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Zuständigkeit

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Die Zuständigkeit oder Kompetenz legt im öffentlichen Recht fest, welche Behörde bzw. welches Gericht im Einzelfall rechtlich zu hoheitlichem Handeln ermächtigt und verpflichtet ist.[1] Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ist eine formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns und für die Tätigkeit der Gerichte. Sie wird grundlegend durch die Verfassung bestimmt.[2]

Deutschland

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Aus verfassungsrechtlicher Sicht folgt die Zuständigkeit einer öffentlichen Stelle zum einen aus der Gewaltenteilung, einem Element des Rechtsstaatsprinzips, zum anderen aus dem Bundesstaatsprinzip.

Gewaltenteilung

Die Zuständigkeit der staatlichen Gewalt ist zunächst funktional festgelegt: Die Gesetzgebung setzt das Recht, die öffentliche Verwaltung führt die Gesetze aus, und die Rechtsprechung entscheidet im Streitfall über die Rechtslage (die Bedeutung der rechtlichen Regeln) und schafft dabei gleichzeitig eine Grundlage für die zwangsweise Durchsetzung des Rechts im Einzelfall. Ein Organ darf in diesem Sinne nur im Rahmen der Kompetenzen handeln, die ihm die Verfassung funktional zuweist.[3]

Ein Sonderfall ist insoweit die Rechtsetzung durch die Verwaltung in Form von Rechtsverordnungen und Satzungen (sog. materielles oder untergesetzliches Recht). Sie bedarf einer formellgesetzlichen Ermächtigung, die wiederum bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss (Art. 80 GG; Wesentlichkeitstheorie). Weiterhin schafft die Rechtsprechung auch sogenanntes Richterrecht, das ein Eigenleben neben dem positiv gesetzten Recht zu entwickeln vermag. Insbesondere in der Verfassungsgerichtsbarkeit kann es zu Überschneidungen mit der Kompetenz des Gesetzgebers kommen, die unter dem Topos des judicial self-restraint diskutiert werden.

Bundesstaatsprinzip

Eine weitere Gliederung folgt aus dem Föderalismus: Die Kompetenzen der drei öffentlichen Gewalten sind auf den Bund, die Länder und die Kommunen verteilt.[4] Die Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 70 ff. GG. Sie liegt demnach grundsätzlich bei den Ländern; nur bei den ausdrücklich aufgezählten Sachgebieten liegt sie ausschließlich oder konkurrierend beim Bund. Auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gilt der Grundsatz, dass die Gesetze von den Ländern ausgeführt werden (Art. 83 ff. GG). Nur ausnahmsweise wird hier die Bundesverwaltung tätig. Und auch in der Rechtsprechung sind zunächst die Gerichte eines jeweiligen Landes berufen (Art. 92 ff. GG).

Zuständigkeitsregelungen im Einzelnen

Öffentliche Verwaltung

Die im Einzelfall zuständige Stelle der öffentlichen Verwaltung ist im übrigen nach der Maßgabe des einfachen Rechts zu ermitteln. Sie richtet sich nach dem Verwaltungsaufbau, in der jeweils ein bestimmter Träger für einen Sachbereich sachlich und örtlich zuständig ist. Sie ist also Teil des Organisationsrechts. Insoweit werden – „instantiell“ – üblicherweise bei einem dreistufigen Verwaltungsaufbau untere, obere und oberste Verwaltungsbehörden unterschieden.[5] Auch Beliehene können zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zuständig sein und insoweit hoheitlich handeln.

Beispielsweise ist in den Polizeigesetzen der Länder bestimmt, dass im Polizei- und Ordnungsrecht grundsätzlich die Zuständigkeit der örtlichen allgemeinen Ordnungsbehörde begründet ist. Sie ist bei den Landkreisen und kreisfreien Städten errichtet. Für bestimmte örtliche Angelegenheiten ist hingegen die kommunale Ordnungsbehörde sachlich und örtlich zuständig, beispielsweise für die Regelung des Verkehrs auf Ortsstraßen die örtliche Straßenverkehrsbehörde.[6]

Ein anderes Beispiel ist die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Arbeitsunfälle (§ 8 SGB VII) in einem bestimmten Gewerbezweig (sachlich; nach Maßgabe der Satzung der Berufsgenossenschaft) und in einem bestimmten Bezirk (örtlich, soweit es in dem Gewerbezweig Unfallversicherungsträger gibt, die nur für einen bestimmten örtlichen Bereich zuständig sind) für bestimmte Versicherte (§ 2 ff. SGB VII).

