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Frühlings Erwachen
Daten des Dramas | |
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Titel: | Frühlings Erwachen – Eine Kindertragödie |
Gattung: | Satirisches Drama |
Originalsprache: | Deutsch |
Autor: | Frank Wedekind |
Erscheinungsjahr: | 1891 |
Uraufführung: | 20. November 1906 |
Ort der Uraufführung: | Berliner Kammerspielen, Berlin |
Personen | |
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Frühlings Erwachen (Untertitel „Eine Kindertragödie“) ist ein 1891 erschienenes gesellschaftskritisch-satirisches Drama von Frank Wedekind. Das Stück erzählt die Geschichte mehrerer Jugendlicher, die im Zuge ihrer Pubertät und der damit verbundenen sexuellen Neugier mit den Problemen psychischer Instabilität und gesellschaftlicher Intoleranz konfrontiert sind. Die Uraufführung fand erst am 20. November 1906 an den Berliner Kammerspielen unter der Regie von Max Reinhardt und – ungenannt – von Hermann Bahr[1] statt.
Wichtige Figuren
- Melchior Gabor ist ein intelligenter und vor allem aufgeklärter Gymnasiast mit einer liberalen Mutter, doch gerade sein fortschrittliches Denken bereitet ihm später große Probleme.
- Der fünfzehnjährige Moritz Stiefel ist einer der schlechtesten Schüler seiner Klasse. Seinem einzigen wirklichen Freund, Melchior Gabor, vertraut Moritz ein – neben den Schulleistungen – weiteres Problem an: die ersten „männlichen Regungen“.
- Wendla Bergmann ist ein wissbegieriges vierzehnjähriges Mädchen mit einer konservativ-bürgerlichen Mutter. Sie zeigt ähnlich wie Moritz Neugierde, wurde aber nie aufgeklärt, was ihr später zum Verhängnis wird.
- Der vermummte Herr (und analog dazu Ilse, das Malermodell) ist eine Figur, die für das Leben steht. Er ist Melchior, wie er selbst sagt „unbekannt“, da sich Melchior noch am Anfang seines Lebens befindet und erst wenige Erfahrungen gesammelt hat. Er taucht in der letzten Szene der Tragödie auf und bewegt Melchior dazu, sich dem Leben erneut zuzuwenden. Analog dazu fungiert die Figur der Ilse, die im 2. Akt (7. Szene) Moritz zum Leben/Spielen verführen will – hier jedoch ohne Erfolg.
Inhalt
1. Akt
Wendla Bergmann und ihre Mutter sind unterschiedlicher Auffassung über die Wahl des richtigen Kleides. Die Mutter will, dass ihre Tochter ein neues Kleid anzieht, das sie gerade genäht hat. Wendla dagegen hätte lieber weiterhin das alte, kürzere Kleidchen.
In der nächsten Szene reden Melchior Gabor und sein Freund Moritz Stiefel über ihre Zukunft, Erziehung und Sexualität. Dabei stellt sich Moritz als nicht aufgeklärt heraus. Anfangs will Melchior ihn mündlich aufklären, doch Moritz ist dies unangenehm. Schließlich einigen sich beide darauf, dass Melchior für Moritz schriftliche und bildliche Erläuterungen über die Fortpflanzung anfertigt und sie diesem am nächsten Tag unbemerkt zukommen lässt, sodass Moritz sie später in aller Ruhe lesen kann.
Wendla und ihre Mitschülerinnen Thea und Martha unterhalten sich über die Jungen aus Melchiors Klasse. Martha sagt, dass sie des Öfteren von ihren Eltern geschlagen wird, was bei Wendla Unverständnis und Neugierde weckt. Anschließend sprechen sie über die Möglichkeit, Kinder zu bekommen.
Vor dem Gymnasium dreht sich das Gespräch der Schüler vor allem um Moritz, der versetzungsgefährdet ist. Als dieser erscheint, berichtet er aufgeregt, dass er sich heimlich ins Konferenzzimmer geschlichen und aus den Unterlagen entnommen habe, dass er doch noch versetzt wird.
