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Verfassungsschutz
Der Begriff Verfassungsschutz ist in Deutschland ein Oberbegriff für den materiellen (normativen) Verfassungsschutz sowie die administrativen (behördlichen) Inlandsnachrichtendienste. Er soll als politisches Instrument der „Streitbaren Demokratie“ dienen. Ebenso wird der Begriff in Österreich im administrativem Sinne verwendet. Sammel- und Überbegriff, wie etwa in der Schweiz, ist der Staatsschutz.
Deutschland
Materieller Verfassungsschutz
Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Unter dem Begriff materieller Verfassungsschutz lassen sich die Rechtsgrundlagen verstehen, die vorgesehen sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen. Zur Legaldefinition der freiheitlich demokratischen Grundordnung siehe insbesondere § 4 Absatz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG).
Rechtliche Grundlagen
Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) sind das insbesondere Art. 9, Art. 18, Art. 21 und Art. 79 GG.
Das Bundesverfassungsschutzgesetz legt unter anderem den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter fest (§ 3 + 4 BVerfSchG), es regelt die Zuständigkeiten der Verfassungsschutzbehörden zueinander (§ 5 BVerfSchG). Es regelt außerdem die behördlichen Befugnisse - insbesondere die Erlaubnis der Verwendung von nachrichtendienstlichen Mitteln (§ 8 Absatz 2 BVerfSchG). Polizeiliche Befugnisse insbesondere Weisungsbefugnisse gegenüber Polizeibehörden stehen dem Verfassungsschutz nicht zu (§ 8 Absatz 3 BVerfSchG). Es besteht eine Berichtspflicht gegenüber dem Innenministerium (§ 16 Absatz 1 BVerfSchG) und gegenüber der Öffentlichkeit in Form des Verfassungsschutzberichtes (§ 16 Absatz 2 BVerfSchG). Der Verfassungsschutzbericht dient dabei nicht nur als „Beschäftigungsnachweis“ gegenüber der Bevölkerung, sondern auch dazu, die Bevölkerung über extremistische Gruppierungen und Tätigkeiten zu informieren. Die Befugnis zur Übermittlung von Daten an Polizei und Staatsanwaltschaft für Zwecke der Strafverfolgung ist in §§ 20 ff. BVerfSchG geregelt. Das Verhältnis zum Bundesdatenschutzgesetz ist in § 27 BVerfSchG geregelt.
Die parlamentarische Kontrolle über das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie über die Verfassungsschutzämter der Länder ist im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 - Gesetz - G 10), §§ 14 ff. geregelt.
Hinzuweisen ist auch auf § 51 Absatz 3 der Abgabenordnung (AO), welcher dem Finanzamt untersagt, extremistischen Organisationen Steuervergünstigungen zu gewähren. Dazu gehören im Wesentlichen Steuerbefreiungen bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sowie Ermäßigungen bei der Umsatzsteuer und außerdem die Berücksichtigungsfähigkeit von Zuwendungen (Spenden) an solche Körperschaften bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer des Spenders.
Administrativer Verfassungsschutz
Unter dem Begriff administrativer Verfassungsschutz existieren
- das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) (nachrichtendienstlich),
- die 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) (nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz) der Bundesländer sowie
- andere Bundesbehörden oder Landesbehörden, die die freiheitliche demokratische Grundordnung schützen (z. B. durch ein Vereinsverbot des Bundesministers des Innern bzw. des jeweiligen Landesinnenministers oder durch ein Parteiverbot des Bundesverfassungsgerichtes).
Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden
Gemäß § 3 i.V.m. § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes besteht die Aufgabe der Verfassungsbehörden in der Aufklärung von und über Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Die Verfassungsschutzämter leisten in der Regel die Vorarbeit in Form von Informationsbeschaffung und Informationssammlung für ein sich daraufhin anschließendes Vereins- und Parteienverbot, welches beim Innenministerium bzw. beim Verfassungsgericht beantragt und ausgesprochen werden kann. Es sind dies:
- Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes (§ 4 Absatz 1 Buchstabe a) BVerSchG)
Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben, ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes Gebiet abzutrennen;
- Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes (§ 4 Absatz 1 Buchstabe b) BVerSchG)
Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen;
- Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 4 Absatz 1 Buchstabe c) BVerSchG)
Im Sinne dieses Gesetzes sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Absatz 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt.
Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des § 4 Absatz 2 BVerfSchG zählen:
- a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
- b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
- c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
- d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
- e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
- f) der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
- g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Kritik
Einer Untersuchung an der Universität Freiburg nach sind alle ab 2005 bis mindestens 2008 publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern, mit Ausnahme der Verfassungsschutzberichte Berlins und Brandenburgs, rechtswidrig: „Wenn eine Organisation, über die berichtet werden soll, nicht nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, sondern nur ein entsprechender Verdacht vorliegt, der auf hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte gestützt ist, dann darf über diese Organisation nur berichtet werden, wenn der Verfassungsschutzbericht unmissverständlich deutlich macht, dass hier nur ein Verdachtsfall vorliegt.“ [1]
Österreich
In Österreich existieren als administrativer Verfassungsschutz:
- das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie
- die neun Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in den Bundesländern.
Schweiz
Weblinks
- Verfassungsschutzberichte Österreich
- Verfassungsschutzberichte Deutschland
- Liste der Bundes- und Landesämter Deutschland
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
- Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)
- Abgabenordnung (AO)
Literatur
- Reinhard Scholzen: Hüter der Verfassung oder Schlapphüte? Die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Spannungsfeld zwischen steigenden Aufgaben und sinkenden Ressourcen. In: Die Polizei, 3, 2002, S. 70-75.
- Florian Weber: Verfassungsschutz als Demokratiefürsorge? Zur Theorie eines Verfassungswächters bei Fichte, Sieyès und Constant. In: Der Staat 44 (2005), S. 112–137.
Weblinks
- Praktizierter Verfassungsschutz: Konkrete Vorschläge zur Auflösung des Inlandsgeheimdienstes (PDF; 109 kB) Positionspapier von Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises III Demokratie, Kultur, Wissen und Bildung der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
Einzelnachweise
- ↑ Die meisten Verfassungsschutzberichte sind verfassungswidrig Ergebnisse einer Studie am Institut für Öffentliches Recht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, abgerufen am 20. März 2011.
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