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Fluchthilfe

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Fluchthilfe bezeichnet die Hilfe zur Flucht beispielsweise aus einem Gefängnis oder aus einem Land in ein anderes Land.

Formen der Fluchthilfe

Die Motive und Methoden für eine Fluchthilfe können politischer, persönlicher, moralischer oder kommerzieller Natur sein. Oftmals vermischen sich die Motive für Fluchthilfe, teilweise werden lautere Gründe nur vorgeschoben. Die Fluchthelfer werden negativ wertend meist als Schleuser, Schlepper oder Menschenhändler bezeichnet.

Einerseits kann es die humanitäre Hilfe für Angehörige einer Gruppe von Menschen sein, die in einem Land politisch verfolgt oder gar von Völkermord bedroht sind wie etwa die Juden vom Holocaust, andererseits kann es eine kommerzielle Aktion sein, die Menschen aus einem Lande zu fliehen hilft, die nicht unmittelbar bedroht sind, aber es aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen verlassen wollen. Dabei kann einmal das Verlassen des Landes die Hauptschwierigkeit sein (Beispiel DDR) oder das Finden eines Staates, der aufnahmebereit ist, wie im Falle der boat people. Schließlich kann es aber auch als Fluchthilfe (im zweiten Sinne) getarnten Menschenhandel bezeichnen, wenn Schlepper Personen in ein Land einschleusen, um dann ihren illegalen Status auszunutzen, um sie zu Prostitution zu zwingen oder auch in moderner Sklaverei zu halten. Die Schlepper nehmen Gesundheitsrisiken und Lebensgefahr der geschmuggelten Personen für ihre geschäftsmäßig betriebene Hilfe in Kauf; gleichzeitig verlangen sie oft hohe Provisionen für den illegalen Grenzübertritt.

Alle diese Formen von Fluchthilfe, ob kriminell, kommerziell oder humanitär, geraten in Konflikt mit den staatlichen Autoritäten, die zur Abwehr illegaler Einwanderung (Fluchtabwehr) ihre Grenzen weitgehend schließen (Schengener Abkommen, Asylrecht, Genfer Flüchtlingskonvention).

Fluchthilfe kann auch die Hilfe zur Flucht vor staatlichen Verfolgungsbehörden (NSU), aus einem Gefängnis, aus einem Konzentrationslager oder aus moderner Sklaverei bezeichnen.

Als Fluchthilfe wird gelegentlich auch die humanitäre Aktion bezeichnet, die Menschen zu helfen versucht, die durch skrupellose Fluchthelfer in Lebensgefahr gebracht worden sind, wie etwa im Fall der boat people. Bei der Kritik an solchen Aktionen wird darauf verwiesen, dass der humanitäre Helfer den Staat, der die illegale Einwanderung nicht zulassen will, erpresst. Ein bekanntes Beispiel aus neuerer Zeit ist die Aktion der Cap Anamur im Juli 2004 vor Italien. Ähnlich gelagert war die Ha'apala, das heißt die nach britischem Recht illegale Migration nach Palästina vor der Gründung des Staates Israel.

Fluchthilfe im Zweiten Weltkrieg

Rettende Grenzübertritte

Während des Zweiten Weltkrieges suchten in Deutschland und in besetzten Gebieten viele Flüchtlinge, denen Tod oder Gefängnis drohte, die Dienste von Fluchthelfern. Bekannt wurde der St. Galler Polizeikommandant Paul Grüninger, weil er mehrere hundert, vielleicht einige tausend jüdische Flüchtlinge ins Land einreisen ließ. Er wurde abgesetzt und gerichtlich verurteilt, verlor seine Pension und fand bis ans Lebensende 1971 keine geregelte Arbeit mehr. Andere Fluchthelfer sind ins KZ eingeliefert, zu Gefängnisstrafen verurteilt, oder nachts erschossen worden. Die in der Schweiz verurteilten Fluchthelfer werden dank eines neuen Gesetzes seit 2003 rehabilitiert. Herbert Herden und weitere werden heute wegen ihrer Hilfsaktionen für Juden zu den Gerechten unter den Völkern gerechnet. Der bekannte Film Casablanca (Film) handelt von Personen, die durch einen Fluchthelfer dem NS-nahen Vichy-Regime zu entgehen versuchen.

