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Germanische Sprachen
Die germanischen Sprachen sind ein Zweig der indogermanischen Sprachfamilie. Sie umfassen etwa 15 Sprachen mit rund 500 Millionen Muttersprachlern, über 700 Millionen einschließlich der Zweitsprecher. Ein charakteristisches Phänomen aller germanischen Sprachen gegenüber den anderen indogermanischen Sprachen sind die Veränderungen im Konsonantismus durch die Germanische Lautverschiebung.
Dieser Artikel dient der Gesamtdarstellung der germanischen Sprachen. Auf Untergruppen und einzelne Sprachen und ihre Dialekte wird verwiesen. Die germanische Protosprache (Urgermanisch) wird in einem separaten Artikel behandelt.
Die großen germanischen Sprachen
Insgesamt neun germanische Sprachen besitzen jeweils mehr als eine Million Sprecher.
- Englisch ist die sprecherreichste germanische Sprache mit rund 340 Millionen Muttersprachlern und über 180 Millionen Zweit- und Drittsprechern.
- Deutsch wird von etwa 100 Millionen Muttersprachlern und mindestens 80 Millionen Zweitsprechern gesprochen.
Weitere germanische Sprachen mit jeweils mehr als einer Million Sprechern sind:
- Niederländisch (25 Millionen)
- Schwedisch (10 Millionen)
- Afrikaans (6 Millionen, mit Zweitsprechern 16 Millionen)
- Dänisch (5,5 Millionen)
- Norwegisch (5 Millionen) (Bokmål und Nynorsk)
- Niederdeutsch (ca. 5 Millionen Erst- und Zweitsprecher; Stellung als eigenständige Sprache umstritten)
- Jiddisch (3 Millionen; Stellung als eigenständige Sprache umstritten)
Die West-Nord-Ost-Gliederung der germanischen Sprachen
Die germanischen Sprachen werden in der Regel in West-, Nord- und Ostgermanisch eingeteilt (siehe unten die ausführliche Klassifikation). Die Sprachgrenze zwischen Nord- und Westgermanisch wird heute durch die deutsch-dänische Grenze markiert und lag früher etwas weiter südlich an der Eider. Innerhalb der beiden großen Sprachgruppen gibt es fließende Übergänge durch lokale Dialekte.
Zu den westgermanischen Sprachen gehören: Deutsch, Jiddisch, Luxemburgisch, Niederdeutsch, Pennsylvania Dutch, Niederländisch, Afrikaans, Englisch und Friesisch.
Dazu gehören: Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Färöisch und Isländisch.
Alle ostgermanischen Sprachen sind ausgestorben. Die bestüberlieferte ostgermanische Sprache ist Gotisch.
Die Klassifikation der germanischen Sprachen
Einteilung der heutigen germanischen Sprachen
Der germanische Zweig des Indogermanischen umfasst heute 15 Sprachen mit zusammen rund 500 Millionen Sprechern. Einige dieser Sprachen werden von manchen Forschern nur als Dialekte betrachtet (siehe unten). Diese 15 Sprachen können nach dem Grad ihrer Verwandtschaft wie folgt klassifiziert werden (die Sprecherzahlen beziehen sich auf Muttersprachler):
Germanisch (15 Sprachen mit insgesamt 490 Millionen Sprechern):
- 1. Westgermanisch:
- Deutsch-Niederländisch:
- Deutsch:
- Deutsch (100 Millionen; 180 Millionen inkl. Zweitsprecher)
- Jiddisch (3 Millionen)
- Luxemburgisch (Lëtzebuergesch) (300.000)
- Pennsylvania Dutch (100.000)
- Niederdeutsch:
- Niederdeutsch (ca. 5 Millionen Erst- und Zweitsprecher)
- Plautdietsch (500.000)
- Niederländisch:
- Niederländisch (22 Millionen) (V Holländisch, Flämisch)
- Afrikaans (6 Millionen; 16 Millionen inkl. Zweitsprecher)
- Anglo-Friesisch:
- 2. Nordgermanisch:
- Skandinavisch: (Festlandskandinavisch, Ostnordisch)
- Dänisch (5,5 Millionen)
- Schwedisch (9 Millionen)
- Norwegisch (5 Millionen) (Bokmål und Nynorsk)
- Isländisch-Färöisch: (Inselskandinavisch, Westnordisch)
- Isländisch (300.000; 350.000 inkl. Zweitsprecher)
- Färöisch (65.000)
- 3. Ostgermanisch: †
- Sämtliche ostgermanischen Sprachen sind ausgestorben
- 1. Westgermanisch:
Die Grundlage dieser Klassifikation ist der Weblink „Klassifikation der indogermanischen Sprachen“[1] , der für das Germanische vor allem auf Robinson 1992 basiert. Die aktuellen Sprecherzahlen entstammen Ethnologue 2005 und offiziellen Länderstatistiken.
