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Irgun Zwai Leumi
Die Irgun Zwai Leumi, genauer Irgun Tzwaʾi Leʾumi (hebräisch אִרְגּוּן צְבָאִי לְאֻמִּי, „Nationale Militärorganisation“, Abk. IZL oder Etzel, auch lediglich Irgun) war eine von 1931 bis 1948 bestehende zionistische paramilitärische Untergrundorganisation im britischen Mandatsgebiet Palästina vor der israelischen Staatsgründung. Sie stand der Weltunion der Zionistischen Revisionisten von Wladimir Jabotinsky nahe, welcher auch Oberkommandierender von 1937 bis 1940 war. In Folge des Arabischen Aufstandes verübte die Gruppe terroristische Anschläge gegen die arabische Bevölkerung. Später richteten sich die Anschläge vermehrt gegen die britische Mandatsmacht.[1][2][3] Zu den bekannteste Operationen gehören der Bombenanschlag auf das King David Hotel 1946 mit über 90 Opfern und die Teilnahme am Massaker von Deir Yasin 1948 mit über 100 Opfern. Nach Ausrufung der Unabhängigkeit Israels im Jahr 1948 löste dessen Regierung die Organisation auf, wobei Widerstand teilweise mit Waffengewalt gebrochen werden musste und integrierte deren Mitglieder in die Israelischen Streitkräfte.
Name
Als Langform wird auch HaʾIrgun HaʾTzwai HaLeʾumi BaʾEretz Jisraʾel (hebräisch הארגון הצבאי הלאומי בארץ ישראל, „Die nationale Militärorganisation im Land Israel“) gebraucht. Außerhalb Israels ist die Kurzform Irgun (hebräisch ארגון, „Organisation“) gebräuchlich, innerhalb Israels wird die Abkürzung Etzel (hebräisch אצ״ל) – ausgehend von den hebräischen Anfangsbuchstaben des Namens – benutzt.
Ziele
Die Irgun strebte die Gründung eines jüdischen Staates in den Grenzen des Britischen Mandatsgebietes von Palästina an, gemäß dem Plan der Balfour-Deklaration von 1917. Sie engagierten sich deshalb bis 1940 zusammen mit anderen Organisationen für die Einwanderung von Juden nach Palästina. Die Einwanderung von Juden wurde von den Briten in der Folge stark eingeschränkt. Insbesondere auch während der Zeit des Dritten Reiches und des Holocausts wurden jüdische Flüchtlinge abgewiesen und zurück nach Europa in ihren sicheren Tod geschickt. Aufgrund dieser Entwicklung richteten die Irgun ihre Aktivitäten zunehmend gegen die britische Mandatsmacht.[3] Ideologisch waren die Untergrundaktivitäten stark von Jabotinskys Betar-Jugend geprägt, die sich heute selbst als „die Wiege des Likud“ bezeichnet.
Logo
Das Logo der Irgun zeigt das skizzierte Gebiet des Britischen Mandates von Palästina, das gemäß der Balfour-Deklaration für die Gründung eines jüdischen Staates vorgesehen war. Der Arm mit dem Gewehr ist ein Symbol des bewaffneten Kampfes, die Zinnen auf dem Wappen symbolisieren Wehrhaftigkeit, die beiden Ölzweige unten dagegen den Willen zum Frieden.
