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Fritz Bleichröder
Fritz Bleichröder (geb. 12. Januar 1875 in Berlin; gest. 8. November 1938 in Berlin) war ein deutscher Arzt jüdischer Herkunft. Bekannt wurde er in der Medizin durch seine Publikationen in der Fachzeitschrift Klinische Wochenschrift zum Einsatz des Katheters und der folgenden Diskussion mit dem späteren Nobelpreisträger Werner Forßmann bzgl. der ersten jemals durchgeführten Herzkatheteruntersuchung am Menschen.[1]
Ausbildung und ärztliche Tätigkeit
Nach seiner schulischen Ausbildung und dem Abitur, welches er 1893 am Falk-Real-Gymnasium in Berlin ablegte, studierte Fritz Bleichröder Medizin an den Universitäten in Straßburg, München, Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin, Breslau und Kiel. Seine Approbation erhielt der spätere Internist im Jahre 1898 bzw. 1899 und wurde 1900 an der Universität Kiel zum Dr.med. promoviert.[2] Seine Dissertation vom 13. Juni 1900 trägt den Titel Ein Fall von Tetanus traumaticus, behandelt mit Injektionen von Hirnemulsion. Sie beschreibt die Behandlung eines 6jährigen Jungen, der am 15. Juli 1899 mit der Diagnose Tetanus traumaticus in der von Professor Emanuel Mendel gegründeten Klinik, in welcher Bleichröder zu dieser Zeit arbeitete, eingeliefert wurde. Von Mendel, ein langjähriger Bekannter der Familie Bleichröder, hat auch das Thema der Dissertation vorgegeben.[3] 1902 wurde Fritz Bleichröder Mitglied der Berliner Medizinischen Gesellschaft.[2] Im ersten Weltkrieg wurde Bleichröder als berittener Sanitätsoffizier an der Front eingesetzt und mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet.[4][3]
Fritz Bleichröder war Medizinischer Direktor des Städtischen Frauenkrankenhauses in der Gitschiner Straße in Berlin-Kreuzberg.[5] Er wurde 1934/1935 aufgrund des am 07. April 1933 von den Nationalsozialisten eingeführten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. Nach seiner Entlassung bildete er gemeinsam mit seiner Frau und einem älteren Gärtner Jugendliche im Gartenbau aus.
Herzkatheteruntersuchung
Gemeinsam mit seinen Kollegen Ernst Unger und Walter Loeb führte Bleichröder eine Reihe von Experimenten mit Kathetern durch. Ziel dieser Studien war es, Medikamente punktgenau an die entsprechend betroffenen Organe zu platzieren.[6] Die Katheter wurden über Arm- oder Beinvenen eingeführt. In einem Selbstversuch an Bleichröder im Jahr 1905, der 1912 in der Fachzeitschrift Klinische Wochenschrift veröffentlicht wurde[7], gaben die drei Forscher an, dass der Katheter vermutlich das Herz von Bleichröder erreicht hat. Man schloss dies auf Basis der Länge des Katheters. Darüber hinaus berichtete Bleichröder, einen stechenden Schmerz in der Brust verspürt zu haben.[8] Die Mediziner versäumten es, das Experiment mit Hilfe einer Röntgenaufnahme zu dokumentieren.[7]
Als Werner Forßmann 1929 in der Klinischen Wochenschrift einen Selbstversuch beschrieb, wie er einen Katheter bis zu seinem Herzen einführte und dies auch mit einer Röntgenaufnahme belegen konnte, kam es zu einem Disput. Ernst Unger bezichtigte Forßmann, dass die veröffentlichte Studie eine Kopie der Arbeiten von Bleichröder, Unger und Loeb sei. Werner Forßmann entgegnete in einem Beitrag in der Fachzeitschrift mit dem Titel Nachtrag, dass der besagte Artikel aus dem Jahr 1912 ihm nicht bekannt war, und dass der Titel des Artikels nicht auf eine ähnliche Arbeit hindeutete.[7] Forßmann erhielt für sein Experiment im Jahr 1956 den Nobelpreis für Medizin.[9] Die Auseinandersetzung mit Unger beschrieb Forßmann in seiner 1974 veröffentlichten Biographie Experiments on myself: memoirs of a surgeon in Germany als besonders belastend.[10]
Familiäres
Herkunft
Fritz Bleichröder stammte aus der Bankiersfamilie Bleichröder, und war das jüngste von sieben Kindern. Seine Schwester Johanna heiratete 1897 den Physiker und sozialdemokratischen Politiker Leo Arons. Einige Jahre später heiratete seine Schwester Gertrud Leos Bruder und Bankier Paul Arons. Seine Eltern waren Julius Bleichröder und Adelheid Salomon, diese heirateten am 30. Mai 1858.[11][12] Der Gründer des Bankhaus S. Bleichröder, Samuel Bleichröder, war sein Großvater. Der als Bankier Bismarcks bekannte und von diesem 1872 in den Adelsstand erhobene Gerson Baron von Bleichröder war der Onkel von Fritz Bleichröder.
