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Alfred Cohn (Holocaustüberlebender)

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Alfred Cohn

Alfred Cohn (geb. April 1921 in Mülheim an der Ruhr; gest. 2016 in Israel) war Holocaustüberlebender, Ingenieur und technischer Leiter der Milchproduktion verschiedener Unternehmen in Israel.

Editorische Hinweise

Sein Leben, erzählt in direkter Rede auf Basis eines langen Briefes, den Alfred Cohn an einen Freund in Deutschland geschrieben hat.[1]
Der Original-Brief vermutlich in Deutsch (der Original-Brief liegt nicht vor), von dort übersetzt von seiner Frau Adah in Hebräisch, von dort übersetzt in Englisch, von dort rückübersetzt in Deutsch (fehlerbehaftete Maschinenübersetzung), auf Basis dieser drei Übersetzungen relativ frei rückübersetzt in Deutsch (durch Michael Kühntopf Januar/Februar 2021), siehe unten Artikeltext.

Am 6. Mai 2021 erhielt Jewiki folgendes, als Original bezeichnetes Dokument (hier noch ein alternativer Low-Resolutions-Scan). Quelle und Inhaber aller Rechte: Herr Elad Cohn in Israel. Elad Cohn ist der Enkelsohn des hier beschriebenen Alfred Cohn und erlaubt die Publikation und weitere Verwendung des Dokuments und der im Artikel gelieferten Informationen unter der Auflage der Erwähnung seiner Rechte und der Tatsache der Erstpublikation bei Jewiki.

Die Nachforschungen, die Dokumentation und Publikation zu Leben und Schicksal von Alfred Cohn verdanken sich der in Israel segensreich tätigen Gruppe "Hachsharot HeChalutz hazionijot beGermania - Dor Hemshech" (Die zionistischen HeChalutz Hachsharot in Deutschland - Nachfolge-Generation), ohne deren Initiative dieser Jewiki-Artikel nicht hätte entstehen können.

Am 12. Mai 2021 erhielt Jewiki zusätzlich folgende Hinweise und Klarstellungen von Elad Cohn über Ari Lipinski: Das Original war auf Deutsch. Seine Grossmutter, Alfred Cohns Frau, Adda, übersetzte es ins Hebräische und Englische. Die maschinengeschriebene gescannte deutschprachige Version ist nun das Original. Alfred befand sich in Hachshara in Holland. Aber Artur (Posnanski) war der Verantwortliche in der Krankenstation, im Lager in Auschwitz, wo Artur das Leben von Alfred rettete. Artur fragte Alfred Cohn, da Alfred aus Holland per Transport deportiert wurde, ob Alfred den Bruder von Artur namens Dov kannte. Artur hatte den aus Holland kommenden Alfred eigentlich für jemand anderen gehalten. Alfdred Cohn antwortete, dass er den Dov nicht nur kannte, sondern dass die beiden Freunde gewesen seien, und berichtete Artur, dass dessen Bruder Dov bereits auf dem Weg nach Palästina war. Etwas später hatte Alfred Cohn ein Problem, weil das Schweissgerät, mit dem er gearbeitet hatte, abgebrannt war. Man dachte, er hätte es absichtlich aus Sabotage gemacht. Alfred wurde deswegen als Strafe zur Schwerstarbeit geschickt, wo er fast umkam. Artur hat ihm in der Krankenstation fast Leben gerettet. Von Micki Gronski (einem der zwei Söhne von Artur) aus der Gruppe von Yoav Gad erfuhr Elad Cohn, dass Artur Posnanski das Leben von Alfred Cohn später im Lager noch einmal rettete. Daraufhin sprach vor kurzem Micki Posnanski mit der 101-jährigen Frau von Alfred, Adda, der Grossmutter von Elad Cohn, und erzählte ihr die Details. Sie war noch geistig auf voller Höhe, wach, und begriff alles und freute sich über das Gespräch mit Micki sehr. Sie ist vor wenigen Wochen im Beisein ihrer ganzen Familie in Frieden im Alter von 101 (!) Jahren gestorben.

Leben

Alfred Cohn erzählt im besagten Brief:

Ich wurde im April 1921 als Sohn eines reichen Getreidehändlers geboren. Er war im Ersten Weltkrieg verwundet worden und war dadurch teilweise taub. In der Inflation von 1924 oder 1925 verlor er sein gesamtes Eigentum. Mit Hilfe von Verwandten eröffnete er 1927 ein Tabakgeschäft in Essen. Es war nicht einfach, auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 1929 sind wir nach Essen gezogen. Ich ging auf die jüdische Grundschule und besuchte danach die Helmholtz-Sekundarschule. Unsere finanzielle Situation war sehr schwierig und meiner Schwester und mir wurde ein Teil der Schulgebühren von der Stadt Essen erlassen. In der Schule hatte ich viele Freunde, die uns auch zuhause besuchten.

Eine Sache werde ich niemals vergessen. Es geschah 1933 oder 1934, als die Nazis an die Macht gekommen waren. Ich hatte einen guten Freund, Hans Schmitt. Er war der Sohn eines Fabrikarbeiters. Nachdem Julius Streicher (ein antisemitischer Journalist) über den rituellen Mord durch die Juden geschrieben und Hans es gelesen hatte, nahm er es für bare Münze und teilte mir mit, dass er das von uns nicht erwartet hätte. Das waren die letzten Worte, die wir miteinander gesprochen haben. Alles kleine Dinge, aber unvergesslich.

Der Direktor unserer Schule, Herr Löscher, war ein großer Antisemit. Er war der erste Lehrer in Deutschland, der bereits im April 1933[2] in seiner Schulbibliothek die von Juden verfassten Bücher heraussuchen ließ. Diese wurden anschließend auf dem Schulhof verbrannt. Die Schüler waren dabei anwesend und mussten ein Nazi-Lied singen. Das werde ich auch nie vergessen. Der Direktor konnte mich nicht aus der Schule werfen, weil mein Vater im Ersten Weltkrieg an der Front gewesen war.