Untertauchen als inländischer Flüchtling

Fluchthelfer innerhalb des Nazi-Machtbereichs wurden häufig Judenhelfer oder -retter genannt. Ihre Tat galt dort als quasi nach den neuen Machtverhältnissen strafbare "Judenbegünstigung". Viele jüdische Einwohner Deutschlands oder von Deutschland besetzter Länder gingen nicht zu einem Zeitpunkt in die Emigration, zu dem das von den neuen Machthabern noch gestattet wurde. Zum Teil lag das auch an den Aufnahmebedingungen der fremden Länder. Zum anderen an der Hoffnung, im Heimatland nicht am Leben bedroht zu sein. Mit Erlass von Ausreiseverboten durch die Nationalsozialistische Regierung schloss sich das Heimatland wie eine Mausefalle zu. In Deutschland war das 1941. Die Bürger waren im eigenen Land nicht sicher und konnten es wiederum nur illegal und unter Lebensgefahr für sich und evtl. Helfende verlassen. Daher entschieden sich eine große Zahl von jüdischen Einwohnern als so genanntes U-Boot in die Illegalität im eigenen Land abzutauchen. Sie wollten damit immerhin das Risiko des Grenzübertritts vermeiden. In aller Regel waren sie dabei auf die Unterstützung vieler Helfer, sehr oft Personen, die sie vorher nicht kennen- und einschätzen lernen konnten, angewiesen. Alle sonstigen Merkmale der Fluchthilfe, außer dem Grenzübertritt, trafen auf diese Situation zu.

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Fluchthilfe an der innerdeutschen Grenze

Nach dem 2. Weltkrieg galt die Fluchthilfe aus der DDR in die Bundesrepublik dort als ehrenwerte Handlung, auch wenn recht hohe Bezahlung angenommen wurde. Die Bewertung der Fluchthilfe hängt stark von der Bewertung der Fluchtgründe einerseits, der Motive des Helfers andererseits ab. Oftmals brechen die Helfer aktiv Gesetze sowohl des Fluchtlandes als auch des Ziellandes. Bei Fluchthilfeaktionen aus der DDR betraten die Helfer teilweise bewaffnet ein militärisch gesichertes Gebiet. Vereinzelt kam es auch zu Schusswechseln, bei denen die Propaganda in Ost und West jeweils die Gegenseite als Verursacher beschuldigte. Bekannt wurde der Fall des Fluchthelfers Rudolf Müller, der den Soldaten der Grenztruppen der DDR Reinhold Huhn erschoss, und der Fluchthelfer Michael Gartenschläger, der bei einer Aktion gegen die DDR-Grenzanlagen von einem Spezialkommando erschossen wurde. Harry Seidel, ein früherer DDR-Radsportmeister, wurde für seine Fluchthilfe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf den Fluchthelfer Wolfgang Welsch verübte das Ministerium für Staatssicherheit mehrere Mordanschläge, mit Hilfe einer Autobombe, eines Scharfschützen und mit Gift. In der Bundesrepublik war die Anzeige von Fluchthilfe bei Dienststellen der DDR strafbar.

In den Anfangsjahren der deutschen Teilung wurden mehrere Fluchttunnel in Berlin gegraben, darunter die Tunnel 29 und 57 mit Ausgangspunkt in der Bernauer Straße. Die Tunnelbauer handelten oft aus ideellen Beweggründen oder um Angehörige aus der DDR zu holen. Insgesamt war die Fluchthilfe in der Zeit direkt nach dem Mauerbau meist spontan. Die Fluchthelfer kamen aus allen Schichten der Gesellschaft. Egbert Weiß hat die Rolle von Corpsstudenten bei der Fluchthilfe der Gruppe Fuchs in West-Berlin aufgearbeitet.[1] Mit der fortgesetzten Weiterentwicklung der Grenzanlagen und der Überwachung in der DDR wurde auch die Fluchthilfe professioneller und kommerzialisierte sich. Dadurch brachen die früheren Fluchthilfegruppen auseinander.

Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland unterstützte die Fluchthilfe in den Anfangsjahren, wenn auch verdeckt. Dazu nutzte das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Mitglieder der Parteien. Der Verfassungsschutz warnte Fluchthelfer, wenn sie durch die Staatssicherheit der DDR entdeckt wurden, und stellte Kontakte unter den Fluchthilfegruppen her.

Siehe auch

Einzelnachweise

Literatur

Fluchthelfer im Nationalsozialismus
Fluchthelfer an der innerdeutschen Grenze
  • Marion Detjen: Ein Loch in der Mauer. Die Geschichte der Fluchthilfe im geteilten Deutschland 1961–1989. Siedler, München 2005, ISBN 978-3-88680-834-2, S. 155–158 (Zugleich Dissertation an der Freien Universität Berlin 2005).
  • Uwe Johnson: "'Ich wollte keine Frage ausgelassen haben' Gespräche mit Fluchthelfern". Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, 248 Seiten.

Weblinks

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Fluchthilfe aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.