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KZ-Außenlager Obertraubling
Das KZ-Außenlager Obertraubling wurde als Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg in der Gemeinde Obertraubling auf dem Werksgelände der Messerschmitt AG errichtet. Es bestand vom 20. Februar bis 15. April 1945 und fasste rund 600 Häftlinge, gut die Hälfte davon waren Juden. Unmittelbar nach dem Krieg wurde das Areal als Bleibe für deutsche Flüchtlinge oder Vertriebene genutzt, im Jahr 1951 entstand die Ortschaft Neutraubling auf dem ehemaligen Gelände des Flugzeug-Konzerns.
Geschichte
Der Kontext des Außenlagers: Fliegerhorst und Messerschmitt-Werke Obertraubling
Im Westen von Regensburg, im heutigen Stadtteil Prüfening, existierte seit Mitte der 1920er Jahre ein unrentabler städtischer Verkehrsflughafen. Mitte der 1930er Jahre gab es Planungen des Reichsluftfahrtministeriums die Anlage in eine militärische umzuwandeln und dort eine Bombergruppe der Luftwaffe zu stationieren. Die Luftwaffe kam jedoch nicht zum Zug, da die Bayerischen Flugzeugwerke AG das Gelände im Juni 1937 längerfristig pachtete und dort die Werkstätten der 1936 gegründeten Messerschmitt GmbH mit Sitz in Regensburg errichten ließ.[1] Die Planungen der Luftwaffe für einen Militärstützpunkt bzw. einen Fliegerhorst konzentrierten sich daraufhin auf das Feuchtwiesengebiet nordöstlich von Obertraubling, im heutigen Neutraubling etwa zwölf Kilometer von Regensburg entfernt. Die als Geheime Reichssache eingestuften Arbeiten am Flugfeld begannen 1937 und im Sommer 1938 wurde das Richtfest für das Hauptgebäude gefeiert.[2] Auf dem rund 250 Hektar großen Areal wurde daraufhin im Herbst 1938 eine Fliegerhorst-Kompanie stationiert, wobei die dafür notwendigen Ausbildungen in Obertraubling statt fanden.
Um die kriegswichtige Produktion des Messerschmitt-Konzerns nach dem Überfall auf Polen nochmals zu steigern, wurde auf dem Gelände des Fliegerhorsts Obertraubling Ende 1940 eine weitere Produktionsstätte aufgebaut und das Areal als Werkflugplatz genutzt. Die vormals dort stationierte Kompanie wurde verlegt. Für den Aufbau dieser Werkstätten wurden anfangs 2200 deutsche Soldaten der Strafkompanie aus Grafenwöhr und ab 1942 sowjetische Kriegsgefangene, darunter viele Offiziere, herangezogen. Zur deren Unterbringung wurden auf bzw. gleich neben dem Werksgelände zwei sogenannte Russenlager errichtet. Insgesamt mussten dort etwa 2750 Gefangene unter miserablen Bedingungen leben und in der Flugzeugproduktion Zwangsarbeit leisten.[3]
Im weiteren Kriegsverlauf und zur erneuten Steigerung der Produktionszahlen wurden tausendfach KZ-Häftlinge zur Produktion von Messerschmitt Flugzeugen gezwungen. Nach der Bombardierung der Regensburger Werke im August 1943 verlagerte man beispielsweise die Produktion von bestimmten Einzelteilen der Jagdflugzeuge Bf 109 direkt ins KZ Flossenbürg.[4] Mit der anhaltenden systematischen Bombardierung der Messerschmitt-Werke durch alliierte Verbände wurden die Produktionsstätten systematisch dezentralisiert und in getarnte Waldwerke verlegt. Das Obertraublinger Werk mit seinem ausreichend großen Flugfeld wurde in diesem Zusammenhang stark aufgewertet und „als logistischer Hauptstützpunkt beibehalten“, da man dort die Endmontage und den Einflug der Jagdflugzeuge, d.h. die Tests zur Inbetriebnahme, vornehmen konnte.[5] Da aber auch diese Produktionsstätten seit Februar 1944 Ziel alliierter Bombardements waren, so z.B. am 16. Februar 1945 in großem Umfang, stellt die Einrichtung des dortigen KZ-Außenkommandos (20. Februar) zur Beseitigung der Bombardierungsschäden einen der letzten Versuche dar, den strategisch bedeutsamen Messerschmitt-Standort in Obertraubling aufrecht zu erhalten.