Es gab aber auch andere Lehrer. Einer von ihnen war Herr Hoelscher, der Lateinlehrer. Als die Schüler meiner Klasse den Auftrag hatten, Geld für Deutsche im Ausland zu sammeln, musste auch ich daran teilnehmen, genau wie alle anderen Schüler. Er wollte, dass ich mich als Teil der Klasse fühle. Das werde ich ebenfalls nie vergessen.

Wir hatten auch verschiedene Lehrer, zum Beispiel Herrn Schiller. Er war Mitglied der NSDAP gewesen, lange vor 1933. Er kam zum ersten Mal in unsere Klasse, und es war bekannt, dass er die jüdischen Schüler aus der Klasse warf. Er hat immer irgendeinen Grund dafür gefunden. Einer der Schüler, Klaus Henrich, war Mitglied der Hitlerjugend. Er hatte eine gekrümmte Nase und saß genau vor mir. Nach wenigen Minuten wurde Klaus Henrich mit seiner gekrümmten Nase anstelle von Alfred Cohn aus der Klasse geworfen. Fehler können passieren.

Ich blieb in dieser Schule bis 1937. Die Jungen mussten Mitglieder der Hitlerjugend werden, wurden indoktriniert und verwandelten sich immer mehr in Nazis. Natürlich erwiesen sie sich auch als in immer stärkerem Maße antijüdisch. Ich denke, wenn ich kein Jude gewesen wäre, wäre ich den gleichen Weg gegangen, und wer weiß, was ich später getan hätte, vielleicht wäre ich in die SS gegangen. Am Ende des dritten Jahres musste ich die Schule verlassen. Ich wurde Lehrling in einem jüdischen Alteisenbetrieb, aber nach einem Jahr wurde ich entlassen, weil die Firma arisiert wurde. Dies geschah im Juni 1938.

Zur gleichen Zeit starb mein Vater an einer Lungenentzündung, er war 57 Jahre alt. Danach wurde ich in die jüdische Landwirtschaftsschule für Auswanderer, Groß Breesen bei Breslau, aufgenommen. Die Auswanderung war vorgesehen nach Brasilien, Argentinien oder in die USA, nur nicht nach Palästina, um dort einen jüdischen Staat aufzubauen. Viele Jahre war ich Mitglied der Organisation der Deutschjüdischen Jugend - das waren Juden, die sich als Deutsche fühlten. Damals glaubten wir, dass durch die Arbeit in der Landwirtschaft das jüdische Problem gelöst werden würde. Dies erwies sich als eine völlig wirkungslose Idee.

In der Nacht des 10. November 1938, der Nacht des zerbrochenen Glases (Kristallnacht), kamen Bauern aus der Umgebung, ausgerüstet mit Glasschneidern, zerbrachen alle Fenster (die später wieder für teures Geld repariert wurden) und stahlen alles, was nur irgendeinen Wert besaß. Die Polizei und die Nazi-S.A. kamen, nahmen die Lehrer und die Schüler über 18 Jahren fest und veranlassten deren Deportation ins KZ Buchenwald. Sie wurden nach vier Wochen unter der Bedingung freigelassen, innerhalb eines Monats auszuwandern.

Ich war 17 Jahre alt und versuchte mit Hilfe von Verwandten in Holland, dort in einer jüdischen Landwirtschaftsschule akzeptiert zu werden, um meine begonnene Ausbildung fortzusetzen. Im April 1939 kam ich nach Werkdorp Wieringermeer und lernte dort sehr gut zu melken und mich um Kühe zu kümmern. In der Zwischenzeit erhielt meine Schwester eine Genehmigung und ein Visum für England und wurde dort Krankenschwester. Meine Mutter arbeitete damals als Handarbeitslehrerin an der Jüdischen Schule in Essen. Sie erhielt am 31. August 1939 eine Genehmigung zur Ausreise nach England, erhielt aber kein Visum mehr, weil der Krieg am 1. September ausbrach. Am 10. November 1941 wurde sie nach Minsk deportiert, und wir haben nie wieder von ihr gehört.

Hachschara in Wieringermeer

Holland wurde am 10. Mai 1940 von Deutschland besetzt. Wir blieben praktisch ungestört in Wieringermeer bis September 1941. Plötzlich kam eines Tages Ranter, ein hochrangiger Nazi-Offizier, mit vier Bussen und einigen SS-Offizieren, um die Menschen des Werkdorp nach Amsterdam zu evakuieren. Nach einem langen Gespräch mit den nichtjüdischen Leitern der Schule erlaubten die Deutschen sechzig ausgebildeten Schülern, sich weiterhin um die Tiere zu kümmern, bis der Platz von anderen übernommen würde. Ich gehörte zu diesen sechzig. Sechs Wochen später wurde uns erlaubt, auf Bauernhöfen in Nordholland zu arbeiten und wir mussten nicht nach Amsterdam.

Kurze Zeit später erkundigte sich aus der Fuenten, der deutsche Kommandant von Amsterdam, beim örtlichen Judenrat nach den Adressen unserer Jungs in Amsterdam. Er meinte, die Evakuierung des Werkdorps sei ein Fehler gewesen und die Deutschen wollten die Leute zurück nach Wieringermeer bringen. Am nächsten Tag wurden die Jungen abgeholt und nach Mauthausen verbracht. Keiner von ihnen überlebte.

Ich habe mehr als ein halbes Jahr auf einem Bauernhof in Nordholland gearbeitet. Dann erklärten die Deutschen Nordholland für judenfrei. Wir durften für Landwirte in Gelderland, im Osten des Landes, arbeiten. Ich musste in einem jüdischen Haus leben, weil die Bäuerin und ihre Schwester jünger als 45 Jahre waren. (Nach den deutschen NS-Gesetzen durften Juden nicht im selben Haus mit nichtjüdischen Frauen leben, die jünger als 45 Jahre waren).

