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Kirill Semjonowitsch Serebrennikow
Kirill Semjonowitsch Serebrennikow (russisch Кири́лл Семёнович Сере́бренников; Betonung: Kiríll Semjónowitsch Serébrennikow; * 7. September 1969 in Rostow am Don, Sowjetunion) ist ein russischer Theater-, Opern- und Filmregisseur.
Leben
Serebrennikow erhielt schon zu Schulzeiten eine Auszeichnung für die erste Amateur-Theateraufführung, die er in der Schule erarbeitet hatte. Im Jahr 1992 schloss er ein Physikstudium an der Staatlichen Universität in Rostow ab. Mehrere Jahre fungierte er als Direktor des Amateurtheaters. 1990 wurde die Bühne in eine professionelle umgewandelt. Seit 1998 arbeitet er auch für den Film. Zur Zeit lebt und arbeitet er in Moskau und inszeniert am Moskauer Künstlertheater.
2010 war Serebrennikow Regisseur des Stücks Die toten Seelen (von Nikolai Gogol) am Lettischen Nationaltheater. Die als „Künstlernacht“ bezeichnete Aufführung wurde als beste Aufführung des Jahres prämiert. In diesem Schauspiel wurden alle Rollen von neun männlichen Schauspielern gespielt, Serebrennikow erhielt positive Bewertungen von den Kritikern. 2012 inszenierte der Regisseur Georg Büchners Woyzeck.
Serebrennikow hat auch Opern-Inszenierungen für das Mariinsky-Theater und das Bolschoi-Theater erarbeitet, war dort auch Regisseur und Ausstatter eines Balletts. Darüber hinaus hat er an der Komischen Oper Berlin und der Stuttgarter Oper inszeniert. Seit 2008 ist er Professor der Moskauer Theaterschule, wo er eine Klasse mit Schauspielern und Regisseuren hat. Seine Produktionen wurden bei den Wiener Festwochen und dem Festival von Avignon präsentiert. Seine Filme wurden auf dem Filmfestival Cannes, dem Locarno Film Festival, dem Filmfestival Rom und dem Internationalen Filmfestival Warschau gezeigt, wo sein Film Yuri’s Day (Originaltitel: Yurev den) den Grand Prix erhielt.
2012 wurde Serebrennikow zum künstlerischen Leiter des Moskauer Avantgardetheaters Gogol-Zentrum ernannt. Seine Absicht, das Leben von Pjotr Iljitsch Tschaikowski zu verfilmen, scheiterte im Herbst 2013, da er keine ausreichende Finanzierung für die Dreharbeiten auf die Beine stellen konnte. Außerdem hatte der russische Kulturminister Wladimir Medinski gefordert, das Privatleben des Komponisten und seine „angebliche Homosexualität“ außen vor zu lassen.[1] Laut dem staatlichen Kinofonds habe das Projekt kein kommerzielles Potential. Es verlor auch andere Sponsoren, die sich an einem „skandalösen“ Film nicht beteiligen wollten.[2]
2017 erarbeitete er am Bolschoi-Theater gemeinsam mit dem Choreographen Juri Possochow ein Ballett über die Persönlichkeit von Rudolf Nurejew.[3] Die Premiere musste wegen Protesten der Russisch-orthodoxen Kirche verschoben werden; sie kam im Dezember 2017 zustande, allerdings ohne Serebrennikow, der zu diesem Zeitpunkt bereits unter Hausarrest stand.[4]
2018 kam sein Spielfilm Leto (Sommer) über den Beginn der Karriere des Rockmusikers und Dichters Wiktor Zoi in die Kinos. Bei den Filmfestspielen von Cannes wurde er für den Soundtrack ausgezeichnet.[5] Ende 2018 wurde sein Revolutionsstück Barokko in Moskau uraufgeführt.[6]
Vorwürfe, Verfolgungsakte
Im Mai 2017 wurden die Wohnung von Serebrennikow und das Gogol-Zentrum von den Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit angeblichen Veruntreuungen im Siebten Studio, der gemeinnützigen Organisation von Serebrennikow, durchsucht. Unter anderem haben Wladimir Urin und Jewgeni Mironow in einem offenen Brief, der Wladimir Putin überreicht wurde, ihre Unterstützung für Serebrennikow ausgesprochen. Im Juni 2017 rief Serebrennikow gar das Publikum auf zu bestätigen, dass es das Stück Ein Sommernachtstraum gesehen hatte; dies, um dem irrsinigen Vorwurf eines staatlichen Komitees zu entkräften, er habe den für diese Produktion bewilligten Beitrag im Umfang von 68 Millionen Rubel unterschlagen.[7][8]