Das Außenlager Obertraubling
Anfang 1945 wurden tausende Häftlinge aus bereits aufgelösten Konzentrationslagern in Flossenbürg gesammelt und ca. 600 davon zum neu gegründeten Obertraublinger Außenkommando weiter transportiert. Ihr gesundheitlicher Zustand war sehr schlecht, viele waren nicht arbeitsfähig oder völlig entkräftet. Die größte Gruppe unten den Gefangenen waren Polen (191 jüdische und 27 nicht-jüdische), gefolgt von Tschechen (102 nicht-jüdische und 8 jüdische), 47 Kroaten, Franzosen (21 jüdische und 14 nicht-jüdische) und neun weiteren Nationalitäten. Bereits Ende März 1945 weist die Stärkeliste des Kommandos nur noch 484 Gefangene auf, was eine Sterberate von fast 20 % in etwa fünf Wochen bedeutet. Die Toten wurden auf dem Gelände in Massengräbern verscharrt. Die Hauptaufgabe der Häftlinge bestand daran, die Bombardierungsschäden auf dem werkseigenen Flugplatz des Messerschmidtkonzerns zu beseitigen, bzw. die bestehenden Flugbahnen auszubauen.[6] Die Gefangenen wurden im sogenannten Casinobau untergebracht, der schon Anfang der 1940er Jahre für dort stationierte Offiziere errichtet, aber nicht fertiggestellt worden war. Es handelte sich hierbei um einen zweistöckigen Rohbau, ohne Fenster, Dach und Türen.
Schon in den ersten Tagen nach der Ankunft der Häftlinge trat Ruhr, Typhus und Fleckfieber auf. Die Ernährungslage war so desolat, dass Häftlinge beispielsweise versuchten, Zahngold gegen (mehr) Essen einzutauschen.[7] Am 16. April 1945 wurde das Außenkommando Obertraubling aufgelöst. Marschunfähige und Kranke brachte man per Lastwagen ins Konzentrationslager Dachau, die Anderen mussten sich zu Fuß auf den Weg begeben. Laut Bericht eines Überlebenden sind nur ca. 25 Personen dieses Todesmarsches lebend in Dachau angekommen.[8] Dem Außenkommando gehörten anfangs 50 SS-Wachmannschaften an, welche die Gefangenen teilweise aus anderen evakuierten Lagern nach Obertraubling begleiteten. Die Wachmannschaften wurden im März durch elf weitere SS-Männer unter der Führung von SS-Oberscharführer Johann Patron verstärkt. Kommandoführer war SS-Hauptscharführer Cornelius Schwanner, der seit September 1939 dem Wachdienst in Flossenbürg angehörte und ab November 1943 bis zu seiner Versetzung nach Obertraubling das Außenlager Johanngeorgenstadt führte. Schwanner wurde im Flossenbürg-Hauptprozess von 1947 wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und in Kriegsverbrechergefängnis Landsberg hingerichtet. Er bestritt bis zuletzt, an den Misshandlungen und der Tötung von Häftlingen beteiligt bzw. für die miserablen Zuständen in Obertraubling verantwortlich gewesen zu sein.[9]
Die Nachkriegsnutzung des KZ-Außenlagers
Nach der Befreiung bzw. der Besetzung des Obertraublinger Messerschmitt-Werks durch die amerikanischen Truppen wurde die Anlage als Truppenstützpunkt genutzt. Dem folgte im November 1946 der Abzug der US-Armee und nach der Übergabe an die deutschen Behörden wandelte man die Unterkünfte in ein Auffanglager bzw. in eine Siedlung für sogenannte Vertriebene und deutsche Flüchtlinge um. 1951 wurde nach einem Beschluss der an das Werksgelände angrenzenden Gemeinden eine neue namens Neutraubling gegründet. Das ehemalige Messerschmitt-Gelände stellt heute das Zentrum Neutraublings dar, es wird in etwa von den folgenden Straßen eingegrenzt: Links die Walhallastraße (damals die Zufahrt von Obertraubling kommend), rechts die Nedeker Straße (die ehemalige Flugbahn), im südlichen Bereich die Böhmerwaldstrasse und im nördlichen die Eichdorfstraße. Das Häftlings-Gebäude des ehemaligen KZ-Außenkommandos, das sogenannte Casino, wird heute vom Restaurant „Ratskeller“ genutzt, das Rathaus befindet sich direkt daneben.
Gedenken
Im Bereich der heutigen Breslauer Straße Neutraublings ließ das Bayerische Landesentschädigungsamtes unter Philipp Auerbach im Jahr 1949 einen KZ-Friedhof errichten, auf dem rund 280 Leichname bestattet wurden. Als Ehrenmal stellte man ein fünf Meter hohes Eisenkreuz auf, das die Inschrift „Requiedcant in pace“, Ruhe in Frieden trug. Bereits sechs Jahre später wurden die Gebeine exhumiert und teils in die ehemalige Heimat der Verstorbenen und teils nach Flossenbürg in die kurz vorher angelegte Gedenkstätte verbracht.[10] Das Eisenkreuz verlegte man in den gemeindlichen Friedhof, ohne irgendwelche erläuternden Hinweise auf seinen Ursprung anzubringen. Der KZ-Friedhof hingegen wurde in Bauland verwandelt, da Neutraubling wie kaum eine andere bayerische Gemeinde dieser Zeit rasant anwuchs. Seit dem Jahr 2006 steht vor dem Neutraublinger Rathaus ein zwei Tonnen schwerer Findling aus Flossenbürger Granit, auf dem eine Tafel angebracht wurde mit folgendem schwammig gehaltenen Inschriftentext:
„EINER VIELZAHL UNBEKANNTER OPFER VON MENSCHENFEINDEN 1933 – 1945“.
Seit 2006 existiert darüber hinaus ein Rundweg mit der Bezeichnung „Auf den Spuren des Flugplatzes“, in dessen Verlauf Informationstafeln Auskunft geben sollen über die vormalige Nutzung des Geländes.
Literatur
- Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 4. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52964-X.
- Heike Wolter (Hg.): Sterben und Überleben im KZ-Außenlager Obertraubling, Edition Riedenburg Salzburg 2011. (Arbeit des P-Seminars des Gymnasiums Neutraubling)
- Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, Universitätsverlag Regensburg 1994.
- Peter Schmoll: Messerschmitt-Giganten und der Fliegerhorst Regensburg-Obertraubling, , MZ-Buchverlag Regensburg, 2002.
- Peter Schmoll: Die Messerschmitt-Werke im Zweiten Weltkrieg. Die Flugzeugproduktion der Messerschmitt GmbH Regensburg von 1938 bis 1945, MZ-Verlag Regensburg, 2004, ISBN 3-931904-38-5.
Einzelnachweise
- ↑ Helmut Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, Universitätsverlag Regensburg 1994, S. 314. Die Bayrische Flugzeugwerke AG, gegründet 1926 in Augsburg, wurde im Frühjahr 1933 von den NS-Behörden mit weitreichenden (Entwicklungs-)Aufträgen bedacht und im Sommer 1938 nach ihrem Chefkonstrukteur Willy Messerschmitt umbenannt. Die seitdem als Messerschmitt AG firmierenden Flugzeugwerke waren ab Frühjahr 1940 in privatem Besitz, wobei die Regensburger Messerschmitt GmbH seit 1938 als Tochter selbständig verwaltet wurde und um 1943 das zweitgrößte Flugzeugwerk Europas gewesen sein soll. Vgl. Halter, S. 317-328.
- ↑ Fabian Sachenbacher: Die Vorgeschichte. Der Fliegerhorst Obertraubling, in: Heike Wolter (Hg.): Sterben und Überleben im KZ-Außenlager Obertraubling, 2011, S. 24.
- ↑ Fabian Sachenbacher: Die Vorgeschichte. Der Fliegerhorst Obertraubling, 2011, S. 25.
- ↑ Dort arbeiteten beispielsweise im August 1943 ca. 800 und seit dem Herbst 1944 ca. 5000 KZ-Häftlinge für Messerschmitt. Die Einnahmen der SS in Flossenbürg für die „Verleihung“ der Häftlinge als Arbeitssklaven an Messerschmitt betrugen im Dezember 1944 laut einer Abrechnung 533000 RM „Leihgebühr“. Vgl. Halter: Stadt unterm Hakenkreuz, 1994, S. 332-336.
- ↑ Peter Schmoll: Die Messerschmitt-Werke, S. 172. So wurden die Waldwerke bei Hagelstadt (Tarnname „Gauting“) und Mooshof (Tarnname „Staufen“) deshalb ausgewählt, da man sie bestens an die Obertraublinger Infrastruktur anschließen konnte. Hierbei ist auch die Verlagerung der Endmontage des Düsenjägers Me 262 nach Obertraubling erwähnenswert, auf den das Naziregime weitreichende Hoffnungen für den Luftkrieg setzte. Die Montage dauerte an bis zum sogenannten Panzeralarm in der Nacht zum 23. April 1945, ebenso die Auslieferung. Die letzte Me 262 verlies Obertraubling am gleichen Tag nach München Riem. Vgl. Halter, S. 189.
- ↑ Ulrich Fritz: Obertraubling, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Flossenbürg, Mauthausen und Ravensbrück, Beck München 2006, S. 214.
- ↑ Ulrich Fritz: Obertraubling, 2006, S. 215. Hinter diesen Machenschaften stand der „Küchenkapo“ Alfons Rösch, der dafür 1947 vom LG Regensburg zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Vgl. Miriam Betz: Die Prozesse – Gerechtigkeit für begangenes Unrecht, in: Wolter (Hg.), 2011, S. 47
- ↑ Andreas Gröschl: Der Todesmarsch, in: Wolter (Hg), 2011, S. 34. Die Angaben stammen aus einem Interview mit Moishe Mantelmacher von Juni 2011. Angeblich überlebten weitere 30 – 40 Personen diesen sogenannten Todesmarsch, da ihnen unterwegs die Flucht gelang.
- ↑ Vgl. Eintrag der Gedenkstätte Flossenbürg unter Außenlager Obertraubling, wo sich auch ein Bild von Schwanner findet.
- ↑ Florian Schmidbauer: Neutraubling: Einzug der Nachkriegsgesellschaft, in: Wolter (Hg.), 2011, S. 50. Wie in ähnlich gelagerten Orten auch gab es zuvor Beschwerden wegen der Vernachlässigung der Gräber auf dem „KZ-Friedhof“.
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