In der fünften und letzten Szene treffen sich Melchior und Wendla zufällig im Wald, wo Wendla eigentlich auf der Suche nach Waldmeister für ihre Mutter ist. Sie setzen sich unter eine Eiche und unterhalten sich. Im Laufe des Gespräches fordert Wendla Melchior auf, sie zu schlagen, da sie dies bisher nur vom Erzählen her kannte und es selbst erleben will. Auf Wendlas Flehen schlägt Melchior sie nach anfänglicher Weigerung erst zögerlich, dann immer heftiger. Er ist selbst erschüttert über sein Verhalten und flieht.
2. Akt
Am Abend treffen sich Melchior und Moritz in Melchiors Zimmer. Moritz klagt über den Schuldruck, der schwer auf ihm laste, und erzählt, dass er häufig an das Märchen von der „Königin ohne Kopf“ denken müsse. Als Melchiors Mutter ihnen Tee bringt, äußert sie zwar ihre Bedenken darüber, dass die beiden Goethes „Faust“ lesen, überlässt Melchior aber die Wahl seiner Bücher und zeigt damit ihre freie Erziehung und Toleranz gegenüber ihrem Sohn.
Unterdessen drängt Wendla, deren Schwester soeben ein Kind bekommen hat, ihre Mutter nachdrücklich dazu, sie aufzuklären. Diese gerät allerdings in Erklärungsnot, da der Anstand ihr gebietet, nicht über Sexualität zu reden. Wendla erfährt nur, dass Heirat und große Liebe erforderlich seien, um Kinder zu bekommen.
Hänschen Rilow, einer von Melchiors unverklemmteren Mitschülern, betrachtet auf der Toilette die Reproduktion eines Kunstwerks (Venus von Palma il Vecchio), während er sich selbst befriedigt, ausschweifende Phantasien schildert und das Bild anschließend in die Kloake fallen lässt.
Wendla trifft Melchior auf einem Heuboden an. Beide schlafen miteinander, ohne dass sich Wendla der Folgen dieser Handlung bewusst ist.
Melchiors Mutter beantwortet einen Brief von Moritz, der um Geld zur Flucht nach Amerika bittet. Sie schreibt, sie könne und wolle die Summe nicht aufbringen, erläutert Befremden über Moritz’ suizidale Anspielungen und spricht ihm Mut zu.
Nach Erhalt dieses Antwortschreibens ist Moritz entschlossen, seine Andeutungen in die Tat umzusetzen. In Todeserwartung durchstreift er das Gebüsch nahe einem Fluss, wobei er sein Leben Revue passieren lässt und sich schämt, Mensch gewesen zu sein, ohne das „Menschlichste“ – die körperliche Liebe – erfahren zu haben. Er wird von Ilse, einem jungen Modell, überrascht. Sie erzählt von ihren eigentümlichen Erlebnissen als Bohémienne in der Künstlerwelt und lädt Moritz ein mitzukommen. Moritz widersteht jedoch der verlockenden Aussicht und zieht sich ins Ufergebüsch zurück, wo er den Brief von Melchiors Mutter verbrennt und sich dann erschießt.
3. Akt
In einer Konferenz erläutert der Rektor vor den Professoren die durch Moritz’ Suizid hervorgerufene heikle Lage für das Gymnasium. Die versammelte Lehrerschaft ist am Thema völlig desinteressiert. In dieser Szene zeigt sich das Komisch-Tragische der Geschichte am deutlichsten: Die Lehrerschaft stimmt unter Leitung des Rektors ab, ob und welches Fenster geöffnet werden solle. Melchior wird gerufen und aufgrund seiner für Moritz angefertigten kommentierten Illustrationen beschuldigt, für den Tod seines Klassenkameraden verantwortlich zu sein. Er erhält keine Gelegenheit zur Rechtfertigung.
Moritz wird in Anwesenheit von Verwandten, Lehrern und Schülern durch den Pastor in strömendem Regen auf dem Friedhof beigesetzt. Der Tote wird aufgrund der Umstände seines Ablebens von den Erwachsenen scharf kritisiert; sein Vater betont sogar unter Tränen, Moritz sei nicht sein Sohn gewesen. Die Schüler stellen makabre Spekulationen über die Todesumstände an, bevor sie sich wieder ihren Schularbeiten zuwenden. Schließlich stehen noch Martha und Ilse, die Moritz tot auffand, vor dem Grab und nehmen Abschied. Martha bittet Ilse um die aufgefundene Pistole, jedoch will Ilse diese als Erinnerungsstück behalten.
