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Agent Provocateur

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Agent Provocateur (Begriffsklärung) aufgeführt.

Als Agent Provocateur [aˈʒɑ̃ pʀɔvɔkaˈtœʀ] (frz.provozierender Agent‘, Lockspitzel) bezeichnet man eine Person, die üblicherweise im Auftrag des Staates einen oder mehrere Dritte zu einer gesetzeswidrigen Handlung provozieren soll. Im weiteren Sinne wird damit auch ein Handeln bezeichnet, das durch die gezielte Vortäuschung oder auch Provokation einer ruchbaren Handlung die Stärkung der eigenen Position und die Legitimation für einen Eingriff anstrebt. Wegen der Gefahr, dass der Staat sich auf diese Weise zumindest indirekt als Gesetzesbrecher betätigt und Taten provoziert, die ohne den Agenten gar nicht begangen worden wären, ist der Einsatz solcher Agenten in Demokratien meist gesetzlich oder durch höchstrichterliche Rechtsprechung streng reglementiert.

Strafrecht

Der Einsatz eines Agent Provocateur durch den Staat erfolgt üblicherweise im Auftrag von Behörden wie Staatsanwaltschaft, Polizei oder Geheimdiensten und bezweckt idealerweise die Begehung eines unbeendeten Tatversuchs (Haupttat) mit der Möglichkeit üblicher Beweissicherung (→ in flagranti). Ziel eines solchen Einsatzes ist, verhüllte und gefährliche Kriminalität aus der Straflosigkeit zu locken. Ein Agent Provocateur entstammt regelmäßig dem verdeckten Mitarbeiterumfeld, etwa als V-Mann, Verdeckter Ermittler oder Inoffizieller Mitarbeiter.

Deutschland

Wer die Tat eines anderen provoziert, um ihn beim Versuch zu überführen, kann nicht wegen Anstiftung zu dieser Haupttat bestraft werden, weil ihm der erforderliche doppelt bezogene Anstiftervorsatz fehlt, insbesondere hinsichtlich des Taterfolgs (§ 26 StGB).

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Einsatz von V-Personen und von verdeckt arbeitenden Polizeivollzugsbeamten zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der auch der Rauschgifthandel gehört, notwendig und zulässig ist.[1] Tatprovozierendes Verhalten polizeilicher Lockspitzel kann indes nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen hingenommen werden.[2]

Die vom Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung[3] entwickelten wesentlichen Wertungsgesichtspunkte lauten:

  • Grundlage und Ausmaß des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts,
  • Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme,
  • Tatbereitschaft und
  • eigene, nicht fremdgesteuerte Aktivitäten des Angeklagten.

Der 1. Senat des BGH nimmt in seinem Urteil vom 23. Mai 1984 kein Verfahrenshindernis durch den unzulässigen Lockspitzeleinsatz an,[4] sondern löst den Fall auf der Seite der Schuld des Angeklagten durch Strafmilderung.

Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen.[5]

Agents Provocateurs bei Demonstrationen

Immer wieder gibt es Diskussionen über von der Polizei zur Eskalation von Demonstrationen eingeschleuste Agents Provocateurs, wie z. B. bei den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm[6] oder möglicherweise gegen Stuttgart 21.[7] In einem Interview äußerte ein anonym bleiben wollender Polizist: „Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann. Ich jedenfalls bin nicht Polizist geworden, um Demonstranten von irgendwelchen Straßen zu räumen oder von Bäumen runterzuholen.“[8][9]

Urteile des Bundesverfassungsgerichts

BGH-Urteile

  • BGHSt 32, 345 - Tatprovokation polizeilicher Lockspitzel, Volltext
  • BGHSt 45, 321 - Tatprovokation durch Vertrauensperson, Volltext
  • BGHSt 47, 44 - Tatprovokation durch Vertrauensperson, Volltext

Österreich

Die österreichische Strafprozessordnung enthält in § 5 Abs. 3 StPO ein ausdrückliches Verbot des Lockspitzeleinsatzes. Gleichwohl hat es der Oberste Gerichtshof bisher stets abgelehnt, aus einer Verletzung dieser Vorschrift prozessuale oder materiellrechtliche Folgerungen für das Strafverfahren gegen zu einer Straftat verlockte Personen zu ziehen.

Beispiele

Deutschland

Andere Länder

  • Die zaristische Geheimpolizei Ochrana setzte Agents Provocateurs in den revolutionären Bewegungen Russlands ein, einer der bekanntesten war Jewno Fischelewitsch Asef. Er verriet seine Genossen gegen Geld an die Polizei, organisierte aber gleichzeitig Mordanschläge wie den auf den russischen Innenminister Wjatscheslaw Konstantinowitsch von Plehwe 1904 und auf den Großfürsten Sergei Romanow, einen Onkel des Zaren, im Jahre 1905.
  • In den USA gehörte es bis zur Abschaffung der „Sodomiegesetze“ in den 1960er und 1970er Jahren zur Routine der Polizei, männliche Homosexuelle durch Lockspitzel auf öffentlichen Toiletten und ähnlichen Orten zu (damals illegalen) sexuellen Handlungen zu bewegen, um sie sofort anschließend unter dem Vorwurf der lewdness (deutsch: Unanständigkeit) festzunehmen.

Einzelnachweise

  1. BVerfGE 57, 250 [284]; BGHSt 32, 115 [121/122] mwN
  2. Urteil des Senats in GA 1975, 333, 334; ferner BGH NStZ 1984, 78 mwN
  3. NJW 1980, 1761; 1981, 1626; Strafverteidiger 1981, 276; NStZ 1981, 70; 1984, 78
  4. BGH Urteil vom 23. Mai 1984, Az. 1 StR 148/84, Volltext
  5. BGH, Urteil vom 18. November 1999, Az. 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, Volltext.
  6. Polizei bestätigt Einschleusen von Zivilbeamten; Demonstrant beschuldigt verdeckten Zivilpolizisten als Aufwiegler
  7. S21-Initiative: Neue Vorwürfe gegen Polizisten
  8. Wir werden von der Politik verheizt. Polizisten erzählen. Hamburger Abendblatt, 18. Oktober 2012, Originallink nur mit Bezahlabo abrufbar, siehe nächste Referenz
  9. Wir werden von der Politik verheizt. Polizisten erzählen. (PDF-Datei; 154 kB) Hamburger Abendblatt, 18. Oktober 2012, archiviert auf der Webseite der Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten e.V.
  10. BVerfG, Beschluß vom 19. Oktober 1994, Az. 2 BvR 435/87; NJW 1995, 651
  11. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,487487,00.html
  12. http://www.welt.de/politik/article931690/Der_Polizist_der_Rauf_auf_die_Bullen_schrie.html
  13. http://dejure.org/gesetze/VersG/18.html
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