Luxemburgisch, Jiddisch, Plautdietsch, Pennsylvanisch und Niederdeutsch werden nicht von allen Forschern als eigenständige Sprachen anerkannt, während andere wiederum Schwyzerdütsch und Schottisch (Scots) als weitere eigenständige westgermanische Sprachen betrachten. Von einigen Skandinavisten werden die beiden Varianten des Norwegischen (Bokmål und Nynorsk) als separate Sprachen betrachtet, wobei Nynorsk genetisch dann eher der Gruppe Isländisch-Färöisch zuzuordnen ist.
Historische Klassifikation
Während die obige Klassifikation lediglich eine Gliederung der heute existierenden germanischen Sprachen bietet, soll folgende Darstellung einen historischen Einblick vermitteln, da auch die ausgestorbenen germanischen Sprachen aufgeführt werden. Nicht belegte, aber erschließbare Zwischenglieder sind durch * gekennzeichnet. Insbesondere über die historische Gliederung der westgermanischen Sprachen gibt es bisher keinen vollständigen Konsens, die folgende historisch orientierte Darstellung (nach Maurer 1942, dtv-Atlas Deutsche Sprache 2001) gibt aber die mehrheitlich vertretene Forschungsrichtung wieder. Dabei wird das Westgermanische nicht als ursprüngliche genetische Einheit aufgefasst, es hat sich erst später aus seinen Komponenten Nordseegermanisch, Weser-Rhein-Germanisch und Elbgermanisch durch Konvergenz herausgebildet. Aus dieser Darstellung wird auch klar, dass die Dialekte des Deutschen verschiedenen Zweigen des „Westgermanischen“ angehören, Deutsch also nur in Form seiner Dialekte in einen historischen germanischen Stammbaum integrierbar ist.
- * Germanisch
- * Nordseegermanisch
- Altfriesisch †
- Mittelfriesisch †
- Friesisch (V Westfriesisch, Nordfriesisch, Ostfriesisch oder Saterländisch)
- Mittelfriesisch †
- Angelsächsisch †
- Altsächsisch (Altniederdeutsch) †
- Mittelniederdeutsch †
- (Neu-) Niederdeutsch
- Westniederdeutsch
- Nedersaksisch (in nordöstl. Niederlande)
- Nordniedersächsisch
- Westfälisch
- Ostfälisch
- Ostniederdeutsch
- Mecklenburgisch-Vorpommersch
- Ostpommersch
- Niederpreußisch
- Brandenburgisch (Nord-, Mittel- und Südmärkisch)
- Plautdietsch
- Westniederdeutsch
- (Neu-) Niederdeutsch
- Mittelniederdeutsch †
- Altfriesisch †
- * Weser-Rhein-Germanisch
- West
- Altniederfränkisch †
- Mittelniederfränkisch (Mittelniederländisch) †
- Neuniederfränkisch (Niederrheinisch)
- Niederländisch (Holländisch, Flämisch)
- Afrikaans
- Mittelniederfränkisch (Mittelniederländisch) †
- Rheinfränkisch
- Mittelfränkisch (Ripuarisch, Moselfränkisch mit Lëtzebuergesch)
- Pfälzisch
- Pennsylvanisch
- Altniederfränkisch †
- Ost
- Hessisch-Thüringisch
- Ostfränkisch
- Sächsisch (mit Obersächsisch, Erzgebirgisch)
- Böhmisch
- Schlesisch
- Hochpreußisch
- West
- * Elbgermanisch
- Semnonisch †
- Hermundurisch †
- Quadisch †
- Langobardisch †
- Markomannisch †
- Bairisch (Nordbairisch, Südböhmisch; Mittelbairisch-Österreichisch; Südbairisch, Tirolerisch)
- Alemannisch
- Niederalemannisch (Schwäbisch, Elsässisch, Badisch, Bodenseealemannisch)
- Hochalemannisch (Schweizerdeutsch, Höchstalemannisch)
- Jiddisch
- * Nordgermanisch
- Altnordisch †
- West-Nordisch †
- Altisländisch †
- Isländisch
- Altfäröisch †
- Färöisch
- Norn †
- Altnorwegisch †
- Norwegisch-Nynorsk
- Altisländisch †
- Ost-Nordisch †
- Altschwedisch †
- Schwedisch
- Altdänisch †
- Dänisch
- Norwegisch-Bokmål
- Altschwedisch †
- West-Nordisch †
- Altnordisch †
- * Ostgermanisch
- Gotisch †
- Vandalisch †
- Burgundisch †
- andere, schwach belegte Sprachen †
- * Nordseegermanisch
Spezialfall Deutsch
Der offensichtliche „Problemfall“ dieser historischen Klassifikation ist das Deutsche, besonders das Hochdeutsche. Die drei historischen Stadien – Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch – sind nur als Vereinigung von Dialekten greifbar, die verschiedenen Zweigen der obigen Klassifikation angehören.
So ist Althochdeutsch eine Zusammenfassung altmitteldeutscher und altoberdeutscher Dialekte und Dialektgruppen:
- Althochdeutsch
- Altmitteldeutsch
- Rheinfränkisch
- Mittelfränkisch
- Altoberdeutsch
- Ostfränkisch
- Alemannisch
- Altbairisch
- Altmitteldeutsch
Mittelhochdeutsch setzt sich ebenfalls aus mittel- und oberdeutschen Dialekten zusammen:
- Mittelhochdeutsch
- Mittelmitteldeutsch
- Rheinfränkisch
- Mittelfränkisch
- Thüringisch
- Obersächsisch
- Schlesisch
- Mitteloberdeutsch
- Ostfränkisch
- Bairisch
- Alemannisch
- Mittelmitteldeutsch
Das Neuhochdeutsche entwickelt sich aus mittel- und oberdeutschen Dialekten. Details im Artikel Deutsche Sprache.
Germanische Schriften
Seit ungefähr dem 2. Jahrhundert n. Chr. haben die germanischen Stämme eigene Schriftzeichen verwendet, die Runen. Es entstand das sogenannte ältere Futhark, eine frühe Form der Runenreihe, die bis ca. 750 n. Chr. in Gebrauch war. Die überlieferte Gotische Bibel des 4. Jahrhunderts hat ihre eigene Schrift, nämlich das vom Bischof Wulfila entwickelte Gotische Alphabet.[2] Später wurden die germanischen Sprachen mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Beispiele von modifizierten Buchstaben sind das Yogh (ȝ) und die latinisierten Runen Thorn (þ) und Wunjo (ƿ).
Germanische Wortgleichungen
Die folgenden Tabellen stellen einige Wortgleichungen aus den Bereichen Verwandtschaftsbezeichnungen, Körperteile, Tiernamen, Umweltbegriffe, Pronomina, Verben und Zahlwörter für wichtige alt- und neugermanische Sprachen zusammen. Man erkennt den hohen Grad der Verwandtschaft der germanischen Sprachen insgesamt, die besondere Ähnlichkeit der westgermanischen und nordgermanischen Sprachen untereinander, die stärkere Abweichung des Gotischen von beiden Gruppen und letztlich die Beziehung des Germanischen zum Indogermanischen (letzte Spalte, hier sind die Abweichungen natürlich größer). Hier können auch die Gesetze der germanischen (ersten) und hochdeutschen (zweiten) Lautverschiebung überprüft werden (ausführliche Behandlung im nächsten Abschnitt). Da die germanischen und indogermanischen Formen nur rekonstruiert sind, sind sie mit einem * versehen.
Germanische Wortgleichungen I – Nomina
Deutsch | Ah.deutsch | Niederländ. | Afrikaans | Altsächsisch | Altenglisch | Englisch | Altnord. | Gotisch | Germanisch | Indogerm. |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Vater | fater | vader | vader | fadar | fæder | father | faðir | fadar | *fađer | *pətér |
Mutter | muoter | moeder | moeder | modar | modor | mother | móðir | . | *mōđer | *mater |
Bruder | bruoder | broeder | broer | brođar | brođor | brother | bróðir | broþar | *brōþer | *bhrater |
Schwester | swester | zuster | suster | swestar | sweostor | sister | systir | swistar | *swester | *suesor |
Tochter | tohter | dochter | dogter | dohtar | dohtar | daughter | dóttir | dauhtar | *duχter | *dhugəter |
Sohn | sunu | zoon | seun | sunu | sunu | son | sunr | sunus | *sunuz | *suənu |
Herz | herza | hart | hart | herta | heorte | heart | hjarta | hairto | *χertōn | *kerd |
Knie | knio | knie | knie | knio | cneo | knee | kné | kniu | *knewa | *genu |
Fuß | fuoz | voet | voet | fot | fot | foot | fótr | fotus | *fōt- | *pod |
Aue** | ouwi | ooi | ooi | ewwi | eowu | ewe | ær | aweþi | *awi | *owi |
Kuh | kuo | koe | koei | ko | cu | cow | kýr | . | *k(w)ou | *gwou |
Schwein | swin | zwijn | swyn | swin | swin | swine | svín | swein | *swina | *sus/suino |
Hund | hunt | hond | hond | hund | hund | ° hound | hundr | hunds | *χundaz | *kuon |
Wasser | wazzar | water | water | watar | wæter | water | vatn | vato | *watar | *wod |
Feuer | fiur | vuur | vuur | fiur | fyr | fire | fúrr | . | *fewur | *pehwṛ |
(Baum) | . | . | . | trio | treo(w) | tree | tré | triu | *trevam | *deru |
(Rad) | . | wiel | wiel | . | hweol | wheel | hvél | . | *χwegula | *qweqwlo |
neu | niuwi | nieuw | nuut | niuwi | niwe | new | nýr | niujis | *neuja | *neujo |
** Aue = Mutterschaf (veraltend, landschaftlich)
Germanische Wortgleichungen II – Pronomina, Verben, Zahlwörter
Deutsch | Ah.deutsch | Niederländ. | Afrikaans | Altsächsisch | Altenglisch | Englisch | Altnord. | Gotisch | Germanisch | Indogerm. |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
ich | ih | ik | ek | ik | ic | I | ek | ik | *ek | *eg(om) |
du | du | . | . | thu | þu | thou | þú | þu | *þu | *tu |
wer? | (h)wer | wie | wie | hwe | hwa | who | hvat | hwas | *χwiz | *kwis |
essen | ezzan | eten | eet | etan | etan | eat | eta | itan | *etana | *ed |
(tragen)** | beran | baren | . | beran | beran | bear | bera | bairan | *berana | *bher |
(er) weiß | weiz | weet | weet | wēt | wāt | . | veit | wait | *wait | *woida |
ein(s) | ein | één | een | en | an | one | einn | ains | *aina | *oino |
zwei | zwa/zwo/zwei | twee | twee | twa/two/twe | twa/tu | two | tveir/tvær | twai/twos | *twajina | *dwou |
drei | dri | drie | drie | thria | þri | three | þrír | þreis | *þrejes | *trejes |
vier | fior | vier | vier | fi(u)war | feower | four | fjórir | fidwor | *feđwōr | *kwetwor |
fünf | fimf | vijf | vyf | fif | fif | five | fim(m) | fimf | *femf(e) | *penqwe |
sechs | sehs | zes | ses | sehs | siex | six | sex | saihs | *seχs | *seks |
sieben | sibun | zeven | sewe | sibun | seofon | seven | sjau | sibun | *sebun | *septṃ |
acht | ahto | acht | agt | ahto | eahta | eight | átta | ahtau | *aχtau | *oktou |
neun | nium | negen | nege | nigun | nigon | nine | níu | ni'un | *newun | *(e)newṇ |
zehn | zehan | tien | tien | tehan | tien | ten | tíu | taihun | *teχun | *dekṃ |
hund-ert | hunt | hond-erd | hond-erd | hund | hund-red | hund-red | hund-rad | hund | *χunđa | *kṃtóm |
**ein Ungeborenes tragen = ge-bären
Quelle dieser Tabellen ist der Weblink „Germanische Wortgleichungen“[3], der wiederum auf der Basis mehrerer etymologischer Wörterbücher zusammengestellt wurde, darunter Kluge 2002, Onions 1966 und Pokorny 1959.
Germanische Lautverschiebung
Die germanischen Sprachen unterscheiden sich von anderen indogermanischen Sprachen durch eine charakteristische, eben die "germanische" Konsonantenverschiebung, die in der Germanistik als "erste" von einer folgenden "zweiten" Lautverschiebung unterschieden wird. Die folgende Tabelle bringt Wortgleichungen, die diesen Übergang von den indogermanischen zu den entsprechenden protogermanischen Konsonanten belegen. Da auch die hochdeutschen Parallelen angegeben sind, belegt die Tabelle auch die Zweite Lautverschiebung vom (Proto-)Germanischen zum Hochdeutschen. Rekonstruierte protogermanische und indogermanische Formen sind durch * gekennzeichnet, entsprechende Konsonanten durch Fettdruck hervorgehoben.
