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Joseph Karl Stieler
Joseph Karl Stieler (* 1. November 1781 in Mainz; † 9. April 1858 in München) war ein deutscher Maler und von 1820 bis 1855 Hofmaler des bayerischen Königs. Er schuf hauptsächlich Porträts, die sich durch hohes technisches Können und eine deutliche idealisierende Tendenz auszeichnen. Stilistisch entwickelte sich seine Darstellungsweise ausgehend von der barocken Miniatur, erhielt ihre besondere Prägung durch den Klassizismus französischer Schule und nahm im Alterswerk sogar zuletzt noch frührealistische Elemente auf. Zu den bedeutendsten Werken Joseph Stielers zählen die Schönheitengalerie König Ludwigs I. von Bayern sowie die heute bekannten Porträts J. W. von Goethes, Alexander von Humboldts und Ludwig van Beethovens.
Leben und Laufbahn
Joseph Stieler war Sohn von August Friedrich Stieler, Stempelschneider der kurfürstlichen Münze in Mainz, und dessen Frau Philippine (geb. Fritzmann). In der Familie, deren Wurzeln sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, hatten künstlerische Berufe – darunter Graveur, Stempel- und Wappenschneider oder Petschaftstecher – Tradition.[1] Auch Joseph erhielt daher vom Vater früh Zeichenunterricht und übertraf künstlerisch bald seine älteren Brüder. Der frühe Tod des Vaters 1789 ließ die Familie verarmt und in einer schwierigen Lebenslage zurück und veranlasste den Jungen, seine künstlerische Ausbildung selbstständig weiterzuverfolgen. Er übte sich erfolgreich weiter im Zeichnen und eignete sich ohne persönliche Anleitung – wohl mithilfe eines der damals gängigen Lehrbücher – die Kunst der Miniaturmalerei an. Große Aufgeschlossenheit für neue künstlerische Impulse, eine sorgfältige, aber auch effiziente Arbeitsweise sowie die Verbindung zur gehobenen und höfischen Gesellschaft, prägten sein weiteres Leben als Maler.[2]
Eine Miniatur seiner Schwester für deren Verlobten lenkte dessen Aufmerksamkeit auf Stielers Talent. Dies bildete den Auftakt seiner intensiveren Beschäftigung mit Kunst und brachte weitere Aufträge ein, durch die er in zunehmendem Maße seine Familie unterstützen konnte. Dabei kam ihm auch das gestiegene Bedürfnis breiterer bürgerlicher Kreise nach Porträts zugute.
Als Jugendlicher entschloss er sich, dem Hoflager des geflohenen Freiherren Friedrich Karl Joseph von Erthal nach Aschaffenburg zu folgen, wo er freundliche Aufnahme und zahlreiche Betätigungsmöglichkeiten als Miniaturmaler fand. Er lernte dort Freiherr Karl Theodor von Dalberg kennen, mit dem er fortan eng in Verbindung blieb, und der ihn ideell wie praktisch unterstützte.
Nachdem er sich so eine gewisse Grundlage geschaffen hatte, nahm er 1798 eine zweijährige Lehre bei Johann Christoph Fesel auf, wo er den Umgang mit Ölfarben erlernte. Um 1802 folgte ein Studium – Stielers erste systematische künstlerische Ausbildung – an der K.K. Akademie der Künste in Wien unter Leitung Heinrich Fügers, von dem er unter anderem den Rat annahm, das Miniaturmalen zugunsten größerer Werke aufzugeben. Er schloss dort 1805 erfolgreich ab. Anschließend brach Stieler zu einer Arbeitsreise nach Russland auf, musste aber aufgrund des Krieges zwischen dem napoleonischen Frankreich, dessen Staatsangehöriger er war, und Russland in Polen bleiben, wo er zahlreiche Aufträge erhielt. Von dort kehrte er 1807 nach Wien zurück. Reisen spielten eine wichtige Rolle in Stielers künstlerischem Leben. Im selben Jahr brach er schließlich auch zu einem eineinhalbjährigen Paris-Aufenthalt auf, wo er von zahlreichen gesellschaftlichen Kontakten und dem reichen Kulturangebot der Stadt profitierte. Hier studierte er auch – insbesondere bei François Gérard – zum zweiten Mal und nahm prägende klassizistische Einflüsse auf, die für sein Werk einen Neuanfang bedeuteten. In diese Zeit fiel auch eine nicht näher bezeichnete Augenerkrankung, die den Maler zeitweilig zumindest um seine künstlerische Existenz fürchten ließ, sodass er einige Zeit untätig und in tiefer Verzweiflung verbringen musste, ehe das Leiden glücklicherweise zurückging.