Melchiors Rolle beim Tod seines Freundes führt bei seinen Eltern zum Streit. Während der Vater die liberalen Erziehungsmaßnahmen seiner Frau als Ursache sieht und über eine tiefgreifende Umformung von Melchior nachdenkt, stellt sich diese schützend vor ihren Sohn. Auf geschickte Weise ruft der Vater ein Umdenken bei ihr hervor. Er habe von Wendlas Mutter erfahren, dass diese einen Brief Melchiors an ihre Tochter abgefangen habe, in dem er Reue für seine Handlungen zum Ausdruck bringt. Melchiors Mutter erkennt seine Schrift, ist erschüttert und sieht nun ein, dass ihr einst kindlich unschuldiger Sohn moralisch degeneriert sein müsse. Als der Vater außerdem noch davon berichtet, dass Melchior seinen Onkel um Geld gebeten habe, um sich nach England abzusetzen, wird von beiden Elternteilen einvernehmlich beschlossen, Melchior in eine Korrektionsanstalt zu schicken.
In der Korrektionsanstalt, unter anderen stumpfsinnigen Jungen, die nach langer Gefangenschaft nur mehr an Beschäftigungen wie Gruppenmasturbation und Raufen Gefallen finden, setzt sich Melchior mit seiner Schuld gegenüber Wendla auseinander und schmiedet Fluchtpläne.
Wendla fühlt sich krank und liegt im Bett, der hinzugezogene Arzt bleibt ihr gegenüber diskret. Wendlas Mutter redet ihr zunächst ein, sie habe Bleichsucht, erklärt ihr aber schließlich den wahren Grund für ihr seltsames Befinden: eine Schwangerschaft. Gegen Wendlas Vorwurf, man habe ihr nicht die volle Wahrheit gesagt, verteidigt die Mutter sich damit, dass sie nach dem Vorbild ihrer eigenen Mutter gehandelt habe. Um eine unverheiratete Mutterschaft abzuwenden, veranlasst Wendlas Mutter eine Fremdabtreibung, an der Wendla stirbt.
In der vorletzten Szene liegen die beiden Schüler Hänschen Rilow und Ernst Röbel miteinander im Gras und genießen den romantischen Abend in vollen Zügen, während sie sich gelassen Gedanken über ihre Zukunft machen. Sie zeigen dabei homosexuelle Neigungen, küssen sich und gestehen einander ihre Liebe.
Melchior ist aus der Korrektionsanstalt geflohen und auf den Friedhof geflüchtet. Beim Anblick von Wendlas Grab befallen ihn Schuldgefühle und Selbstmordgedanken. Als er sich von diesem traurigen Ort entfernen will, erscheint ihm der tote Moritz, der seinen eigenen Kopf unter dem Arm hält. Moritz rühmt die über alles Irdische erhabene Unbeschwertheit der Toten und will Melchior auf diese Weise überreden, ihm ins Grab zu folgen. Doch bevor Melchior sich dazu bereit erklären kann, taucht ein „vermummter Herr“ auf, der ihn von seinen Selbstmordgedanken abhält. Der Herr, der seine Identität nicht preisgeben will, entlarvt Moritz als Schwindler, der sich lediglich davor fürchte, allein in seine einsame Totenwelt zurückzukehren. Melchior entscheidet sich schließlich, weiterzuleben. Er dankt Moritz für ihre gemeinsame Zeit, verspricht ihm, ihn niemals zu vergessen, und vertraut seine Zukunft dem „Vermummten“ an.
