatte 1934 stattgefunden, und die Kommission konnte nachweisen, dass 1937–1938 während des Großen Terrors über 1,5 Millionen Menschen wegen „antisowjetischer Aktivitäten“ verhaftet wurden, von denen 680.000 Menschen hingerichtet wurden.
Zusammenfassung
- Chruschtschow verurteilt den Personenkult Stalins unter Bezugnahme auf
- Karl Marx in einem Brief an Wilhelm Blos
- Lenins Testament und zwei Zitate aus Briefen von Lenins Gattin Nadeschda Krupskaja
- Stalins Gebrauch des Ausdrucks Volksfeind
- Stalins Verletzung der Parteinormen zur kollektiven Führung: Von den 1966 Delegierten des 17. Parteitages wurden 1108 zu Konterrevolutionären erklärt, wovon 848 hingerichtet wurden; 98 von 139 Mitgliedern und Kandidaten des Zentralkomitees wurden zu Volksfeinden erklärt
- Die Rolle des NKWD bei der Niederschlagung der Opposition, „unter dem Diktat der mit Fälschungen arbeitenden Untersuchungsrichter“
- Übertreibung von Stalins Bedeutung im Großen Vaterländischen Krieg
- Die „Leningrader Affäre“, der unter anderem Wosnessenski zum Opfer fiel, war fabriziert
- Deportationen ganzer Nationalitäten: Karatschaier, Kalmücken, Tschetschenen, Inguschen, Balkaren…
- Ärzteverschwörung
- Beispiele für Personenkult: Lieder, Städtenamen usw.
- Hymne der Sowjetunion, in der Stalin als „Erzieher des Volkes“ verherrlicht wird
- Seit 1935 wurde kein Leninpreis mehr vergeben.
Folgen
Zuhörer berichteten nach 1989, das Publikum habe die Rede in völligem Schweigen und mit lähmendem Entsetzen aufgenommen. Es habe keine Aussprache gegeben. Jede mündliche oder schriftliche Weitergabe des Gehörten wurde den Delegierten untersagt. Nur loyale Parteimitglieder waren zugelassen, Journalisten waren verboten. Kopien der Rede gingen im März 1956 an die Staatschefs im Ostblock. Der polnische Staatspräsident und Parteichef Bolesław Bierut erlitt bei der Lektüre der Rede einen Herzanfall und verstarb zweieinhalb Wochen später in Moskau.[1]
Viktor Grajewski, polnischer Kommunist und Redakteur einer Regierungszeitschrift, war zu der Zeit mit einer Sekretärin des Politikers Edward Ochab befreundet. Auf ihrem Schreibtisch entdeckte er zufällig Chruschtschows Geheimrede. Er begab sich in die israelische Botschaft in Warschau und ließ die Blätter dort fotokopieren. Die Botschaft gab die Kopien an den israelischen Geheimdienst Schin Bet weiter. Dessen Chef Amos Manor sandte das Konvolut mit Erlaubnis des Premierministers David Ben-Gurion an die CIA. Über James Jesus Angleton und CIA-Chef Allen Dulles gelangte das Dokument an Präsident Dwight D. Eisenhower, worauf es am 4. Juni 1956 in The New York Times veröffentlicht wurde. Ein Jahr danach, 1957, emigrierte Grajewski nach Israel.[2]
Literatur
- Dmitri Antonowitsch Wolkogonow: Die Sieben Führer. Aufstieg und Untergang des Sowjetreichs. Übersetzt von Udo Rennert. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2001. ISBN 9783797307743
- Wladislaw Hedeler: Das Referat Nikita Chruščevs „Über den Personenkult und seine Folgen“ auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 und seine Vorgeschichte. Betrachtungen im Lichte neuer Quellen, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft I/2006.
Einzelnachweise
Weblinks
- Deutsche Übersetzung
- Die Zeit, 16. Februar 2006
- Viktor Grajewski brachte Chruschtschows Geheimrede nach Israel Jüdische Allgemeine, 25. Oktober 2007
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Über den Personenkult und seine Folgen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |