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Erinnerungsort
Der Begriff Erinnerungsort (französisch: un/le lieu de mémoire, fachsprachlich auch Mnemotop) geht auf den französischen Historiker Pierre Nora zurück. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass sich das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe (so für Nora die französische Nation) an bestimmten Orten kristallisiert und als historisch-sozialer Bezugspunkt prägend für die jeweilige Erinnerungskultur ist. Der Begriff „Ort“ ist im übertragenen Sinne zu verstehen und kann sich nach Pierre Nora unterschiedlich manifestieren. Zum Beispiel als geografischer Ort, ebenso aber als mythische Gestalt, als historisches Ereignis, Institution oder Begriff, als Buch oder Kunstwerk usw. Diese „Orte“ besitzen eine besonders aufgeladene symbolische Bedeutung, die für die jeweilige Gruppe identitätsstiftende Funktion hat.
Die von Nora in einem siebenbändigen Werk zusammengetragenen Erinnerungsorte Frankreichs haben in anderen europäischen Ländern ähnliche Publikationen angeregt. So erschienen seit 2001 in einem dreibändigen Werk Deutsche Erinnerungsorte. Im Jahr 2012 erschien das dreibändige Werk Europäische Erinnerungsorte.[1] Im Verlag C.H. Beck erschienen inzwischen außerdem Sammelbände zu antiken Erinnerungsorten, dem Mittelalter und Erinnerungsorten des Christentums.
Beispiele für Erinnerungsorte
- Der Reichstag
- Die Reformation
- Der Westfälische Frieden
- Johann Wolfgang Goethe
- Faust
- Weimar
- Friedrich Schiller
- Heinrich Heine
- Carl Spitzweg
- Die Wartburg
- Karl Marx
- Die Paulskirche
- Kölner Dom
- Der Schrebergarten
- Richard Wagner
- Konrad Röntgen
- Friedrich Nietzsche
- Albert Einstein
- Versailles
- «Wissen ist Macht»
- Made in Germany
- Der Sozialstaat
- Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
- «Heil»
- Auschwitz
- Flucht und Vertreibung
- Der Volkswagen
- D-Mark
- Das Wunder von Wankdorf
- Die Mauer
- Die Autobahn
- Der Palast der Republik
- Schwabinger Krawalle
- Achtundsechzig
- Der Kniefall
- Erinnerungsort Olympia-Attentat
- Der Mitläufer
- Die Bundesliga
- «Wir sind das Volk!»
- Die Nationalhymne
- andere Länder
- geografischer Ort: das Rütli, Ort des legendären Rütlischwurs, trägt den Charakter eines schweizerischen Nationaldenkmals
- Bauwerke: die Kathedrale von Reims, Krönungskirche der französischen Könige, Symbolort der deutsch-französischen Freundschaft
- Ereignisse:
- die Schlacht auf dem Amselfeld (1389) für das serbische Nationalbewusstsein
- Moulin de Laffaux an die Kämpfe am Chemin des Dames im Ersten Weltkrieg
- Westerplatte bei Danzig an den Kampf um die Westerplatte der polnischen Verteidiger
- historische Gestalten, die jedoch teils mythisch verklärt wurden: Jeanne d’Arc für die französische Nation, Arminius für die deutsche
- Musikstücke: die Marseillaise für die französische Nation
Literatur
- Pim den Boer, Heinz Duchhardt, Georg Kreis, Wolfgang Schmale: Europäische Erinnerungsorte. 3 Bände. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-71694-8 (Gesamtausgabe).
- Band 1: Mythen und Grundbegriffe des europäischen Selbstverständnisses, ISBN 978-3-486-70418-1.
- Band 2: Das Haus Europa, ISBN 978-3-486-70419-8.
- Band 3: Europa und die Welt, ISBN 978-3-486-70822-6.
- Andreas Degen: Was ist ein Erinnerungsort? Zu Begriff und Theorie topographischen Erinnerns in politischer und phänomenologischer Hinsicht, in: Erzählregionen. Regionales Erzählen und Erzählen über eine Region. Ein polnisch-deutsch-norwegisches Symposium, herausgegeben von Bernd Neumann, Andrzej Talarczyk. Shaker, Aachen 2011, S. 70–91, ISBN 978-3-8440-0526-4.
- Étienne François, Hagen Schulze (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte Gesamtausgabe. 3 Bände. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56896-1; eine Auswahl bei: Bundeszentrale für Politische Bildung: Schriftenreihe, Band 475, Bpb, Bonn 2005, ISBN 3-89331-587-X.[2]
- Johannes Fried, Olaf B. Rader (Hrsg.): Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62214-4.
- Claus Leggewie mit Anne Lang: Der Kampf um die europäische Erinnerung. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60584-0.
- Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1998, ISBN 978-3-596-12295-0.
- Pierre Nora, Étienne François: Erinnerungsorte Frankreichs. C.H. Beck, München 2005, ISBN 978-3-406-52207-9.
- Christoph Markschies, Hubert Wolf unter Mitarbeit von Barbara Schüler (Hrsg.): Erinnerungsorte des Christentums. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60500-0.[3]
- Burkhard Olschowsky, Ivan Petransky, Attila Po´k, Andrzej Przewoznik Matthias Weber (Hrsg.): Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa: Erfahrungen der Vergangenheit und Perspektiven (= Schriften des Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Band 42). Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-70244-6.
- Patrick Ostermann, Claudia Müller, Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.): Der Grenzraum als Erinnerungsort. Über den Wandel zu einer postnationalen Erinnerungskultur in Europa. transcript, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8376-2066-5.
- Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59045-0.
- Elke Stein-Hölkeskamp, Karl-Joachim Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt. C.H. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-60496-6.
- Elke Stein-Hölkeskamp, Karl-Joachim Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60496-6.
- Georg Kreis: Schweizer Erinnerungsorte. Aus dem Speicher der Swissness. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2010, ISBN 978-3-03823-591-0.
Weblinks
- Webportal für Geschichtskultur mit Texten über die Erinnerungsorte, Cultura Histórica (englisch/spanisch).
- Cornelia Siebeck: "Erinnerungsorte", in: Docupedia-Zeitgeschichte, 2. März 2017 – zur Geschichte des Konzepts sowie aktuellen Ansätzen und Perspektiven in der Forschung.
Anmerkungen
- ↑ Pim den Boer … (Hrsg.): Europäische Erinnerungsorte, Gesamtausgabe, 3 Bände, Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-71694-8.
- ↑ Deutsche Erinnerungsorte, Auswahl, Inhaltsverzeichnis
- ↑ Inhaltsverzeichnis Erinnerungsorte des Christentums
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