Mit den Familien der Bauern, ihren Kindern und Enkelkindern, haben wir heute noch sehr freundschaftlichen Kontakt. Im Januar 1943 musste das ganze Land judenfrei sein. Die meisten Menschen wurden in das Konzentrationslager in Vught im Süden des Landes geschickt, aber wir, die Landwirtschaftshelfer, durften nach Amsterdam gehen.

Dort arbeitete ich zunächst im Gemüsegarten des Judenrats und später als Helfer, um Juden beizustehen, die von den Deutschen gefangen und in einem Theater konzentriert wurden. Im Juni wurde ich von den Deutschen erwischt und nach Westerbork, einem Lager für Juden, deportiert, und von dort am 21. September 1943 nach Auschwitz. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie uns brauchten, um zu arbeiten. Wir durften einen Koffer mit Kleidung mitnehmen und wurden dann mit 40 Personen in einen Viehwaggon gestopft. Das ist unvorstellbar: Jugendliche, Alte über 80, Frauen mit Babys und Kindern, keine Stühle und ein großer Eimer statt einer Toilette. In der Nachbarschaft von Hamburg, wo der Zug hielt, fragte uns jemand: "Wer seid ihr?" "Wir sind Juden aus Holland und wissen nicht, wohin sie uns bringen." Der Deutsche antwortete: "Das ist nicht gut."

Nach drei Tagen kamen wir in Auschwitz an. Die Türen wurden geöffnet. "Raus! Raus! Raus! Lassen Sie Ihr Gepäck, es wird Ihnen gebracht!" Ich warte immer noch auf meine Koffer. An der Rampe mussten wir uns in sechs Reihen aufstellen. Ein freundlich aussehender SS-Offizier stand auf der Seite und gab uns ein Zeichen, wohin wir gehen sollten: alte Männer, alte Frauen, Frauen mit kleinen Kindern, Kinder unter 16 Jahren und Körperbehinderte auf die rechte Seite; junge Männer, junge Frauen und Zwillinge im Kindesalter auf die linke Seite. Der freundliche Offizier, ich glaube, es war Dr. Mengele, sagte: "Ihr müsst einen 10-km-Marsch machen. Wem das zu viel ist, kann auf die rechte Seite gehen und ihr werdet dann zusammen mit den anderen mit dem Bus ins Lager gebracht." Einige Leute taten das, wurden dann aber stattdessen direkt ins Gas geschickt.

Ich war froh, dass ich laufen konnte nach drei Tagen im Waggon. In unserem Transport waren 3.000 Personen, von denen sich 250 Männer und 50 Frauen auf der linken Seite wiederfanden. Wir marschierten los und waren in fünf Minuten im Stammlager von Auschwitz. Wir passierten einige frühere polnische Militärbaracken auf dem Weg zu den Sanitäranlagen. "Schnell! Schnell! Legen Sie Ihre Kleidung auf die Bänke!" Dann wurde unser Haar abrasiert, eine Nummer wurde auf unseren linken Arm tätowiert und wir wurden abgeduscht. Man gab uns zerschlissene Kleidung und brachte uns zu den Schreibstuben. Dort registrierte man unsere persönlichen Daten und notierte die Adressen von Verwandten oder Freunden, angeblich, um sie im Falle einer schweren Erkrankung zu informieren. In der Zwischenzeit war es Nacht geworden, wir wurden in einen Lastwagen verfrachtet und fuhren 6 km zu einem Nebenlager namens Monowitz, auch Buna genannt. Hier wurde eine Fabrik, genannt Buna, für die Herstellung von synthetischem Kautschuk errichtet.

Wir mussten vor einem großen Zirkuszelt aussteigen, das für drei Monate unsere Unterkunft und Isolierstation sein würde. Wir schliefen dort in Etagenbetten, jeweils drei übereinander, zwei Personen pro Bett mit einer Decke. Es war sehr kalt (Oktober, November, Dezember). Am Morgen mussten wir uns gründlich den Kopf waschen, was vor dem Frühstück überprüft wurde. Danach frühstückten wir, ca. 200 Gramm Brot, ein Stück Blutwurst, dazu etwas Kaffeeähnliches. Eine Zeit lang bekam ich ein Stück Blutwurst von einem sehr religiösen Juden, der es nicht über sich brachte, diese Art von Wurst zu essen. Nach dem Frühstück mussten wir stramm stehen (genannt "Appelle") und dann marschierten wir zu unserer Arbeit, vorbei am Wachturm des Lagers, wo ein kleines Orchester aufspielte.

Wir mussten für die Mauern einer Fabrik, die da gebaut werden sollte, tiefe Gräben ausheben. Die Arbeit war sehr mühselig und der Kapo, ein deutscher Krimineller, der, anstatt im Gefängnis zu landen, zu unserem Aufseher gemacht worden war, trieb uns ständig dazu an, immer schneller und immer härter zu arbeiten. Es war auch kein Problem für ihn, uns zu schlagen. Um 12 Uhr hatten wir eine zwanzigminütige Pause und erhielten "Buna-Suppe": heißes Wasser, in dem einige Rüben gekocht worden waren. Dann weiter arbeiten. Am späten Nachmittag, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, marschierten wir zurück zum Lager und mussten wieder zum Appell stramm stehen. Wir mussten unsere toten Kameraden zurücktragen, die während der harten Arbeit gestorben oder vom Kapo erschlagen worden waren. Beim Appell musste die Zahl der gezählten Menschen vom Abend mit der Zahl vom Morgen übereinstimmen, tot oder lebendig, ganz egal. Wir wurden immer wieder neu gezählt, bis schließlich die endgültige Anzahl der Lagerleitung gemeldet wurde. Damit war der Appell beendet und wir konnten unsere Verschläge aufsuchen. Zum Abendessen gab es wieder Suppe. Nicht, dass es unseren Hunger gestillt hätte, aber dieses Mal war es nicht so schlimm wie am Mittag.

Jemand aus Berlin kümmerte sich um unser Zelt. Es war ein politischer Gefangener, der zuerst in Buchenwald war. Ich fragte ihn, ob er Benno Kautzky kenne. Oh ja, er ist auch hier, in Block 5. Kautzky war seit der Besetzung Österreichs durch die Deutschen politischer Gefangener. Er war der Sohn von Karl Kautzky, des führenden Sozialdemokraten. Bennos Frau und seine beiden Töchter lebten in Holland. Sie hatte uns einmal in Wieringermeer einen Vortrag gehalten. Ich konnte ihm von seiner Familie erzählen, die er seit 1938 nicht mehr gesehen hatte. Später half er mir, eine bessere Arbeit zu bekommen. Das hat mir geholfen zu überleben.

Als ich unseren Aufseher Arthur Poznanski fragte, wo ich Kautzky finden könne, antwortete er: "Du kommst von einem niederländischen Transport. Ich habe einen Bruder im Werkdorp, Dov Poznanski, vielleicht weißt du etwas über ihn?" Ich antwortete: "Sicher, wir waren zusammen und wir waren Freunde. Er wurde von der Westerweel-Gruppe (einer Widerstandsgruppe) nach Spanien gebracht und könnte bereits in Palästina sein." Arthur arbeitete später im Krankenhaus. Er hat mir die ganze Zeit geholfen und später mein Leben gerettet. Einige Zeit später wurden wir vom Zelt in Baracken verlegt und Kautzky konnte mir helfen, eine leichtere Arbeit zu finden. Ich wurde Bürokraft, so dass ich für einige Zeit keine schwere körperliche Arbeit verrichten musste und wieder zu Kräften kam.

Als ich im September 1943 ins Lager kam, wurde ich als Elektroschweißer registriert. Das hatte ich in Essen in einem Kurs während sechs Wochen gelernt. Ich dachte, es sei besser, im Arbeitslager auf eine Ausbildung verweisen zu können. Im Allgemeinen stimmte das auch. Eines Tages wurde ich losgeschickt, etwas mit einem elektrischen Schweißgerät zu reparieren. Dabei hatte ich Pech. Ich konnte die Elektrode und das Eisenstück, das ich reparieren sollte, nicht mehr auseinanderbringen, und die Maschine begann zu brennen. Mein Aufseher kam, schlug mich fürchterlich und bezichtigte mich der Sabotage. Ich wurde in eine Sträflingsgruppe überstellt. Wir mussten Kohle laden und in hohem Tempo die schweren Waggons schieben. Dort wurde ich ohnmächtig, abermals verprügelt und halb tot zum Appell geschleppt.

Nach dem Appell brachte man mich ins Krankenhaus. Glücklicherweise arbeitete Arthur Posnansky dort im Büro. Er kümmerte sich um mich, sprach mit den Ärzten und brachte mir jeden Tag Extraportionen Essen, damit ich mich wieder erholte. Er sorgte auch dafür, dass ich leichtere Arbeit erhielt und so kam ich in die Zeichenstube des Lagers. Ich saß an einem Tisch und anhand von Schablonen malte ich Häftlingsnummern auf kleine Stoffstücke, von denen zwei auf jeden Anzug genäht wurden, eines vorne auf die Jacke und eines seitlich an das Hosenbein. Die Zahlen wurden anstelle von Personennamen verwendet. Ich wurde "151896" genannt. Das ist die Zahl, die auch auf meinem Arm eintätowiert ist. Es war wirklich eine angenehme Arbeit und wir bekamen auch zusätzliches Essen.

Wie war das möglich? Der Kapo der Zeichenstube im Lager war Kurt von der Walden, ein echter Künstler. Ich kannte ihn von zu Hause her. Er hatte die Schaufenster des Tabakladens meines Vaters dekoriert. Im Lager zeichnete er Ansichtskarten für alle Arten festlicher Anlässe wie Geburtstage, Weihnachten oder Ostern. Die Kapos, richtige Berufskriminelle, verlangten nach diesen Karten, um sie an Verwandte und Freunde zu senden, und bezahlten dafür mit Brot, Wurst und Zigaretten. Kurt teilte das Essen mit uns, also mit mir und drei weiteren Glückspilzen. Auf diese Weise bekam ich eine Zeit lang genug zu essen und meine Gesundheit machte sichtliche Fortschritte.

In der Zwischenzeit war es bald Weihnachten 1944 geworden und das neue Jahr 1945 kündigte sich an. Die Russen rückten weiter vor und näherten sich Auschwitz. Es wurde beschlossen, das Lager zu räumen, was ein großer Vorteil für die SS-Leute war, weil sie uns weiterhin bewachen und deshalb nicht an die Front gehen mussten. Die Evakuierung fand Anfang Januar statt. Jeder von uns durfte eine Decke nehmen, musste aber weitere Gegenstände mitschleppen, zum Beispiel einen Eimer oder einen Besen, damit nichts Verwertbares oder für den Krieg Nützliches in die Hände der Russen fiel. Wir bekamen eine Portion Brot, wurden aber gewarnt, vorsichtig damit umzugehen, denn es war unklar, wann es wieder etwas zu essen geben würde. Die Kranken, die nicht marschfähig waren, blieben im Krankenhaus.

Wir waren etwa 10.000 Leute und marschierten durch den Schnee bis nach Gleiwitz. Wer nicht mehr weiterlaufen konnte und sich hinsetzte, wurde von SS-Leuten erschossen, die am Ende der Kolonne gingen. Viele waren einfach zu schwach und entkräftet, um weitergehen zu können. Ich ging zusammen mit den anderen Leuten der Zeichenstube. Wenn einer von uns nicht mehr weitergehen konnte, halfen ihm zwei andere, bis er sich ein wenig erholt hatte und es wieder besser ging. Wir alle fünf haben den Marsch überstanden, kamen schließlich in Gleiwitz an und wurden dort in offene Viehwaggons verladen. Es war sehr kalt und viele Leute erfroren.

Wir fuhren durch die Tschechoslowakei und durch Österreich nach Deutschland. In der Tschechoslowakei warfen die Menschen Brot in die Waggons. In Deutschland ... nichts. Jeden Morgen mussten wir die Toten in einen separaten Waggon tragen, der bald überladen war. In Österreich hörte ich jemanden mit einer süßlichen Stimme sagen: "Sie haben auch gefrorenes Fleisch".