Nr | *Idg. | Latein | Griech. | *German. | Englisch | Deutsch |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | *pəter | pater | patér | *fađer | father | Vater |
2 | *bhratar | frater | phratér | *brōþer | brother | Bruder |
3 | *kerd | cord- | kard- | *χertōn | heart | Herz |
4 | *dheub | . | . | *deup | deep | tief |
5a | *ed- | ed- | ed- | *itana | eat | essen |
5b | *sed- | sed- | . | *sitana | sit | sitzen |
6 | *ego | ego | ego | *ek | ik (nd.) | ich |
7 | *bher | fer- | pher- | *bairana | bear | ge-bären |
8 | *udhar | uber | oũthar | *udar | uder (ae.) | Euter |
9 | *wegh- | veh- | . | *wega- | weigh | wiegen |
Während z. B. das Lateinische und Griechische die „indogermanischen“ Konsonanten weitgehend erhalten, erfährt das Germanische einen lautgesetzlichen Wandel der Tenues /p, t, k/, Mediae /b, d, g/ und Mediae-Aspiratae /bh, dh, gh/. Das Englische und das Niederdeutsche konservieren bis heute diese „germanischen“ Konsonanten, dagegen erfolgt beim Übergang zum Hochdeutschen eine zweite Lautverschiebung dieser Konsonantengruppe. Insgesamt ergeben sich folgende Lautgesetze:
Germanische und hochdeutsche Lautverschiebung
Nr | Indogerm. → | Germanisch → | Hochdeutsch |
---|---|---|---|
1 | p → | f → | f |
2 | t → | þ (th) → | d |
3 | k → | h (ch) → | h |
4 | b → | p → | ff / pf |
5 | d → | t → | ss / tz |
6 | g → | k → | hh / ch |
7 | bh → | b → | b (alem./bair. p) |
8 | dh → | d → | t |
9 | gh → | g → | g (bair. k) |
Bemerkungen zur Sprachgeschichte
Protogermanisch und seine Abspaltungen
Einige Forscher vermuten, dass das Protogermanische mit den Vorläufern der baltischen und slawischen Sprachen eine Dialektgruppe innerhalb der west-indogermanischen Sprachen bildete. Diese Annahme wird nicht zuletzt durch eine neuere lexikostatistische Arbeit gestützt[4]. Diese Vorformen des Germanischen könnten bereits im späten 3. und frühen 2. Jahrtausend v. Chr. entsprechend ihrer geographischen Lage eine Zwischenstellung zwischen dem Keltisch-Italischen im Südwesten und dem Baltoslawischen im Südosten eingenommen haben.
Das Protogermanische habe sich dann aus dieser Gruppe gelöst, wonach es deutliche Wechselwirkungen mit frühfinnischen Sprachen zeigt. Leider wird bei derartigen Annahmen zu oft mit oberflächlichem Abzählen ähnlicher Wörter argumentiert, die zudem noch im Verdacht von Entlehnungen stehen.
Bezüglich einer sogenannten germanischen „Urheimat“ bringt der Onomast Jürgen Udolph das Argument, dass sich germanische Orts- und Gewässernamen mit Schwerpunkt im weiteren Umkreis des Harzes nachweisen lassen. Dies Argument belegt jedoch vor allem eine seit der Benennung ungestörte germanische Besiedlung, nicht deren Zeitrahmen. Einen Zeitrahmen bieten dagegen archäologische Funde auf Grund gleichartiger, ungebrochener Traditionen im Raum zwischen dem von Udolph angenommenen bis Südskandinavien seit etwa dem 12. Jahrhundert v. Chr.
Die protogermanische Sprache (auch „Urgermanisch“ oder „Gemeingermanisch“) konnte durch sprachwissenschaftliche Vergleiche weitgehend rekonstruiert werden. Diese erschlossene Vorform soll bis etwa 100 v. Chr., in der sogenannten gemeingermanischen Sprachperiode relativ einheitlich geblieben sein. Als Eigenheit fällt auf, dass das Germanische einige indogermanische Erbwörter recht eigenwillig verwendet (Beispiel: sehen = [mit den Augen] folgen, vgl. Lateinisch sequi). Nach Euler (2009) spaltete sich als erste Sprache das ausgestorbene, fast nur durch das Gotische überlieferte Ostgermanische ab. Im 1. Jahrhundert n. Chr. hätten sich dann die westgermanischen von den nordgermanischen Sprachen getrennt.
