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Babylon
Babylon (sumerisch KĀ-DINGIR-RAKI; akkadisch Bab-illa/ilani; babylonisch Bāb-ili(m); hebräisch Babel בבל) war als Hauptstadt Babyloniens eine der wichtigsten Städte des Altertums. Sie lag am Euphrat, etwa 90 km südlich Bagdads im heutigen Irak (Provinz Babil). Die Ruinen der Stadt sind, unter anderem von Robert Koldewey, Anfang des 20. Jahrhunderts teilweise freigelegt worden. Babylon war die Hauptstadt des gleichnamigen Stadtstaates, der teilweise über weite Teile des südlichen Zweistromlandes herrschte.
Etymologie
Der sumerische Name Babylons lautete als Sumerogramm KÁ.DINGIR.RAKI, in akkadischer Form Babilla. Ab Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr. wechselte er in die babylonische Entsprechung Bābili(m), wovon sich der griechische Name Babylonia ableitete.[1] Bei der gebräuchlichen mesopotamischen Übersetzung von Babillu, Babilim, Babilani als „Tor des Gottes/Gottestor“ handelt es sich wahrscheinlich um eine volksetymologische Ableitung der Urform, wobei die alte Bedeutung des Stadtnamens nach wie vor unklar bleibt.[2]
Spätestens unter Naram-Sin findet sich die Schreibung KĀ.DINGIRKI, die Naram-Sin als Tor des Gottes bezüglich des alten Ortsnamens Babylon deutete. In der Ur-III-Zeit ist die erweiterte schriftliche Form KÁ.DINGIR.RAKI belegt, gesprochen als Babilim, hervorgehend aus der Genitivschreibung KÁ.DINGIR.(RAKI-ma). In der altbabylonischen Sprache ist daneben Ba-ab-DINGIRKI als weitere Variante bezeugt.[3]
Die im Zusammenhang der alttestamentlichen Erwähnung Babylons hergestellte Namenserklärung basiert ebenfalls auf späteren Überlieferungen und zugleich auf anderen Motiven.[2] Die in Gen 11,9 EU verwendete hebräische Form balal bezieht sich auf den Turmbau zu Babel. Die entsprechende Übersetzung von Babylon als Durcheinander gründet sich daher primär auf die Sprachverwirrung beziehungsweise auf das Durcheinander der Sprachen und kann deshalb nicht als etymologischer Beleg zur Klärung herangezogen werden.[4]
Geschichte
Es gibt schon gegen Ende des 3. Jt. v. Chr. erste Erwähnungen Babylons, jedoch nur als unbedeutende Kleinstadt. Šumu-abum (1894–1881 v. Chr.), Begründer der I. Dynastie von Babylon, machte die Stadt zum Verwaltungszentrum seines Reiches. Unter dem König Hammurapi I. (1792–1750 v. Chr.), dem bekanntesten altbabylonischen Herrscher, erlebte Babylon seine erste Blütezeit. Texte der ersten Dynastie aus Babylon selber sind aber selten, keiner von ihnen stammt aus dem bisher unentdeckten Palastarchiv[5]. Die Eroberung von Babylon durch die Hethiter unter König Muršili I. (1620–1595 v. Chr.) ist nur schlecht belegt, das genaue Datum ist unbekannt. Sie fand unter der Herrschaft von Samsu-ditana statt, der so der letzte Herrscher der 1. Dynastie war. Nach der mittleren Chronologie wird der Fall 1595 angesetzt, nach Gasches ultrakurzer Chronologie 1499[6]. Nach dem Fall von Babylon setzen schriftliche Dokumente ganz aus, die nächsten stammen aus der Zeit der Kassitenherrschaft und sind vermutlich etwa 100 Jahre später anzusetzen.[7]
In der Folge, vielleicht nach einer Episode unter Gulkišar, einem König der Meerlanddynastie übernahmen die Kassiten für 400 Jahre die Herrschaft über die Stadt. Als im 14. Jahrhundert v. Chr. König Kurigalzu I. (1390–1370 v. Chr.) die Residenzstadt Dur-Kurigalzu gründete, blieb Babylon geistig-religiöses Zentrum. Ende des 13. Jahrhunderts wurde Babylon durch den assyrischen König Tukulti-Ninurta I. (1233–1197 v. Chr.) erobert, der die Statue des Stadtgottes Marduk wiederum verschleppte, diesmal nach Assyrien. Kurz darauf überfiel der elamische König Šutruk-Naḫunte (1190–1155 v. Chr.) die Stadt und raubte viele Kunstwerke und Götterbilder, die er in seine Hauptstadt Susa (Persien) brachte. Damit endete die Herrschaft der Kassiten in Babylon.