In jüngerer Zeit hat sich das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit den Zuständigkeitsregelungen im Recht der zum Januar 2005 neu eingeführten Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) beschäftigt.[7] Die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfebedürftigen (§ 36 SGB II). Verwaltungsträger ist grundsätzlich die Bundesagentur für Arbeit, ausnahmsweise ein zugelassener kommunaler Träger an deren Stelle (sog. Optionskommune, § 6 SGB II). Zur Erfüllung ihrer Aufgaben errichten die Arbeitsagenturen und diejenigen Kommunen, die nicht selbst als Träger zugelassen worden sind, Arbeitsgemeinschaften (sog. ARGEn, § 44b SGB II). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Orgsanisationsform in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum Ablauf des Jahres 2010 eine neue Regelung zu schaffen.[8] Dabei hat das Gericht die Bestimmungen der Art. 83 ff. GG so ausgelegt, dass eine sogenannte Mischverwaltung[9] mit der bundesstaatlichen Ordnung sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar gewesen seien.[10]

Rechtsprechung

Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich nach dem Gerichtsverfassungsrecht. Dabei sind einerseits der Rechtsweg (die Ordentliche Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafsachen), die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den besonderen Zweigen der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit sowie die Freiwillige Gerichtsbarkeit), andererseits der Instanzenzug innerhalb eines Rechtswegs zu unterscheiden (in der ordentlichen Gerichtsbarkeit etwa: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof).

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte innerhalb desselben Rechtswegs richtet sich nach den jeweiligen Prozessordnungen (Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Verwaltungsgerichtsordnung, Finanzgerichtsordnung, Sozialgerichtsgesetz). Im Zivilprozess ist der Streitwert hierfür besonders bedeutsam, weil nach § 23 Nr. 1 GVG bürgerliche Streitigkeiten mit einem Wert von mehr als 5000 Euro nicht mehr vom Amtsgericht, sondern vom Landgericht zu entscheiden sind (davon abgesehen sind Angelegenheiten ohne Ansehung des Streitwertes katalogmäßig den Amtsgerichten zugewiesen gem. § 23 Nr. 2 GVG). Im Strafprozess bestimmt sich die Zuständigkeit des Gerichts nach dem zu erwartenden Strafmaß (§ 24 ff. GVG).

Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den jeweiligen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen, in denen Gerichtsbezirke festgelegt worden sind, sowie aus dem Gerichtsstand.

Innerhalb eines Gerichts bestimmt sich im übrigen die Zuständigkeit eines einzelnen Richters oder eines Spruchkörpers nach dem Geschäftsverteilungsplan. Er hat den Zweck, sicherzustellen, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen wird (Art. 101 GG). Die Geschäftsverteilung wird von den Richtern des jeweiligen Gerichts beschlossen (Selbstverwaltung der Justiz).

Wird die Klage vor dem sachlich oder örtlich nicht zuständigen Gericht erhoben, erfolgt eine Verweisung an das zuständige Gericht.

In den Instanzenzug ist das Bundesverfassungsgericht nicht eingegliedert, denn es ist keine sogenannte Superrevisionsinstanz. Das Bundesverfassungsgericht wird nur in den Fällen tätig, die in Art. 93 abschließend aufgezählt sind. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde überprüft es nur die Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts“.[11]

Besondere Regelungen

Eilkompetenz der Polizei

Besondere Regelungen gelten für Notfälle, in denen die grundsätzlich zuständige Behörde oder das zuständige Gericht nicht erreichbar sind oder in denen sie nicht schnell genug handeln können, um die Rechte des Betroffenen zu wahren. Beispielsweise hat die Vollzugspolizei in diesen Fällen eine Eilkompetenz gegenüber der allgemeinen Ordnungsbehörde.

Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts

Für den Fall, dass kein anderes Gericht mehr den Rechtsschutz rechtzeitig gewährleisten könnte, steht der Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts für Begehren aus allen Gerichtsbarkeiten in dem jeweiligen Landgerichtsbezirk auch an Sonn- und Feiertagen als eingeschränkter Notdienst bereit (§ 22c GVG).

Internationale Zuständigkeit

Bei Fällen mit Grenzüberschreitung richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den einschlägigen völkerrechtlichen und europarechtlichen Verträgen und sonstigen Bestimmungen (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO), Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen).

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 19. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 1993, ISBN 3-8114-8293-9.
  • Hans-Peter Bull: Allgemeines Verwaltungsrecht: ein Lehrbuch. 6. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 2000, ISBN 3-8114-2049-6 (§ 3 3 e) = Rn. 146ff.).
  • Hartmut Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht. 11. Auflage. C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42619-0 (§ 21 III = Rn. 44ff.).
  • Thomas von Danwitz: Europäisches Verwaltungsrecht. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-79878-1, doi:10.1007/978-3-540-79878-1 (auszugsweiser Volltext online).
  • Christoph G. Paulus: Zivilprozessrecht. Erkenntnisverfahren, Zwangsvollstreckung und Europäisches Zivilprozessrecht. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-88061-5, doi:10.1007/978-3-540-88061-5 (auszugsweiser Volltext online, S. 13-24).
  • Heinrich Nagel und Peter Gottwald: Internationales Zivilprozessrecht. 6. Auflage. Otto Schmidt, Köln 2006, ISBN 978-3-504-47096-8, § 3 – Internationale Zuständigkeit.
  • Haimo Schack: Internationales Zivilverfahrensrecht. 4. Auflage. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54833-4, § 8. Internationale Zuständigkeit (Rn. 185–409).

Weblinks

  • Duden: Zuständigkeit. In: Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2007, abgerufen am 16. September 2010 (Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2007).

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Bull: Allgemeines Verwaltungsrecht: ein Lehrbuch. 6. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 2000, ISBN 3-8114-2049-6 (Rn. 146ff., 146).
  2. Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 19. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 1993, ISBN 3-8114-8293-9 (Rn. 27).
  3. Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 19. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 1993, ISBN 3-8114-8293-9 (Rn. 475ff, 476).
  4. Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 19. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 1993, ISBN 3-8114-8293-9 (Rn. 235ff.).
  5. Hans-Peter Bull: Allgemeines Verwaltungsrecht: ein Lehrbuch. 6. Auflage. C. F. Müller, Jur. Verl., Heidelberg 2000, ISBN 3-8114-2049-6 (Rn. 146ff., 147).
  6. Volkmar Götz: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht. 12. Auflage. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1995, ISBN 3-525-18239-2 (§ 23. Organisation der Ordnungsverwaltung).
  7. BVerfG: Urteil – 2 BvR 2433/04 – 2 BvR 2434/04. 20. Dezember 2007, abgerufen am 16. September 2010.
  8. BVerfG: Urteil – 2 BvR 2433/04 – 2 BvR 2434/04. 20. Dezember 2007, abgerufen am 16. September 2010 (Rn. 144ff., 207).
  9. Der Begriff der Mischverwaltung und ihre Zulässigkeit waren seit langem Gegenstand von Literatur und Rechtsprechung, vgl. zusammenfassend Bodo Pieroth: In: Hans D. Jarass, Bodo Pieroth, GG. 7. Auflage. 2004 (Art. 30 GG Rn. 10).
  10. BVerfG: Urteil – 2 BvR 2433/04 – 2 BvR 2434/04. 20. Dezember 2007, abgerufen am 16. September 2010 (Rn. 153ff., 157): „Das Grundgesetz schließt, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, auch eine sogenannte Mischverwaltung aus (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108, 169 <182> m.w.N.). Die Regelungen der Art. 83 ff. GG gehen damit grundsätzlich von der Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesverwaltung aus. ... Die grundsätzliche Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern gewährleistet durch eine klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen die Verantwortlichkeit der handelnden Staatsorgane. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auch bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit (vgl. BVerfGE 21, 73 <79>; 78, 214 <226>; 98, 106 <119>; 108, 169 <181 f.>) zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu verhindern (vgl. BVerfGE 108, 169 <181 f.>). Aus Sicht des Bürgers bedeutet rechtsstaatliche Verwaltungsorganisation ebenfalls zuallererst Klarheit der Kompetenzordnung; denn nur so wird die Verwaltung in ihren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für den einzelnen „greifbar“ (vgl. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: HStR, 3. Aufl., § 26 Rn. 79; vgl. auch Robra, a.a.O., S. 188).“
  11. Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Juni 1964 – 1 BvR 37/63 –, BVerfGE 18, 85 (92).
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