Wortschatz, Lehnwörter
Der protogermanische Wortschatz enthält eine Reihe von Lehnwörtern nicht-germanischen Ursprungs. Häufungen von Lehnwörtern gibt es besonders in den Bereichen sozialer Organisation sowie Navigation und Schifffahrt. Dies kann eine Beeinflussung durch eine zuvor im späteren germanischen Siedlungsgebiet vorhandene Sprache (Substrat) und/oder eine Entstehung des Germanischen als Einwanderersprache nahelegen. Lehnwörter belegen auch nähere Beziehungen zu den keltischen Sprachen. Das Finnische und andere uralische Sprachen haben bereits früh germanische Wörter entlehnt und in nahezu unveränderter Form bis heute bewahrt, so (im Finnischen) die Wörter kuningas (König) – Germanisch: *kuningaz – und rengas (Ring) – Germanisch: *hrengaz; in beiden Wörtern steht /z/ für stimmhaftes /s/.
Artikel
Das Germanische kannte ursprünglich weder den bestimmten noch den unbestimmten Artikel, ebenso wenig wie das Lateinische. Das Westgermanische bildete dann die bestimmten Artikel „der“, „die, und „das“ aus den Demonstrativpronomen. Die unbestimmten Artikel wurden in den westgermanischen und in den meisten nordgermanischen Sprachen (wie in den romanischen Sprachen) aus dem Zahlwort „1“ gebildet. Das moderne Isländisch hat keinen unbestimmten Artikel entwickelt. Siehe auch: Artikel (Wortart).
Anmerkungen
- ↑ Ernst Kausen, Die Klassifikation des Indogermanischen und seiner Zweige
- ↑ Fausto Cercignani, The Elaboration of the Gothic Alphabet and Orthography, in «Indogermanische Forschungen», 93, 1988, S. 168-185.
- ↑ Ernst Kausen, Germanische Wortgleichungen
- ↑ Holm, Hans J. (2008): The Distribution of Data in Word Lists and its Impact on the Subgrouping of Languages. In: Christine Preisach, Hans Burkhardt, Lars Schmidt-Thieme, Reinhold Decker (Editors): Data Analysis, Machine Learning, and Applications. Proc. of the 31th Annual Conference of the German Classification Society (GfKl), University of Freiburg, March 7-9, 2007. Springer-Verlag, Heidelberg-Berlin.
Siehe auch
Literatur
Allgemeines
- Wayne Harbert: The Germanic Languages. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-80825-1.
- Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen. 4. erg. Auflage. VMA-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-928127-57-8.
- Ekkehard König und Johan van der Auwera (Hrsg.): The Germanic Languages. Routledge, London und New York 1994, ISBN 0-415-05768-X.
- Werner König und Hans-Joachim Paul: dtv-Atlas Deutsche Sprache. 15. durchgesehene u. aktualisierte Auflage. dtv, München 2005, ISBN 3-423-03025-9.
- Orrin W. Robinson: Old English and Its Closest Relatives. A Survey of the Earliest Germanic Languages. Stanford University Press, Stanford (Calif) 1992, ISBN 0-8047-1454-1.
Etymologische Wörterbücher
- Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage. bearbeitet von Elmar Seebold. De Gruyter, Berlin und New York 2002, ISBN 3-11-017474-X.
- C.T. Onions (Hrsg.): The Oxford Dictionary of English Etymology. Oxford University Press, Oxford 1966.
- Marlies Philippa et al.: Etymologisch woordenboek van het Nederlands. 4 Bände. Amsterdam University Press, Amsterdam 2003–2009. ISBN 978-90-8964-184-7.
- Julius Pokorny: Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. Francke Verlag, Bern und München 1959.
Weblinks
- Ernst Kausen, Die Klassifikation des Indogermanischen und seiner Zweige (DOC)
- Ernst Kausen, Germanische Wortgleichungen (DOC)
- Stammbaum des Germanischen (Überholtes Modell)
- Germanisch-deutsche Sprachgeschichte
- Studien zu den ältesten germanischen Alphabeten, 1898 , E-Book der Universitätsbibliothek Wien (eBooks on Demand)
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