Eigene Familie
Verheiratet war Fritz Bleichröder mit Elli Bleichröder, geb. Feig. Gemeinsam hatten sie drei Kinder. Nach seinem Tod verließ seine Frau Deutschland und emigrierte nach England. Sie starb 1956 in London.
Der Sohn Rudolf emigrierte 1932 nach London und arbeitete dort beim Bankhaus Samuel Montagu, zuletzt als Vizepräsident. Er verstarb im Jahr 2000 im Alter von 85 Jahren.[13] Die Tochter Ursula studierte in Australien Medizin und war Ärztin, sie verstarb dort 1962. Seine Tochter Adelheid (Adele Filene) war in London als Modedesignerin tätig; im Jahr 1970 zog sie in die USA und heiratete dort. Sie verstarb 2010 im Alter von 101 Jahren.[14] Seit 1996 vergibt die Costume Society of America ihr zu ehren den Adele Filene Student Travel Award.[15]
Leben
Fritz Bleichröder wuchs in einem großbürgerlichen Umfeld mit bis zu sieben Hausangestellten auf und wurde im jüdischen Glauben erzogen. Seine Familie gehörte der Berliner Jüdischen Gemeinde an und besuchte die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße. Nur zeitweise besuchte Bleichröder die Schule; zumeist wurde der Unterricht für ihn und seinen älteren Bruder Paul von einem Hauslehrer abgehalten und fand in einer eigens hierfür eingerichteten Wohnung im Haus der Familie statt.[4]
Bleichröder wird als schwermütiger und entschlussunfreudiger Mensch beschrieben. Er litt oft unter depressiven Verstimmungen und bezeichnete sich als wir Selbstmörder, wobei kein wirklicher Suizidversuch von ihm dokumentiert ist. Während seiner Ehe mit Elli verliebte er sich in eine verheiratete Frau. Diese Zuneigung dauerte mehrere Jahre an und nur mit Hilfe massiver Beeinflussung seiner Familie konnte er dazu gebracht werden den Kontakt mit jener Frau zu vermeiden und sich mit seiner Ehefrau auszusöhnen. In Folge und zur großen Freude wurde sein Sohn Rudolf 1914 geboren. Als sich einige Jahre später die erwähnte Frau das Leben nahm stürzte dies Bleichröder in eine schwere seelische Krise. Auf Empfehlung von Alfred Adler unterzog er sich einer psychotherapeutischen Behandlung und konnte so seinen Gemütszustand zumindest zeitweise verbessern.
Durch einen Strassenunfall im Jahr 1929 erlitt er einen Schädelbruch und blieb wochenlang ohne Besinnung, konnte sich, bis auf eine leichte Schwerhörigkeit, hiervon aber vollständig erholen. Der einige Jahre vor seinem Tod schwer herzkranke Bleichröder erkrankte 1938 hoffnungslos und starb in Folge. Bis zuletzt wurde er von seiner Frau gepflegt; seine Kinder waren bereits vorher nach England bzw. Australien emigriert. Beigesetzt wurde er auf dem jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee in Berlin; nach der Trauerfeier wurden am Ausgang des Friedhofs die männlichen Trauergäste verhaftet und in Konzentrationslager deportiert.[4][3]
Bleichrödervilla
Das Grundstück in der Breite Straße 33 in Berlin-Pankow befand sich seit circa 1818 im Eigentum der Familie Bleichröder.[16] Im Jahr 1909 ließ Fritz Bleichröder dort für sich und seine Familie eine Villa von dem Architekten Max Landsberg, einem Schüler Alfred Messels und Cousin von Fritz' Ehefrau Elli bauen.[17] Das Haus bewohnte er ab 1912.[18] Das später nach der Familie genannte Wohnhaus wurde im Jahr 1921 in der Zeitschrift Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst, Band 20 detailliert vorgestellt.[19] Neben der Villa stand auf dem Grundstück noch das ältere Bleichröderische Sommerhaus. 1933 wurde das ältere Haus von Faschisten besetzt und für ihre Zwecke genutzt. So zog dort zunächst die Kreisleitung der NSDAP und danach die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront ein. Die Familie Bleichröder durfte in dem zweiten Gebäude, der Villa, wohnen bleiben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten die Gebäude anderen Zwecken, wobei jedoch über die Nutzung nichts bekannt wurde. Erst ab etwa 1965 gelangte das Wohnhaus an die FDJ, die hier den Jugendclub Walter Husemann einrichtete. Nach der Wende fand sich kein Investor und die Bleichrödervilla stand lange Zeit leer. Schließlich wurde sie im Februar 2002 abgerissen. Das alte Bleichröderhaus wurde in der Folge in einen Gewerbebau an der Breiten Straße integriert.[16]
Bleichröderpark
Zum Gedenken an die Familie Bleichröder wurde in Pankow eine in den Jahren 2002 bis 2003 neu angelegte öffentliche Parkanlage mit Kinderspielplatz in Bleichröderpark benannt. Der jetzige Bleichröderpark entstand hierbei im wesentlichen auf den ehemaligen Grundstücken der Familie Bleichröder. Zwar existierte der Park bereits vor der Neugestaltung, er war aber aufgrund seiner Nutzung (zum Schluss als Marktplatz) zu großen Teilen versiegelt und hatte entsprechend eine nur geringe Aufenthaltsqualität.[20] Mit der Benennung des Parks würdigt der Senat von Berlin besonders das soziale Engagement der Familie des Bankiers Julius Bleichröder sowie dessen Sohn Fritz Bleichröder.[21]
Literatur
- Fritz Bleichröder: Ein Fall von Tetanus traumaticus, behandelt mit Injektionen von Hirnemulsion, Verlag H. Fiencke, Kiel, 1900.
