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Monogamie
Monogamie (altgr. μόνος mónos „allein“, „einzig“ und gr. γάμος gamos „Ehe“) bezeichnet die lebenslange exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft zwischen zwei Individuen einer Art. Im Gegensatz dazu stehen polygame Verhaltensmuster wie z. B. Polyamory, Polyandrie, Polygynie oder Promiskuität. Bei der Polyandrie oder Polygynie kann auch nur einer der Partner wechselnde Sexualkontakte haben, während sich der andere Partner monogam verhält.
Biologische Ursachen von Monogamie
In der Biologie wird zwischen sozialer und sexueller Monogamie unterschieden. Bei sozialer Monogamie ziehen die Individuen als Paar die Jungtiere auf, können aber zusätzliche Sexualkontakte haben. Nur wenige Säugerarten leben zumindest in Phasen der Jungenaufzucht sozial monogam, aber mehr als 90 Prozent aller Vögel.[1]
Gemeinsame Jungenaufzucht
Verhaltensbiologen postulieren eine Korrelation zwischen der Intensität der Partnerbindung und dem Aufwand an elterlicher Fürsorge für den Nachwuchs. Danach steigt die Wahrscheinlichkeit für sozial monogames Verhalten mit dem notwendigen zu erbringenden elterlichen Aufwand für die Jungenaufzucht. Unter Nestflüchtern sollte daher Monogamie weniger verbreitet sein als unter Nesthockern. Genetische Studien über sozial monogam lebenden Vögeln zeigen, dass ein erheblicher Teil der Jungtiere nicht vom Männchen gezeugt wurde, das sich in scheinbar fester Paarbindung um "seinen" Nachwuchs kümmert. [2][3] Gemeinsame Jungenaufzucht bedeutet daher nicht, dass ein Paar ausschließlich miteinander Sexualkontakte hat. Ein Zusammenhang zwischen Monogamie und einer gemeinsamen Aufzucht des Nachwuchses ist auch empirisch nicht belegt.[4]
Weibliche Strategien
Der Interessenskonflikt der Geschlechter bei der Paarung führt nach Studien zu verschiedenen Strategien der Weibchen zum Erhalt des Paarungsstatus.
Aggressivität
Die innerartlichen Aggressivität von Weibchen während der Brutzeit kann verschiedene Funktionen haben, wie z. B. Monopoliserung vorhandener Ressourcen, Abwehr eines innerartlichen Brutparasitismus oder Verteidigung des Paarungsstatus.[5] Untersuchungen zeigen, dass die Monogamie bei manchen Vogelarten auch durch Aggressivität der Weibchen gegenüber anderen Weibchen verursacht wird.[6] Z. B. vertreiben die Weibchen des europäischen Stars[7], des Haussperlings[8] und des Fliegenschnäppers[9] aggressiv andere Weibchen aus ihrer Nähe, die sich noch nicht verpaart haben. Dabei sind die Weibchen des europäischen Stars in der Zeit der Werbung aggressiver, aber auch wenn das Männchen Zugang zu einem weiteren Nest hat, mit dem es ein zweites Weibchen zur Paarung anlocken kann.[5] Mit diesem Verhalten scheinen sich die Weibchen den ungeteilten Beitrag des Männchens zur Jungenaufzucht zu sichern. Bei anderen Arten wie z. B. dem Moorschneehuhn oder Raufußhuhn, bei denen die Männchen keinen Beitrag zur Jungenaufzucht leisten, scheinen sich damit die Weibchen begrenzte Nahrungsressourcen für ihren Nachwuchs zu sichern.[10]
Auch beim Gemeinen Seitenfleckleguan verhindert die Aggressivität der Weibchen in ihrem Revier, dass ein Männchen mehr als ein Weibchen monopolisieren kann.[11] Bei Säugetieren verhalten sich z. B. die Weibchen der Paviane aggressiv gegenüber den Weibchen, die Interesse an ihrem Männchen zeigen oder an denen das Männchen Interesse zeigt.[12] Bei anderen, sozial organisierten Säugetieren wie dem Afrikanischen Wildhund, Wölfen oder Schakalen verhindet weibliche Aggressivität die Schwangerschaft von rangniederen Weibchen. Das Alpha-Männchen dieser Tiere lebt daher sozial polygyn, aber monogam bezüglich der Fortplanzung.[13][14][15]
