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Humberghaus

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Das Humberghaus

Das Humberghaus in der Hohen Straße 1 in Hamminkeln-Dingden ist ein altes Wohn- und Geschäftshaus, das mittlerweile als Museum genutzt wird. Es erinnert an die jüdische Familie Humberg, die hier eine Metzgerei und einen Manufakturwarenladen betrieb und bis 1941 in Dingden wohnte. Bei der Sanierung ab 2001 durch Mitglieder des Heimatvereins Dingden e. V. wurden zahlreiche Spuren des Lebens dieser Familie in dem Haus entdeckt und konserviert. Unter anderem befindet sich in dem Haus eine private Mikwe, was eine Seltenheit darstellt. Das zunächst nur angemietete Haus wurde 2008 gekauft.[1]

Die Renovierung war 2010 abgeschlossen. Der „Geschichtsort Humberghaus Dingden“, der Details des Zustandes um 1940 konserviert, ist seit 2012 der Öffentlichkeit zugänglich.

Geschichte

Der Vorgängerbau des Humberghauses wurde um das Jahr 1700 von Jacob Niehaus erbaut. 1820 bezog der erste jüdische Einwohner Dingdens, Simon Cohen, das Haus. 17 Jahre später brannte das Haus ab und Simon Cohen begann mit einem Neubau, in den zumindest das alte Pflaster, das auf Niehaus hinwies, mit einbezogen wurde. Er übernahm sich dabei aber offenbar finanziell, so dass der noch nicht ganz fertiggestellte Neubau zwangsverkauft wurde. Die neuen Bewohner waren David Plaat und seine Familie, später dessen Bruder Philipp mit seiner Frau Aleida. Nachdem diese verwitwet war, nahm sie ihre Nichte Rosalia Landau, die spätere Rosalia Humberg, bei sich auf.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, lebten noch Rosalia Humberg und ihr Sohn Leopold in dem Haus. 1938, als das Haus von SA-Männern verwüstet wurde, war Rosalia Humberg schon nicht mehr am Leben. Das Haus wurde beschlagnahmt. Die Überlebenden der Familie Humberg verkauften es nach dem Krieg an ihre einstigen Nachbarn. Später konnte der Heimatverein Dingden das Haus übernehmen. Zunächst war an eine Erweiterung des nebenan befindlichen Heimathauses gedacht worden, doch nachdem man im Humberghaus auf Spuren jüdischer Bewohner gestoßen war und mit Nachforschungen zu den einstigen Bewohnern begonnen hatte, wurden diese Pläne geändert. Das Haus wurde zu einem Erinnerungsort umgestaltet. Dieser wurde in Anwesenheit einiger Nachfahren von Rosalia und Abraham Humberg eröffnet: Aus Kanada reiste die Enkelin Ruth Muscovitch mit ihrer Tochter Susan an, ebenso die Urenkel Marvin und Leonard Terhoch.[2]

Spuren der Vergangenheit

Spuren des Vorgängerbaus des Humberghauses zeigen sich im erhaltenen Lesesteinpflaster: Die Initialen „J N“ weisen auf den Erbauer des Hauses, der Jakob Nienhaus hieß, hin.

Weil die Nutzer des Hauses nach der Deportation der Familie Humberg nur wenig daran veränderten, blieben aber auch viele Spuren des jüdischen Lebens im Humberghaus erhalten. So ist etwa der Abdruck des Firmenschilds, das den Text „Abraham Humberg – Viehhandel“ trug, noch neben der Eingangstür zu erkennen, ob wohl es bereits am Tag der Machtergreifung von SA-Leuten abgeschlagen wurde.

Außer der Mike fanden sich auch noch Spuren einer Mesusa an einem der Türrahmen. Unter dem Dielenboden wurde eine steinerne Darre gefunden, die wahrscheinlich dem ersten jüdischen Hausbesitzer gehörte.

Räume

Im Humberghaus wurde seit 1840 eine koschere Metzgerei betrieben. Sie hatte einst der Familie Plaat gehört; 1882 übernahm Abraham Humberg das Geschäft. Später wurde die Metzgerei bis 1938 von seinen Söhnen Leopold und Siegmund weitergeführt.

Sie befand sich in einem fünfeckigen Eckraum im Erdgeschoss. Aus hygienischen Gründen waren die Wände bis zu einer gewissen Höhe gestrichen; dieser grüne Anstrich samt einer Hängevorrichtung, an der die Tiere ausbluten konnten, wurden ebenso wie Reste von Dekormalereien rekonstruiert. Hinter diesem Raum befand sich eine Küche, in der die Fleisch- und Wurstwaren zubereitet wurden. Sie war mit einer Handwasserpumpe und einer Spüle ausgestattet, damit das Fleisch von Blutresten gereinigt werden konnte. Wahrscheinlich enthielt sie auch einen Kessel zur Wurstherstellung. Das Haus wurde am 23. März 1945 von einer Bombe getroffen. Spuren dieses Ereignisses sind geborstene Deckenbalken sowie gebrochener Plattenbelag in der Küche.

