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Ich bin ein Berliner
Datei:Ich bin ein Berliner Speech (June 26, 1963) John Fitzgerald Kennedy trimmed.theora.ogv
„Ich bin ein Berliner“ ist ein berühmtes Zitat aus der Rede John F. Kennedys am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg in West-Berlin. Nachdem Kennedy in seinem ersten Amtsjahr als US-Präsident 1961 den Mauerbau hingenommen hatte, sollten sein Besuch anlässlich des 15. Jahrestages der Berliner Luftbrücke und seine Rede klarstellen, dass die Vereinigten Staaten West-Berlin keinesfalls dem sowjetischen Kommunismus überlassen würden.[1] Zwar war Kennedy keineswegs gewillt, konkret etwas gegen die Abriegelung der Westsektoren Berlins zu unternehmen, da diese Maßnahme einen friedlichen Ausweg aus der Berlin-Krise bot und die „drei Essentials“ sicherte: das Recht der Westmächte auf Anwesenheit in ihren jeweiligen Sektoren, ihr Zugangsrecht nach Berlin und die Wahrung der Sicherheit und der Rechte der Bürger West-Berlins. Im Bereich der antikommunistischen Propaganda sah er allerdings durchaus Handlungsbedarf.[2] Daher reiste er im Juni 1963 nach Berlin. Die Rede wurde in Radioprogrammen und im Fernsehprogramm der ARD live übertragen.[3]
Auftreten des Ausspruchs
Der Ausspruch kommt in deutscher Sprache auch im englischen Original der Rede zweimal vor: am Anfang und als Schluss.
- “Two thousand years ago the proudest boast was ‘Civis romanus sum’. Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‘Ich bin ein Berliner’.”
„Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Bürger Roms‘. Heute, in der Welt der Freiheit, ist der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Berliner‘.“ - “All free men, wherever they may live, are citizens of Berlin, and, therefore, as a free man, I take pride in the words ‘Ich bin ein Berliner!’”
„Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können ‚Ich bin ein Berliner‘!“
Weitere fremdsprachige Bestandteile der Rede
Kennedy notierte sich auch die Sätze:
- „Lasst sie nach Berlin kommen“
- „Civis Romanus sum“ (deutsch „Ich bin römischer Bürger“)
Er übte zuvor mit dem Journalisten Robert H. Lochner diese Passagen im Amtszimmer des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt und ließ sich eine Transkription aufschreiben.
Der Satz “Let them come to Berlin” kommt in Kennedys Rede viermal vor, wenn er vor der Verharmlosung des Kommunismus warnt. Beim vierten Mal spricht Kennedy den Satz direkt auf Deutsch „Lasst sie nach Berlin kommen.“
Weiterverwendung
- Während der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren referierte die US-amerikanische Politikerin Madeleine Albright diese Worte, wohl anmerkend, sie wolle im Hinblick auf Kennedy nicht unbescheiden wirken, aber doch auf die geschichtliche Parallele verweisen: „Ja sam Sarajevka!“ (dt. „Ich bin Sarajevoerin!“)
- Der brasilianische Autor João Ubaldo Ribeiro beendet das erste Kapitel seines Buches Ein Brasilianer in Berlin mit dem Satz „Ich bin ein Berliner, wie schon einmal jemand gesagt hat.“
Missverständnis im englischsprachigen Raum
In den USA entstand in den 1980er Jahren eine moderne Sage, nach der sich Kennedy durch unsauberen Gebrauch der deutschen Grammatik[4] zum Gespött der Berliner gemacht habe. Korrekt habe der Satz „Ich bin Berliner“ lauten müssen (ohne unbestimmten Artikel), und Kennedys Wendung sei von den Berlinern als „Ich bin ein Berliner (Pfannkuchen)“ verstanden worden, worauf großes Gelächter ausgebrochen sei. Obwohl an dieser Darstellung nichts stimmt, erfreut sie sich in den USA immer noch großer Beliebtheit und wird mit großer Regelmäßigkeit meist als “I am a jelly(-filled) doughnut” zitiert.
Die älteste bekannte Fundstelle ist der 1983 erschienene Roman Berlin Game (deutsch: Brahms vier, 1984) des britischen Autors Len Deighton, in dem die Behauptung aber vermutlich nicht ernst gemeint ist.[5] Sie wurde allerdings in der Rezension des Buches in der New York Times aufgegriffen und dort wohl für wahr gehalten.[6] Eine Glosse in der New York Times vom 30. April 1988 brachte die Behauptung dann erstmals losgelöst von dieser Quelle.[7] Sie wurde auch weiterhin in seriösen Medien kolportiert wie bei der BBC,[8] in The Guardian oder bei der NBC. Auch in einer frühen Version der englischsprachigen Wikipedia wird „I am a jelly doughnut“ als eine von zwei Interpretierungsweisen des Satzes aufgezeigt.[9]
Abgesehen davon, dass der unbestimmte Artikel im Deutschen korrekterweise bei Nomen verwendet wird, die als Stellvertreter einer Klasse auftreten, war der Ausdruck „Berliner“ für den Berliner Pfannkuchen im Berlin der 1960er Jahre so gut wie unbekannt, da dieser dort einfach nur „Pfannkuchen“ heißt. Der Satz ist also korrekt und wurde auch vor der Rede entsprechend geprüft.