Die Weibchen des Totengräbers Nicrophorus defodiens verhalten sich aggressiv gegenüber ihrem Männchen und attackieren es z. B. mit Bissen, sobald es mit Pheromonen weitere Weibchen zur Kopulation anlockt, deren Eier dann im gleichen Leichnam platziert würden.[16]
Partner-Bewachung
Nach der „Mate-Guarding Hypothesis“ sollten Weibchen Sex-Dienste zur Kontrolle über das Paarungsverhaltens des Männchens anbieten, wenn die Gefahr besteht, dass es sich mit einem anderen Weibchen verpaaren möchte. Diese Form der Bewachung findet sich allerdings kaum bei sozial monogamen Arten.[17]
Beim europäischen Star bieten sich manche Weibchen ihrem Männchen pro Stunde wiederholt zur Kopulation an, z. B. wenn das Männchen versucht mit seinem Gesang ein weiteres Weibchen anzulocken. Diese Verhalten praktizieren Weibchen bis zu vier Tage nachdem die Jungen geschlüpft sind, was als weibliche Kontrolle über das Paarungsverhalten des Männchens interpretiert werden kann.[18][19] Bei der Blaumeise bewachen Weibchen ein Männchen in Abhängigkeit seiner Attraktivität.[20] Auch bei manchen Säugetieren, wie z. B. den Dikdiks scheint sich Monogamie aus der Partner-Bewachung entwickelt zu haben.[21]
Genetische Grundlagen von monogamen Verhalten
Eine Gruppe von US-amerikanischen Neurobiologen untersuchte die genetischen Grundlagen von monogamem Verhalten und publizierte 2004 die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature.[22] Die Forscher hatten zwei nahe verwandte Arten der Wühlmaus untersucht, die Wiesenwühlmaus (Microtus pennsylvanicus) und die Präriewühlmaus (Microtus ochrogaster). Die Männchen der Wiesenwühlmaus leben einzelgängerisch und polygam, während die Männchen der Präriewühlmaus in der Natur in einer lebenslangen Brutpflegegemeinschaft leben, die jedoch nicht immer sexuell exklusiv ist. Die Forscher fanden einen neurophysiologischen Unterschied bei den Männchen beider Arten. Die monogam lebenden Präriewühlmäuse hatten deutlich mehr Rezeptoren für Vasopressin als die Wiesenwühlmäuse. Die Forscher isolierten das Gen, das für die Herstellung des Vasopressin-Rezeptors verantwortlich ist und schleusten dieses Gen ins Vorderhirn von Männchen der polygamen Art ein. Das Ergebnis beschrieben die Autoren als „we substantially increase partner preference formation“ („wir erhöhen wesentlich die Ausbildung einer Paarbildungsverhaltens“). Ein einziges Gen könne also komplexes Sozialverhalten beeinflussen und daher eine Erklärung dafür sein, dass sich das Sozialverhalten im Verlauf der Stammesgeschichte gelegentlich relativ rasch zu ändern scheint. Larry Young, einer der Autoren der Studie, wies darauf hin, dass eine Übertragung der Ergebnisse auf menschliches Verhalten nicht möglich ist, weil die Anordnung der Vasopressin-Rezeptoren im Gehirn von Menschen nicht mit der bei Wühlmäusen vergleichbar ist.[23]