Entstehung
Während Wedekind einen ersten Entwurf zu Frühlings Erwachen in Zürich verfasst hatte[2], schrieb er das Drama zwischen Oktober 1890 und April 1891 in München. Das Stück ist von eigenen Erlebnissen des Autors und seiner Mitschüler inspiriert. Als Vorbild für Moritz Stiefel dienten ihm zwei Mitschüler, Frank Oberlin und Moritz Dürr, die 1883 bzw. 1885 Suizid begangen hatten.[3] Dürr hatte dem Schriftsteller von seinem Vorhaben zu sterben berichtet, woraufhin Wedekind ihm versprach, ein Drama über ihn zu schreiben.[2]
Nachdem ein Münchner Verlag die Publikation des Stücks aus Angst vor rechtlichen Problemen abgelehnt hatte, brachte es Wedekind im Oktober 1891 auf eigene Kosten beim Verlag Jean Groß in Zürich heraus.[4] Frühlings Erwachen war dadurch sein erstes gedrucktes Buch. Das Titelbild der Erstausgabe gestaltete Franz von Stuck nach Angaben Wedekinds: es zeigt eine Frühlingslandschaft.[5]
Wirkungsgeschichte
Frank Wedekind kritisiert in seinem Werk die im Wilhelminischen Kaiserreich vorherrschende bürgerliche Sexualmoral, insbesondere den aus der Tabuisierung resultierenden Druck auf Menschen, an welchem vor allem die jungen Geschöpfe zerbrechen. Dabei macht er häufig ausgeklügelten Gebrauch von Stilfiguren und grotesk überzogenen Charakteren, die dem Werk humoristische Züge verleihen. Oft werden jedoch diese hyperbolischen Facetten des Stückes nicht wahrgenommen.
Einst aufgrund seiner angeblichen Obszönität verboten oder zensiert, ist „Frühlings Erwachen“ heutzutage in einigen deutschen, österreichischen und schweizerischen Bundesländern eine verbreitete Schullektüre.
Als Musical-Fassung erhielt das Stück unter dem Titel „Spring Awakening“ im Jahr 2007 in acht Kategorien den Tony Award für die Aufführung am Broadway.
Im Jahr 2009 verfilmte Nuran David Çalış das Drama in einer zeitgemäßen Adaption für das ZDF.
Im selben Jahr wurde gegen einen an der Zürcher Kantonsschule Rämibühl unterrichtenden Deutschlehrer ein amtlicher Prozess eingeleitet, da die Mutter einer Schülerin ihn der Pädophilie und der Weitergabe pornographischen Materials an Minderjährige beschuldigte. Dies, da er im Unterricht unter anderem Jeffrey Eugenides' Roman „Die Selbstmord-Schwestern“ und Wedekinds „Frühlings Erwachen“ behandelte. Der Prozess zog sich über mehrere Jahre hin, bis er im Jahr 2012 von den ursprünglichen Anklagepunkten freigesprochen wurde. Der Fall wurde weithin als Justizskandal wahrgenommen. Eine Aufarbeitung der Geschehnisse fand im April 2013 durch die Theatergruppe der Kantonsschule Rämibühl statt. In ihrem Ensemble-Projekt „Ich hätte nicht übel Lust“ kontrastierten sie den Text Wedekinds mit eigenen Texten und Meinungen zum Thema Sexualität in der Gegenwart. Auch der Prozess gegen den Lehrer D.S wurde darin thematisiert. Die Produktion erhielt ein großes Medienecho, die die Diskussion erneut entfachte und von vielen Seiten Solidarität mit dem traumatisierten Lehrer auslöste.
Literatur
- Martin Neubauer: Lektüreschlüssel. Frank Wedekind: Frühlings Erwachen. Reclam, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-15-015308-6.
Siehe auch
Weblinks
- „Frühlings Erwachen“ Text beim Projekt Gutenberg-DE
- Volker Ullrich: „Sonnenstich, Affenschmalz, Knüppeldick“ Artikel in der Zeit 41/2003
- Interpretation
- Ein Bild von jeder Figur: Roberta Bergmanns Gestaltung und Illustrationen zu Frühlings Erwachen, veröffentlicht anlässlich des 150. Geburtstags von Frank Wedekind im Jahr 2014
Einzelnachweise
- ↑ Hermann Bahr: Tagebücher, Skizzenbücher, Notizhefte. Hg. Moritz Csáky. Böhlau; Wien, Köln, Weimar 1994–2003, V, 143–152.
- ↑ 2,0 2,1 Georg Hensel: Nachwort. In: Frühlings Erwachen, Reclam, Stuttgart 2000, S. 102ff.
- ↑ Königs Erläuterungen und Materialien Bd. 406: Frank Wedekind Frühlings Erwachen – 2. Textanalyse und -interpretation (Memento vom 4. Dezember 2008 im Internet Archive)
- ↑ Frank Wedekind: Frühlings Erwachen. Groß, Zürich 1891. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
- ↑ Entstehungsgeschichte von Frühlings Erwachen beim Theater Ulm (PDF; 416 kB)
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