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Geständnis
Von einem Geständnis wird allgemein gesprochen, wenn jemand einen bestimmten Sachverhalt einräumt, der ihm zur Last gelegt wird. Speziell gilt im Prozessrecht als Geständnis, wenn eine Partei erklärt, dass Tatsachenbehauptungen des Gegners zutreffen, die für die Partei ungünstig sind.
Allgemeines
Im Prozessrecht sind verschiedene Beweismittel zugelassen. Es gibt sachliche Beweismittel (Urkunden, Spuren, Tatmittel, Tatbeute und Augenschein) und personale Beweismittel (Zeugen und Gutachter). Geständnisse sind damit formal zwar nicht als Beweismittel vorgesehen, gelten jedoch als personales Beweismittel. Es gehört nur zu den Beweismitteln im weiteren Sinne,[1] da in der Hauptverhandlung die Beweisaufnahme erst nach der Vernehmung des Angeklagten erfolgt (§ 244 Abs. 1 StPO).
Geschichte
Das Geständnis galt im Inquisitionsprozess des Römischen Rechts als die „confessio est regina probationum“, also die „Königin der Beweismittel“. Diese Überbewertung des Geständnisses führte in Inquisitionsprozessen jedoch dazu, dass sie in jedem Falle ein Geständnis herbeiführen wollten.[2] Lag ein Geständnis vor, war die Abwägung mit anderen (auch entlastenden) Beweismitteln ausgeschlossen.[3] Es durfte nicht verwundern, dass bei dieser zentralen Stellung des Geständnisses die Folter zur Erzwingung einer geständigen Einlassung eingesetzt wurde. Das vierte Laterankonzil ab 1215 hat die moderne Form des religiösen Geständnisses hervorgebracht.[4] Die Folter zur Erzwingung von Geständnissen war erst 1776 abgeschafft worden.[5] Abraham Saur war der gegenteiligen Auffassung, dass ein Geständnis kein Beweis sei.[6] Das deutsche Recht ist von der Vorstellung als bestes Beweismittel teilweise erheblich abgerückt.
Arten
Je nach Inhalt und Umfang einer geständigen Einlassung gibt es verschiedene Arten von Geständnissen. Wenn eine Partei selbst die für sie ungünstigen Tatsachen vorbringt, bevor die Gegenpartei sie behauptet hat, spricht man von einem vorweggenommenen (antizipierten) Geständnis. Zum Geständnis wird das vorweggenommene Geständnis erst dann, wenn der Gegner es aufgreift.[7] Das volle Geständnis ist durch eine vollumfängliche Verantwortungsübernahme aller vorgeworfenen Handlungselemente gekennzeichnet.[8] Ein Geständnis, das nicht alle Handlungselemente und damit den Tatvorwurf nicht vollständig abdeckt, wird als Teilgeständnis bezeichnet.[9] Das qualifizierte Geständnis ist durch eine vollständige, detaillierte und anschauliche Schilderung aller subsumtionsrelevanten Tatsachen gekennzeichnet.[10] Beim qualifizierten Geständnis wird eine Einrede geltend gemacht, die nicht Teil der anspruchsbegründenden Norm ist; es ist mit Einschränkungen oder Zusätzen versehen. Unter schlankem Geständnis wird seit 1988 ein Geständnis verstanden, in dem lediglich das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Hauptverhandlung bestätigt wird. Es spielt vor allem bei der Verständigung im Strafverfahren eine wichtige Rolle. Das abgesprochene Geständnis wird zu einem Zeitpunkt abgelegt, zu dem das Gericht von der Schuld des Angeklagten noch nicht überzeugt ist. Hiermit wird die Beweisaufnahme hinsichtlich des Tatvorwurfs verkürzt oder entfällt sogar. Ein überschießendes Geständnis („overcharging confession“) bringt straferschwerende Umstände hervor und weist Straftaten nach, die ohne die Erklärung nicht ermittelt waren. Das erzwungene Geständnis („forced confession“) ist durch Zwang, Folter oder erweiterte Verhörtechniken herbeigeführt worden.
Neben dem Umfang können Geständnisse auch personenbezogene, nach der Beweiserheblichkeit, dem Wahrheitsgehalt und ihrer Mitteilungsform unterschieden werden. Als personenbezogen kann das Geständnis von einem Verdächtigen, Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten stammen.