Babylon erstarkte unter König Nebukadnezar I. (1126–1104 v. Chr) aus der II. Dynastie von Isin, der die Marduk-Statue zurück holte. 1087 v. Chr eroberten assyrische Truppen unter Tiglat-pileser I. (1115–1076 v. Chr.) die Stadt.
Babylon verlor mit dem Aufstieg Assyriens stark an Bedeutung und wurde im 7. Jahrhundert v. Chr. zweimal von den Assyrern zerstört, 689 v. Chr. durch Sanherib. 626 v. Chr. wurde Nabopolassar zum König ausgerufen und besiegte die Assyrer, deren Hauptstadt Ninive er 612 v. Chr. mit Hilfe der Meder zerstörte. Nebukadnezar II., sein Sohn, wehrte eine Invasion der Ägypter ab und regierte über ein Gebiet von Palästina bis an den Persischen Golf. In seiner Regierungszeit stiegen Stadt und Reich zu neuer Blüte auf.
Jedoch währte diese Blütezeit nicht sehr lange. König Nabonid bestieg 556 v. Chr. den Thron Babylons. Er führte die von Nebukadnezar II. begonnenen Wirtschaftsreformen durch und entzog den Tempeln der Marduk-Priesterschaft die Ländereien. Zusätzlich setzte er Sin, den Mondgott, als oberste Gottheit ein. Dies führte dazu, dass die ihm nun feindlich gesinnte Priesterschaft Babylons mit dem Perserkönig Kyros II., der sich zu Marduk bekannte, bei dessen Eroberung der Stadt 539 v. Chr. kooperierte und maßgeblich an seinem Sturz und dem Babyloniens beteiligt war.
Alexander der Große eroberte die Stadt nach dem Sieg bei Gaugamela und wurde als Befreier begrüßt. Alexander machte Babylon später zum Sitz seines Reiches, wo er dann auch am 10. Juni 323 v. Chr. verstarb. In der Zeit der Diadochen gehörte Babylon zum Seleukidenreich, verlor unter makedonischer Herrschaft jedoch an Macht, als die neue Hauptstadt Seleukia gebaut wurde und viele Bewohner Babylons dorthin umgesiedelt wurden. Lange Zeit nahm man in der Forschung an, Babylon habe nun einen raschen Niedergang erlebt und sei spätestens unter parthischer Herrschaft endgültig verlassen worden. Trajan soll nur noch Ruinen gesehen haben. Inzwischen sind Zweifel an dieser Sichtweise aufgekommen; so erwähnen auch noch spätantike Autoren wie Prokopios von Caesarea Babylon (De Aed. 1,1,53) als Produktionsstätte von Asphalt. Wann genau Babylon jede Bedeutung verlor, wird daher inzwischen wieder kontrovers diskutiert.
Aufbau der Stadt
Laut dem antiken griechischen Historiker Herodot war Babylon „gewaltig und prächtig gebaut wie meines Wissens keine andere Stadt der Welt“. Babylon wurde von einem riesigen Festungsgürtel umschlossen. Diese Stadtmauern von Babylon besaßen laut Herodot angeblich eine Länge von 86 km mit einhundert Toren. Ausgrabungen Koldeweys ergaben, dass die Mauern „nur“ 18 km lang waren. Außerdem soll es in der Stadt auch drei- oder sogar vierstöckige Gebäude gegeben haben. Im Tempelbezirk befand sich seinen Berichten zufolge auch ein Turm, von dem es im Alten Testament heißt, man wollte damit den Himmel erreichen. Er erwähnte jedoch nicht die Hängenden Gärten.
Koldewey begriff schon bald nach Beginn seiner Ausgrabungen, dass die Größenangaben Herodots stark übertrieben waren, auch wenn der Umfang der Stadt mit 18 Kilometern immer noch imposant erscheint. Babylon war auf beiden Seiten des Euphrat errichtet. Die Stadt war von einer inneren Doppelmauer und einem äußeren Mauerring auf dem Ostufer umgeben, der im Norden durch eine Festung noch zusätzlich geschützt wurden, welche auch als Sommerresidenz des Königs diente.
Die eigentliche Stadt befand sich jedoch im Inneren der doppelten Befestigungsmauer mit einem rechteckigen Grundriss von 1,5 x 2,5 km. Das Ischtar-Tor, eines der neun Tore, kann man heute im Berliner Pergamonmuseum besichtigen. Direkt neben dem Tor steht der Ninmach-Tempel. Eine Prozessionsstraße führte hindurch in die Stadt, vorbei am Palast des Königs zum Marduktempel und dem Zikkurat von Etemenanki, besser bekannt als der Turm zu Babel.
Der von Nabopolassar erbaute Palast hat den des assyrischen Königs Sanherib zum Vorbild. Er besaß einen quadratischen Innenhof, drei kleine Privaträume und zwei große Säle, war also von verhältnismäßig bescheidener Größe. Nebukadnezar II. ließ drei weitere identische Gebäude errichten und sie durch Gänge mit dem ursprünglichen Komplex verbinden; eines von ihnen enthielt den 52 Meter langen Thronsaal des Königs. Daneben wurden neue Wohnräume für die Bediensteten, aber auch Verwaltungs- und Vorratsräume gebaut. Vermutlich waren auch die Hängenden Gärten dort untergebracht.
Der Tempel des Marduk mit dem Namen Esagila befand sich im heiligen Bezirk Babylons. Das Gebäude war ähnlich wie eine Festung mit quadratischem Umriss aufgebaut. Nach dem Betreten des Tempels kamen die Priester in den Raum, in dem sich die heilige Statue Marduks befand. In dem Heiligtum wurden jedoch auch viele andere Götter verehrt, die alle Marduk dienen sollten. Neben dem Tempel ragte der zuvor bereits angesprochene Turm auf.
Wohnbauten konnten im Merkes-Viertel, das sich südlich des Ischtar-Tores befindet, ausgegraben werden. Vor allem die Häuser der neubabylonischen Zeit waren gut erhalten: Bauten mit massiven Lehmziegelmauern und einem Hof im Zentrum.
Die griechische Stadt
Aus der Seleukidenzeit sind nur wenige Neubauten erhalten, doch sind überall in der Stadt Umbauten festzustellen. Die neubabylonischen Häuser im Merkesviertel sind im Laufe der seleukidischen Periode wieder bewohnt worden, nachdem sie einige Zeit anscheinend leer standen. In einem Haus fanden sich im Hof vier Säulenbasen, die andeuten, dass hier ein Peristyl eingebaut wurde. Die Säulen sind nicht erhalten, bestanden aber einst vielleicht aus Holz. Im selben Haus wurde auch ein Türdurchgang vermauert und eine Badewanne in der so entstandenen Nische eingebaut. Im Osten der Stadt wurde ein Theater errichtet und auch die Paläste wurden weiterhin benutzt und zeigen architektonische Elemente, die offensichtlich griechisch sind. In fast allen Palästen der Stadt fanden sich griechische Antefixe, die belegen, dass diese Bauten weiterhin benutzt und teilweise griechischem Geschmack angepasst wurden.
Die parthische Stadt
Nach Aussage literarischer Quellen wurde die Stadt unter den Parthern langsam aufgegeben. Allerdings gibt es vor allem in der Wohnstadt zahlreiche Befunde, die bezeugen, dass die Stadt weiterbewohnt wurde. Da die parthischen Schichten zuoberst liegen, sind sie aber meist nur schlecht erhalten. Es ist vor allem zu beobachten, dass die Straßenführung der alten Stadt aufgegeben wurde und durch eine neue ersetzt wurde. Das griechische Theater bestand weiter und wurde sogar renoviert. Andere öffentliche Gebäude können dieser Zeit bisher nicht mit Sicherheit zugeordnet werden. Aus den parthischen Schichten stammen viele Bestattungen, die vor allem unter den Fußböden der Häuser stattfanden.
Grabungsgeschichte
Obwohl Babylon seit jeher nicht nur bei Autoren der klassischen Antike, sondern auch bei vielen Reisenden auf großes wissenschaftliches Interesse stieß, stellen doch erst die systematischen Ausgrabungen des Briten Claudius James Rich in den Jahren 1811 bis 1817 die Anfänge archäologischer Aktivitäten an diesem Ort dar.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Arbeiten mit Unterbrechungen weitergeführt: 1830 fanden zwei Grabungskampagnen unter Robert Mignan statt, 1850 wurde Austen Henry Layard in Babylon aktiv, und ab 1851 begann ein drei Jahre andauerndes Großprojekt der Franzosen Fulgence Fresnel, Jules Oppert und Félix Thomas. Henry Creswicke Rawlinson führte 1854 , wenn auch nur äußerst oberflächlich, die Arbeiten seiner französischen Vorgänger fort. Auch William Beaumont Selby (1859), Henri Pacifique Delaporte (1862) und Hormuzd Rassam (1879) beschränkten ihre archäologischen Aktivitäten in Babylon auf Kurzkampagnen.
1899 begann eine langfristig angelegte Forschungsmaßnahme im Auftrag der ein Jahr zuvor gegründeten Deutschen Orient-Gesellschaft unter der Leitung des Architekten Robert Koldewey. Dieser betrieb erstmals für die Archäologie in Mesopotamien Bauaufnahmen, in der die Lage der einzelnen Steine und Mauern erkennbar blieb und nachfolgende Archäologen daraus die Grundrisse in ihrer historischen Abfolge beurteilen können.
Abgesehen vom allgemeinen Interesse für die freigelegten Großbauten waren vor allem die Grabungen im Wohngebiet Merkes (Markaz) durch ihre besondere Vorgehensweise für die Fachwelt richtungsweisend. Neben anderen grub hier 1907 und 1908 Oscar Reuther, dem es primär um die Schichtenabfolge ging. Hierzu legte er Grabungsquadrate an, zwischen denen 3 Meter breite Grabungsstege stehenblieben, an denen die Schichten beurteilt werden konnten. Nachdem stattliche Häuser aus neubabylonischer Zeit zum Vorschein gekommen waren, ging man 1912 dazu über, eine sich auf diese Schicht konzentrierende Flächengrabung durchzuführen.[8]
Die Ausgrabungen liefen 18 Jahre fast ohne Unterbrechungen. Erst im Jahre 1917, gegen Ende des 1. Weltkrieges, kamen die Arbeiten angesichts der gegen Bagdad vorrückenden britischen Truppen zum Erliegen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Grabungstätigkeit wiederaufgenommen, vor allem durch die irakische Antikenverwaltung. Außerdem fanden Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Institutes unter der Leitung von Hansjörg Schmid (ab 1962) und Jürgen Schmidt (1967–1973) statt.
Die irakischen Aktivitäten in Babylon konzentrierten sich auf Rekonstruktionen öffentlicher Bauwerke. Darüber hinaus ließ der irakische Diktator Saddam Hussein, der sich als Nachfolger des babylonischen Königs Nebukadnezar II. verstand, für sich einen neuen Palast bauen.
Babylon heute
Nach dem Irak-Krieg richteten US-amerikanische Truppen im April 2003 einen Stützpunkt um Babylon ein, um die antike Stadt vor Räubern zu schützen. Polnische Truppen stießen einige Monate später hinzu und übernahmen am 3. September 2003 die Lagerführung. Der Stützpunkt beherbergte bis zu 2000 Soldaten.
Beim Bau des Lagers wurden Flächen für Park- und Hubschrauberlandeplätze freigeräumt und mit Schotter aufgeschüttet. Zudem wurden Schützengräben gebaut und Sandsäcke mit Sand aus den Ausgrabungsstätten gefüllt. Laut einem Bericht des Konservators des Britischen Museums John Curtis aus dem Jahre 2003 und 2005 wurde die Ruinenstadt erheblich beschädigt. Unter anderem seien die Drachen des Ischtar-Tors bei dem Versuch eines Unbekannten, Steine herauszubrechen, in Mitleidenschaft gezogen worden. Zudem sei die 2600 Jahre alte bepflasterte Prozessionstraße durch die Befahrung mit schweren Militärfahrzeugen zerstört worden.[9] Mohammed Tahir al-Shahk Hussein, Archäologe des irakischen Staatsrates für Antiquitäten und Kulturerbe und ehemaliger Museumsdirektor, relativiert hingegen die Kriegsschäden und sieht das größere Problem in den unter Saddam Hussein errichteten Neubauten.[10]
Rezeption
Antike: Die Stadt der Städte
Die Stadt war Zentrum Babyloniens und ist auch durch die Hängenden Gärten der Semiramis, eines der Sieben Weltwunder der Antike, bekannt. Ursprünglich gehörte auch die mächtige Stadtmauer zu den Weltwundern.
Wie oben erwähnt, beschrieb Herodot die Stadt ausführlich.
Babel im Alten Testament
In der Bibel wird für das antike Babylon der hebräische Name Babel verwendet, gedeutet als angelehnt von bâlal' „überfließen, vermischen, verwirren“. Es wird ein gewaltiger Turmbau zu Babel erwähnt (11,1 EU-9). Um die Macht der Menschen zu beschränken, habe Gott die Menschen verwirrt und ihnen verschiedene Sprachen gegeben (11,9 EU). Aufgrund dieser Kommunikationsstörung mussten sie dann den Bau beenden. Diese Geschichte ist der Ursprung der Redensart „babylonisches Sprachgewirr“ oder „babylonische Verwirrung“.
Um 600 v. Chr. eroberte Nebukadnezar II. Jerusalem und veranlasste die Umsiedelung von Teilen der Bevölkerung, vor allem der Oberschicht, nach Babylon. Dieses babylonische Exil war ausschlaggebend für die Entwicklung eines Identitätsgefühls als jüdisches Volk und wird in der Bibel ausführlich beschrieben: Babylon wird als Ort des Unglaubens, der Unzucht und der Unterdrückung dargestellt, eine Sichtweise, die sich später im neuen Testament wiederfindet. Dabei ist zu bedenken, dass die strenggläubigen Bibelautoren das Exil als große Gefahr für den jüdischen Glauben ansahen, dementsprechend negativ gefärbt ist ihre Beschreibung des Aufenthalts, der als Sklaverei wahrgenommen wurde. Die meisten Hebräer führten jedoch ein angenehmes Leben in der Metropole; babylonische Keilschrifttafeln zeigen, dass viele von ihnen hohe Positionen in Militär und Wirtschaft einnahmen.
Babylon im Christentum
Im Neuen Testament wird der Name Babylon bzw. das Attribut babylonisch zwölfmal erwähnt. Dies geschieht zum einen in Rückblicken auf die Geschichte Israels, zum anderen in den prophetischen Reden über die Zukunft der Welt. Babylon bezeichnet hier das irdische widerchristliche Machtzentrum im Gegensatz zur Stadt Gottes, dem himmlischen Jerusalem. In der Offenbarung des Johannes wird ihre Zerstörung in den letzten Gerichten Gottes vorausgesagt. In 1. Petrus 5,13 EU grüßt der apostolische Schreiber seine Gemeinde aus Babylon. Manche Ausleger vermuten, dass hier Babylon als ein Pseudonym für Rom gebraucht wird. Andere hingegen verweisen auf den nicht genau feststellbaren Zeitpunkt des Verfalls der Stadt und nehmen die Bezeichnung Babylon wörtlich. Sie glauben, dass Paulus, als Apostel für die Nationen, und nicht Petrus, in Rom war.
In der von der Offenbarung des Johannes geprägten christlichen Symbolik gilt Babylon als gottesfeindliche Macht und Hort der Sünde und Dekadenz. Martin Luther deutete das ihm verhasste Papsttum als Hure Babylon.
Babylon-System bei den Rastafari
In der unter Nachfahren schwarzer Sklaven in Jamaika entstandenen Rastafari-Bewegung ist Babylon-System oder kurz Babylon – in Anlehnung an die biblische Verwendung des Begriffs – ein Ausdruck für das herrschende „westliche“ Gesellschaftssystem, das als korrupt und unterdrückend wahrgenommen wird. Die Rastafari erkannten in der biblischen Geschichte vom babylonischen Exil der Israeliten Parallelen zur Verschleppung ihrer eigenen afrikanischen Vorfahren nach Amerika und münzten Babylon-System (auch: shitstem) als Ausdruck für die westliche (bzw. die „weiße“) Welt.