Weitere Arbeitsaufenthalte in Frankfurt am Main und Italien folgten. Ab 1812 war er am bayerischen Hof für König Maximilian I. tätig, schuf als arrivierter Porträtist eine Vielzahl von Gemälden und wurde 1820 zum Hofmaler ernannt. 1818 heiratete er seine erste Frau, die russischstämmige Pauline Luise Beckers und führte mit ihr eine glückliche Ehe. Ihr früher Tod 1830 traf den Maler hart; 1833 heiratete er – in zweiter, ebenso glücklicher Ehe – die Dichterin Josephine von Miller, ohne den Verlust völlig zu überwinden.
Im Auftrag von Antonie Brentano schuf er 1820 – unter schwierigen Bedingungen – das heute bekannteste Porträt von Ludwig van Beethoven. 1828 entstand, in regem Austausch mit dem Dichter und Gelehrten, sein berühmtes Goethe-Bildnis. 1823 gehört er zu den Gründungsmitgliedern des Kunstverein München.
In den für Stieler persönlich schwierigen Jahren um 1830 folgten dennoch zahlreiche Werke und Reisen. 1848 sah sich der Maler mit dem politischen Aufruhr in Bayern, den Geschehnissen um Lola Montez, die er widerwillig porträtierte, und der Abdankung König Ludwig I. von Bayern konfrontiert. Auch in den vierziger Jahren entstanden noch zahlreiche Bilder, wobei sich Stieler zunehmend mit dem politisch und künstlerisch gewandelten Umfeld auseinandersetzen musste und produktiv, aber doch bereits als alternder Maler, nach neuen Wegen suchte. Er betont die Wichtigkeit des Neuen und steht sowohl der Landschaftsmalerei wie der aufkommenden Fotografie aufgeschlossen gegenüber.
1855 wird er auf Wunsch als Hofmaler pensioniert und verbringt noch einige Jahre in seinem Sommerhaus, dem heutigen Stielerhaus (erbaut 1830), am Leeberg in Tegernsee. 1858 stirbt er schließlich infolge einer Lungenentzündung und einer Lähmungserkrankung. Sein umfangreiches Werk stößt nun auf geteiltes Echo. Einige seiner Nachkommen, darunter sein Sohn aus zweiter Ehe mit der Dichterin Josephine von Miller, der Dichter Karl Stieler (1842–1885), sollten künstlerische Berufe ergreifen.
Die Grabstätte von Joseph Stieler befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Mauer Links, Platz 248/249 bei Gräberfeld 11; Standort48.12811.566361111111).
Werk und Stil
Joseph Stieler schuf hauptsächlich Porträts. Daneben existiert eine Reihe von Altarbildern sowie einige wenige Bilder mit erzählenden, häufig mythologischen Motiven und – im privaten Nachlass, unabhängig von fremden Aufträgen – ein weitgehend eigenständiges zeichnerisches Werk.
Seine Gemälde zeichnen sich durch hohe technische Perfektion, sichere, saubere Zeichnung und eine merkliche Glätte aus, die mitunter bereits kühl wirkt. Dem entspricht eine ausgeprägte Tendenz zur Idealisierung der sorgfältig arrangierten Bildnisse.
Stielers Werk orientiert sich zunächst im Umgang mit Licht, Komposition und Malweise stark an der barocken Miniatur und rigiden technischen Reglements, entwickelt sich – an klassizistischen Einflüssen aus Frankreich weiter und nimmt zuletzt sogar frührealistische Elemente sowie Anregungen aus der sich nun eigenständig etablierenden Landschaftsmalerei auf, die noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts verächtlich als „Moos oder Flechte am Stamm der großen Kunst“ abqualifiziert wurde: Der in den Bildern dargestellte Raum wird nun reeller gestaltet, die Porträtierten immer menschlicher als Einzelpersönlichkeiten gezeigt. Die gemalte Landschaft tritt aus ihrer Funktion als bloße Beigabe und Hintergrund heraus.
Stieler konnte jedoch, ungeachtet etwa der strengen und repräsentativen Auffassungen klassizistischer Vorbilder, als Mensch und Künstler sensibel auf seine Modelle eingehen und seine Darstellungsweise den Eigenentarten der Dargestellten und dem gesellschaftlichen Kontext des Bildes anpassen, was in vielen Fällen den Porträts einen ausgeprägteren, lebendigeren Charakter verleiht.
Das private zeichnerische Werk, das auch seine stilistische Entwicklung verdeutlicht, bringt darüber hinaus eine weitaus individuellere Sicht- und Zeichenweise zum Ausdruck; Studien dazu sind aber heute durch die lückenhafte Überlieferung stark erschwert.