Zivilprozess
Im Zivilprozess ist das Geständnis das Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Prozessgegners. Nach § 288 ZPO können nur Tatsachen als Geständnis anerkannt werden. Ein bloßes Nichtbestreiten gegnerischer Behauptungen ist kein Geständnis. Wegen der weitreichenden Folgen eines Geständnisses wird im Zweifel anzunehmen sein, dass eine Partei die vom Gegner vorgetragenen und für sie ungünstigen Tatsachen, die sie nicht ausdrücklich bestreitet, nicht zugesteht, sondern nur nicht bestreiten will.[11] Das Geständnis kann mit Zusätzen oder Einschränkungen verbunden werden (qualifiziertes Geständnis; § 289 Abs. 2 ZPO). Ein Geständnis kann erstmals in der Klageschrift vorgetragen (antizipiertes Geständnis), muss jedoch spätestens in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Es genügt, wenn es im Schriftsatz enthalten ist und durch Bezugnahme nach § 137 Abs. 3 ZPO (Protokollvermerk) zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wird.[12] Es braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann sich auch durch Auslegung des Prozessvortrags ergeben.[13]
Mit einem Geständnis sind bestimmte Rechtswirkungen verbunden. Im Zivilprozess wird durch ein Geständnis eine Beweisaufnahme überflüssig. Die zugestandene Tatsache bedarf keines Beweises und ist vom Gericht im Urteil als wahr zugrundezulegen. Es entfaltet für den Erklärenden Bindungswirkungen auch in der Berufungsinstanz (§ 535 ZPO). Geständnisse wirken nur gegen den, der sie abgegeben hat („confessio alterius alii non praejudicat“; § 61 ZPO). Ein Geständnis aus einem Strafverfahren entfaltet in einem Zivilprozess nicht die Wirkungen der §§ 288, 290 ZPO, stellt aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO ein wichtiges Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsachen dar.[14] Ein schriftliches Geständnis ist zivilprozessrechtlich die Ausnahme (§§ 128 Abs. 2, § 251a, § 331a ZPO).
Strafprozess
Geständnis ist hier das Zugestehen des Tatvorwurfs durch den Beschuldigten. Die Bedeutung eines Geständnisses liegt vor allem darin, dass ein Beschuldigter Tatangaben macht, die nur ihm bekannt sein können. Es obliegt dem Gericht, die „Erforschung der Wahrheit von Amts wegen zu betreiben“ (§ 244 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist wegen der freien Beweiswürdigung nicht an das Geständnis gebunden (§ 261 StPO). Es ist nach herrschender Meinung ein Beweismittel, das der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO unterliegt.[15] Hierzu hat bereits das Reichsgericht (RG) betont, dass das Geständnis sowie das sonstige Verhalten des Angeklagten Beweistatsachen seien und damit der aus der Hauptverhandlung zu schöpfenden freien richterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) zugänglich seien.[16]
Die Polizei ist im Strafprozess berechtigt, auf ein Geständnis hinzuwirken; die Schranken hierzu finden sich in § 343 StGB (Aussageerpressung). Ein vor der Hauptverhandlung etwa bei der Polizei abgelegtes Geständnis kann nur bei richterlichem Vorhalt in das Verfahren eingeführt werden (§ 254 Abs. 1 StPO). Beweismittel ist dann die auf den richterlichen Vorhalt vom Angeklagten gemachte Aussage. Das Geständnis ist eine Prozesshandlung, so dass der Erklärende postulationsfähig sein muss. Ein erst in der Hauptverhandlung abgelegtes Geständnis des Angeklagten stellt nur eine von vielen möglichen Quellen zur Erforschung des wahren Sachverhalts dar. Andererseits ist aber nicht ausgeschlossen, einen Angeklagten allein aufgrund seines Geständnisses zu verurteilen. Das Geständnis ist nach § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO keine zwingende Voraussetzung für die Zusicherung einer Strafunter- und –obergrenze im Rahmen einer Verständigung. Ein Verwertungsverbot besteht nach § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO für Geständnisse, die durch Verletzung von Beweiserhebungsregeln zustande gekommen sind wie Täuschung, Drohung, Zwang, Misshandlung, Ermüdung oder durch künstliche Beeinflussung der freien Willensbildung. Auch das Versprechen von – gesetzlich nicht vorgesehenen – Vorteilen ist verboten. Ferner kann die Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen Belehrung (§ 136 Abs. 1 StPO) zum Verwertungsverbot von Geständnissen führen,[17] wenn etwa der Beschuldigte nicht auf sein Schweigerecht hingewiesen wurde.