Der Populationsgenetiker Dr. Gerald Heckel vom Zoologischen Institut der Universität Bern wies im Juli 2006 nach, dass keineswegs allein das von den US-Forschern identifizierte Gen für das monogame Verhalten der Mäuse verantwortlich sein kann.[24] Der Berner Forscher analysierte die DNA von 25 Mausarten und entdeckte die monogame Variante des so genannten „Treue-Gens“ in allen untersuchten Tierarten, außer in der erwähnten polygamen Mausart sowie in einer weiteren, gleichfalls polygamen Mausart. Gleichwohl leben fast alle der untersuchten Arten trotz vorhandenem „Treue-Gen“ polygam. Demnach kann kein allgemeiner Zusammenhang zwischen genetischen und sozialen Verhaltensmustern und dem Fehlen oder Vorhandensein bestimmter, natürlicher Varianten des „Treue-Gens" existieren. In einer Pressemitteilung der Universität Bern[25] erläuterte Dr. Heckel, dass die Ergebnisse seiner Studie zeigten, „dass Monogamie bei Säugetieren unabhängig von der geringfügigen Veränderung nur dieses einzigen Gens entstand: Die simple genetische Programmierung eines so komplexen und wichtigen Verhaltens wie des Paarungsverhaltens ist sehr unwahrscheinlich. “Ein genetisch starr programmiertes Paarungsverhalten wäre zudem „sicherlich von Nachteil für Organismen wie Nagetiere, die stark variierende Populationsdichten aufweisen und ihre Fortpflanzungsstrategie ständig an wechselnde Bedingungen anpassen müssen."
Sexualhormone
Bei der Paarbindung wirkt das Sexualhormon Oxytocin, das beim Menschen wichtige Funktionen bei der Geburt hat und einigen Studien zufolge nach Verabreichung in die Nase einen kurzfristigen Vertrauensanstieg bewirkt.[26][27]
Monogamie bei Säugetieren
Monogamie ist unter Säugerarten mit zirka 3 % - 5 %[28][29] und mit 10 % - 15 %[30] auch bei Primaten wenig verbreitet.
Monogamie bei Primaten
Monogamie wird mindestens vierzehn der rund 200 heute lebenden Primatenarten zugeschrieben. Bei den ausgeprägt monogamen Arten wie den Krallenaffen wurde ein wesentlich größeres Engagement der Männchen bei der Aufzucht der Jungen beschrieben als bei nicht monogamen Arten. Die Gibbons leben weitgehend monogam auf einem von beiden Partnern verteidigten Territorium, während die dem Menschen näher verwandten Bonobos und Schimpansen sich polyamorös bzw. polygam verhalten.
Monogamie beim Menschen
Anthropologen und Sozialwissenschaflter verwenden den Begriff „Monogamie“ beim Menschen oft als „soziale Monogamie“, die in menschlichen Gesellschaften häufig als monogame Ehe definiert wird.[31]
Da es über das soziale Leben der stammesgeschichtlich unmittelbaren Vorfahren des Menschen keine Daten gibt, untersucht man stattdessen „ursprünglich“ lebende menschliche Gesellschaften.[32] Der Anthropologe George P. Murdock veröffentlichte 1949 Untersuchungen zur Sozialstruktur von 238 verschiedenen menschlichen Gemeinschaften auf der ganzen Welt. Dabei war das System der monogamen Ehe in 43 Gemeinschaften vorhanden.[33] Daraus wurde geschlossen, dass vor dem Kontakt mit der westlichen Welt 80 % der menschlichen Gemeinschaften polygyn lebten.[34] Da ein Harem Männern mit Macht und sozialem Status vorbehalten war, lebten aber die meisten Männer mit einer Frau zusammen.[35]
Andere Schätzungen von Anthropologen über die Häufigkeit monogamer menschlicher Gesellschaften bewegen sich zwischen zirka 20 und 50 Prozent, haben aber den Mangel, dass sie nur die offiziellen Verhältnisse widerspiegeln, nicht aber die tatsächlich gelebte Praxis. Gleichwohl lassen sich diese Schätzungen so interpretieren, dass streng eingehaltene Monogamie eine eher seltene Verhaltensweise in menschlichen Gesellschaften ist.[36] Neuere anthropologische Untersuchungen, wie z. B. von Helen Fisher, zeigen Verhaltensmuster wie Seitensprünge und den Wechsel von Partnern als in allen Epochen bis zur Frühgeschichte wiederkehrende Merkmale des menschlichem Paarungsverhaltens auf.[37] Neben traditionell polygamen Kulturen, beispielsweise in Afrika, treten heute polyamore Beziehungsformen zum Beispiel in Nordamerika, Westeuropa und Australien auf.
Durch genetische Untersuchungen am X-Chromosom und Autosomen wurden Argumente für Polygynie über lange Zeiträume der menschlichen Evolution gefunden, wobei sich die Ergebnisse geographisch unterscheiden.[38][39] Für Zeit der menschlichen Expansion von Afrika vor 80.000 bis 100.000 Jahren, zeigen Untersuchungen der mitochondrialen DNA eine Zunahme der weiblichen, aber keine wesentliche Zunahme der männlichen Population der Frühmenschen. Erst vor 18.000 nahm auch die männliche Popluation der Menschen zu, was mit dem Aufkommen des Ackerbaus zusammenfällt.[40][41] Aus den Ergebnissen wurde z. B. geschlossen, dass polygynes Verhalten menschlicher Gemeinschaften durch unterschiedliche Anforderungen der Umwelt verschieden ausgeprägt war und mit dem Aufkommen des Ackerbaus eine Veränderung hin zur Monogamie statt fand.[40][42] Für den heutigen Menschen zeigen Untersuchungen rezessiver Erbanlagen (z. B. Blutgruppen) von Eltern und Kindern, je nach Land und Region, einen Anteil unehelich gezeugten Kindern zwischen 5 % und 30 %.[43][44][45] Nach verschiedenen Studien seit den 50-iger Jahren haben z. B. in den USA 20-40 % der Frauen und 30-50 % der Männer mindestens eine Affäre während der Ehe[46][47][48][49][50] Dabei tendieren Männer dazu ihre Kontakte zu übertreiben, während Frauen sie verheimlichen.[51]
Monogamie und Ehe
Die Bezeichnung Monogamie wird auch für die „Einehe“ benutzt, bei der das Rechtsinstitut der Ehe nur für eine Paarbeziehung offensteht und Bigamie, Mehrehe oder Harembildung ausgeschlossen sind. Manche Rechtssysteme sanktionieren sowohl das Eingehen einer Mehrehe als auch den Ehebruch. Bis ins Jahr 2011 gab z. B. in Malta keine Möglichkeit der Scheidung.[52] Die Erwartung der ehelichen Treue besteht in einigen Kulturen sogar über den Tod eines Ehepartners hinaus. Diese Koppelung von Monogamie und Ehe ist heute in der westlichen Welt eher unüblich und wird häufig für die Art des Zusammenlebens mit einem einzigen Sexualpartner unabhängig von der Rechtsform benutzt.
Serielle Monogamie
Die mittlerweile liberalere sexuelle Praxis in der Kultur der westlichen Neuzeit sowie die Einfachheit von Scheidung und Wiederverheiratung innerhalb des gleichen nationalen Rechtssystems haben zu einem Anstieg der sogenannten „seriellen Monogamie“ geführt. Bei der seriellen Monogamie haben Personen mehrere aufeinanderfolgende monogame Beziehungen, die sie nach einer gewissen Zeit beenden. Dieses Verhalten hat einen fließenden Übergang zur Promiskuität.
Serielle Monogamie kann als eingeschränkte Polygynie aufgefasst werden, die einer Befriedung der breiten Masse von Männer und damit den Interessen der Elite einer Gemeinschaft dient.[53]
Siehe auch
Literatur
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Weblinks
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- ↑ N.-P. Lagerlöf: Pacifying Monogamy: The Mystery Revisited. In: Journal of Economic Growth. 15, Nr. 3, Mai 2010, S. 235-262. doi:10.1007/s10887-010-9056-8. Abgerufen am 14. September 2012.
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