Wir fuhren nach Mauthausen, wo zum Glück kein Platz für uns war. Auch in Dachau gab es keinen Platz, also ging es weiter. Wir blieben eine Nacht in Buchenwald. Wir schliefen dort im Schnee und fuhren am nächsten Morgen weiter zum Lager Dora Mittelbau. Wir befanden uns da in einem großen Raum. Jeder hatte Durchfall von der extremen Kälte. Nach ein paar Tagen wurden wir auf andere Lager, nicht weit von Dora, aufgeteilt. Ich bin nach Osterode im Harz gekommen. Wir lebten in einem kleinen Lager und wir wurden auf einen Berg gebracht, wo wir einen Aushub für eine Fabrik machen mussten, die V-2-Raketen produzieren sollte, um sie nach England abzufeuern.

Im Lager passierte mir Folgendes: Alle Leute hatten Durchfall wegen der Kälte und natürlich gab es nicht genug Toiletten. Deshalb konnten einige den Kot nicht zurückhalten und verschmutzten den Boden. Beim Appell schrie uns der Lagerkommandant an und beschimpfte uns als dreckige Schweine. Später bat ich um Erlaubnis, ihn zu sprechen, und ich erklärte ihm, dass wir eine schreckliche Odyssee durch die Kälte hinter uns hatten. Die Leute täten dies nicht mit Absicht, sondern weil sie nicht mehr an sich halten konnten. Das hat er dann eingesehen. Während des Gesprächs erkannte ich, dass er nicht zu den Fanatikern gehörte. Am nächsten Tag wurden wir auf unsere Arbeitsstelle gebracht, wo ich den ganzen Tag mit einem Spaten graben musste. Ein deutscher ziviler Arbeiter, ein Elektriker mit Nachnamen Pittlik, hörte mich mit einem anderen Lagerinsassen sprechen. Er erkannte meinen Akzent und fragte mich, woher ich komme. Ich antwortete: "Aus Mülheim-Ruhr. Warum?" Darauf er: "Ich komme aus Oberhausen. Was hast du getan, dass du bestraft wirst?" Ich sagte: "Nichts, ich bin Jude."

Das konnte er nicht verstehen; dass eine Person bestraft wurde, nur weil sie Jude war. Er erzählte mir, dass auch er für mehrere Jahre im Gefängnis gewesen war, allerdings wegen Diebstahl. Wie auch immer, das spielte alles keine Rolle. Wichtig war, dass wir Landsleute waren und er mir helfen würde. Er fragte mich, wo wir in Mülheim gelebt hätten. Ich sagte ihm die Adresse. "Oh, das ist direkt neben der Nähschule; mein Schwager arbeitete dort". Er kümmerte sich darum, dass ich sein Assistent wurde. Ich arbeitete mit ihm zusammen, eine angenehme Arbeit, und auf einmal gab er mir auch etwas zu essen.

Nach einiger Zeit musste er nach Oberhausen fahren, um seine Frau wegen der ständigen englischen und amerikanischen Fliegerangriffe in Sicherheit zu bringen. Ich fragte ihn, ob er eine befreundete christliche Familie, die Familie Klusmann, kontaktieren könne. Frau Klusmann war früher eine Schulkameradin meiner Mutter in Offenbach gewesen, und beide lebten jetzt in Mülheim. Am nächsten Tag besuchte Herr Klusmann Herrn Pittlik und brachte ihm Wäsche, Kleidungsstücke, einen Mantel und Essen für mich. Herr Pittlik brachte mir alles, ausgenommen die Kleidungsstücke, die in seinem Koffer keinen Platz mehr gefunden hatten. Den Mantel trug ich dann auf der Flucht, weil ich darin nicht auf den ersten Blick als entlaufener Häftling erkennbar sein würde.

Ein anderer ziviler Arbeiter gab mir einmal ein Stück Brot und erzählte mir, dass er während des Ersten Weltkriegs in Frankreich im Gefängnis gesessen hätte. Er wusste, was es hiess, im Knast zu sein. Das geht mir nicht aus dem Sinn. Es gab auch Menschen, die Mitgefühl für andere aufbrachten. Anfang April 1945 kamen die Amerikaner dem Harz näher, und wieder wurden wir evakuiert. Die V-2-Fabrik wurde nie fertiggestellt. Wir wurden wieder auf offene Waggons verladen, ich mit meinem schwarzen Mantel anstatt eines gestreiften. Nach kurzer Zeit erreichten wir die Tschechoslowakei. Zu essen bekamen wir überhaupt nichts mehr.

Über Prag kamen wir in Pilsen an, wo wir die Skoda-Fabrik aufräumen und sauber machen mussten, die bombardiert worden war. Ein Soldat sah uns. Er fragte in der Gegend herum, ob jemand Brot für uns hätte. Ebenso warfen die Tschechen auch oft Brot in die Waggons. Unsere Bewachung, eben dieser Soldat, erzählte uns, dass er auch in Dora gewesen ist und während eines Bombardements verschüttet wurde. Einer der Lagerinsassen hatte ihn daraufhin ausgegraben und ihm somit das Leben gerettet. Um sich als dankbar zu erweisen, bat der Soldat erneut um Brot für uns und verteilte es so gut er konnte. Ich erhielt ein ziemlich großes Stück, während mein Nachbar, der neben mir saß, gar nichts abbekam. Er bat mich um ein kleines Stück. Ich dachte, wenn ich ihm etwas gebe, bin ich nur ein wenig hungriger, aber das machte keinen großen Unterschied. Er war dafür sehr dankbar.