Neben dieser beruflich genutzten Küche befand sich auf der Rückseite des Hauses die Essküche der Familie. Der originale Fliesenboden ist erhalten geblieben, ebenso vom Herdrauch geschwärzte Deckenbalken. An die Essküche schließt sich die sogenannte Upkammer an, ein Raum, der über dem gewölbten Keller des Hauses und darum um drei Stufen erhöht liegt. Die Upkammer gestattete einen Blick in den Flur zwischen der Metzgerei und dem Manufakturwarenladens. Zur Zeit der Familie Humberg war sie mit einem Sofa ausgestattet und diente wohl als hauptsächlicher Aufenthaltsraum der Familienmitglieder.

In dem Eckraum neben der Upkammer befindet sich die Mikwe, die als wertvollstes Zeugnis des jüdischen Lebens in Dingden gilt. Dass Privathäuser mit Mikwen ausgestattet waren, kam nur selten vor. Im Falle des Humberghauses ist die Einrichtung wohl auf das Metzgerhandwerk der Männer in der Familie Humberg zurückzuführen. Ulrich Hermanns vermutet, dass die Familie die private Mikwe einrichtete, nachdem die Mikwe in der Bocholter Synagoge nicht mehr zur Verfügung stand.[2]

Neben dem Raum mit der Mikwe, an der Schmalseite des Hauses, befindet sich eine Raum, in dem das Lesesteinpflaster mit den Initialen des Jacob Nienhaus freigelegt wurden. Möglicherweise diente das Zimmer, das eine Ofennische aufweist, einst als Schlafzimmer, vielleicht aber stand es auch mit der nebenan befindlichen Mikwe im Zusammenhang.

Das Eckzimmer neben diesem Raum dürfte als Wohnzimmer gedient haben. Daneben lag Rosalia Humbergs Manufakturwarenladen. Er besaß einen dunkelgrünen Wandanstrich mit Kassettenfeldern, der fragmentarisch erhalten geblieben ist. Zwischen dem Manufakturwarenladen und der Metzgerei lag die Eingangstür des Hauses, durch die man einen Flur betrat, der geradeaus auf die Upkammer zuführte. Von diesem Flur aus führte auch eine Treppe ins Obergeschoss, in dem sich wahrscheinlich die Privaträume der Familie befanden. Ein Teil dieser Zimmer wird heute für Ausstellungen zur Geschichte Dingdens im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit sowie zur Emigration genutzt; außerdem sind im Obergeschoss Büro und Bibliothek untergebracht.

Ausstellungsstücke

Im Humberghaus werden Erinnerungsstücke zu den einzelnen Personen, die das Haus früher bewohnten, präsentiert. Unter anderem übergab das Jüdische Historische Museum Amsterdam dem Heimatverein Dingden den Nachlass Leopold Humbergs als Leihgabe. Ruth Muscovitch steuerte das Fahrrad ihres Vaters Ernst Humberg bei, das dieser auf der Flucht benutzt und offenbar bis Kanada mitgenommen hatte.[1]

Einstige Bekannte übergaben dem Heimatverein weitere Gegenstände, die in die Ausstellung aufgenommen wurden. Das Uhrwerk einer französischen Kaminuhr aus der Zeit um 1900 stammt aus dem Besitz von Ernst und Hilde Humberg. Ernst Humberg floh in der Reichspogromnacht nach Duisburg und später über die holländische Grenze; seine Frau Hilde, damals hochschwanger, ließ später die Reste ihres Besitzes von der Schreinerei Klein-Wiele aus ihrem Haus in Brünen holen und reparieren. Die Kaminuhr von der Firma S. Marti war zerschlagen worden. Das Uhrwerk schenkte Hilde Humberg einem der Mitarbeiter in der Schreinerei, Johann van Stegen. Hilde Humberg folgte ihrem Mann in die Niederlande und wanderte dann mit ihm nach Kanada aus. Johann van Stegens Nachfahren übergaben das Uhrwerk nach etwa 70 Jahren dem Heimatverein Dingden für das Humberghaus.[3]

Aus Leopold Humbergs Besitz stammt ein blauer Steinzeugkrug aus dem Westerwald, der ebenfalls um 1900 hergestellt wurde. Er übergab ihn einer Nachbarin, Adelheid Bußkönning, zum Dank dafür, dass sie ihm bei seinem alten Freund Johann Kruse[4] einen Rucksack besorgte, als er im Juli 1941 aufgefordert wurde, seine Wohnung binnen weniger Stunden zu verlassen. Eine Nachfahrin übergab den Krug dem Heimatverein.[5]

Die Familie Humberg

Abraham Humberg wurde 1852 geboren. Er stammte aus Klein-Reken, war Kaufmann, Metzger und Viehhändler, kämpfte im Deutsch-Französischen Krieg, wurde Mitglied im Dingdener Kriegerverein und heiratete 1882 Rosalia Landau. Im selben Jahr übernahm er die Metzgerei. Abraham Humberg starb im August 1932.