Serebrennikow wurde am 22. August 2017 in Russland festgenommen, nachdem zuvor bereits sein Pass eingezogen worden war.[9]
Eine von Thomas Ostermeier und Marius von Mayenburg initiierte und an Bundeskanzlerin Angela Merkel adressierte Protesterklärung, in der diese die Rücknahme der Maßnahmen gegen Serebrennikow fordern, wurde von vielen Kulturschaffenden unterzeichnet. Unter den mit Serebrennikow solidarischen Künstlern befinden sich neben der Hollywood-Schauspielerin Cate Blanchett, dem Regisseur Volker Schlöndorff und dem russisch-deutschen Pianisten Igor Levit auch die österreichische Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek[10] sowie die deutsche Schauspielerin Nina Hoss. Die Initiatoren riefen Bürger auf, die Erklärung zu unterschreiben.[11]
Leonid Nikitinsky interpretierte im Oktober 2017 Äußerungen Putins als Hinweis, dass in diesem Falle wohl ein Exempel statuiert werden solle.[12] Marius Ivaškevičius berichtete Anfang Dezember 2017 von der offensichtlich wegen Serebrennikows Abführung zum Verhör um Monate verspäteten Premiere von Serebrennikows „Nurejew“ am Bolschoi-Theater sowie von der Zwischenverhandlung vor Gericht. Wenige Tage vor der Berufungsverhandlung starb Serebrennikows Mutter. Serebrennikow wurde es nur erlaubt, die Urne mit ihrer Asche zu sehen.[13]
Die Staatsanwaltschaft in Moskau forderte am 22. Juni 2020 wegen Veruntreuung der staatlichen Gelder sechs Jahre Lagerhaft und 800.000 Rubel (rund 10.300 Euro) Geldstrafe für Serebrennikow.[14] Am 26. Juni 2020 wurde er in der Sache schuldig gesprochen und zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.[15][16]
Fortsetzung der künstlerischen Arbeit
2018 gelang es dem Zürcher Opernhaus, eine Aufführung von Mozarts Oper Così fan tutte unter der Regie Serebrennikows herauszubringen, obwohl dieser in Russland im Gefängnis saß. Vorarbeiten dazu hatte Serebrennikow schon 2016 gemacht. Sein Regieassistent Jewgeni Kulagin fungierte als Coregisseur und war Mittelsmann zwischen Zürich und Serebrennikow. Mit Videoaufzeichnungen konnte Serebrennikow Änderungswünsche bei der Erarbeitung der Inszenierung einbringen.[17] Im April 2021 präsentierte die Wiener Staatsoper seine düstere Deutung des Wagner'schen Bühnenweihfestspiels Parsifal, dessen erster Akt in einem russischen Gefängnis angesiedelt war. Die Inszenierung wurde mittels Video-Konferenz-Schaltungen erarbeitet. Die Premiere wurde zwar vom ORF aufgezeichnet und ausgestrahlt, sie fand jedoch COVID-19-bedingt ohne Publikum statt. Die Presse lobte insbesondere die Interpretation der Kundry durch Elīna Garanča und das Dirigat von Philippe Jordan, des neuen Musikdirektors der Staatsoper.[18][19]
Im Oktober 2021 wurde sein im Hausarrest entstandenes Theaterstück Outside an der Berliner Schaubühne gezeigt, darin verknüpft er die eigenen Erfahrungen der Repression mit den Erfahrungen des chinesischen Fotografen Ren Hang. Ebenfalls im Oktober 2021 führte er per Videoschaltung und Zoom Regie für die Inszenierung von Schostakowitschs Oper Die Nase an der Bayerischen Staatsoper.[20]
Im Jahr 2021 wurde er mit seinem Spielfilm Petrov’s Flu zum zweiten Mal in den Wettbewerb um die Goldene Palme des Filmfestivals von Cannes eingeladen.