Am nächsten Morgen bekamen wir die Erlaubnis, die Waggons zu verlassen, um unsere Notdurft zu verrichten. Mein Nachbar rannte aber stattdessen zu einem großen Schuppen und kehrte mit einer Tüte Kartoffeln zurück. "Alfred, gestern hast du mir Brot gegeben. Jetzt kannst du dir so viele Kartoffeln nehmen, wie du möchtest." Ich schnitt die Kartoffeln in kleine Stücke und legte sie an die Seite eines erhitzten Ofens, der sich in unserem Waggon befand, und auf diese Weise wurden sie gar. Zum ersten Mal konnte ich mich wieder richtig satt essen. Plötzlich wurde unser Zug von englischen Flugzeugen beschossen, dabei wurde die Lokomotive zerstört. Wir warteten und es kam eine viel kleinere Lokomotive. Sie war aber zu schwach, um den ganzen Zug die Berge hinauf zu ziehen. Uns wurde befohlen, dass die Leute in den letzten drei Waggons diese verlassen und in einen der anderen einsteigen sollten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich hier die Gelegenheit ergab zu fliehen. Ich blieb im Waggon und versteckte mich. Niemand kam, um zu überprüfen, ob der Waggon tatsächlich leer war. Beim nächsten Halt wurden die letzten drei Waggons abgekoppelt, und ich blieb allein zurück.

Ich blieb noch einige Stunden im Waggon und ging dann am frühen Morgen ins Dorf. Ein tschechischer Polizist stoppte mich. Erst einmal mussten wir klar kommen, in welcher Sprache wir miteinander sprechen sollten. Ich fragte ihn, ob er Englisch oder Niederländisch verstehe; nein, aber er verstehe Deutsch. Ich sagte ihm die Wahrheit, dass ich aus einem deutschen KZ-Transport entkommen war, der unterwegs nach Deutschland war. Er sagte gar nichts, ging weg und ließ mich weiter ziehen.

Dann ging ich an einem Friseurladen vorbei und wollte mich dort rasieren lassen. Ich sah schrecklich aus. Aber es war noch zu früh am Morgen und der Laden war geschlossen. Ich ging weiter und Passanten warnten mich, auf der Hut zu sein, da gehe ein Polizist umher. Sie wussten nicht, dass ich ihn schon getroffen und er seine Menschlichkeit unter Beweis gestellt hatte. Ich ging weiter bis zum Ende des Dorfes zu einem Bauernhaus und läutete dort die Glocke.

Die Bewohner ließen mich herein. Sie sprachen Deutsch und gaben mir zu essen, Brot und Kaffee. Sie waren sehr, sehr freundlich zu mir. Ich fragte, ob ich bei ihnen bleiben könne. Nein, das sei unmöglich; sie hätten deutsche Soldaten im Haus, die am Nachmittag wiederkommen würden. Ich schlug vor, mich jetzt in den Wald zurückzuziehen, und sie könnten am Abend vergessen, den Schuppen zuzusperren, so dass ich dort schlafen könne. Diesem Vorschlag konnten sie zustimmen. Ich kam also am Abend zurück. Der Sohn des Bauern wartete an der Tür des Schuppens auf mich und hatte einen Teller mit Essen für mich vorbereitet. Er zeigte mir, wo ich meine Notdurft verrichten konnte, ohne dass die Deutschen mich sehen. Am nächsten Morgen brachte mir der Vater wiederum das Essen und sagte mir, ich könne in den Kuhstall gehen; dort war es wärmer, und die Deutschen waren weg.

Kurze Zeit später hörten wir, wie die deutschen Kindersoldaten, 15 oder 16 Jahre alt, ihre Panzerabwehrwaffen in die Luft sprengten. Wenige Stunden später tauchten plötzlich zwei Männer auf, in deutsche Soldatenuniformen gekleidet, aber ohne Nazi-Abzeichen. Es stellte sich heraus, dass es zwei russische Kriegsgefangene waren, die die Bombardierung Dresdens überlebt hatten. Am nächsten Tag marschierten amerikanische Truppen der Vierten Armee in das nahe gelegene Dorf ein und ich war frei. Die Bauernfamilie gab mir daraufhin einen Behälter mit heißem Wasser, damit ich mich gründlich waschen konnte, und gab mir frische Anziehsachen. Ich bat sie auch um eine Unterhose, so dass ich die ganze Gefangenenkluft, die voller Läuse war, verbrennen konnte. Ich kann kaum beschreiben, wie ich mich damals gefühlt habe, endlich sauber und ohne Läuse.

Danach ging ich zu Fuß in das nächste Dorf, in dem sich die amerikanischen Soldaten aufhielten. Ich sprach mit einem Soldaten und er fragte mich, woher ich komme, und ich erzählte ihm, dass ich aus einem Konzentrationslager geflohen war und dass ich ursprünglich aus Deutschland komme. Er antwortete, dass sie hier in der Armee einen jüdischen Arzt hätten, und er brachte mich zu ihm. So lernten Dr. Papier und ich uns kennen. Er war ausnehmend freundlich, hörte sich meine Geschichte an und am Ende gab er mir einige Ess-Rationen und auch noch Zigaretten. Als ich abends auf den Hof zurückkehrte, gab ich dem Bauern die Zigaretten. Er freute sich sehr darüber, da er schon lange keine mehr gehabt hatte, ich aber freute mich noch mehr, so die Gelegenheit zu haben, mich für seine Hilfe, die er mir hatte zukommen lassen, erkenntlich zeigen zu können.

Am nächsten Tag nahm mich der Bauer mit ins Dorf und übergab mich dem tschechischen Kommandanten des Befreiungskomitees. Dieser gab den Befehl, mich in das Krankenhaus zu bringen, wo die deutschen Soldaten untergebracht waren, die jetzt als Kriegsgefangene galten und noch durch deutsche Ärzte behandelt wurden. Zum Glück wusste ich, was ich essen durfte bzw. besser gesagt, was ich nicht im Übermaß essen durfte, denn nach einer langen Hungerperiode ist Fett wie Gift. Zwei ehemalige KZ-Insassen erhielten zu schwere Nahrung, wurden sehr krank und sind dann wohl gestorben. Ich fragte den deutschen Arzt, wie er so etwas zulassen könne. Er antwortete, sie müssten das tun, sonst würden sich die Leute beschweren, dass sie nicht genug zu essen bekommen. Als ich das hörte, hat mich das wirklich aufgeregt und ich fragte mich, wie ein Offizier und Arzt so unprofessionell handeln konnte. Aus Angst oder Bosheit hatte er zwei junge Menschen sterben lassen, die so viel durchmachen mussten. Das ist beinahe Mord.

Eine Woche später waren Russen anstelle der Amerikaner in diesem Dorf und in mehreren anderen Dörfern. Ein Krankenwagen brachte mich in die amerikanische Zone in Deutschland. Ich versuchte so schnell wie möglich nach Holland zurückzukehren und war in mehreren DP-Lagern untergebracht. Nach drei Wochen war ich wieder in Holland, in Maastricht. Dort wurde ich schwer krank mit einer Rippenfellentzündung. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und dort ausgezeichnet und liebevoll behandelt. Ein halbes Jahr blieb ich dort.

Im Lager hatte ich Freunde, die eine Schule der Quäker in Ommen im Osten der Niederlande besucht hatten. Ich schrieb dem Direktor der Schule, was ich über diese Jungen wusste. Sie hatten das Lager nicht überlebt. Die Schulleiter waren deutsche Quäker. Quäker aus England hatten die Schule in Holland eröffnet, um jüdischen Kindern aus Deutschland und Kindern ausländischer Diplomaten englischen Unterricht zu erteilen. Der Schuldirektor bot mir an, die Schule zu besuchen, nachdem ich mich erholt haben würde, um dort das Oxford School Certificate zu erwerben. Dies würde es mir ermöglichen, an einer englischen oder amerikanischen Universität zu studieren. Ich war dann dort für ein Jahr, hatte eine wunderbare Zeit und legte das Examen ab.

In der Zwischenzeit kam meine Freundin Adah aus den Vereinigten Staaten zurück, um mich wieder zu treffen. Ich hatte sie im April 1940 im Haus ihrer Eltern während Pessach kennen gelernt, einen Monat bevor der Krieg in Holland ausbrach. Mein Vater und ihr Vater waren Cousins. Am 14. Mai floh die Familie nach England und kurze Zeit später ging es weiter in die Vereinigten Staaten. Wir schrieben uns regelmäßig bis Dezember 1941, als Amerika in den Krieg eintrat. Von da an erhielt ich nur noch ab und zu einen Brief von ihr über das Rote Kreuz. Sie studierte Landwirtschaft in den USA, um nach Palästina zu gehen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergeben würde.

In diesem Zusammenhang passierte mir etwas anderes in Monowitz. Adah schrieb mir über das Rote Kreuz 1943 einen Brief an meine Adresse in Amsterdam. Als der Brief ankam, war ich bereits im Konzentrationslager. Die Gestapo leitete den Brief weiter und er kam im Herbst 1944 im Lager Monowitz an. Ich bekam den Befehl, vor der SS zu erscheinen, und einer ihrer Büttel, ein Gefangener, brachte mich zu ihnen. Er beruhigte mich sogleich: "Du musst keine Angst haben. Du hast einen Brief aus den USA erhalten." Ich meldete mich vorschriftsgemäß: "Hier Gefangener 151896 und bittet um Erlaubnis einzutreten."

Die erste Frage war: "Wer ist Adah Polak?" Ich: "Sie ist die Tochter eines Cousins meines Vaters." Jemand übersetzte den Brief. Darin fragte mich Adah, ob ich wollte, dass sie auf mich warte. Dann fragte mich der SS-Mann: "Ist das deine Geliebte, willst du das Mädchen heiraten? Möchtest du keine gesunden Kinder haben? Dies wäre eine Eheschließung innerhalb der Familie. Denk ernsthaft darüber nach, bevor du den Brief beantwortest." Es erschien mir sehr skurril: In einem Lager, in dem wir alle getötet werden sollten, machte sich ein SS-Mann Sorgen darüber, dass ein Jude gesunde Kinder haben würde. Ich verstand den Mann sehr gut. Auch ich hatte in der Schule über Rassenkunde und Erbgesetze gelernt, genau wie er. Ich schrieb Adah zurück, aber der Brief kam nie an. So schade, es wäre ein interessantes Dokument gewesen.

Adah kam also nach Holland, um mich wiederzusehen. Während sie noch in den USA war, hatte sie ein Universitätsstipendium für mich erhalten. Dies wurde von der Bnai Brith ausgerichtet, einer jüdischen Wohltätigkeitsorganisation, die unter anderem jungen Menschen, die aus den KZs kamen, ein Studium ermöglichte.

Akron, Ohio, 1950er-Jahre

Wir haben im Februar 1947 in Amsterdam geheiratet. Wir wussten beide, dass ich nicht mehr in der Lage sein würde, meinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft zu verdienen. Die Arbeit wäre mir nach allem, was ich durchgemacht hatte, zu schwer. Wir kamen zu dem Schluss, dass ich etwas studieren sollte, in dem ich das, was ich in den letzten Jahren gelernt hatte, gut gebrauchen könnte. So entschieden wir uns für die Milchherstellung. Wir machten die Überfahrt per Schiff in die USA und ich wurde zum Studium an der Michigan State University zugelassen. Ich hatte dort eine wunderbare Zeit. Die meisten Studenten waren Veteranen der amerikanischen Armee, zumeist auch in meinem Alter. Ich studierte und arbeitete nebenher, um praktische Erfahrungen zu sammeln und etwas zusätzliches Geld zu verdienen. Ich ging auch zur Summer School. Ich absolvierte das Vier-Jahres-Programm in nur zweieinhalb Jahren.

Beit Hillel im Galil

Sehr bald bekam ich einen guten Job in einer Molkerei in Akron, Ohio. Ich habe dort viel gelernt und sowohl mein Arbeitgeber als auch ich waren zufrieden. Nach eineinhalb Jahren gingen wir von da weg, um in Israel einzuwandern. Kurz zuvor hatte ich einen der Direktoren der Tnuva getroffen, des größten israelischen Unternehmens für die Herstellung von Milchprodukten, der mir einen Posten angeboten hatte. Ein halbes Jahr lang arbeitete ich in einer Käserei in Israel, um die israelischen Methoden der Erzeugung von Milchprodukten zu studieren. Danach wurde ich Direktor einer kleinen Molkerei mit dreißig Beschäftigten in Beit Hillel, einem kleinen, sehr rustikalen Dorf im Norden Galiläas.