Nach dem ersten Vorkommen (mit amerikanischem Akzent) bricht Jubel aus. Beim nächsten Satz gibt es zu Beginn einen Sprechchor einer kleinen Gruppe, Kennedy setzt mehrmals an und dankt dann dem Dolmetscher (der in der Aufnahme nicht zu hören ist): “I appreciate my interpreter translating my German!” („Ich bin dem Dolmetscher dankbar, dass er mein Deutsch übersetzt hat.“) Darauf bezog sich das folgende Gelächter. In der deutschen Übersetzung der US-Botschaft vom selben Tag wird dieser Satz leicht geändert in: „Ich bin dem Dolmetscher dankbar, daß er mein Deutsch noch besser übersetzt hat.“
Sonstiges
Die Rede wurde als Teil der Dokumente zum Bau und Fall der Berliner Mauer sowie zum Zwei-plus-Vier-Vertrag in die Liste zum Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.[10]
Der später durch die Fernsehserie Löwenzahn bekannt gewordene Autor und Hauptdarsteller Peter Lustig war verantwortlich für den Ton der Filmaufnahme von Kennedys Rede.
Literatur
- Ein großer Tag in der Geschichte unserer Stadt, Hrsg.: Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, Grafische Gestaltung: Tilly Bock, Gesamtherstellung: Druckhaus Tempelhof, 1965
- Andreas W. Daum: Kennedy in Berlin, Politik, Kultur und Öffentlichkeit im Kalten Krieg. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 2003, ISBN 3-506-71991-2 (englische Übersetzung: Kennedy in Berlin. Übersetzt von Dona Geyer. Cambridge University Press, New York, NY 2008, ISBN 978-0-521-67497-3 und ISBN 978-0-521-85824-3).
- John Provan: Ich bin ein Berliner. John F. Kennedys Deutschlandbesuch 1963, Berlin-Story-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86368-112-8.
Weblinks
- Video: Kennedy-Besuch und Rede am Schöneberger Rathaus Berlin (vom Rundfunk Berlin Brandenburg)
- Rede als Audio (Version mit Dolmetscher; MP3; 4,8 MB)
- Video: Rede vor dem Rathaus Schöneberg dailymotion.com ohne Übersetzung 9:46 min. „Ich bin ein Berliner“ bei 2:15 und 9:17
- Video des American Forces Network über den Besuch Kennedys am 26. Juni 1963 (Rede vor dem Rathaus Schöneberg mit Untertiteln)
- Johannes Weidenheim: Nach Kennedys Besuch. In: Blätter, 7/1963, S. 503–512 (PDF; 816 kB). Zeitgenössische Analyse der Kennedyreise
- Christian Nünlist: 50 Jahre Kennedy-Rede. „Ich bin ein Berliner“. In: Der Tagesspiegel, 26. Juni 2013
Anmerkungen und Einzelnachweise
- ↑ Siehe hierzu auch:
• John F. Kennedy#Deutschland,
• Berliner Mauer#Alliierte Reaktionen,
• Berliner Luftbrücke#Besuch von Kennedy zum 15. Jahrestag der Luftbrücke - ↑ Christof Münger: Kennedy, die Berliner Mauer und die Kubakrise. Die westliche Allianz in der Zerreißprobe 1961–1963. Schöningh, Paderborn 2003, S. 102.
- ↑ Berlin in den Sechziger Jahren (1). John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow 1963 im geteilten Berlin. (PDF; 1 kB). Information des Zeughauskinos zur Wiederaufführung im Juni 2013.
- ↑ Gebrauch des unbestimmten Artikels bei canoo.net
- ↑ Jörg Fausers Rezension der deutschen Ausgabe im Spiegel vom 7. Mai 1984 zitiert: „‚Ja, ich bin ein Berliner‘, sagte ich und dachte daran, daß auch Pfannkuchen Berliner genannt wurden.“
- ↑ Christopher Lehmann-Haupt: BOOKS OF THE TIMES. BERLIN GAME. By Len Deighton. In: The New York Times. 12. Dezember 1983, abgerufen am 22. Mai 2013.
- ↑ William J. Miller: I am a jelly-filled doughnut. Auf: nytimes.com. „What they did not know, but could easily have found out, was that such citizens never refer to themselves as ‘Berliners’. They reserve that term for a favorite confection often munched at breakfast. So, while they understood and appreciated the sentiments behind the President’s impassioned declaration, the residents tittered among themselves when he exclaimed, literally, ‘I Am a Jelly-Filled Doughnut.’“
- ↑ Letter from America by Alistair Cooke – BBC Radio 4. In: news.bbc.co.uk. 6. Oktober 2003, archiviert vom Original am 14. Januar 2010; abgerufen am 28. Februar 2015 (english).
- ↑ Ich bin ein Berliner. Abbild der englischsprachigen Wikipedia vom 20. Dezember 2001, abgerufen am 7. Mai 2016.
- ↑ Bau und Fall der Berliner Mauer und der Zwei-plus-Vier Vertrag. Archiviert vom Original am 31. August 2017; abgerufen am 31. August 2017.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Ich bin ein Berliner aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |