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Jüdische Gemeinde Luzern

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Gemeindepräsident Meir Shitrit
Innenansicht der Synagoge Luzern (2016)

Jüdische Gemeinschaften sind seit den 1860er-Jahren im Kanton Luzern organisiert und anerkannt. Zurzeit (2023) leben rund 400 Juden und Jüdinnen in Luzern.

Die wichtigsten Fakten

1912 wurde die Synagoge an der Bruchstrasse gebaut. Sie gilt als eine der schönsten in der Schweiz und bietet alle religiösen und gemeinschaftlichen Dienstleistungen an.

Die Jüdische Gemeinde Luzern (JGL) umfasst heute etwa 40 Familien und unterhält die Synagoge an der Bruchstrasse. Sie führt alle täglichen Gebetszeiten (Schacharit, Mincha und Ma’ariv) sowie den Schabbatgottesdienst und die Feste durch. Dabei wird sie unterstützt von den Studenten der Jeschiva (jüdische Hochschule). In der Synagoge gibt es sowohl eine Mikwe für Frauen wie auch für Männer und eine separate Mikwe für Geschirr.

Die Synagoge bietet jedem Juden und jedem Mitglied der jüdischen Gemeinde von Luzern alle religiösen und gemeinschaftlichen Dienstleistungen an. Präsident der jüdischen Gemeinde ist Meir Shitrit (der ca. 2003 aus Israel nach Luzern kam).

Die zuvor prägende Persönlichkeit der Jüdischen Gemeinde Luzern über sechs Jahrzehnte hinweg war Hugo Benjamin. Meir Shitrit ist mit dessen Tochter, Michelle Shitrit (Michelle Shitrit-Benjamin), verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder.

Die Adresse der Jüdischen Gemeinde Luzern ist Lindenhausstr. 13, Postfach, 6002 Luzern. Die Synagoge befindet sich an der Bruchstrasse 51 in 6003 Luzern.

Rabbiner der jüdischen Gemeinde Luzern waren u. a. Samuel Brom (ab 1919 bis 1962), Benjamin Pels (1962 bis 1993) und Israel Mantel (1994 bis 2008). Heute hat die Gemeinde keinen festen Rabbiner mehr, dazu fehlt das Geld.

Jeschiwa

Eine seit Längerem bestehende Jeschiwa in Kriens konnte nicht am Leben erhalten und musste im Jahr 2015 geschlossen werden. Die goldene Epoche hatte die Talmudhochschule vor allem dem russisch-schweizerischen Rabbiner Jizchok Kopelman zu verdanken. Als der charismatische Rektor 2011 im Alter von 106 Jahren starb, hatte er die Jeschiwa 48 Jahre lang geleitet und Tausende von Zöglingen inspiriert. Nach seinem Tod versiegten die Spenden, und die Anmeldungen ausländischer Studenten aus vermögenden Familien gingen stark zurück.

An die Stelle der Krienser Jeschiwa trat eine innergemeindlich organisierte Jeschiwa: Jeschiwa Luzern – Talmud Hochschule Luzern, Adresse: Talmud Hochschule Luzern – Lindenhaustrasse 13, Postfach 6000 Luzern. Der wichtigste Lehrer dort ist: Rabbi Yosi Yudkovski (Jaakov Josef Yudkowsky, geboren 1987; alternativ: Yossi Yodkovski)

Chabad in Luzern

In einem gewissen Konkurrenzverhältnis zur Jüdischen Gemeinde Luzern (JGL) steht die Chabad-Niederlassung am Ort: Chabad Lubavitch Zentralschweiz.

Chabad Lubavitch ist eine weltweite Jüdische Organisation mit nahezu 4’500 Zentren, die religiöse, erzieherische und soziale Dienste anbietet. Chabad Lubavitsch in der Zentralschweiz ist seit dem Jahr 2003 aktiv. Die verschiedenen Aktivitäten zu den Feiertagen und Schabbat, die beliebten Kurse für Erwachsene, Jugendliche und Kinder sowie kulturelle Events bringen zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Umgebung zusammen. Seit 2002 leitet der Rabbiner Chaim Drukman Chabad Zentralschweiz. Er ist praktisch der einzige Rabbiner und faktisch neben Meir Shitrit der Vertreter der Juden in Luzern.

Adresse: Chabad Zentralschweiz, Pilatusstr. 20, 6003 Luzern.

Geschichte der Jüdischen Gemeinde Luzern

Mittelalter

Die frühesten Belege für die Anwesenheit von Juden in Luzern finden sich für die Zeit nach 1251. Die kleine jüdische Gemeinschaft war 1348/51 von den Verfolgungen der Pestzeit bedroht und flüchtete sich vermutlich nach Sursee. Nach 1386 wohnten wieder Juden in Luzern. In der städtischen Topographie sind ein „Judenturm“ und eine „Judengasse“ nachgewiesen. Die Juden trieben Geldhandel und durften Häuser erwerben. Nach 1425 erhielten nur noch jüdische Ärzte als gesuchte Spezialisten eine Aufenthaltserlaubnis (1544, 1565 Samuel Tedesco).

In einem Osterspiel aus der Zeit der Gegenreformation verspottete der Staatschreiber Rennward Cysat (1545-1614) die talmudische Lernmethode (1543). Bis zum 17. Jahrhundert schweigen - nach jetzigem Forschungsstand - die Quellen.