- Fritz Bleichröder, Ernst Unger, Walter Löb: Intraarterielle Therapie, in: Berliner Klinische Wochenschrift, 1912, 49:1503-5.
- Fritz Bleichröder: Diskussionsbeitrag, Berliner Klinische Wochenschrift, 1910, 47, 1:495.
- Forßmann, W.: Nachtrag. Klinische Wochenschrift, 1929; 8:2287.
- Forßmann, W.: Selbstversuch – Erinnerungen eines Chirurgen. Düsseldorf: Droste, 1972.
- Karin H. Grimme (Hrsg.): Aus Widersprüchen zusammengesetzt. Das Tagebuch der Gertrud Bleichröder aus dem Jahr 1888, Köln: DuMont 2002, ISBN 3-8321-7819-8
- Hamburger, C.: Geschichte der Familien Liepmann und Bleichröder, Typoskript, Archiv des Jüdischen Museums Berlin, 1972.
- Schwoch, R.: Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus: Ein Gedenkbuch. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2009, ISBN 3-941450-08-5
- Inge Lammel (Hrsg.): Jüdisches Leben in Pankow. Eine zeitgeschichtliche Dokumentation, Verlag Edition Hentrich, 1993, ISBN 3-89468-099-7 bzw, ISBN 978-3-89468-099-2
- Inge Lammel (Hrsg.): Jüdische Lebenswege. Ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschönhausen, Verlag Hentrich & Hentrich, 2007, ISBN 3-938485-53-1 bzw, ISBN 978-3-938485-53-8
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ “Pioneers in Cardiology. Werner Forssmann—sowing the seeds for selective cardiac catheterization procedures in the twentieth century”
- ↑ 2,0 2,1 Inge Lammel (Hrsg.): Jüdisches Leben in Pankow... auf google.books, abgerufen am 22. August 2011
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Inge Lammel (Hg.): Jüdische Lebenswege. Ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschönhausen, Verlag Hentrich & Hentrich, 2007, S. 71, 186.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 C. Hamburger: Geschichte der Familien Liepmann und Bleichröder, Typoskript, Archiv des Jüdischen Museums Berlin, 1972, S. 70, 160, 199, 201f.
- ↑ Albert S. Lyons: “Medical History — The Twentieth Century (Part 2)”, online
- ↑ Eugen Fröhner, Josef Bayer, Theodor Schmidt: Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe, Band 1; in: Medizinische Wochenschrift, abgerufen am 22. August 2011
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Lawrence K. Altman: “Who goes first?: the story of self-experimentation in medicine”
- ↑ Gottwald Dissertation
- ↑ Medizin-Geschichte, das 20. Jh.
- ↑ Experiments on myself: memoirs of a surgeon in Germany, 1974
- ↑ Rootsweb
- ↑ Nachlass der Familie von Bleichröder im Landesarchiv Berlin
- ↑ Obits in the British press - 14 Feb 2000.
- ↑ NYT: Paid Death Notices - 12 Aug 2010.
- ↑ Costume Society of America: Adele Filene Student Travel Award
- ↑ 16,0 16,1 Bleichröderpark. Ein Ort zum Verweilen. Auf Pankow.online
- ↑ Aus Widersprüchen zusammengesetzt
- ↑ Jüdisches Waisenhaus Pankow
- ↑ Max Landsberg: Das Wohnhaus des Fritz Bleichröder in Berlin-Pankow (S. 166ff)
- ↑ Stadterneuerung - Pankow - Rundgang Wollankstraße: Bleichröderpark
- ↑ Eröffnung und Namensgebung des Bleichröderparks am 25. April 2003. Pressemitteilung des BA Pankow vom 15.04.2003
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Personendaten | |
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NAME | Bleichröder, Fritz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Arzt |
GEBURTSDATUM | 12. Januar 1875 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 8. November 1938 |
STERBEORT | Berlin |