Durch den Erfolg der Reggae-Musik wurde der Begriff weltweit etabliert (siehe dazu musikalische Rezeption). Je nach persönlichem politischen und kulturellen Hintergrund variiert die Auslegung des Begriffs. Kritisiert werden kann jedoch, dass angeprangerte gesellschaftliche Missstände wie Unterdrückung, Ignoranz und Hass gegenüber Mitmenschen widersprüchlicherweise auch innerhalb der Rastafari-Kultur verbreitet sind, besonders gegenüber Homosexuellen.
Musikalische Rezeption
Zumeist bauen Lieder, die mit Babylon zu tun haben, auf die Bedeutung der Stadt im Alten Testament als ein Ort des Exils und einer Versklavung. Der Bezug zum geschichtlichen Hintergrund, der eine Versklavung nicht bestätigt, wird meistens nicht hergestellt. Gelegentlich nehmen Lieder aber auch den neutestamentlichen theologischen Mythos der Stadt als Zentrum des Bösen auf.
Georg Friedrich Händel hat 1745 in seinem Oratorium Belshazzar (deutsch: Belsazar) die Eroberung der Stadt durch Kyros und die Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft verewigt. Giuseppe Verdi vertonte 1842 in Nabucco ebenfalls eine Episode aus dem jüdischen Exil in Babylon. William Walton komponierte 1930/31 mit Belshazzars Feast ein Chorwerk, dessen Libretto Bibeltexte über Belsazars Gastmahl in Babylon zum Thema hat.
Bekannt ist die Vertonung des Lieds By the waters of Babylon von Don McLean, eine Nachdichtung des 137. Psalms. Der Song Rivers of Babylon der jamaikanischen Band The Melodians, der in der Version von Boney M. große Bekanntheit erlangte, behandelt ebenfalls den Text des 137. Psalms. Ebenso nahm Leonard Cohen in seinem Song By the Rivers Dark auf Babylon Bezug: Babylon ist anknüpfend an die jüdische und christliche Symbolik sowohl Ort des Exils (Gottesferne) als auch Sinnbild sündigen, verblendeten Lebenswandels sowie zugleich Stätte einer mysteriösen Erfahrung.[11] Die deutsche Vertonung Die Legende von Babylon von Bruce Low handelt jedoch vom Turmbau zu Babel und hat nichts mit dem babylonischen Exil zu tun.
Durch die Etablierung der Reggae-Musik in den 1970er Jahren wurde der Rastafari-Begriff Babylon-System weltweit populär und hat heute einen festen Platz in der schwarzen Musik und anderen modernen Musikstilen. Bekannt wurde der Begriff erstmals durch den Song Babylon System, komponiert vom jamaikanischen Reggaemusiker Bob Marley und auf dem Album Survival veröffentlicht, der vom westlichen „vampirischen“ System handelt, das die Menschheit unterdrückt und vor der Einheit zurückhält. Vorher jedoch ging schon Desmond Dekker in seinem Lied The Israelites auf das Thema ein und erzählt die Leidensgeschichte des Israeliten in Ägypten im Vergleich zum Leben als schwarzer Sklave auf Jamaika.
In ihrem 2004 veröffentlichten Lied On Ebay - From Babylon back to Babylon prangert die britische Popband Chumbawamba den Raub von Ausstellungstücken, zu denen auch solche aus Babylon gehörten, aus dem Irakischen Nationalmuseum an.[12]
Anderes
In der wissenschaftlichen Literatur über Platons Atlantis-Dialoge Timaios und Kritias wird Babylon als eine mögliche Vorlage für Platons Atlantisbeschreibung diskutiert.
Söhne und Töchter der Stadt
- Berossos, babylonischer Historiker
- Thamir Abbas Ghadban, irakischer Politiker
- Talib Schabib, irakischer Politiker
Siehe auch
- Liste der Könige von Babylonien
- Liste persischer Königsstädte
- das Volk der Babylonier
- Babylonische Religion
Literatur
- Dietz Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51664-5
- Stefan Hauser: Babylon in arsakidischer Zeit. In: Johannes Renger (Hg.): Babylon. Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne. Saarbrücken 2000, S. 207ff.
