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Islamische Religionspolizei
Die islamische Religionspolizei (arabisch مطوع muṭawwiʿ, Plural: مطوعون muṭawwiʿūn – abgeleitet aus dem klassischen Arabisch: mutaṭawwiʿa/muṭṭawwiʿa[1]) ist die offizielle Polizei einiger islamischer Staaten, die im Auftrag des Staates die Scharia-Vorschriften bezüglich des religiösen Verhaltens durchsetzt.
Begründet wird die Einrichtung einer Religionspolizei mit der koranischen Vorschrift, das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten.
Aufgaben
Die Aufgaben der islamischen Religionspolizei bestehen darin, die Gesetze der Scharia durchzusetzen und Regelverstöße zu verhindern. Sie ist dazu befugt, Männer, die sich mit Frauen unterhalten, mit denen sie nicht verheiratet oder verwandt (nur auf Geschwister und Eltern bezogen) sind, zu verhaften. Sie ist auch berechtigt, Produkte, die als unislamisch gelten, zu verbannen und zu konfiszieren wie z. B. Barbiepuppen, CDs/DVDs von westlichen Musikgruppen, Fernsehsendungen und Filme.
Die islamische Religionspolizei achtet auch auf die Einhaltung islamischer Essensgebote, die unter anderem die Verhinderung des Verkaufs von Alkohol sowie die Unterbindung des Verkaufs von Schweinefleisch umfassen.
Eine weitere Aufgabe ist es, die Konversion vom Islam zu einem anderen Glauben (irtidad) zu verhindern, was nach der Scharia mit dem Tode bestraft wird, sowohl für die Konvertiten als auch für die Missionare, in leichteren Fällen durch Verbannung und Deportation der Missionare. Weitere Aufgaben sind: Verfolgung von Homosexualität und Prostitution und Kontrolle der Ladenschließungen während der Gebetszeit.
Verbreitung
Im Januar 2006 gab es eine islamische Religionspolizei in Algerien, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran, Indonesien, Jemen, Libyen, Malaysia, Sudan, Usbekistan, den palästinensischen Gebieten sowie Teilen Pakistans und Nigerias. In Afghanistan stimmt die Regierung demnächst über eine Wiedereinführung ab.
Saudi-Arabien
Aufsichtsbehörde | Justizministerium |
---|---|
Gründung | 1940 |
Hauptsitz | Riad |
Behördenleitung | Abd al-Aziz bin Abdullah Al asch-Schaich, Präsident |
Bedienstete | ca. 3500 (Stand: 2006) |
Website | pv.gov.sa |
In Saudi-Arabien ist die Religionspolizei als die „Behörde für die Verbreitung von Tugendhaftigkeit und Verhinderung von Lastern“ bekannt. Die Religionspolizei stammt in Saudi-Arabien aus der konservativen Bewegung der Salafiyya bzw. Wahhabiten, deren Auslegung des Islam unter dem Haus Saud Staatsreligion ist.
Geschichte und rechtliche Grundlage
Gegründet wurde die Behörde 1940. Begründet wird sie mit dem Artikel 23 der Grundordnung, in der es heißt: „Der Staat schützt den islamischen Glauben, wendet die Schari'a an, gebietet, was recht ist und verbietet, was verwerflich ist. Er erfüllt die Pflicht, (die Menschen) zum Islam einzuladen (Da'wa).“
Anfang 2009 wurde der ehemalige Präsident Ibrahim Bin Abdullah Al-Ghait auf Anordnung von König Abdullah durch den stellvertretenden Justizminister Abd al-Aziz bin Abdullah Al asch-Schaich ersetzt, der als moderater und offener für Reformen gilt.[2] Er befürwortet die Arbeit der Behörde mit „milden“ Mitteln und ohne Gewalt.
Aktivitäten
Die Religionspolizei patrouilliert in den Straßen des Landes, um unter anderem das Verhalten und die vorschriftsmäßige Kleidung von Frauen zu überwachen. Sie besitzt ebenfalls eine „Interne Abteilung“, die das Schmuggeln von Alkohol und anderen Drogen bekämpft.
Zum Valentinstag ist der Verkauf vieler Produkte in der „Liebes-Farbe“ Rot verboten, um die Bevölkerung von diesem „heidnischen“ Spektakel fernzuhalten. Die Religionspolizei verhindere den Verkauf roter Rosen, roter Plüschteddys, roter Glückwunschkarten und anderer roter Geschenkartikel, berichteten Ladenbesitzer[3].
Zwischen 2006 und 2007 nahm die Religionspolizei zudem nach eigenen Angaben über einhundert sogenannte „Zauberer“ fest. Zauberei gilt in Saudi-Arabien als Straftat.[4] In einigen Städten wie Dschidda, Mekka und neuerdings auch der Hauptstadt Riad ist der Verkauf und das Ausführen von Katzen und Hunden verboten, da dies laut Religionspolizei häufig die Kontaktaufnahme zwischen Männern und Frauen begünstige. Das Tier kann bei Zuwiderhandlung beschlagnahmt werden.[5]
Die Religionspolizei verfügt über eine eigene Homepage, auf der lange Zeit unislamisches Verhalten angezeigt werden konnte.
Reformen
Im Mai 2006 erließ das Innenministerium ein Dekret, das die Religionspolizei dazu zwingt, im Falle einer Verhaftung die Verhafteten an die reguläre Polizei zu übergeben. Die Entscheidung zur Anzeige und zur Einbeziehung der Staatsanwaltschaft liegt ebenfalls bei der regulären Polizei.[6][7]
Im Juli 2006 gab das Innenministerium bekannt, dass die Beamten der Religionspolizei nur noch in Ausnahmefällen einschreiten und Leute bis zum Eintreffen der Polizei vor Ort festhalten dürfen.[8] Noch im gleichen Jahr wurde erklärt, dass die Religionspolizei niemanden mehr wegen „unislamischen Verhaltens“ aufhalten, arrestieren oder verhören dürfe. Zuvor genoss sie noch weitreichende Befugnisse.[9]
Die Religionspolizei verkündete am 10. Juni 2007 die Gründung einer „Abteilung für Regeln und Vorschriften“, deren Aufgabe es ist, die Aktivitäten der Religionspolizei zu überwachen und ggf. zu unterbinden.
Das Ziel der Reformen ist die Beschneidung der Befugnisse und langfristig eventuell die Abschaffung der Behörde.[10] Ab April plant man die Einführung regelmäßiger Kurse für die Polizisten, in denen das Benehmen gegenüber Nichtmuslimen und Ausländern geschult werden soll.[11]
Im Januar 2012 wurde von König Abdullah eine noch „moderatere“ Gangart der Religionspolizei angekündigt. Abd al-Aziz bin Abdullah Al asch-Schaich erließ daraufhin ein Gutachten, das Freiwillige im Dienst verbot. Im April 2012 erließ er ein weiteres Gutachten, in dem er verbot, die Bürger zu belästigen, und drohte mit entschlossenen Maßnahmen gegen aufdringliche und gewalttätige Religionspolizisten. Die Aufgabe der Religionspolizei sei nur, auf Fehlverhalten hinzuweisen. Den Frauen legte er nahe, aufdringliche Religionspolizisten bei der regulären Polizei anzuzeigen. Nur diese habe die Befugnis, rechtliche Schritte gegen Bürger einzuleiten.[12][13] Seit den Reformen sind die Religionspolizisten in der Regel mit einem Beamten der regulären Polizei unterwegs, welcher befugt ist, die Identität von Passanten festzustellen und die Personalien aufzunehmen.[14] Um bestimmte Aufgaben besser erfüllen zu können, gab die Religionspolizei im Oktober 2012 bekannt, Frauen einstellen zu wollen.[15]
Iran
Vor allem kurz nach der Islamischen Revolution ging die iranische Religionspolizei besonders brutal vor und misshandelte beispielsweise regelmäßig Frauen, die sich nicht an die Vorschriften hielten. Auch die dauerhafte Entstellung des Gesichts durch Schnitte und Säure kam vor. Im Iran stammt die Religionspolizei aus der schiitischen Konfession des Islam, da diese gleichzeitig Staatsreligion ist, und wurde direkt nach der Islamischen Revolution ins Leben gerufen.[16]
Pakistan
In der pakistanischen Millionenstadt Peschawar hat das Parlament Mitte 2005 die Einsetzung einer Religionspolizei beschlossen.[17]
Ägypten und Jemen
In Ägypten und im Jemen befinden sich die Mutawwaʿīn unter der Führung der normalen staatlichen Polizei, um die staatlichen Interpretationen des Islam durchzusetzen. Hier haben die Mutawwaʿīn jedoch keine weitreichenden Befugnisse. Zusätzlich fehlt der Einfluss auf die Öffentlichkeit, wie er etwa in Saudi-Arabien vorhanden ist. Besonders in Ägypten wurde die Muslimbruderschaft bis 2012 nicht von der Regierung unterstützt und stand den Interessen des Staates entgegen. Daher ist die Macht der Kleriker hier besonders beschränkt.[18]
Nigeria
Im Norden Nigerias sind die Hisbah-Gruppen islamisch vigilante Gruppen. Nach der Wahl des Christen Olusegun Obasanjo zum Präsidenten von Nigeria akzeptieren seit 2000 folgende Bundesstaaten die Schari'a als ihr Rechtssystem, werden damit zu islamischen Gottesstaaten und nutzen entsprechend die Institution Hisbah:
- Nordwesten: Zamfara, Sokoto, Kebbi, Kano, Jigawa, Katsina und Kaduna
- Nordosten: Yobe, Borno, Bauchi und Gombe im Nordosten,
- Mitte: Niger.
Die Hisbah-Gruppen sind nicht wohlorganisiert und stehen auch nicht unter einem zentralen Kommando. Aber sie sind häufig Auslöser heftiger Konflikte mit Christen und sonstigen "Ungläubigen". Die meisten Hisbah-Gruppen werden von den Regierungen ihrer theokratischen Bundesstaaten gesponsert.[19] Die Human Rights Watch berichtete im September 2004 ausführlich über die Anwendung der Schari'a und die Hisbah-Gruppen in den obigen Bundesstaaten.
Afghanistan
Nachdem die Religionspolizei mit dem Sturz des Taliban-Regimes aufgelöst wurde, hat ein muslimischer Rat Anfang Juni 2006 die Wiedereinführung gefordert, dies wird auch vom afghanischen Regierungschef Hamid Karzai befürwortet. Über die Einführung wird das afghanische Kabinett in Kürze abstimmen. Die Religionspolizei soll nicht so streng wie zur Zeit der Taliban handeln, z.B. soll es keinen Schleierzwang für Frauen geben. Das Thema entzweit die afghanische Gesellschaft. Da das Parlament überwiegend konservativ eingestellt ist, ist die Einführung wahrscheinlich.[20]
Malaysia
Obwohl die Bevölkerung Malaysias nur etwa zur Hälfte aus Muslimen besteht, gibt es in dem islamisch geprägten Land eine islamische Religionspolizei. Nicht nur Muslime, sondern auch Nicht-Muslime werden von der islamischen Religionspolizei zur Einhaltung islamischer Prinzipien gezwungen[21].
Palästinensische Gebiete
Im Westjordanland wurde im Herbst 2007 eine "Moralpolizei" gegründet um im Wettstreit darum, wer am islamischsten ist, mit der Hamas im Gazastreifen mithalten zu können. Dort werden islamische Regeln von der Hamas rigoros durchgesetzt. "Was gestattet ist und was nicht, wird von der Moralpolizei nach eigenem Gutdünken ausgelegt" schreibt die NZZ zur Situation im Westjordanland.[22].
Weblinks
- Erik Möller 25. März 2002 in Telepolis: Die toten Mädchen von Mekka
- Asianews 25. November 2004: Christians arrested and persecuted in Saudi Arabia
- Human Rights Watch (2004): Human Rights and Islamic Law in Northern Nigeria
Quellen
- ↑ The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 7, S. 776
- ↑ BBC:Major reshuffle in Saudi Arabia
- ↑ www.dimadima.de Saudiarabische Religionspolizei verbannt rote Waren aus Geschäften
- ↑ uq/dpa: Islam-Polizei macht Jagd auf Zauberer, Focus Online, 19. Juli 2007.
- ↑ Saudi-Arabien verbietet Hunde N24 vom 3. August 2008
- ↑ http://www.nshrsa.org/articles.php?ID=48
- ↑ http://www.carnegieendowment.org/publications/index.cfm?fa=view&id=19217&prog=zgp#tamanini
- ↑ http://www.carnegieendowment.org/publications/index.cfm?fa=view&id=18528&prog=zgp&proj=zted#reduced
- ↑ sada.com:Reduced Powers for Morality Police in Saudi Arabia
- ↑ http://www.time.com/time/magazine/article/0,
- ↑ Radio Vatikan: Saudi Arabien: Benimmschule für Religionspolizei 26. Januar 2008
- ↑ Saudi Arabia religious police chief announces new curbs
- ↑ Saudi Arabia Crawls Forward: Women Can Now Serve On Religious Police Force Saudi Arabia religious police chief announces new curbs
- ↑ travel-state.gov USA:KSA Crime
- ↑ Saudi Arabia to recruit women to religious police force
- ↑ www.politische-bildung-brandenburg.de Die islamische Revolution im Iran
- ↑ Radio Vatikan 2005 Pakistan: Neue Religionspolizei
- ↑ Middle East Online 5. Juni 2004 Al-Azhar confiscates publications
- ↑ Nigeriafirst 9. April 2003: Ethnic militia groups of Nigerian societies
- ↑ Konrad-Adenauer-Stiftung 3. August 2006 Diskussion um die Religionspolizei entzweit die afghanische Gesellschaft
- ↑ Radio Vatikan 2006 Malaysia: "Religionspolizisten" terrorisierten US-Ehepaar
- ↑ NZZ online 14. Oktober 2007: Mit «Hey, ihr Hübschen» ist es vorbei. Eine Moralpolizei soll die Hauptstadt des Westjordanlands zum gottesfürchtigen Ort machen [1]
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