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Kammerknechtschaft
Als Kammerknechtschaft bezeichnet man den im 12. Jahrhundert ausgebildeten und im 13. Jahrhundert formalisierten Rechtsstatus der Juden als "Besitz" des römisch–deutschen Kaisers.
Die Kammerknechtschaft als Rechtsstatus für die im Heiligen Römischen Reich ansässigen Juden wurde nach dem Vorbild des Wormser Privilegs ausgestaltet. In diesem Privileg hatte Kaiser Heinrich IV. (1050–1106) den in Worms ansässigen Juden 1090 ihre Rechte verbrieft. Mit dem Wormser Privileg war ein Rechtsstatut, eine Sammlung von Rechtsnormen geschaffen worden, die im Positiven wie im Negativen für Jahrhunderte das Verhältnis zwischen Juden und Christen prägen sollte und sich auf folgende Rechte erstreckte:
- Schutz von Leben und Eigentum,
- Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung,
- Freiheit der Religionsausübung,
- Recht zur Beschäftigung christlichen Hauspersonals,
- Autonomie der Jüdischen Gemeinde in innerjüdischen Rechtsangelegenheiten
- Festlegung einer verbindlichen Verfahrensordnung für Streitigkeiten zwischen Juden und Christen.
Friedrich II. (1194–1250) dehnte das Wormser Privileg im Jahre 1236 auf alle Juden seines Jurisdiktionsbereichs aus und führte damit die Kammerknechtschaft als Rechtsstatus für alle im alten Reich ansässigen Juden ein. Im Wormser Privileg bezeichnete Friedrich II. die Juden als „Kammerknechte“ (servi camerae nostri) und verwendete damit den von der Kirche geprägten Ausdruck der „Judenknechtschaft“ (perpetua servitus iudaeorum), der von Papst Innozenz III. 1205 geprägt wurde und von Gregor IX. 1234 im Liber Extra in das Kanonische Recht aufgenommen wurde. Im Privileg von 1236 wird den Juden der Schutz ihres Eigentums und Freiheit im Handel – vor allem in Bezug auf Finanzgeschäfte – zugesichert. Sie waren von den öffentlichen Gerichten ausgenommen und hatten eine eigene Gerichtsbarkeit. Dadurch war es den Juden in Teilbereichen möglich, jüdisches Recht anzuwenden. Im Interregnum – einer kaiserlosen Periode des Mittelalters, die mit dem Tode Friedrichs II. im Jahre 1250 begann und erst 1273 mit der Wahl Rudolfs I. zum römisch-deutschen König endete – ging die Kammerknechtschaft infolge des Zusammenbruchs der kaiserlichen Zentralgewalt mehr und mehr auf die Territorialfürsten über.
Der Rechtsstatus der Kammerknechtschaft war teuer. Kaiser Sigismund (1368–1437) verlangte im 15. Jahrhundert von jedem Juden ein Drittel seines Einkommens. Außerdem war die Rechtsfähigkeit der Juden eingeschränkt. Sie hatten beispielsweise kein Waffenrecht. Solche Beschränkungen der Rechtsfähigkeit waren im Mittelalter Außenstehenden gegenüber üblich.
Dieselben Grundsätze wurden über das Haus Habsburg im weltlichen Judenrecht von Böhmen, Polen, Schlesien und Ungarn überliefert, wo sie teilweise noch bis ins 18. Jahrhundert wirksam waren.
Dabei stand der kaiserlich legitimierte Geltungsanspruch der Privilegien stets in Konkurrenz zu kirchlichen und territorialherrschaftlichen Bemühungen um eine rechtliche Schlechterstellung der Juden.
Literatur
- J. F. Battenberg: Kammerknechtschaft. In: Lexikon des Mittelalters. Band 5: Hiera-Mittel bis Lukanien. Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01742-7, Sp. 891.
- Friedrich Battenberg: Das Europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. Band 1: Von den Anfängen bis 1650. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-11381-0, S. 101–110.
- Dietmar Willoweit: Vom Königssschutz zur Kammerknechtschaft. In: Karlheinz Müller (Hrsg.): Geschichte und Kultur des Judentums. Eine Vorlesungsreihe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Schöningh, Würzburg 1988, ISBN 3-87717-041-2, (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 38), S. 71–90.
- Regesta Imperii V/2,4, n. 14727
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Kammerknechtschaft aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |