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Oration
Eine Oration (von lateinisch orare, sprechen, predigen, verkündigen, beten - os, der Mund) ist eine geprägte Form eines Gebetes in der christlichen Liturgie.
Herkunft
Orationen im christlichen Gottesdienst sind in schriftlicher Form seit dem 7./8. Jahrhundert überliefert, mündlich dürften sie mindestens bis ins 4./5. Jahrhundert zurückgehen. Sie zeichnen sich aus durch eine minimalistisch-klassische Form von klarer Prägnanz und Einprägsamkeit, die auf lange tradierter lateinisch-römischer Rhetorik basiert.[1]
Form
Funktion | lateinisch | deutsch | Textbeispiel[2] |
---|---|---|---|
Gebetseinladung | Oremus. | Lasset uns beten. | |
Gottesanrede, oft mit einem Adjektiv |
(Omnipotens/sempiterne) Deus | (Allmächtiger/ewiger) Gott | Allmächtiger Gott und Vater, |
Prädikation als Preis Gottes (appositioneller Zusatz oder angeschlossener Relativsatz) |
qui… | der du… | du hast deinen Sohn zum Licht der Welt gemacht: |
Bitte | praesta/quaesumus/concede/da/adesto o. ä. | gewähre uns/wir bitten dich/gib, dass/hilf… | Wir bitten dich, erfülle den ganzen Erdkreis mit dem Glanz, der von ihm ausgeht, |
Folgesatz Inhaltliche Formulierung des Wunsches |
ut… | damit/dass… | damit alle Menschen deine Herrlichkeit erfahren. |
Konklusion Schlussformel |
Per Dominum nostrum Jesum Christum… | Durch unseren Herrn Jesus Christus | Durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. |
Akklamation der Gemeinde | Amen. |
Diese Vollform wird nicht immer durchgehalten. Viele Orationen gehen von der Gottesanrede direkt zur Gebetsbitte über.
In der Liturgie folgt nach der Gebetseinladung eine Gebetspause: „In einer kurzen gemeinsamen Stille soll sich jeder auf die Gegenwart Gottes besinnen und sein eigenes Gebet im Herzen formen.“ [3] Die Oration richtet sich fast immer an Gott, den Vater. Auf die Gottesanrede folgt die preisende Erwähnung einer Heilstat oder Eigenschaft Gottes. An Fest- und Gedenktagen wird hier der Festinhalt zur Sprache gebracht. Die abschließende Konklusion in Form einer Doxologie kann länger oder kürzer sein. Sie spricht immer von Jesus Christus als Mittler des Gebetes, häufig wird auch der Heilige Geist genannt (in unitate Spiritus Sancti, in der Einheit des Heiligen Geistes). Mit dem abschließenden „Amen“ bekräftigt die gesamte Gemeinde das Gebet. Auch wenn Orationen vom Vorsteher der Liturgie gesungen oder gesprochen werden, haben sie mit der Einbeziehung der gemeinsamen Stille und der Amen-Akklamation eine dialogische Struktur.[4]
Orationen im Gottesdienst
Heilige Messe und Abendmahl
Die Orationen gehören zum Proprium, den wechselnden Teilen des Gottesdienstes, und richten ihre Thematik am Kirchenjahr aus. Für alle Sonntage, Fest- und Gedenktage sind feststehende Orationen vorgesehen, ebenso für viele Werktage in den „geprägten Zeiten“ (siehe Kirchenjahr). Für andere Tage und Anlässe gibt es Auswahlmöglichkeiten.
Der Vortrag der Orationen in der Heiligen Messe sind wie das Hochgebet als Amtsgebet („Präsidialgebet“ oder „Vorstehergebet“) dem Hauptzelebranten vorbehalten. Die Amtsgebete werden stehend mit ausgebreiteten Armen (in Orantenhaltung) gesungen oder gesprochen.
In der Heiligen Messe stehen drei Orationen jeweils am Ende eines Abschnitts der Liturgie:
- Das Tagesgebet schließt den Eröffnungsteil ab, dem der Wortgottesdienst folgt. Weil das Tagesgebet die stillen Gebete der Mitfeiernden sammelt (von lateinisch colligere, sammeln) und bündelt, heißt es auch Collecta oder Kollektengebet (nicht zu verwechseln mit der Kollekte, der Geldsammlung im Gottesdienst).
- Das Gabengebet (Oratio super oblata, Gebet über die Opfergaben) beschließt die Bereitung der Gaben von Brot und Wein und leitet über zum Hochgebet, beginnend mit der Präfation. Die frühere Bezeichnung war „Stillgebet“ oder „Secreta“, weil der Priester es still betete oder – in einer älteren Deutung der Bezeichnung – weil es die „Oratio super (oblata) secreta“, „das Gebet über die abgesonderten Gaben“ von Brot und Wein war, nämlich die aus der Gesamtheit der gespendeten Gaben die für die Eucharistie ausgewählten.
- Das Gebet nach der Kommunion (Postcommunio, auch Schlussgebet) und vor dem Entlassungsritus mit dem Segen und der Sendung fasst den Dank für die empfangene Eucharistie mit der Bitte zusammen, „dass die Feier des Mysteriums Frucht bringe.“[5]
Die Fürbitten werden ebenfalls vom Liturgen mit einer Oration abgeschlossen.[6] In der altkirchlichen Fürbittpraxis der Großen Fürbitten (lat. orationes sollemnes) folgte auf die einzelnen Anliegen nach einem Moment der Stille je eine eigene Oration. Diese Form ist heute nur noch in der Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag erhalten.
Die Agenda des evangelischen Gottesdienstes sieht nahezu immer eine Oration als Tagesgebet vor, auch die abschließenden Fürbitten enden mit einer Oration. Wird das Abendmahl gespendet, steht oft zwischen der Vorbereitung der Gaben und dem Sanctus ein entsprechendes Gebet.[7]
Stundengebet und andere Gottesdienste
Die Gebetszeiten des Stundengebets werden jeweils von einer Oration abgeschlossen. Beim gemeinschaftlichen Chorgebet spricht sie der Hebdomadar (ohne Lasset uns beten). Die Oration in Matutin, Laudes und Vesper ist mit dem Tagesgebet der Heiligen Messe identisch.
Nach altkirchlicher Tradition hatten in vigilartigen Gottesdiensten Orationen ihren Platz jeweils nach einer Lesung und dem darauf folgenden Antwortpsalm. Diese Struktur hat sich in den Großen Fürbitten am Karfreitag und im Wortgottesdienst der Osternacht erhalten.
Auch Wort-Gottes-Feiern, Litaneien, Segnungen und Weihen schließen mit einer Oration ab, außerdem Gebete wie der Engel des Herrn oder das Te Deum. Beim sakramentalen Segen folgt auf das Tantum ergo als Oration das Tagesgebet des Fronleichnamsfestes. Der Oration geht dabei ein Versikel voraus.
Weblinks
- Schott-Messbuch (sämtliche Tagesgebete)
Einzelnachweise
- ↑ Johannes H. Emminghaus: Die Messe. Wesen - Gestalt - Vollzug, Leipzig (St. Benno-Verlag) 1980
- ↑ vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch, S. 528
- ↑ Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch, 23 [1]
- ↑ Jo Hermans: Die Feier der Eucharistie. Erklärung und spirituelle Erschließung, Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0767-1, S. 142
- ↑ Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch., 56 [2]
- ↑ Jo Hermans: Die Feier der Eucharistie. Erklärung und spirituelle Erschließung. Regensburg 1984, ISBN 3-7917-0767-1, S. 205.
- ↑ Evangelisches Gesangbuch S. 1236f
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