In den Privathäusern hatten wir morgens Wasser aus dem Wassersystem, und am Nachmittag hatten wir Strom bis 11 Uhr abends. Was war der Grund für diese Regelung? Das Dorf hatte nur eine Dieselmaschine, die entweder zur Stromerzeugung oder zur Aktivierung des Wassersystems verwendet werden konnte. Auf dem Dach hatten wir einen Wassertank, so dass wir immer etwas fließendes Wasser zur Verfügung hatten. Natürlich hatten wir in der Molkerei nicht diese Einschränkungen. Wir pasteurisierten die ganze Milch und aus einem Teil der Milch produzierten wir Weißkäse und andere Sauerkäseprodukte, die wir verkauften. Den Rest der pasteurisierten und gekühlten Milch schickten wir in einem Tankwagen zur großen Molkerei in Haifa. Einige Jahre später wurde dieses System aufgegeben. Die Milch wurde auf den einzelnen Bauernhöfen ausreichend gekühlt und direkt per Tanker nach Haifa geschickt. Modernisierung überall, und unser kleiner Milchbetrieb wurde geschlossen. Ich erhielt die Position des Cheftechnologen in der großen Molkerei in Tel Aviv. Da war ich dann aktiv in der Entwicklung und Produktionsleitung neuer Milchprodukte wie Joghurt mit Früchten oder mit Fruchtgeschmack oder der Entwicklung verschiedener Arten von Puddings. Ebenso bei der Schaffung verschiedener Sauermilchprodukte, die durch Hochtemperatur-Pasteurisierung monatelang essbar blieben, allerding ohne Geschmackszusätze.

Als wir 1956 noch in Beit Hillel waren, als Israel, England und Frankreich im Sinai-Krieg gegen Ägypten zu Felde zogen, erhielt ich einen Brief von Herrn Lawson, dem Besitzer der Molkerei, in der ich in Akron gearbeitet hatte. Er fragte, ob ich nicht die Absicht hätte, nach Akron zurückzukehren. Er fügte hinzu, dass er mir eine sehr gute Position in einem neuen Werk anzubieten hätte und dass ich sofort mit der Arbeit beginnen könnte. Ich war sehr beeindruckt, schlug das Angebot aber aus, weil wir unter allen Umständen in Israel bleiben wollten. Diese Entscheidung haben wir später nie bereut. Nach Beit Hillel kamen wir mit unserem zweieinhalbjährigen Sohn. Dann bekamen wir dort zwei weitere Kinder. Der älteste Sohn ist Lebensmitteltechnologe und der jüngste hat eine Farm in der Arava-Wüste und exportiert verschiedene Tomatensorten. Unsere Tochter ist Lehrerin.

1986 ging ich mit 65 Jahren in Rente und jetzt genieße ich meine freie Zeit. Ich verkaufe Versicherungen und belege Kurse in Hebräisch. Ich spreche gut Hebräisch, aber im Schriftlichen mache ich Fehler, das will ich verbessern. Ich habe bereits Kurse besucht in Grammatik und Literatur. Außerdem will ich in Kürze einen Kurs an der Universität beginnen zur Verbesserung meiner Gedächtnisleistung.

Zusätze durch seine Frau Adah

Ich, Adah, möchte Alfreds Geschichte einige weitere Informationen hinzufügen: Im Jahr 1960 zogen wir nach Ramat Gan und Alfred wurde technischer Leiter in der großen Tnuva-Milchfabrik in Tel Aviv. Hier entwickelte er mehrere Milchprodukte, die noch heute überall verkauft werden. Wir lebten in Ramat Gan für 43 Jahre in einer angenehmen Straße in einem kleinen Haus mit einem großen Garten. Die Kinder wuchsen dort auf, später kamen die Enkelkinder regelmäßig zu Besuch, wir gingen zu Konzerten und hatten einen großen Freundeskreis. Wir unternahmen viele Reisen und nicht zu vergessen das tägliche Schwimmen in den Pools des Kfar-Maccabiah-Hotels.

Es gab traurige Ereignisse, Verwandte von uns starben. Ebenso aber auch glückliche Ereignisse: die Feiertage, Besuche von Verwandten und Freunden aus dem Ausland, die Hochzeiten der Kinder und die Geburt von Enkelkindern. 2005 zogen wir in ein Elternheim in Kiryat Tivon. Es war klar, dass wir nicht für immer in unserer abgelegenen Straße in Ramat Gan bleiben konnten. Netanel lebte in Kiryat Tivon und Aliza nicht weit davon entfernt, alles Pluspunkte. Yair lebte weiter weg, in der Arava, kam aber oft zu Besuch. Das Leben in Kiryat Tivon war sehr angenehm und Alfred war hier glücklich. Er entwickelte ein Interesse und Talent für Töpferwaren und unsere Wohnung ist voll von seinen Kreationen. Über die Jahre entwickelte sich bei ihm eine leichte Form von Demenz, aber das störte in keiner Weise unser glückliches Zusammenleben. Er starb im Alter von 95 Jahren und hinterließ 10 Enkel und neun Urenkel.

Wir alle, ich, die Kinder und Enkelkinder, erinnern uns an sein strahlendes Lächeln, seine positive Einstellung zum Leben und seinen Humor und Sarkasmus.

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Datum und Adressat des Briefes müssen noch geklärt werden, falls dies möglich ist.
  2. Der Tag der reichsweiten Bücherverbrennung fand erst am 10. Mai 1933 statt. Allerdings gab es zuvor schon viele systematisch angelegte Bücherverbrennungen, so dass es heißen müsste: "Herr Löscher war einer der ersten Lehrer ..."
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