Seine Ehefrau Rosalia war vier Jahre jünger als ihr Mann. Sie war 1880 aus Ramsdorf zu ihrer Tante Aleida Plaat nach Dingden gezogen und übernahm deren Textilgeschäft. Rosalia Humberg lebte bis 1937. Obwohl die NSDAP es verboten hatte, nahmen an ihrer Beisetzung in Bocholt[2] etliche Bürger des Ortes teil.

Rosalia und Abraham Humberg, die 1932 ihre Goldene Hochzeit feiern konnten, hatten sieben Kinder:

Das älteste Kind des Ehepaars Humberg war Johanna, die 1883 geboren wurde. Johanna Humberg blieb ledig und arbeitete als Hausiererin. Nach 1913 lebte sie in Wesel. Sie litt an Schwerhörigkeit. Vermutlich wurde sie nach ihrer Deportation nach Riga 1941 dort ermordet.

Leopold Humberg, 1884 geboren, blieb ebenfalls ledig. Er arbeitete als Viehhändler und Metzger und zog nicht aus seinem Elternhaus in Dingden aus. Er kam als Kriegsversehrter aus dem Ersten Weltkrieg zurück und war mit dem Eisernen Kreuz Zweiter Klasse ausgezeichnet. Leopold Humberg war der letzte jüdische Bürger Dingdens. Er musste den Ort 1941 verlassen und wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er starb.

Helene Humberg, das dritte Kind, wurde 1886 geboren. Sie heiratete den Viehhändler und Metzger Abraham Frank in Velen und bekam mit ihm zwei Kinder, Edith und Siegfried. Gut in die Ortsgemeinschaft integriert, blieb die Familie Frank auch nach der Zwangsschließung der Metzgerei in Velen. 1941 wurden Helene und Abraham Frank nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihre 1918 geborene Tochter Edith Frank wurde vermutlich, obwohl sie dafür eigentlich schon zu alt war, 1939 noch mit einem Kindertransport nach England geschickt. Über ihren Lebensweg ist wenig bekannt. Sie war das einzige Mitglied der Familie Frank, das den Holocaust überlebte, und starb im Jahr 2000 in England. Ihr Bruder Siegfried wurde bei den Ausschreitungen im Zuge der Reichspogromnacht 1938 festgenommen, konnte jedoch in die Niederlande fliehen. Dort wurde er im September 1939 wieder festgenommen und im Lager Westerbork interniert, wo er fünf Jahre blieb. Im Lager heiratete er Margot Cohen aus Bocholt. Im September 1944 kam die Familie nach Theresienstadt. Siegfried wurde nach Auschwitz weitertransportiert und kam dann wahrscheinlich in das Außenlager Blechhammer. Angeblich starb er am 23. April 1945 in Deutschland. In der Bahnhofsallee Velen wurde 2012 ein Stolperstein für Abraham Frank verlegt, außerdem ist die Abraham-Frank-Schule in Velen und Ramsdorf nach ihm benannt.[6]

1887 kam Siegmund Humberg zur Welt. Er wurde wie sein Vater Viehhändler und Metzger. 1936 heiratete er eine Frau namens Selma, mit der er 1940 nach Dewittville in Kanada auswanderte. Das kinderlose Ehepaar betrieb dort eine Farm. Siegmund Humberg starb 1951 in Dewittville.

Frieda Humberg, 1889 geboren, war die jüngste Tochter des Ehepaars Humberg. Sie heiratete den Händler Adolf Terhoch, mit dem sie 1921 die Zwillingssöhne Kurt und Rudi bekam. Die Familie Terhoch konnte 1939 nach Kanada fliehen, wo sie sich in Winnipeg niederließ.

Ernst Humberg, das vorletzte Kind, kam 1893 zur Welt. Auch er ergriff den Beruf des Viehhändlers. 1930 zog er nach Brünen. Seine erste Frau, Erna Leeser, die er dort heiratete, verlor er bald. In zweiter Ehe heiratete er deren jüngere Schwester Hilde, mit der er 1938 die Tochter Ruth bekam. Ernst Humberg konnte 1939 mit Frau und Kind nach Winnipeg in Kanada auswandern, wo er Landwirt wurde und 1957 starb.

Der jüngste Sohn der Familie hieß Wilhelm und wurde 1895 geboren. Er wurde wie sein Vater und seine Brüder Viehhändler. Er heiratete Rosette Menko, mit der er in Borken lebte und zwei Töchter namens Margot und Vera[2] bekam. Schon 1933 zog er nach Winterswijk, woher seine Frau stammte und wo das dritte Kind, ein Sohn namens Jakob, geboren wurde. Die gesamte Familie wurde 1943 nach Auschwitz deportiert; niemand kehrte zurück.

An die Mitglieder der Familie Humberg erinnern Fotografien und Texte sowie einzelne Gegenstände, die erhalten geblieben sind, in den Räumen des Humberghauses. Besucher können mit Hilfe eines i-pod-Guides Informationen zum Leben und Alltag im Humberghaus zur Zeit der letzten jüdischen Bewohner sammeln. Der Illustrator Lars Baus schuf Zeichnungen, die das Geschehen im Humberghaus veranschaulichen.

Weblinks

Einzelnachweise

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