Die Anfangsbuchstaben ארגון צבאי לאומי oben im Bild bedeuten „Nationale Militärorganisation“, unten (רק כך) „Nur so!“
Geschichte
Anfänge und Arabischer Aufstand
Die Irgun spaltete sich 1931 unter der Führung von Avraham Tehomi von der Hagana ab, um zunächst mit eigenen Verbänden einen wirkungsvolleren Schutz für die Juden in Palästina zu erreichen, nachdem 1929 antijüdische Ausschreitungen im Massaker von Hebron gipfelten.[4]
Tehomi und weitere den Allgemeinen Zionisten und Liberalen nahestehenden kehrten 1936 während des Großen Arabischen Aufstands zur Hagana zurück, um die Kräfte zu bündeln. Diese Abspaltung führte zu einer Radikalisierung des Irguns.[5]
Diese Spaltung führte zu einer weiteren Radikalisierung der Irgun, die vor allem in der Zeit zwischen 1937 und 1939 unter der militärischen Führung von Mosche Rosenberg (1937–1938) und dem Oberkommando von Wladimir Zeev Jabotinsky (1938–1940) zahlreiche Bombenanschläge auf Cafés, Marktplätze und britische Polizeistationen durchführte.[3] Die Organisation wurde bis 1939 insgeheim von der polnischen Regierung unterstützt, die die Ausreise einer möglichst großen Zahl jüdischer Bürger aus Polen erreichen wollte.[6]
Während des Zweiten Weltkrieges
Nach dem Tod von Jabotinsky im Jahr 1940 spaltete sich der Irgun. Sein Nachfolger David Raziel schloss ein Abkommen mit der britischen Polizei unter Allen Saunders und arbeitete mit den Briten zusammen. Unter Raziels Anhängern waren Yitzhak Berman und Menachem Begin. Diese Gruppe spaltete sich schließlich 1942 ab und gründete die Lechi.
Im Dezember 1943 übernahm Begin die Führung des Irgun und nahm ab Anfang 1944 den Kampf gegen die Briten wieder auf. Er erklärte dabei öffentlich Großbritannien den Krieg.
Zwischen Kriegsende und Unabhängigkeit
Unter der Führung von Begin verübte die Irgun im Juli 1946 den Anschlag auf das King David Hotel in Jerusalem, das damals einige Abteilungen der britischen Mandatsregierung und Büros des Generalstabs der britischen Armee für Palästina beherbergte. Dem Anschlag fielen 91 Briten, Araber und Juden zum Opfer.[7] Er führte zum endgültigen Bruch mit der Hagana. Die Hagana initiierte infolgedessen eine Serie von Operationen gegen Irgun und Lechi. Winston Churchill und große Teile der britischen politischen Elite wandten sich aufgrund der Terroranschläge der beiden Organisationen von der Unterstützung des Zionismus ab.[8]
Bei der Einnahme eines zwei Kilometer westlich der Stadt gelegenen arabischen Dorfes im Zuge der Schlacht um Jerusalem richteten Irgun gemeinsam mit Lechi am 9. April 1948 das Massaker von Deir Yasin an. Über einhundert Araber wurden getötet, die meisten davon Zivilisten, darunter viele Frauen, Kinder und alte Menschen. Das arabische Dorf Deir Yasin war zuvor eine Nachbarschaftsvereinbarung mit der nahegelegenen jüdischen Siedlung Giv’at Shaul eingegangen, keine Kämpfer einer Seite aufzunehmen, um sich aus den Kampfhandlungen herauszuhalten.[9] Während des Angriffes verschanzten sich die Dorfbewohner in ihren Häusern und leisteten Widerstand. Die militärisch ungeschulten und schlecht ausgerüsteten Angreifer scheuten den Nahkampf in den verwinkelten Gebäuden, so dass sie von Haus zu Haus gingen und Handgranaten durch die Fenster warfen. Insbesondere diese Vorgehensweise führte zu der hohen Zahl an toten Zivilisten. Benny Morris, Professor an der Ben-Gurion-Universität des Negev schreibt, dass Überlebende, unter ihnen Frauen und Kinder, anschließend auf LKWs durch Westjerusalem gefahren wurden, wo sie verhöhnt, bespuckt und mit Steinen beworfen wurden. Mindestens ein Teil dieser Vorgeführten wurde wahrscheinlich anschließend getötet. Zudem kam es zu Plünderungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen.[10] Jüdische Führung und Hagana verurteilten das Vorgehen, die Jewish Agency for Israel bat den jordanischen König Abdallah ibn Husain I. für das Massaker um Verzeihung, was dieser ablehnte.
Auflösung (1948)
Nach der Staatsgründung Israels im Mai 1948 entschied dessen Regierung die Auflösung der Irgun und die Unterstellung ihrer etwa 4.000 Kämpfer unter das Kommando der von der Haganah dominierten israelische Armee. Die Irgun schloss zwar Anfang Juni 1948 eine entsprechende Vereinbarung, hielt sich jedoch nur eher halbherzig daran. Einer der schwerwiegendsten Verstöße war der Altalena-Zwischenfall, bei dem 16 Irgun-Kämpfer und drei israelische Soldaten ums Leben kamen. In der Folge wurden über zweihundert Irgun-Kämpfer vorübergehend inhaftiert und der Rest zwangsweise in die Armee eingegliedert. Nur im belagerten Jerusalem blieb ein 400 Mann starkes Bataillon der Irgun zunächst selbständig, übergab aber im September nach einem Ultimatum seine Waffen an die Armee.
Nachwirkungen
Der politische Flügel der Irgun sammelte sich in der von Begin gegründeten Cherut-Partei,[1] die jedoch erst an Einfluss gewann, nachdem sie 1973 in einem Mitte-rechts-Bündnis den Kern des Likud-Blocks bildete.
Kommandeure
- Oberkommandeur: 1937–1940 Wladimir Zeev Jabotinsky
- 1931–1937 Avraham Tehomi
- 1937–1937 Robert Bitker
- 1937–1938 Mosche Rosenberg
- 1938–1939 David Raziel
- 1939–1939 Hanoch Kalai
- 1939–1939 Benyamin Zeroni
- 1939–1941 David Raziel
- 1941–1943 Jaakov Meridor
- 1943–1948 Menachem Begin
Museen
Wie auch die beiden anderen Vorgängerorganisationen der israelischen Streitkräfte, der Haganah und der Lechi, verfügt der Irgun über ein Museum in Tel Aviv, welches in der King-George-Straße gelegen ist. Dieses beleuchtet die gesamte Geschichte der Organisation.
Zusätzlich besteht am Strand von Tel Aviv das Etzel 1948-Museum, in dem die Geschichte der Etzel während des Israelischen Unabhängigkeitskrieg dargestellt wird. Auf der Webseite des Museums heißt es dazu: „Die Museumsdarstellung beschreibt den Auszug aus dem Untergrund und den Übergang zu einem offenen Krieg. Im Mittelpunkt steht eine Beschreibung der Kampagne zur Befreiung Jaffas in der Pessachwoche 1948; historische Dokumente, Fotos und Filme, Zeitungsausschnitte, Karten, Modelle und Waffen sowie eine multimediale Information für die Besucher, die Informationen über die Aktivitäten der Organisation, ihre Krieger und die Gefallenen der Kampagne von 1948 enthält.“[11] Das Museum untersteht dem israelischen Verteidigungsministerium.
Literatur
- J. Bowyer Bell: Terror Out of Zion: The Fight for Israeli Independence. 1996, ISBN 1-56000-870-9, S. 9–61.
- Henning Sietz: Attentat auf Adenauer. Siedler, München 2003, ISBN 3-88680-800-9.
- Benny Morris: Righteous Victims – A History of the Zionist-Arab Conflict 1881–2001. Vintage Books, 2001.
- Calter Walton: Empire of secrets. British intelligence, the Cold War and the twilight of empire, London (Harper Press) 2013. ISBN 0-00-745796-0. ISBN 978-0-00-745796-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Meyers Lexikon: Irgun Zwai Leumi (Memento vom 6. Januar 2009 im Internet Archive) abgerufen am 6. Mai 2007
- ↑ Irgun Zvai Leumi, JEWISH RIGHT-WING UNDERGROUND MOVEMENT. Encyclopedia Britannica, abgerufen am 5. Mai 2018.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Arie Perliger, Leonard Weinberg, Jewish Self Defense and Terrorist Groups Prior to the Establishment of the State of Israel: Roots and Traditions. "Totalitarian Movements & Political Religions", Vol. 4, No. 3, 100, (2003)
- ↑ [1] In: bornpower.de., abgerufen am 9. April 2018.
- ↑ [2] In: bornpower.de., abgerufen am 9. April 2018.
- ↑ Timothy Snyder: Black Earth. London 2015, S. 66.
- ↑ Chalk, Peter (1996). Encyclopedia of World Terrorism. Routledge. S. 394. ISBN 978-1563248061.
- ↑ Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. 4. Auflage. München 2006, S. 496–501
- ↑ Propaganda as History: What Happened at Deir Yassin?, 2005
- ↑ Ben Morris, The Historiography of Deir Yassin, 2006
- ↑ The Etzel Museum
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