Neuzeit

Um 1650 waren Juden in der Alten Eidgenossenschaft und ihren Nachbargebieten auf dem Land sesshaft und betätigten sich als Hausierer, Viehmakler und -händler. Vom elsässischen Sundgau, der Nordwestschweiz, dem gemeinsam verwalteten Untertanengebiet „Grafschaft Baden“ und der süddeutschen Nachbarschaft her bereisten sie Luzern.

Die moderne Gemeinde

1798 versuchten in Luzern die Vorsteher der jüdischen Gemeinden Endingen und Lengnau ihre Gleichberechtigung durchzusetzen - ohne Erfolg. Die Luzerner Regierungen verhielten sich Juden gegenüber bis in die 1860er Jahre abweisend, auch der nach 1848 liberale Regierungsrat. Ein Anführer der katholisch-konservativen Opposition gegen den neuen Bundesstaat war Philipp Anton von Segesser (1817-1888). Er träumte von einer rein christlichen Gesellschaft und war von Vorstellungen jüdischer Verschwörungen gegen den Katholizismus befangen.

Durch französischen Druck erhielten 1864 Elsässer, 1866 auch Schweizer Juden das Recht auf Niederlassung in der Schweiz. 1866 gründeten jüdische Zuzüger den „Israelitischen Kultusverein“, mieteten einen Betsaal und stellten 1867 einen Vorsänger (Simon Götschel) an. 1884 konnten sie einen Friedhof einrichten. Endinger und Elsässer Familien bildeten den Grundstock der Gemeinde. Abraham Erlanger, zusammen mit seinem Neffen Simon Erlanger Sr. aus dem badischen Gailingen über Endingen und Sursee nach Luzern kommend, sorgte für eine neo-orthodoxe Ausrichtung der Einheitsgemeinde.

Durch die Spende eines Kurgastes konnte 1912 eine Synagoge eingeweiht werden. Der Textilkaufmann Simon Erlanger Sr. wurde 1911 als einer der ersten Schweizer Juden auf der Liste der Liberalen Partei Mitglied des „Grossen Stadtrates“ (=Legislative) und präsidierte 1912-1941 die Jüdische Gemeinde. Als Rabbiner wirkten Samuel Brom (1919-1963), Benjamin Pels (1962-1993) und von 1994 bis 2008 Israel Mantel. Nach 1900 wanderten ostjüdische Familien zu, die bis 1922 eine eigene Betgemeinschaft unterhielten.

Im Juli 1933 verwüstete ein aufgehetzter Luzerner den Innenraum der Synagoge. Vom 20. August bis 5. September 1935 fand der 19. Zionistenkongress statt. 492 Delegierte, 240 Pressevertreter und bis zu 2’500 Besucher wurden verzeichnet. „Frontisten“ (=Schweizer Faschisten) bewarfen die Unterkünfte mit Petarden. Bis 1945 führte der Luzerner Polizeipräsident ein strenges Regiment gegen jüdische Flüchtlinge.

Kriens

1958 wurde eine Talmudhochschule unteren Grades (= “Jeschiwa ketana“) eröffnet, die 1967 nach Kriens verlegt wurde (2015 aus finanziellen Gründen geschlossen). Einige Jahre lang existierte auch ein ultraorthodoxes Lehrerinnenseminar („Bet Jacob“). Sehr angesehen war der Arzt und Gross-Stadtrat (1955-71) Werner Wyler.

Gegenwart

In den 1970er Jahren zogen jüdische Geschäftsleute aus dem angelsächsischen Raum in die Innerschweiz. Die Ausrichtung der Gemeinde wurde in den letzen 30 Jahren traditionalistischer („charedisch“, d.h. streng oder ultraorthodox). Einige Luzerner Juden sind deshalb Zürcher Gemeinden beigetreten oder nach Israel ausgewandert. Seit etwa zehn Jahren entfalten die Lubawitscher Chassidim auch in der Innerschweiz eine rege Tätigkeit.

Die Jüdische Gemeinde Luzern wies im Jahre 2004 noch 200 Mitglieder auf. Gab es noch bis in die 1990er-Jahre ein sichtbares jüdisches Leben im Luzerner Bruchquartier – mit Synagoge, Koschergeschäft, Kindergarten und zeitweise bis zu 160 Familien, so ist es heute bedeutend ruhiger geworden, obwohl alles versucht wird, um das jüdische Leben wieder vorwärts zu bringen.

Nach der Volkszählung wohnten 1980 587 Juden im Kanton Luzern. Die Gemeinde ist heute nicht mehr Mitglied im Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. (1992 trat sie unter Protest aus dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund aus, weil dort liberale jüdische Gemeinschaften aufgenommen werden sollten.)

Literatur

  • „Luzern“, in: Germania Judaica (= Ortslexikon jüdischer Gemeinden des Mittelalters), Bd. II/1, S. 503, Bd. III/1; S. 768
  • Kaufmann, Uri R.: Juden in Luzern, Luzern 1984
  • Kaufmann, Uri R.: Die jüdische Welt trifft sich in Luzern. Der Zionistenkongress des Jahres 1935; in: Jahrbuch Historische Gesellschaft Luzern 26 (2008); S. 29-44
  • Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hg.): Jüdische Lebenswelt Schweiz, Zürich 2004, S. 147, 472

Weblinks

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