Wirkung und Kritik
Joseph Stieler war ein erfolgreicher und in seiner Zeit sehr berühmter Porträtmaler, der insbesondere durch seine Arbeiten für den Bayrischen und Preußischen Königshof und zahlreiche weitere Regenten und bedeutende Persönlichkeiten in die Kunstgeschichte eingegangen ist.
Die zeitgenössische Allgemeine Deutsche Biographie beurteilt dies aus geringem Abstand für die Zeit um 1820 so: „Jetzt wurde [Stieler] ‚Mode‘ in der Haute volée und es gehörte zum guten Ton, sich von [ihm] abconterfeien zu lassen. Es entstanden zahllose Bildnisse von Staatsmännern, Heerführern, Gelehrten, Künstlern (darunter beispielsweise Fürst Wrede, General von Pappenheim), von erlauchten und hohen Frauen, welche meist noch der Regierungszeit König Max’ I. angehören.“
Spätere Epochen kritisierten oft seine idealisierende Darstellungsweise und seine Auffassung des Porträts, die ihnen gegenüber eigenen Ansprüchen als zu „traditionell“ erschien, stellten aber sein technisches Können als Maler nicht infrage. Auch Stieler selbst erkannte dementsprechend gegen Ende seiner Laufbahn die Wichtigkeit eines Wandels. Allerdings stützt sich diese kritische Auseinandersetzung oft nur auf einen relativ kleinen, öffentlich zugänglichen Teil des Werks.
Mit zunehmendem zeitlichen Abstand tritt zwar eine differenzierte Kritik an die Stelle von Pauschalwertungen und Abgrenzungsversuchen, jedoch stoßen Werk und Maler nur begrenzt auf fundiertes Interesse. Weitere Forschung ist zudem durch die schwierige Überlieferungssituation und insbesondere die weiträumige Verteilung der Werkstandorte erschwert.
Trotzdem erschien 1971 im Rahmen der Dissertation der Stielerforscherin Ulrike von Hase das bisher umfassendste Werkverzeichnis des Malers. Seitdem sind eine große Zahl weiterer Arbeiten bekannt geworden, die der Öffentlichkeit noch nicht vorgestellt worden sind. Die Forscherin verfügt dazu auch über entsprechend weiterführendes Material.
Das Stielerhaus in Tegernsee ist als Erinnerungsort an die Künstlerfamilie erhalten geblieben und Besuchern zu besonderen Anlässen zugänglich.
Literatur
- Constantin von Wurzbach: Stieler, Joseph. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Band 38. Verlag L. C. Zamarski, Wien 1879, S. 350 f.
- Hyacinth Holland: Stieler, Joseph. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 189–196.
- Ulrike von Hase: Joseph Stieler 1781–1858: Sein Leben und sein Werk. Kritisches Verzeichnis der Werke. Prestel-Verlag, München 1971, ISBN 3-7913-0340-6.
- Karl Alexander von Müller: Der Hofmaler Joseph Stieler. In: Unbekanntes Bayern: Porträts aus acht Jahrhunderten. Süddeutscher Verlag, Nachdruck 1976, ISBN 3-7991-5839-1.
- Gerhard Hojer: Die Schönheitsgalerie König Ludwigs I. 4. Auflage. Schnell und Steiner, Regensburg 1997.
- Dorothea Minkels: Elisabeth von Preussen, Königin in der Zeit des AusMÄRZens. BoD, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8370-1250-7.
- Tino Mager: Stieler, Joseph Karl, in: Savoy, Bénédicte und Nerlich, France (Hg.): Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt. Band 1: 1793–1843, Berlin/Boston 2013, S. 278–281.
Weblinks
- Literatur von und über Joseph Karl Stieler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Goethezeitportal: Stielers Goethe-Bildnis und seine Adaptionen (J.Assel, G. Jäger)
- Beethoven digital: Stielers Beethoven-Portrait und die Ölstudie dazu
Einzelnachweise
- ↑ Zur Ahnenreihe der Künstlerfamilie vgl. Dr. U. v. Hase (1971), S. 12 sowie den von Dr. Lindner (1926) erstellten Stammbaum.
- ↑ Zum Werdegang des Malers vergl. insgesamt das Anfangskapitel Biographie im Standardwerk Dr. U. v. Hases (1971) sowie H. Holland (ADB 36: 1893) und G. Hojer (1997), wie angegeben.
Personendaten | |
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NAME | Stieler, Joseph Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Maler |
GEBURTSDATUM | 1. November 1781 |
GEBURTSORT | Mainz |
STERBEDATUM | 9. April 1858 |
STERBEORT | München |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Joseph Karl Stieler aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |