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Die Kugelspielerin (Düsseldorf)
Die Kugelspielerin ist eine Bronzeskulptur des Bildhauers Walter Schott und gilt als dessen Hauptwerk. Sie entstand 1897 in Berlin. Ein Guss steht im Blumengarten an der Königsallee in Düsseldorf.
Beschreibung und Bedeutung
Die 1,36 Meter hohe Statue zeigt die Figur einer jungen Frau beim Wurf einer Kugel. In leicht gekrümmter Haltung, den linken Arm zum Ausbalancieren auf den Rücken genommen, wirft sie die Kugel gezielt – wie beim Boccia- oder Boule-Spiel – aus der geöffneten Hand des nach vorn gestreckten rechten Arms. Ihr Blick ist auf den ballistischen Zielpunkt des Wurfs fixiert. Die welligen Strähnen des langen Haupthaars fallen ihr auf die Schultern und unterstreichen den natürlichen und dynamischen Charakter der Figur. Der Saum ihres armfreien, in der Taille gegürteten, leichten Kleides, das wie ein zartes Negligé wirkt und die Körperformen detailliert nachzeichnet, wirbelt im Luftstrom der Bewegung. Die Figur fußt auf einer runden Plinthe, deren Seitenfläche mit einem Doppelmäander (Laufender Hund) verziert ist.
Die Darstellung rezipiert die Bildhauerei der Antike in einer Kunstauffassung, die von Neobarock, Neoklassizismus, Naturalismus und Jugendstil geprägt ist, und steht in der Tradition antiker und nachantiker Genrestatuen, die den menschlichen Körper in klassischen Posen, Bewegungen und Verrichtungen wiedergeben. Gleichzeitig formuliert sie das Schönheitsideal der Lebensreform des ausgehenden 19. Jahrhunderts, indem sie den weiblichen Körper, barfüßig und befreit von steifer Kleidung, in natürlicher und sportlicher Bewegung zeigt.
Geschichte und Rezeption
Die Figur schuf Schott, ein Vertreter der Berliner Bildhauerschule, als auftragsfreie Arbeit unter den Augen seines Künstlerfreundes Reinhold Begas,[1] erst als Statuette nach einer Reihe von Skizzen, dann als Arbeit nach einem Modell. Inspiriert wurde er durch die Beobachtung mit Murmeln spielender Kinder in Berlin. Bildhauerisches Vorbild war die berühmte „tanzende Mänade“ des griechischen Bildhauers Skopas aus der Zeit um 330 v. Chr. Schotts Figur einer Kindfrau mit „eindeutig erotischer Ausstrahlung“, einer Mischung aus Jungfrau und Femme fatale, erinnert an zeitgenössische literarische Figuren wie Ibsens Nora und Wedekinds Lulu.[2] Sie ist kein typisches Werk des Künstlers, der im öffentlichen und staatlichen Auftrag zahlreiche Reitermonumente und Kriegerdenkmäler fertigte. Er griff mit der Figur ein Sujet auf, das in der Nachfolge Georg Christian Freunds Kugelspieler (1857) und Adolf Hildebrands Kugelspieler (1885/1886) ein beliebtes Genremotiv der Berliner Bildhauerschule wurde.[3] Über Schotts Kugelspielerin sagte Begas einige Jahre später, sie sei „die beste Figur, die im letzten Jahrhundert entstanden ist.“[4]
Das Werk traf den Geschmack des Kunstpublikums und wurde ein großer Erfolg. Sein Schöpfer wurde 1898 zum Professor ernannt. Die Figur wurde in zwei Ausführungen geschaffen – zunächst unbekleidet, dann mit einem Kleid bedeckt – und in den unterschiedlichsten Materialien ausgeformt, etwa 1910 von der Königlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur Meissen zu deren 200-jährigen Jubiläum in Meißner Porzellan. Sie entwickelte sich zum Verkaufsschlager des internationalen Kunsthandels. Ein Guss befindet sich vor der Mercedes-Benz-Hauptverwaltung Mannheim. Auch im Garten von Schloss Wolfsgarten in Hessen befindet sich ein Guss.[5][6] Ein weiterer Guss von Walter Gladenbeck (1866–1945), dessen Kunstgießerei in Friedrichshagen auch Statuetten der Figur goss,[7][8] stand ab 1925 im Luisenhain vor dem Rathaus in Berlin-Köpenick und verschwand dort Anfang der 1950er Jahre spurlos.[9] Als Fehler erwies sich die Behauptung des Künstlerlexikons Thieme-Becker, einen Guss besäße die Alte Nationalgalerie in Berlin.[10] Kolportiert wurde lange auch, dass ein Guss nach New York gelangte.[11][12] Fotografien der Skulptur wurden als Postkarten vermarktet.
Als Bronzeskulptur war die Figur auf der Großen Berliner Kunstausstellung des Jahres 1897 zum ersten Mal öffentlich zu sehen. 1898 stellte man eine Marmor-Version der Figur auf der Jahres-Ausstellung im Glaspalast München aus.[13][14] Auf der Deutsch-Nationalen Kunstausstellung des Jahres 1902 in Düsseldorf dominierte die Kugelspielerin den Ausstellungsraum des Vereins Berliner Künstler im Kunstpalast.
Der Düsseldorfer Stadtverordnete und Fabrikbesitzer Gustav Herzfeld (1828–1917) erwarb einen Guss, vermutlich den in Düsseldorf gezeigten, und machte ihn im Jahr 1902 seiner Stadt „zur Erinnerung an die so großartig verlaufene Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf“ zum Geschenk.[15] Zunächst präsentierte man die Statue im Treppenhaus der Kunsthalle.[16] Zur Verschönerung der Königsallee wurde sie 1932[17] in der Achse des Stadtgrabens in einem Blumenparterre nahe der Graf-Adolf-Straße aufgestellt.[18] In der Zeit des Nationalsozialismus sollte die Figur von dort wieder verschwinden, weil ihr Spender jüdischer Herkunft war. Peter Grund, dem Direktor der Kunstakademie Düsseldorf und Leiter der Landesstelle Rheinland der Reichskammer der bildenden Künste, gelang es 1935, die Beseitigung des Kunstwerks abzuwenden, indem er vorschlug, bloß die Stiftertafel zu entfernen.[19][20]
1951 und 1964 wurde die Figur durch Vandalismus vom Sockel gerissen und musste instand gesetzt werden.[21] 2018 fertigte die Düsseldorfer Kunstgießerei Schmäke einen Abguss der Düsseldorfer Kugelspielerin, damit Anfang 2019 durch den Verein Volkspark Luisenhain Berlin-Köpenick und die Bürgerinitiative Luisenhain mit Unterstützung des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick eine Kopie im Luisenhain Köpenick aufgestellt werden konnte.[22]
Literatur
- Gisela Schlemmer: Walter Schott (1861–1938). Leben und Werk eines Berliner Bildhauers der Wilhelminischen Zeit. Dissertation, Freie Universität Berlin, Berlin 1994, S. 79 ff.
- Wolfgang Funken: Ars Publica Düsseldorf. Geschichte der Kunstwerke und kulturellen Zeichen im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt. Band 1: Altstadt, Carlstadt, Stadtmitte, Hofgarten, Pempelfort. Klartext Verlag, Essen 2012, ISBN 978-3-83750-775-1, Objekt-Nr. 0266, S. 315.
Weblinks
- Die Kugelspielerin, Erläuterung im Portal skulpturia.de
- Walter Schott, Statuetten der Kugelspielerin als Auktionsresultate im Portal artnet.de
Einzelnachweise
- ↑ Waldemar Grzimek: Berliner Kunst von 1770–1930. Studiensammlung. Berliner Kunst aus Privatbesitz. Berlin Museum, Berlin 1982, S. 89
- ↑ Hans Sonntag: Porzellan-Ikone mit „lieblichem Gesichtchen“. Artikel vom 27. September 2018 im Portal meissnertageblatt.de, abgerufen am 21. November 2018
- ↑ Ursula Heiderich: Die Skulpturen in der Kunsthalle Bremen. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 1993, ISBN 978-3-92990-204-4, S. 337
- ↑ Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz, Gebr. Mann, Band 8, Berlin 1971, S. 181
- ↑ Hans Gerlach: Die Gartenanlagen von Schloß Wolfsgarten. In: Die Gartenwelt. Illustrierte Wochenschrift für den gesamten Gartenbau. Jahrgang XXI, Nr. 6 (9. Februar 1917), S. 67, Abb. 3: „Kugelwerferin im Park des Jagdschlosses Wolfsgarten“, Aufnahme von Susanna Hohmann (PDF)
- ↑ Historisches Foto aus dem Schlosspark Wolfsgarten
- ↑ Bronzen, Katalog der Akt.-Ges. vorm. H. Gladenbeck & Sohn, Bildgießerei, Berlin-Friedrichshagen, um 1910, S. B 68, Nr. 1841
- ↑ ‚Kugelwerferin‘, 1897 – Schott, Walter, Webseite im Portal quittenbaum.de, abgerufen am 12. Oktober 2020
- ↑ Die Kugelspielerin kehrt zurück, Artikel vom 24. Dezember 2018 im Portal abendblatt-berlin.de, abgerufen am 12. Oktober 2020
- ↑ Ralf Drescher: Trotz Suche: Plastik bleibt verschwunden. Artikel vom 4. April 2016 im Portal berliner-woche.de, abgerufen am 21. November 2020
- ↑ Hans Maes (Hrsg.), Alfons Houben u. a.: Düsseldorf in Stein und Bronze. Triltsch Verlag, 2. neu bearbeitete Auflage, Düsseldorf 1984, ISBN 3-7998-0018-2, S. 75.
- ↑ Vermutet wird eine Verwechslung mit Schotts Figurengruppe Drei tanzende Mädchen (vor 1910), eine Schenkung von Irwin Untermyer (1886–1973) zur Erinnerung an dessen Vater Samuel Untermyer („Untermyer Foutain“ im Central Park, New York).
- ↑ Münchener Jahres-Ausstellung Glaspalast 1898. Offizieller Katalog, München 1898, S. 136, Nr. 1591, Saal 61 (Digitalisat)
- ↑ Die Kunst für alle. Jahrgang XIII (1897/1898), Heft 21 (1. August 1898), S. 333 (Digitalisat)
- ↑ Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Düsseldorf für den Zeitraum vom 1. April 1902 bis 31. März 1903. Düsseldorf 1903, S. 93 (Digitalisat)
- ↑ Verzeichnis der in der Städtischen Gemälde-Sammlung befindlichen Kunstwerke. Düsseldorf 1902, S. 59, Nr. 152 (Digitalisat)
- ↑ Valentina Meissner: "Kugelspielerin" wieder zurück im Kö-Gärtchen. In: duesseldorf.de, abgerufen am 12. Oktober 2020.
- ↑ Hugo Weidenhaupt (Hrsg.): Ein nichtarischer Deutscher. Die Tagebücher des Albert Herzfeld 1935–1939. Triltsch Verlag, Düsseldorf 1982, S. 8
- ↑ Rolf Purpar: Kunststadt Düsseldorf. Objekte und Denkmäler im Stadtbild. Grupello Verlag, 2. Auflage, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-89978-044-4, S. 74
- ↑ Carolin Scholz: Die Königsallee auf den zweiten Blick, Artikel vom 5. Januar 2016 im Portal wz.de, abgerufen am 12. Oktober 2020
- ↑ Daniel Schrader: Wie die Kugelspielerin eine Schwester bekam, Artikel vom 1. April 2019 im Portal giesserei.eu, abgerufen am 12. Oktober 2020
- ↑ Ralf Descher: „Die Kugelspielerin“ steht wieder im Luisenhain, Artikel vom 23. Januar 2019 im Portal berliner-woche.de, abgerufen am 12. Oktober 2020
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