Filmografie
- 2021: Petrov’s Flu
Siehe auch
Auszeichnungen
- 2017 Europäischer Theaterpreis für Neue Realitäten[21]
- 2018 Filmfestspiele von Cannes für die Filmmusik seines Spielfilm „Leto“
- 2019 Rolf-Mares-Preis für Nabucco an der Staatsoper Hamburg
Weblinks
- Kirill Semjonowitsch Serebrennikow in der Internet Movie Database (englisch)
- Olga Prodan: Prominent Russians: Kirill Serebrennikov. In: rt.com
- Maria Stepanova, Olga Radetzkaja (Übersetzung): Wie von unsichtbarer Hand. In: Republik.ch vom 27. Oktober 2018
Fußnoten
- ↑ Homophobie in Russland: Kreml will Tschaikowsky-Film zensieren. In: Spiegel-Online. 19. September 2013. Abgerufen am 19. Oktober 2013.
- ↑ Bernd Großheim: Debatte über Filmprojekt zu Tschaikowsky: Russlands Angst vor dem „Skandalösen“. In: tagesschau.de. 1. Oktober 2013. Archiviert vom Original am 4. Oktober 2013. Abgerufen am 19. Oktober 2013.
- ↑ Bolschoi-Chef verteidigt Absetzung von „Nurejew“-Ballett. In: der Standard.at. 11. Juli 2017. Abgerufen am 22. August 2017.
- ↑ Skandal-Premiere „Nurejew“ im Bolschoi-Theater in Moskau. In: Deutsche Welle. 9. Dezember 2017.
- ↑ Brigitte Baronnet: Cannes 2018: Leto récompensé pour sa musique par le prix Cannes Soundtrack. In: allocine.fr, 19. Mai 2018.
- ↑ Kerstin Holm: Lasst Polizisten singen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. Mai 2019, S. 9.
- ↑ Regisseur Serebrennikow bittet Publikum um Hilfe gegen Behörden. In: aargauerzeitung.ch. 22. Juni 2017.
- ↑ Wolfgang Höbel: Mit Cate Blanchett und Nina Hoss gegen Putins Justiz. In: SPON. 27. August 2017, abgerufen am 26. Juni 2020.
- ↑ Leiter des Gogol-Theaters festgenommen In: Zeit Online. 22. August 2017. Abgerufen am 23. August 2017.
- ↑ Elfriede Jelinek unterzeichnete Petition für Serebrennikow. In: orf.at. 28. August 2017, abgerufen am 26. Juni 2020.
- ↑ Online-Petition. Abgerufen am 4. September 2017.
- ↑ Leonid Nikitinsky: Mit Putin unterwegs. In: Nowaja Gaseta. 31. Oktober 2017.
- ↑ Marius Ivaskevicius: Serebrennikow vor Gericht. Moskaus Glanz und Schrecken. In: FAZ. 7. April 2018.
- ↑ Lange Haft für Kirill Serebrennikow gefordert. In: Deutsche Welle. 22. Juni 2020.
- ↑ Russland: Bewährungsstrafe für Starregisseur Serebrennikow. In: spiegel.de. Abgerufen am 26. Juni 2020.
- ↑ Russischer Regisseur Serebrennikow wegen Veruntreuung zu Bewährungsstrafe verurteilt. In: de.sputniknews.com. 26. Juni 2020, abgerufen am 26. Juni 2020.
- ↑ Christian Wildhagen: Interview. «Wir können Serebrennikow jetzt nicht hängenlassen». In: NZZ. 2. November 2018.
- ↑ ORF: Aus der Wiener Staatsoper - Richard Wagner: "Parsifal", 17. April 2021
- ↑ Salzburger Nachrichten: "Parsifal" an der Wiener Staatsoper: Im Totenhaus fällt das Mitleid schwer, 18. April 2021
- ↑ Süddeutsche Zeitung, 23./24. Oktober 2021, Seite 17.
- ↑ Europäischer Theaterpreis an Isabelle Huppert und Jeremy Iron. In: Der Standard. 27. Oktober 2017, abgerufen am 29. November 2017.
Personendaten | |
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NAME | Serebrennikow, Kirill Semjonowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Серебренников, Кирилл Семёнович (russisch) |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Theater-, Opern- und Filmregisseur |
GEBURTSDATUM | 7. September 1969 |
GEBURTSORT | Rostow am Don, Sowjetunion |
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