- Joan Oates: Babylon. Stadt und Reich im Brennpunkt des Alten Orient. Gondrom-Verlag, Bindlach 1990. ISBN 3-8112-0727-X
- Nelson DeMille: An den Wassern von Babylon. Goldmann-Verlag, München 1990. ISBN 3-442-09647-2
- D. Arnaud: Nabuchodonosor II, roi de Babylone. Fayard, Paris 2003. ISBN 2-213-61761-9
- Domenique Charpin, D. O. Edzard, M. Stol: Mesopotamien - die altbabylonische Zeit. Orbis biblicus et orientalis (OBO) 160,4. Academic Press u. Vandenhoeck & Ruprecht, Freiburg - Göttingen 2004, ISBN 3-525-53063-3 ISSN 1015-1850.
- Domenique Charpin: Hammu-rabi de Babylone. Presses Univ. de France (PUF), Paris 2003. ISBN 2-13-053963-7.
- Ulrike Sals: Die Biographie der „Hure Babylon“. Studien zur Intertextualiät der Babylon-Texte in der Bibel. Mohr Sibeck Verlag, Tübingen 2004. ISBN 3-16-148431-2.
Ausgrabungsberichte
- Robert Koldewey: Das wieder erstehende Babylon. Leipzig, 4. erw. Auflage 1925; Neuauflage Beck: München, 1990 ISBN 3-406-31674-3.
- Robert Koldewey: Die Königsburgen von Babylon, Die Südburg, Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Babylon. 5, Leipzig 1931-1932
- Robert Koldewey: Die Königsburgen von Babylon, Die Hauptburg und der Sommerpalast Nebukadnezars im Hügel Babil, Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Babylon. 6, Leipzig 1931
Weblinks
- Informationen zu Babylon im BAM-Portal
- Ausstellung „Babylon, Mythos und Wahrheit“ in Berlin
- Reiseführer nach Babylon mit Google Earth
- Babylon und einige Bilder auf den folgenden Seiten.
- Warum Babylon? Wie die Bezeichnung bei den Rastafari entstand.
Anmerkungen und Belege
- ↑ Dietz Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen, Beck, München 2004, S. 121.
- ↑ 2,0 2,1 Miklós Köszeghy: Der Streit um Babel in den Büchern Jesaja und Jeremia. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019823-4, S. 116.
- ↑ Dietz-Otto Edzard: Namen, Namengebung (A). In Dietz-Otto Edzard u.a.: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Bd. 9. de Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-1101-7296-8, S. 102, vgl. auch Dietz-Otto Edzard, Gertrud Farber: Répertoire Géographique des Textes Cunéiformes II, Die Orts- und Gewässernamen der Ur III Zeit. In: Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO). Reihe B, Nr. 7/2. Wiesbaden 1974, S. 21.
- ↑ Othmar Keel: Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-50177-1, S. 603.
- ↑ Amanda H. Podany, The Land of Hana. Kings, chronology and scribal tradition. Bethesda, CDL-Press 2002, 1, Anm 2
- ↑ H. Gasche et al., Dating the fall of Babylon: a reappraisal of second-millennium chronology. Mesopotamian history and environment, Memoirs 4. Ghent, University of Ghent and the Oriental Institute of the University of Chicago 1998.
- ↑ Amanda H. Podany, The Land of Hana. Kings, chronology and scribal tradition. Bethesda, CDL-Press 2002, 2
- ↑ Eva Strommenger, Wolfram Nagel, Christian Eder: Von Gudea bis Hammurapi. Grundzüge der Kunst und Geschichte in Altvorderasien. Böhlau Verlag, Köln 2005, S. 217 f
- ↑ Hörfunk-Korrespondent Carsten Kühntopp: „Von der Wiege der Menschheit zum Armeestützpunkt (nicht mehr online verfügbar)“ für Tagesschau.de vom 26. Juni 2008
- ↑ Reiner Luyken: „Der Banausen-Bau zu Babel“ - Die Zeit Nr. 31, S. 27
- ↑ Leonard Cohen: Ten New Songs Musikalbum, 2001.
- ↑ Jan Ole Jöhnk: Chumbawamba: On Ebay. www.fluter.de, 1. November 2005
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