Die Vernehmung des Angeklagten (Einlassung, Geständnis) ist zwar kein Beweismittel im engeren Sinn, eine Aussage kann jedoch als Beweis gewertet werden. Obwohl das Geständnis als Strafzumessungskriterium in § 46 StGB nicht explizit erwähnt wird, spielt es in der Praxis eine große Rolle. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die strafmildernde Wirkung eines (taktischen) Geständnisses grundsätzlich anerkannt.[18]
Widerruf
Durch ein Geständnis wird die gestehende Partei grundsätzlich gebunden. Umstritten ist im Zivilprozess, ob ein bewusst unwahres Geständnis wegen der Bedeutung der Wahrheitspflicht entgegen § 290 ZPO jederzeit widerrufen werden kann. Der BGH jedenfalls lehnt einen Widerruf ab.[19] Ein Widerruf gilt nur, wenn die Partei nachweist, dass das abgegebene Geständnis objektiv falsch ist und auf einem Irrtum beruht (§ 290 ZPO). Strafprozessrechtlich gilt, dass der Widerruf das Geständnis nicht beseitigt und die Gerichte sich bei einem Widerruf ausführlich mit dem Zustandekommen des früheren Geständnisses auseinanderzusetzen haben.[20] Abgesehen von den Verwertungsverboten müssen die früheren – möglicherweise unüberlegten - Angaben des Beschuldigten Eingang in die richterliche Beweiswürdigung finden. Dabei wird der spätere Widerruf auf seine Plausibilität hin überprüft.
International
In Österreich gilt ein Geständnis als Strafmilderungsgrund nach § 34 Abs. 1 Nr. 17 ÖStGB: „Ein Milderungsgrund ist es insbesondere, wenn der Täter ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.“ Auch in der Schweiz sieht Art. 48d StGB (CH) vor, dass das Gericht die Strafe mildert, „wenn der Täter aufrichtige Reue betätigt, namentlich den Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat.“
Auch im amerikanischen Strafprozess wird mit dem Geständnis oder bereits dem bloßen Nichtbestreiten eine Beweisaufnahme überflüssig und die zugestandene Tatsache als bewiesen eingestuft. Die „guilty plea“ (Geständnis) eröffnet im US-amerikanischen Strafprozess den Weg in ein vereinfachtes Verfahren.[21] In Deutschland hingegen ist das Geständnis lediglich ein Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. In Japan ist es verfassungsrechtlich ausdrücklich verboten, eine Verurteilung alleine auf das Geständnis des Angeklagten zu stützen.[22] Nach englischem Recht ist es der Polizei verboten, auf ein Geständnis hinzuwirken. Selbst scheinbar harmlose Wendungen wie „es könnte besser für Sie sein, die Wahrheit zu sagen als zu lügen“ sind nicht statthaft.[23]
Literatur
- Jo Reichertz, Manfred Schneider: Sozialgeschichte des Geständnisses: Zum Wandel der Geständniskultur, Verl. für Sozialwiss., Wiesbaden, 2007, ISBN 3531149326
Einzelnachweise
- ↑ so auch BGHSt 2, 269, 270 = NJW 1952, 673
- ↑ Rudolf Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 1996, S. 123
- ↑ Frauke Drews, Die Königin unter den Beweismitteln?, 2013, S. 32
- ↑ Peter Brooks, Troubling Confessions, 2001, S. 93
- ↑ Rudolf Hoke, a.a.O., S. 433
- ↑ confessio non est probatio; Abraham Saur, Peinlicher Prozessz, 1580, S. 38
- ↑ BGH NJW 1978, 885
- ↑ Frauke Drews, a.a.O., S. 23 f.
- ↑ Frauke Drews, a.a.O., S. 24
- ↑ Ellen Schlüchter, Zur Relativierung der gerichtlichen Aufklärungspflicht durch Verständigung im Strafverfahren, in: Manfred Seebode (Hrsg.), Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, 1992, S. 737, 748
- ↑ Norbert Pantle/Stephan Kreissl, Die Praxis des Zivilprozesses, 2007, S. 77
- ↑ Walter Zeiss/Klaus Schreiber, Zivilprozessrecht, 2003, S. 163 ff.
- ↑ BGH NJW 2001, 2550
- ↑ BGH, Urteil vom 15. März 2004, Az: II ZR 136/02
- ↑ vgl. Nr. 111 Abs. 4, Nr. 222 Abs. 2 RiStBV
- ↑ RG (1883), 784, 785; RGSt 48, 247, 248 f.
- ↑ BGH WM 1992, 1463
- ↑ BGHSt 43, 195, 209
- ↑ BGHZ 37, 154
- ↑ BGH, Urteil vom 22. Juli 2009, Az.: 5 StR 238/09
- ↑ Tze-Tien Hsu, Die Bewertung des Geständnisses in der Strafzumessung und in der Beweisaufnahme als Sonderproblem der Urteilsabsprache, 2007, S. 2
- ↑ Claus Roxin, Einführung in das Strafrecht und Strafprozessrecht, 2006, S. 108
- ↑ Kenny's Outlines of Criminal Law, 1929, S. 400 ff.
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